Bürgerversicherung: Gefährlicher Populismus.

Die Bürgerversicherung, die SPD, Grüne und die Linke in den jeweiligen Wahlprogrammen aufgenommen haben, bedeutet faktisch die Abschaffung der privaten Krankenversicherungsleistungen. Dabei scheint es im wesentlichen um eine Gleichschaltung aller Versicherten zu gehen: Alle sollen aus Gründen der Gleichbehandlung Leistungen nach dem Modell “gesetzliche Krankenversicherung” erhalten. Die Konsequenz, die die Parteien dabei nicht erwähnen, ist der finanzielle Aderlass des Gesundheitssystems.

Immerhin bezahlen die privaten Krankenversicherungen (PKV) mehr Geld für die Leistungen als die GKV. Ob dieser Umstand für den Einzelnen Patienten ein Vorteil bedeutet, darf hinterfragt werden: In der Bundesrepublik ist die Gesundheitsfürsorge für Selbstzahler nur marginal anders und nicht nachvollziehbar besser, als für gesetzlich Versicherte. Die Errungenschaften der modernen Medizin sind für alle verfügbar und bezahlbar geworden; eine echte “Zweiklassenmedizin” gibt es in Deutschland keineswegs. Das Hauptargument der Grünen, das die Klassenunterschiede beweisen soll macht das auch deutlich: Wartezeiten seien für Selbstzahler deutlich kürzer.

In der Tat laufen Privatpatienten Gefahr, dass die behandelnden Ärzte sie aufgrund der etwas besseren Vergütungsbedingungen gerne an sich binden; sie häufig sehen wollen und nicht gerne lange warten lassen. Im Endeffekt ist das, genau wie die “Chefarztbehandlung” im Krankenhaus eher ein Risiko als ein Vorteil. Am sichersten fährt man als Patient, wenn man als Routinefall behandelt wird. Jedes Abweichen vom Üblichen bedeutet ein zusätzliches Risiko und meist kein Vorteil. Nachvollziehbar ist dennoch, dass der GKV-Patient die längeren Wartezeiten und “andere Therapieentscheidungen” (Bündnis 90 die Grüne) als Benachteiligung erlebt und vermutet, dass die Privatversicherten wesentliche Vorteile haben.

Dieser Unmut ist es, und nicht ein objektivierbarer Missstand, den sich die Parteien zu Nutze machen. So kann man sich als Drachentöter der Zweiklassenmedizin profilieren, und Gleichheit bei den Wartezeiten erringen. Dass dieser Handstreich auch Einiges kostet, wird dabei ausgespart. Die SPD verspricht, dass die Bürgerversicherung insgesamt nicht zu weniger Mitteln für die ambulante Versorgung führen soll. Interessant, aber eine Frage drängt sich auf: Wie denn?  Wenn die private Gebührenordnung (GOÄ) abgeschafft wird und einheitlich ein Sachleistungsprinzip eingeführt ist, dann werden doch wohl alle den (niedrigeren) Tarif der gesetzlichen Krankenverischerungen (EBM) hantieren?

Um das Versprechen der SPD einzulösen gibt es nur zwei mögliche Wege:

  • Alle GKV-Tarife steigen, was den Beitragssatz um mehr als einen Prozentpunkt ansteigen lassen dürfte, oder
  • man nimmt in Kauf, dass die Leistungserbringer im Gesundheitswesen diese Zeche zahlen.

Die erste Variante riecht zu sehr nach politischem Suizid, um sie ernsthaft in Betracht zu ziehen. Es bleibt also an den Ärzten, Physiotherapeuten, orthopädischen Schuhmachern und anderen Leistungserbringern hängen. Der Verband der Privatärztlichen Verrechnungsstellen (PVS) berechnet Erlöseinbußen für niedergelassene Ärzte von bis zu 40%, durchschnittlich dürften es ca. 20% sein. Solch gravierende Einkommensverluste billigend in Kauf zu nehmen ist fahrlässig; das Gefüge der ambulanten und auch der stationären Versorgung kann dadurch erheblich aus dem Gleichgewicht geraten. Hinzu kommt, dass die Machtsposition der gesetzlichen Kassen durch die willkommene Ausschaltung des “Konkurrenzsystems” gestärkt wird, was Willkür bei der Beitragsgestaltung und Bürokratie in der Organisation weiteren Vorschub leisten dürfte.

Unter dem Strich ist die Bürgerversicherung eine Initiative, die auf den ersten Blick wie ein Akt der Gerechtigkeit daher kommt, in Wahrheit aber ein populistisches Manöver ist, bei dem mit einer Kanone auf  die Mücke der ungleichen Wartezeiten geschossen werden soll. Hoffentlich müssen wir die Flurschäden, die das anrichten könnte, nicht wirklich erleben!

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