Palliativmedizin und obere Grenzverweildauer

Quelle: InEK 2013

Quelle: InEK 2013

Prof. Weber aus Mainz hat einen lesenswerten Artikel im Deustchen Ärzteblatt über die Palliativmedizin geschrieben.

Im Wesentlichen stellt er die Frage, ob das G-DRG-System geeignet ist, die Behandlung sterbender Menschen angemessen abzubilden. “Sind untere, mittlere und obere Verweildauer ein angemessener Maßstab, wenn es um das Sterben in Würde geht? Ist für die Vergütung der Leistungen auf Palliativstationen ein Entgeltsystem erstrebenswert, das letztlich durch Wettbewerb Effizienzreserven freisetzen soll?

In der Tat ist eine solche Frage mehr als gerechtfertigt. Die Palliativmedizin ist seit Jahren ein Thema bei den Vorträgen von InEK (Abbildung): Die Zahl abgerechneter Fälle steigt rasant. Diese Entwicklung ist politisch gewollt: Die Rahmenbedingungen der Betreuung sterbender Menschen sollen so verbessert werden, dass der Ruf nach Sterbehilfe mehr in den Hintergrund tritt.

Die Abbildung über Zusatzentgelte (2014 wird die spezialisierte Komplexbehandlung 8-98e erstmals erlösrelevant), die über Behandlungstage gestaffelt werden, führt mit schlafwandlerischer Sicherheit zu entsprechenden MDK-Prüfungen. Schon jetzt werden Krankenhäuser durch die Kostenträger auch bei der Palliativmedizin wirtschaftlich unter Druck gesetzt, indem die “medizinisch erforderliche” Verweildauer geprüft wird. Dass solche Prüfungen beim sterbenden Patienten sehr schnell zu inhumanen Überlegungen und Entscheidungen führen können, hat der unrühmliche “Emdener Fall” beim Sozialgericht schon bewiesen.

Die Palliativmedizin ist also geeignet, die skurrile Ausgestaltung der Rechnungsprüfungen im Krankenhaus zu überspitzen und absurde Ergebnisse zu produzieren. Um ihr Ansehen in der Öffentlichkeit nicht zu schaden, wäre die Kostenträgerseite gut beraten, sich diesen Bereich mit großer Vorsicht zu nähern. Allerdings muss man sich darüber hinaus fragen, warum eigentlich Palliativmedizin anders behandelt werden soll als die “normale” kurative Medizin. Ist da die Verweildauer denn eher ein angemessener Maßstab? Und ist die Freisetzung von Effizienzreserven dort das richtige Ziel einer Behandlungssteuerung?

Die Gegnerschaft zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen als Nebenprodukt des G-DRG-Systems ist sicherlich nicht effizient oder human. In der jetzigen Form ist sie auch durchaus vermeidbar; es gibt Alternativen. Der Streit lenkt von den Interessen unserer Versicherten/Patienten ab und das ist fatal. Aber es wird so lange keine Lösungen geben, bis entweder die Politik die Entscheidungen über die Verteilung der “Gesundheitsfinanzen” selbst trifft und nicht mehr abschiebt, oder bis die Selbstverwaltung endlich den überfälligen konstruktiven Kurs einschlagen möchte.

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