Tagesfall stationär oder nicht?
Das Bundessozialgericht hat die Urteilsbegründung zum Urteil B 3 KR 34/12 vom 19.09.2013 publiziert. Es geht dabei um kurze Behandlungen (Tagesfall) im Krankenhaus und um die Frage, was eine stationäre Behandlung eigentlich ausmacht.
Der Fall
Eine junge Frau wurde im März 2010 wegen Symptome einer Gastro-Enteritis zur Notaufnahme gebracht. Als sie wieder entlassen werden sollte, zeigte sich eine Kreislaufdysregulation (Volumenmangel) und die Patientin wurde aufgrund dessen um 20:38 Uhr stationär aufgenommen. Am nächsten Tag hatte sich die Situation wieder stabilisiert und die Patientin wurde um 12:28 Uhr entlassen. Administrative Verweildauer: 15 Stunden und 50 Minuten.
Die Kasse verweigert die Bezahlung, weil es sich um eine ambulante Behandlung gehandelt haben soll, der MDK wird nicht eingeschaltet.
Das Urteil
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Der dritte Senat sieht das Krankenhaus in diesem Fall im Recht: Es handelte sich um eine stationäre Behandlung. Da der MDK nicht rechtzeitig beauftragt wurde, ist eine inhaltliche Prüfung der Notwendigkeit nicht (mehr) möglich. Das Gericht definiert erneut ausführlich eine stationäre Behandlung in Zusammenhang mit der Problematik „Tagesfall“ / kurze Behandlungsdauer.
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Was ist eine stationäre Behandlung?
Die Bundesregierung ist ermächtigt, die Abgrenzung stationär / vor- und nachstationär / ambulant vorzunehmen (§16 KHG). Dieses Recht übt sie jedoch nicht aus. Daher bleibt es den Gerichten überlassen, Definitionen zu formulieren.
- In erster Linie ist eine vollstationäre Behandlung durch die geplante Dauer gekennzeichnet: „Stationär“ heißt, dass ein ununterbrochener Aufenthalt von mindestens einem Tag und einer Nacht (= 24 Stunden) geplant wurde. Dabei beruft sich das Gericht auf das so genannte „Weisheitszahnurteil“ aus 2004.
- „Aufnahme“ in das Krankenhaus ist die „physische und organisatorische Eingliederung des Patienten in das spezifische Versorgungssystem des Krankenhauses„. Dieser Text stammt aus der amtlichen Begründung für das Gesundheitsstrukturgesetz (Seite 82) und wird vom Gericht interpretiert:
- Die folgenden Merkmale bedeuten noch nicht automatisch eine vollstationäre Behandlung: Unterschrift eines Behandlungsvertrages, Unterkunft und Verpflegung, Durchführung einer Vollnarkose, einer Operation oder einer postoperativen Überwachung.
- Das „spezifische Versorgungssystem des Krankenhauses“ ist besonders auf Patienten ausgerichtet, die eine länger dauernde Behandlung erfordern. Daher wird es in Anspruch genommen, wenn die Behandlung länger als einen Tag und eine Nacht dauern soll (siehe Punkt 1). Dabei kommt es nicht auf die tatsächliche Verweildauer, sondern zunächst nur auf die Absicht / Planung des Krankenhausarztes bei Aufnahme an.
- Eine „Eingliederung“ in diesem Versorgungssystem mit einer geplanten längeren Verweildauer wird in der Regel dokumentiert durch: Die Zuweisung eines Bettes auf einer bestimmten Station, die Erstellung von Aufnahmeunterlagen und ähnlich.
- Auch die Erbringung einer Fallpauschale, die die exakt für die Behandlung an nur einem Behandlungstag kalkuliert wurde, ist eine vollstationäre Behandlung.
- Darüber hinaus gibt es noch weitere Fälle vollstationärer Behandlung, die Liste ist also nicht abschließend.
Das Gericht benennt dann auch noch die „abgebrochene“ stationäre Behandlung, die nicht „rückwirkend“ zu einer ambulanten oder teilstationären Behandlung werden kann:
- Selbstentlassung gegen ärztlichen Rat, oder
- die Entlassung / Verlegung ist wegen einer veränderten medizinischen Situation möglich geworden.
Wie mit einem Tagesfall umgehen?
Tatsächlich scheint das BSG jetzt auf einen Aufenthalt von 24 Stunden aufzusetzen („mindestens einen Tag und eine Nacht„). Im Präzedenzfall aus 2004 (B 3 KR 04/03 R) reichte es noch, wenn die Nacht vor oder die Nacht nach dem Eingriff im Krankenhaus verbracht wurde. Sie tun also gut daran, einen Aufenthalt erst ab 24 Stunden Dauer als sicher stationär zu betrachten. Wenn Sie diese Dauer nicht erreichen:
- Die geplante Behandlungsdauer sollte > 24 Stunden gewesen sein (voraussichtliches Entlassdatum in der Aufnahmeanzeige nach §301?, ärztliche Dokumentation der Aufnahmeindikation?) und
- der Patient sollte im Versorgungssystem eingebunden gewesen sein: Aufnahme auf einer Station, die nicht als Tagesklinik, Notaufnahme o. ä. dient (optimal: Intensivstation!) und eine stationäre Dokumentation sollte angelegt und auch ausgefüllt sein (ärztliche und pflegerische Aufnahme, Verordnungsplan, Fieberkurve).
Wenn der Aufenthalt ungeplant kürzer ausfiel als 24 Stunden und der Patient im Versorgungssystem eingebunden war, kann nicht zurückblickend aus einer stationären Behandlung wieder eine teilstationäre oder ambulante Behandlung gemacht werden. Solche Umstände sind zum Beispiel:
- Selbstentlassung gegen ärztlichen Rat.
- Eine veränderte medizinische Situation, die eine Entlassung rechtfertigt.
- Der Patient verstirbt im Laufe des Aufenthaltes.
- Der Patient verstirbt noch in der Notaufnahme nach einer intensivmedizinischen Behandlung (etwa: Beatmung, Reanimation, Traumabehandlung). Siehe dazu auch B 3 KR 17/06 vom 28.02.2007 zur Frage einer ambulanten intensivmedizinischen Behandlung und SG Leipzig S 8 KR 310/05 zur Reanimation nach einem Herzinfarkt.
- Ein schwer kranker Patient wird, nach einer intensiven Behandlungsphase zur Stabilisierung, zur weiteren Behandlung verlegt. Dieser letzte Punkt könnte noch Streitpotential enthalten, weil hier die Behandlungsplanung typischerweise die Verlegung schon berücksichtigt haben wird. Das BSG hat aber einen solchen Fall noch nicht beurteilt. Wir dürfen noch hoffen.
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