PKMS vor dem Aus?

Eine Beteiligung an der weiteren Ausgestaltung des Pflegekomplexmaßnahmen-Scores für Erwachsene wird seitens des Deutschen Pflegerates nicht mehr stattfinden“. So lautet das Fazit von Andreas Westerfellhaus, Präsident des Deutschen Pflegerates (DPR) in einer Pressemitteilung. Beleidigt, so ist auch die Tonlage der gesamten Erklärung. Trotz Beratungsterminen mit DIMDI und InEK habe man nicht genug auf den Pflegerat gehört. Stattdessen wurde Kontakt zu anderen Gesprächspartnern gesucht, die nicht vom Pflegerat autorisiert gewesen seien. Steht der PKMS vor dem Aus?

Maßlosigkeit

Seit Anfang der Diskussion über das G-DRG-System 1999/2000 gab es immer wieder Wortmeldungen von Vertretern der Krankenpflegeberufe, die eine angemessene Berücksichtigung des Pflegeaufwands anmahnten. Beflügelt wurden diese Bemühungen vom Pflegestellenförderprogramm, das abseits der Grenzen der DRG-Vergütung Geld für die Schaffung von Arbeitsplätzen in der Krankenpflege verteilen sollte. Um eine Verteilung schlicht nach Pflegetagen abzulösen, wurde der PKMS erdacht. Hoch aufwendige Pflege sollte mittels eines Scores gewertet und vergütet werden. Gleichzeitig war der Score als weitere Differenzierung der DRG-Vergütung gedacht.

Ein Raunen ging durch die Menge, als der Pflegerat sein Produkt vorstellte. Wo die Beschreibung einer “normalen” Komplexbehandlung mit bis zu einer ganzen Seite im Katalog (OPS) schon Kopfschütteln auslöste, hatte der Pflegerat eine völlig neue Dimension der Maßlosigkeit geschaffen. 26 Seiten lang ist die Beschreibung / Anleitung für die Dokumentation und Verschlüsselung des Pflegescores. Im Jahr 2012 wurde das Instrument erstmals ins DRG-System eingebaut und sorgt seitdem für verzweifelte Blicke. Die “korrekte” Dokumentation ist genau so hoch aufwendig, wie die Pflege, die damit beschrieben werden soll.

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Die Krankenhäuser (insbesondere die Pflegenden in den Krankenhäusern) bemühten sich, mit dem sperrigen Instrument zurecht zu kommen; der MDK musste zur Prüfung der korrekten Dokumentation erst neue Strukturen schaffen. Währenddessen verteidigt der Pflegerat, oft in der Person von Frau Prof. Bienstein, die PKMS wie eine Art Heilslehre gegen jede Kritik. Klagen über die Komplexität werden als unbegründet abgetan: Es gehe nur so.

Immer wieder hört man dabei das Credo, dass Pflege im DRG-System “endlich angemessen berücksichtigt” werden solle.  Es wird der Eindruck vermittelt, als würden die Pflegekosten im DRG-System nicht angemessen berücksichtigt. Auch im Koalitionsvertrag wird in diese Kerbe gehauen: Es soll gewährleistet werden, dass auf der Ebene der DRG-Kalkulation die Personalkosten, insbesondere die der Pflege, in ausreichender Höhe und Gewichtung berücksichtigt werden. Dass Kosten nicht nur berücksichtigt, sondern auch nocht gewichtet werden, ist mir neu.

Mit dieser Einschätzung ist der Pflegerat nicht allein: Eigentlich strebt jede medizinische Fachgesellschaft nach der Definition von immer mehr Komplexbehandlungen, um ihre speziellen Leistungen “endlich angemessen abzubilden”. Man denke beispielsweise an die Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls (6 OPS-Kodes) oder die geriatrische Komplexbehandlung (7 OPS-Kodes). Dabei ist das DRG-System eigentlich ein so genanntes Vollkostensytem, das alle Kosten bei der Kalkulation berücksichtigt. Daher sind alle Personalkosten für Pflege, Schlaganfallbehandlung oder geriatrische Behandlung schon immer in der Kalkulation enthalten gewesen.

Komplexbehandlungen erlauben nur eine genauere Zuordnung von Kosten innerhalb einer Fallgruppe. Das kann sinnvoll sein, sofern der Aufwand für die Dokumentation den Sinn der differenzierten Abbildung nicht ad Absurdum führt. Der Pflegekomplexmaßnahmenscore (PKMS) tut das aber, aus meiner Sicht.

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Und weiter?

Eifersüchtig wacht der Pflegerat aber über sein Kind und will keine Diskussion mit “nicht autorisierten Gesprächspartnern” zulassen; der DPR ist der Herr des Scores und möchte entsprechend hofiert werden. Der Pflegerat steigt also beim PKMS für Erwachsene aus. Bleiben die PKMS-J und PKMS-K. Noch!

Man darf gespannt sein, was jetzt mit dem PKMS passieren wird. Darauf zu hoffen, dass er insgesamt verschwindet, dürfte zu hoch gegriffen sein: Noch nie wurde im DRG-System eine einmal geschaffene Komplexität wieder abgeschafft. Dennoch: Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Foto: © Alexander Raths – Fotolia.com

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2 Kommentare
  1. F15.2
    F15.2 sagte:

    Mal ehrlich,

    das klingt an sich einfach nur nach “die blöde DIMDI und der blöde InEK lassen mich nicht mit ihrem Bagger spielen im Sandkasten”-Prinzip. Aber so hat man ja wenigstens die Schuld von sich geschoben und kann mit weißer Weste aus dem ganzen Schlamassel sich ziehen.

    Wenn man betrachtet wie oft in normalen Kliniken der PKMS-OPS überhaupt zur Anwendung kommt und wie im Artikel erwähnt die Pflege darunter “zu leiden” hat, dann kann man einfach nur mit dem Kopf schütteln.

    Dass die Kosten der Pflege ja so oder so in den Basisfallwert einfließen (mit zeitlicher Verzögerung) wird dabei ignoriert.

    Neben dem Bsp. Komplexschlaganfall-OPS will ich auch einmal auf den OPS 8-988 Spezielle Komplexbehandlung der Hand hinweisen, auch so ein sehr speziell zugeschnittenes Thema für (geschätzt) nur wenige Häuser in meinen Augen.

    Antworten
  2. E.H.
    E.H. sagte:

    So eindimensional kann man das Thema zwar sehen – aber es ist nicht angemessen.

    1. Die Abbildung der Pflege in den DRG gründet sich auf PPR-Minuten, in die Daten der 70er und 80er Jahre eingeflossen sind. Daß diese Zahlen mit dem heutigen Krankenhaus betrieb nicht viel zu tun haben, sollte klar sein.
    Zudem kann nicht einmal das InEK genau sagen, woher es die Berechnungsgrundlagen für die (angeblich adäquat) abgebildeten Pflegeminuten hat. Neuere Messungen liegen jedenfalls nicht vor.

    2. Seit Einführung des PKMS wurde der Pflegeminutenwert von 0,45€ auf 0,40€ gesenkt – für alle DRG, nicht nur für die PKMS-Bewertung. Da ein Abzug von mehr als 10% bei den Personalkosten nicht machbar ist, wird am Budget des Pflegedienstes gekürzt.

    3. Daß der DPR mit der Einführung des Konstruktes PKMS keine Meisterleistung geliefert hat, sehen die meisten Beteiligten realistisch, auch ich.
    Die Bemühungen, dessen handwerkliche Defizite auszugleichen wurden aber durch das extrem langwierige und aufwendige Vorschlagsverfahren konterkariert, in dessen Verlauf gerade die geforderten Vereinfachungen in der Systematik abgeschmettert wurden (siehe PKMS V 2.0) . Nach mehreren Jahren verstehe ich, daß man das nicht mehr möchte, weil es keine Aussicht auf Erfolg gibt.

    Insgesamt muß man festhalten, daß nicht allein der DPR, sondern auch die anderen Organe der Selbstverwaltung ein handwerklich dilletantisch ausgeführtes und mangelhaft auf Praktikabilität getestetes, unter extremem Zeitdruck geschaffenes Werkzeug eingeführt haben.

    Der Ansatz, pflegerische Leistungen genauer abzubilden und direkter zu vergüten, ist ein guter.
    Letztlich ist genau die Intransparenz in der DRG-Zuordnung der einzelnen Kostengruppen dafür verantwortlich, daß seit Jahren die Kostenverteilung im Krankenhaus vom Pflegedienst weg hin zu v.a. den ärztlichen Kollegen sich bewegt.

    Es sollte m.E. weniger darum gehen, wer hier schmollt oder wer Schuld hat.
    Wünschenswert wäre ein auf Bundesebene angesiedelter Auftrag, die Finanzierungsinstrumente für die pflegerische Versorgung im Krankenhaus neu und vor allem transparent zu gestalten.
    Dieser Auftrag müßte dann allerdings auch finanziell mitgetragen und unter weniger Zeitdruck umgesetzt werden. Ich bin ganz sicher: der DPR würde dabei nicht schmollen.

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