Bereinigung des Krankenhausmarktes

© aerogondo - Fotolia.comIn unserer Reihe Nachlese zum 13. DRG-Forum präsentieren wir heute eine Zusammenfassung des Workshops „Marktbereinigung“: Wie wollen wir Bettenkapazität streichen?

Bereinigung des Krankenhausmarktes: Offene Worte

Eins sei positiv angemerkt zum DRG-Forum: zum ersten Mal wurde das Thema “Überkapazitäten im Krankenhausbereich” offen diskutiert. Nicht nur die Kostenträgerseite und die Politik, sondern auch die Leistungserbringer stellten eine Überkapazität nicht mehr in Frage. Wir haben ein Problem und es ist endlich unstrittig erkannt. Problem erkannt, Problem gebannt? Das nun leider auch wieder nicht…

Das Thema ist ganz ein klar ein politisches: Es geht um Rationierung von Ressourcen; der super-regulierte Gesundheitsmarkt kennt keinen anderen regulierenden Mechanismus. Rationierung ist auch an sich kein böses Wort: Eine gute Rationierung ist die einzige Alternative zu einem wirklich freien Markt. Und keine Partei möchte freie Marktwirtschaft, wenn es um Gesundheit geht. Das wollen nur manche US Amerikaner, sonst keiner. Aber wir brauchen die Politik am Tisch, wenn wir darüber sprechen, sonst verkommt die Diskussion ganz schnell zu unverbindlichem Geplaudere.

Das war auch vorgesehen: Dr. Edgar Franke (SPD) stand auf dem Programm. Der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses wäre ein wichtiger Gesprächspartner gewesen. Leider kam er nicht. “Kurzfristig abgesagt” war eine Standardfloskel auf dem DRG-Forum. Keine Erklärung, keine Entschuldigung, kein Ersatz. Manchmal fühlt man sich als Besucher nicht besonders ernst genommen.

Die Hintergründe der Problematik

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Wir haben in früheren Publikationen schon dargelegt, dass die Bettendichte in Deutschland sehr hoch ist: Wir sind an der Stelle Europameister (s. Grafik der OECD – Quelle: Health at a glance 2013)Bettendichte 2011 - OECD Health at a glance, weltweit auf Platz 4, Tendenz fallend. Die OECD stellt fest, dass kein Land in der Welt so viele Daten über ihr Gesundheitswesen sammelt, wie Deutschland. Dennoch scheinen diese Daten kaum zur Steuerung der Gesundheitsleistungen eingesetzt zu werden. Die OECD warnt gleichzeitig vor der Steuerung über ein rein ökonomisches System (DRG-System), wie das in Deutschland (und nur hier) praktiziert wird.

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Lidl-Effekt

Dieser Hinweis wird anscheinend in der Gesundheitspolitik nicht sehr ernst genommen. Dabei sind die Folgen doch nicht zu übersehen: Das DRG-System unterfinanziert die Kliniken systematisch in der Absicht, dass sich der Markt dadurch von selbst bereinigt. So muss sich kein Politiker die Hände schmutzig (und sich selbst womöglich unbeliebt) machen.

Das klappt allerdings nicht so gut. Die Kliniken versuchen die Insolvenz abzuwenden, indem sie in die Menge gehen. Diesen “Lidl-Effekt” beschreibt Prof. Bruch in einem Interview in der Ärzte Zeitung sehr schön: Mit minimalen Deckungsbeiträgen kann man nur überleben, wenn man sehr viel verkauft. Diese Leistungsausweitung stößt (zu Recht)  auf Kritik und laut wird nach qualitätsorientierter Vergütung gerufen. Insbesondere die Krankenkassen verstehen sich darauf, die Bevölkerung mit Veröffentlichungen auf Stammtisch-Niveau zu verunsichern und die Diskussion so zu manipulieren.

Bereinigung des Krankenhausmarktes durch Qualität

Die Politik hat das Thema aufgegriffen: Im Koalitionsvertrag wird das Wort “Qualität” inflatorisch verwendet. Was das genau bedeutet, weiß eigentlich keiner, manchmal hat man den Eindruck, es gehe überwiegend um Wartezeiten bei Arztterminen. Lange Studien werden verfasst (z. B. von der Boston Consulting Group) und ein neues Qualitätsinstitut soll gegründet werden. Derweil streiten sich DKG und Spitzenverband der GKV darüber, wie Qualität (wenn wir sie denn irgendwann messen können) belohnt oder ihr Gegenteil bestraft werden sollen.

Alle suchen fleißig nach dem Stock, um den Krankenhäusern Manieren beizubringen und den Markt endlich zu “bereinigen”. Dabei wird vergessen warum es eigentlich geht: Wie viel Leistung / Geld brauchen wir, um unsere Patienten optimal zu versorgen? Gemeint ist ein optimales (nicht “maximales”) Patientenwohl bei akzeptablen Kosten. Das ist Rationierung und dafür brauchen wir eine konkrete und umsetzbare Vorgabe. Von der Politik. Dann entfällt endlich das unwürdige steuern durch ökonomische “Hundekämpfe”: Wer stark und aggressiv genug ist, überlebt.

Der Workshop im DRG-Forum

Drei Referenten sollten ihre Sicht der Dinge vortragen, während der vierte, Dr. Franke (SPD),  wie gesagt nicht erschienen war. Es trugen vor: Herr Dr. Leber (GKV-Spitzenverband, Abteilung Krankenhäuser), Martin Bosch (Katholischer Krankenhausverband Deutschlands) und Dr. Augurzky (RWI, Kompetenzbereich Gesundheit).

Herr Augurzky gab eine eher allgemein gehaltene Einleitung zum Thema. Er kritisierte die große Koalition, die ohne Not bei der Rente Geldgeschenke macht. Stattdessen sollte sie lieber die mittelfristige Zukunft des sozialen Sicherungssystems sichern.  Er stellte dar, dass die Krankenhäuser mangels Förderung durch die Länder unterkapitalisiert sind und dass insbesondere kleinere, wenig spezialisierte Häuser sich schwer tun. Große Verbunde schneiden dagegen besser ab. Er bricht eine Lanze für den Wettbewerb unter Krankenhäusern nach dem Motto: Konkurrenz belebt den Markt

Herr Bosch malt ein völlig anderes, mehr trotziges Bild. Eine Marktbereinigung wird es ihm zufolge nicht geben, weil die Rahmenbedingungen für Zusammenschlüsse (z. B. Förderung) nicht stimmig seien. Größere Verbunde sind laut Herrn Bosch kein Allheilmittel; es komme mehr auf das Portfolio an und weniger auf die Größe. Dann kam auch das Kulturargument, das von kirchlich gebundenen Krankenhäusern immer wieder gehört wird: Ein Zusammenschluss sei schwer vorstellbar, außer mit einem anderen katholischen Träger. Also “Weiter so”. Der Referent lässt uns etwas verwundert zurück. Meinte er alle katholischen Krankenhäuser, oder nur das JoHo Wiesbaden? Er ging nicht auf die Tatsache ein, dass laut Augurzky 50% der Krankenhäuser defizitär sind. Das wird auf die Dauer zu einer Marktbereinigung führen. Reicht da ein “Jeder für sich und Gott für uns alle”?

Herr Leber hatte eine wieder andere Sichtweise. Leider sind die Folien nicht publiziert worden, daher ist eine detaillierte Schilderung des Referats an dieser Stelle nicht möglich. Tenor des Vortrags war, dass die Überkapazitäten so groß sind, dass ein Ausscheiden einzelner Häuser die Versorgung insgesamt keineswegs gefährden könne.

Die nachfolgende Diskussion war zwar teilweise emotional (es wurde mehr Wertschätzung für die Leistungen der Krankenhäuser eingefordert) und deshalb interessant. Was allerdings fehlte war eine direkte Diskussion zwischen den Referenten und eine “bottom line”. Das machte die gesamte Veranstaltung recht brav, ergebnislos und leider etwas langweilig.

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