BSG drängt Krankenhäuser in die Ecke

Krankenhäuser in die EckeDie Krankenhäuser gewöhnen sich seit Jahren daran: Wenn das Bundessozialgericht mitredet, bekommen sie keine Stiche. Das gilt umso mehr, seit der dritte Senat, dessen Rechtsprechung unter kaum verhohlener Dauerkritik  des ersten Senats lag, von Prof. Wenner übernommen wurde. Letzteres geschah ohne Pressemitteilung, klammheimlich sozusagen. Auch beim Termin vom 14.10.2014 war das Endergebnis vernichtend: Krankenkassen 7 – Krankenhäuser 0. Viel sprechender als dieses Ergebnis sind jedoch die Forderungen, die das oberste Sozialgericht hier formuliert: Die Rechnung für eine geriatrische frührehabilitative Komplexbehandlung sei nicht fällig geworden, weil bei der Rechnungslegung keine Angaben zu den durchgeführten Leistungen zur medizinischen Rehabilitation” gemacht wurden.

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Die Fälle

Die Geriatrie im Altmarkklinikum Gardelegen bekam ein Problem mit der AOK Sachsen-Anhalt: Es gab nur eine Ärztin mit der erforderlichen Zusatzbezeichnung und diese macht ja manchmal auch Urlaub. Die AOK meinte, dass die Komplexbehandlung nur abrechnungsfähig sei, wenn die betreffende Ärztin während der ganzen Behandlung im Dienst war. Da die AOK augenscheinlich die Urlaubspläne der Klinik kannte, verweigerte die Kasse in einer Reihe von Fällen die Bezahlung. Vollständig. Schon das Sozialgericht Magdeburg hatte wenig Verständnis für die Argumente der Klinik, es standen die folgenden “Mängel” im Raum:

  • Es sei keine aktivierend-therapeutische Pflege erfolgt (Forderung aus dem OPS 8-550)
  • Die besagte leitende Ärztin sei zeitweise nicht im Dienst gewesen
  • Die bei der Abrechnung gemachten Angaben zu den durchgeführten Leistungen zur medizinischen Rehabilitation seien nicht ausreichend gewesen. Dadurch fing die Sechs-Wochen-Frist  gar nicht zu laufen an (Sie ahnen schon: Die Kasse war eigentlich zu spät mit ihrem Einwand)

Das SG erlaubte jedoch die Sprungrevision. Diese führt direkt zum Bundessozialgericht, ohne den “Umweg” über das Landessozialgericht. Allerdings litten die Fälle allesamt in Kassel Schiffbruch; der erste Senat übernahm laut Terminbericht die Argumente des SG Magdeburg nahezu unverändert (B 1 KR 25/13 RB 1 KR 26/13 R). 

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Zunächst ist zu hinterfragen, ob die Sprungrevision in diesem Falle eine kluge Entscheidung war: Das BSG befasst sich bekanntlich nicht mehr mit der Ermittlung des Sachverhaltes. Wenn das SG folgert, dass keine aktivierende Pflege erfolgt ist, dann ist die Sprungrevision quasi eine Bestätigung dieser Aussage durch das Krankenhaus. Wenn das Krankenhaus anderer Meinung ist, hätte es den Fall wohl besser dem LSG vorgelegt. Aber abgesehen davon wird die Einstellung des BSG zu den Krankenhäusern immer bedenklicher. Nicht oft, nicht vorschnell und vor allem nicht offen wird die oberste Gerichtsbarkeit kritisiert. Insbesondere die juristische Welt hält sich vornehm zurück und beschreibt das eine oder andere Urteil höchstens als “nicht überzeugend”. Aber langsam scheint sich die Stimmung zu ändern. Überraschend häufig verlieren die Krankenhäuser in Kassel Fälle, die in den Vorinstanzen zu ihren Gunsten ausgegangen waren. Vor kurzem gab es ein erstinstanzliches Urteil, das die Rechtsprechung des BSG im Leistungserbringerrecht als verfassungswidrig beschreibt. Der erste Senat halte sich nicht an die Gesetze, sondern schaffe ohne Not ihr eigenes Recht. Tatsächlich hat das Kasseler Gericht eine Reihe von Urteilen gesprochen, die einseitig die Position der Krankenhäuser schwächen, klare rechtliche Vorgaben verändern und teilweise sogar ins Gegenteil verkehren:

  • B 1 KR 1/10 R (2010): Wenn ein Kodierfehler vorliegt, der die Prüfung ausgelöst hat, wird keine Aufwandspauschale fällig. Auch nicht, wenn der Fehler keine Rechnungsminderung verursacht hat. Ein klarer Widerspruch zu § 275 Abs. 1c SGB V. Als Begründung liefert das Gericht allgemeine Prinzipien, die nach Meinung des Gerichts zu gelten haben. Das reicht um geltendes Recht außer Kraft zu setzen?
  • B 1 KR 2/12 R (2013): Die 5-Tagesfrist für vorstationäre Behandlungen (§ 115a SGB V) wird schlicht ignoriert. Mit einer völlig unverständlichen Begründung tilgt das Gericht auch diese Regelung. Im Ergebnis gibt es de facto keine abrechenbare vorstationäre Behandlung mehr, wenn irgendwann später eine stationäre Aufnahme erfolgt.
  • B 1 KR 48/12 (2014): Wenn sie das will, kann eine Kasse auch vier Jahre nach der Rechnungslegung noch auf eine Prüfung bestehen. Hier greift auch der Einwand der Verfassungswidrigkeit (s. oben).
  • B 1 KR 51/12 R (2013): Leistungen die während einer nachstationären Behandlung erbracht werden dürfen nicht die Fallpauschale beeinflussen. Ein klarer Widerspruch zur Fallpauschalenvereinbarung, die vom Gericht zu keiner Zeit auch nur erwähnt wird.
  • B 1 KR 14/12 R, B 1 KR 24/13 R und auch dieses Urteil: Das Krankenhaus soll verpflichtet sein, den Aufnahmegrund, erbrachte Leistungen und ihre Interpretation der Kodierregeln bei Rechnungslegung umfassend zu erklären. Etwa indem der Kasse gleich Teile des Arztbriefes mitgeliefert werden. Anderenfalls gilt die Rechnung als nicht gelegt. Ein Freibrief für die Kassen, die Rechnungen zunächst nicht zu bezahlen.

Während das BSG vordergründig immer wieder beschwört, dass Abrechnungsregeln, die für große Mengen von Fällen angewendet werden sollen, exakt dem Wortlaut nach anzuwenden sind, wird hintergründig in ein ganz anderes Horn gestoßen. Die Regeln werden immer wieder “neu interpretiert” und zwar immer wieder zum Vorteile der Krankenkassen. Wir haben es offensichtlich mit einer parteiischen Rechtsprechung zu tun.

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Warum das BSG die Krankenhäuser in die Ecke drängt

So klar die Präferenzen des Gerichts in ihrer Dogmatik erkennbar werden, so unklar ist das Motiv. Warum werden Krankenhäuser systematisch und scheinbar prinzipiell benachteiligt? Liegt es in der Person des Gerichtspräsidenten Masuch, der auch Präsident des ersten Senats ist? Es ist schwer zu sagen. Auffällig war allerdings das Statement des großen Senates aus 2007 (GS 1/06) in dem der dritte Senat nicht nur zurechtgewiesen, sondern im obiter dictum regelrecht “abgewatscht” wurde. Auch spätere Urteilsbegründungen enthielten kritische, ja fast abfällige Anmerkungen zur Rechtsprechung des dritten Senats. Scheinbar legt man sich besser nicht mit Peter Masuch an. Ob das bedeutet, dass das langjährige Mitglied der ÖTV/Ver.di etwas gegen Krankenhäuser hat? Hat vielleicht die Lobby-Arbeit des Spitzenverbandes der Krankenkassen (“Krankenhäuser sind Abrechnungsbetrüger”) hier gefruchtet?   Foto: © al1center – Fotolia

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