Bye bye, Schlichtungsausschuss?

Schlichtungsaussschuss (c) Tom - Fotolia

Wie zu erwarten war, hat uns der dritte Senat des BSG noch vor Weihnachten die Begründung für sein Urteil zum Schlichtungsausschuss auf Landesebene (B 3 KR 7/14 R vom 08.10.14) geliefert. Sie enthält keine Überraschungen mehr seit dem Terminbericht (siehe unseren Artikel dazu), ist aber trotzdem ein Donnerschlag am Selbstverwaltungshimmel!

Es ist amtlich: So schlicht, wie  sich die Selbstverwaltungspartner auf Landesebene eine Schlichtung vorgestellt hatten, wird es nicht sein!

Der Fall

Eine Berliner Klinik berechnete im Jahr 2009 knapp 4.000 € für die Behandlung einer schwangeren Patientin. Der MDK bemängelte die Kodierung verschiedener Nebendiagnosen und die Kasse verrechnete den Differenzbetrag (1018,30 €), trotz Widerspruchs der Klinik, im Juli 2010. Die Klinik reagierte zunächst nicht darauf. Erst im November 2013 reichte die Klinik Klage ein.

Da laut Gesetz seit dem 01.08.2013 eine Schlichtung der Klage voraus gehen muss (zumindest bei einem Streitwert bis 2.000 €), lehnte das Sozialgericht die Klage als nicht zulässig ab. In Berlin gab es keinen anrufbaren Schlichtungsausschuss. Das SG meinte, dass der effektive Rechtsschutz (immerhin ein Grundrecht) dennoch gewährleistet sei, weil die Anrufung des nicht existenten Ausschusses eine Hemmung der Verjährung herbei führe. Das Sozialgericht erlaubte aber die Sprungrevision zum Bundessozialgericht, um diese Rechtsfrage zu klären.

Das Urteil des BSG

Selbständige Arbeit als Kodierfachkraft / MD-Managerin / Beraterin.

Klingt das für dich nach einer guten Idee?
Dann ist unser Partnerprogramm für dich gemacht!

Das Bundessozialgericht verwies die Sache zur Verhandlung an das SG zurück und hat nun eine sehr ausführliche Urteilsbegründung veröffentlicht. Die Kernpunkte:

  • So lange es keinen anrufbaren Schlichtungsausschuss gibt, ist der Gang zum Sozialgericht weiterhin erlaubt . Begründung: Das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz. “‘Effektiver Rechtsschutz’ meint nicht lediglich dauerhaften Schutz vor Verjährung“.
  • Für Fälle mit Aufnahmedatum vor dem 01.08.2013 besteht keine Schlichtungspflicht.
  • Das Anrufen eines nicht existenten Schlichtungsausschusses hemmt nicht die Verjährung.
  • Die Selbstverwaltung muss den Status eines Schlichtungsausschusses (“anrufbar” oder “nicht anrufbar”) förmlich anzeigen. Es ist nicht hinnehmbar, dass Krankenhäuser und Krankenkassen hierzu erst recherchieren müssen.
  • Der Schlichtungsausschuss ist eine Behörde und entscheidet per Verwaltungsakt. Das bedeutet, dass der Ausschuss auch Beweis erheben und Sachverhalte ermitteln muss. Widerspruch / Klage gegen den Schlichterspruch ist form- und fristgebunden und geht immer gegen den Ausschuss.
  • Die vierjährige Verjährungsfrist im Geltungsbereich vom SGB V wird als obiter dictum bestätigt (das wurde vor Kurzem vom SG Mainz bestritten).
  • Untätigkeit führt im Zusammenhang mit der Prüfung von Krankenhausrechnungen nicht zur Verwirkung einer Forderung, höchstens zur Verjährung. Das entspricht der Rechtsprechung des ersten Senats vom 01.07.2014  in zwei Fällen.

Spezielle Fragen zur Kodierung und im MD-Management ohne aufwendige Recherche beantworten?
Unser online Praxis-Handbuch!

Schlichtungsausschuss: Eine sorgenvolle Zukunft

Fast ein Jahr lang hat die Selbstverwaltung die Zwangsschlichtung lautstark abgelehnt und sich bei der Umsetzung “passiv verhalten”, wie es das Gericht ausdrückt. Die Hoffnung war, dass die Bundesregierung ihr neues Gesetz einfach vergessen würde.

Spätestens als der Bundesrat sich für die Länder stark machte und auf den Verzicht drängte, dürfte diese Hoffnung verpufft sein. Die Regierung stellte sich dem entgegen und verschärfte das Gesetz dahingehend, dass die Schiedsstellen zuständig seien, wenn es keinen Schlichtungsausschuss gibt. Da wurde dann bundesweit ganz schnell eine einfache und billige Lösung gezimmert. Alibi-Schlichtungsverfahren könnte man sagen.

Gerade waren sie fertiggestellt, da fiel die Bombe, die die Rechtsgelehrten der Krankenhausgesellschaften schon haben kommen sehen: “Behörde”, “Verwaltungsakt”. Hastig erklärten einige Länder, dass ihre Schlichter nicht anrufbar seien. Designierte Vorsitzende kündigten ihr Engagement wieder auf, wie z. B. Cornelia Marahrens (Vizepräsidentin des Landgerichts Göttingen) für Niedersachsen. Andere Bundesländer (z. B. NRW) warten erst mal ab, was die Urteilsbegründung an Erhellung bringen würde.

Nun wissen es alle. Die Sozialgerichtsbarkeit hat das erste Tor geschossen. Die Landesselbstverwaltung stößt den Ball wieder ab. Deren destruktives Verteidigungsspiel mit der Hoffnung auf ein 0 – 0 unentschieden hat sich überlebt. Es werden einige Wechsel fällig und es steht zu erwarten, dass wir noch geraume Zeit ohne Schlichtungsausschüsse auf Landesebene auskommen werden.

Danach aber, werden wir es nach einer Schlichtung wohl mit dem Verwaltungsgericht und nicht mehr mit dem Sozialgericht zu tun bekommen. Zumindest will es das Gesetz in Sachen Schiedsstelle so. Und zu dieser Regelung zieht der dritte Senat die große Parallele. Sooo geht Entlastung der Sozialgerichtsbarkeit heute!
Grafik: © Tom – Fotolia

Online Schulungen Kodierung für Profis und Anfänger?
Schauen Sie sich unsere E-Learning-Angebote an!