Fiktive wirtschaftliche Behandlung

Neue Urteile

Wie wir bereits am 03. März angekündigt haben, hat der erste Senat des Bundessozialgerichts am 10.03.15 einige Urteile gesprochen, die für die Krankenhauswelt interessant sind.

Das Urteil B 1 KR 3/15 R (Thema „Fallsplitting“) hat weit reichende Folgen für die Leistungsvergütung und ist, wie erwartet, zu Lasten der Krankenhäuser ausgegangen. Es ging um die erneute Aufnahme nach einer ersten Operation bei Mamma-Karzinom. Wenn nämlich die Schnittränder nicht frei sind, oder der Sentinel-Node befallen ist, wird bekanntlich eine zweite, weiter gehende Operation erforderlich.

Das führt häufig zu Diskussionen mit den Kostenträgern und ihrem Medizinischen Dienst; es geht dabei um eine „medizinisch nicht indizierte Unterbrechung der Behandlung“ oder „Fallsplitting“. Interessanterweise kommen diese Begriffe in den Abrechnungsregeln für Krankenhäuser gar nicht vor.

Fiktive wirtschaftliche Behandlung

Diese Lücke hat das BSG nunmehr geschlossen. Es heißt nun „fiktive wirtschaftliche Behandlung“. Wie schon im Juli 2014 (B 1 KR 62/12 R) verweist der Senat auf das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 12 SGB V).

Die Argumentation

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Das oberste Sozialgericht sieht die Sache so: Das Krankenhaus hat sich zwei Aufenthalte mit zwei Rechnungen vergüten lassen. Dabei hätte es auch beide Aufenthalte mit einer Rechnung abrechnen können. Da letzteres billiger („wirtschaftlicher“) ist, muss das Krankenhaus die Fälle zusammen führen. Auch wenn das nicht in der Fallpauschalenvereinbarung vorgesehen ist.

Es gibt noch einen Hoffnungsschimmer: Das BSG hat den Fall an das LSG Hamburg zurück verwiesen. Sollte dieses Gericht zwei unterschiedliche Behandlungsfälle erkennen, dann geht der Kelch nochmal an das Krankenhaus vorüber.

Tatsächlich sind die Leistungserbringer für eine nachvollziehbare Rechtsprechung auf die Spruchkörper der ersten und zweiten Instanzen angewiesen. Sobald ein Fall in Kassel landet hat ein Krankenhaus nichts mehr zu lachen. So auch an diesem Termin.

In der Folge wird die Frage gestellt werden müssen, wann denn keine Fallzusammenführung stattfinden muss. Immerhin ist es möglich, dass die in Rede stehende Patientin später nochmals aufgenommen wurde. Zur Chemotherapie etwa. Da die Abrechnungsregel anscheinend hinter der „fiktiven wirtschaftlichen Behandlung“ komplett zurücktreten, müssen wir mit allem rechnen.

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Wo ist das Ende?

Wir alle werden geboren mit einer infausten Prognose quoad vitam, sagte einst ein Professor der Inneren Medizin. Eigentlich ist das Leben eine lange Krankheitsgeschichte mit Behandlungsunterbrechungen, die mit dem Tode endet. Insbesondere der erste Senat des BSG geht in Sachen Pauschalisierung sehr entspannt mit Fristen um: Gerne werden Zusammenhänge zwischen Behandlungsfällen auch über große Zeitspannen hinweg gesehen (siehe unseren Artikel vom 19.10.2015). In der Folge wird der Leistungserbringer genötigt, immer mehr Leistungen ohne zusätzliche Vergütung zu erbringen.

Diese Form der Rechtsprechung kann man nur mit der Faust in der Tasche betrachten. Das eine Rechtsprinzip (z. B. Wirtschaftlichkeit) bekommt scheinbar beliebig Vorfahrt über ein anderes Rechtsprinzip (z. B. Regelungshoheit der Selbstverwaltung). Das hat schon Fragen zur Verfassungsmäßigkeit der Jurisprudenz der obersten Sozialrichter aufkommen lassen. Das Volk murrt.

Was es sonst noch so gab

Dann war da noch der Fall, in dem die neurochirurgische Behandlung vielleicht mangels Versorgungsauftrags nicht vom klagenden Krankenhaus hätte durchgeführt werden dürfen (B 1 KR 1/15 R). Dieser Fall wurde mit einer verfahrenstechnischen Frage dem 04. und 09. Senat vorgelegt.
Foto: © Anyka – Fotolia

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1 Kommentar
  1. Hammerich
    Hammerich sagte:

    Sobald man sein Aktenzeichen in Kassel beim BSG kennt, sollte man kritisch prüfen, ob einem selbst und den anderen Leistungserbingern ein potentiell negatives Urteil weiterhilft.

    Antworten

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