Klarstellung oder Unklarstellung?

Klarstellung - Schlaganfall By Lucien Monfils (Own work)Kennen Sie das auch? Regelungen im DRG-System, deren Wortlaut nicht ganz eindeutig ist? Darüber kann man sich dann trefflich mit den Kostenträgern streiten. Beispiele aus der Vergangenheit:

  1. Reicht eine Tablette Kaliumchlorid als Aufwand, um die E87.6 (Hypokaliämie) kodieren zu dürfen?
  2. Wenn ich ein Diuretikum gebe, um eine Herzinsuffizienz zu behandeln, darf ich dann das gleiche Medikament als Aufwand für die Behandlung (und Kodierung!) eines Pleuraergusses gelten lassen?
  3. Liegt eine akute Niereninsuffizienz vor, wenn der Kreatininwert 150% des Ausgangswertes beträgt?
  4. Ist CPAP bei Neugeborenen als Beatmungszeit zu zählen?

Klarstellung

Auf die meisten dieser Fragen kennen Sie die Antwort natürlich schon lange: sie lautet in allen Fällen “ja“. Es gab aber für jede Frage eine Zeit, da waren sie strittig. Jetzt nicht mehr, weil es irgendwann mal eine Klarstellung gegeben hat.

Eine Klarstellung verdeutlicht, wie eine Regelung gemeint ist oder wie sich eine Sache tatsächlich verhält. Ein Klarstellung erklärt wie es schon immer war und wirkt dadurch grundsätzlich auch rückwirkend. Das unterscheidet eine Klarstellung von einer Neuregelung, das Schließen einer Regelungslücke, sozusagen.

Wer hat klargestellt?

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Die genannten Klarstellungen kamen von unterschiedlichen Instanzen:

  1. Für die erste Frage kam die Klarstellung von der Selbstverwaltung und wurde 2004 veröffentlicht in “Das Krankenhaus“.
  2. Die zweite Frage wurde zunächst vom MDK (SEG 4) und 2010 endlich von der Selbstverwaltung in den Kodierrichtlinien geklärt.
  3. Die akute Niereninsuffizienz wurde von der Fachgesellschaft (DGfN) geklärt.
  4. CPAP bei Babys wurde von der Selbstverwaltung auf Drängen der Fachgesellschaft in die Kodierrichtlinien geregelt.

Wer geglaubt hätte, dass Sozialgerichte zur Klarstellung beitragen würden, hat sich geirrt. Im Gegenteil: Es ist häufig so, dass Gerichte Dinge, die klar geregelt waren, wieder umschmeißt. Unklarstellungen sozusagen.

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Gerichte stiften Verwirrung

Die vierte Frage (CPAP bei Babys) war eigentlich für die meisten Abrechnungsexperten in Deutschlands Krankenhäusern schon klar geregelt. Grund für die Klarstellung war ein Urteil, das die gängige Praxis (CPAP bei Neugeborenen als Beatmung zählen) umwarf (LSG Saarland L 2 KR 76/10  vom 14.12.2011).

Dann wurden die Kodierrichtlinien 2013 eindeutiger formuliert, damit auch die Juristen verstehen sollten, was gemeint war. Das war als Klarstellung gemeint. Allerdings hatte das für die Gerichte eher den Charakter einer Neu-Regelung: Das LSG Hamburg berechnete die Beatmungsdauer doch wieder ohne CPAP, weil der Fall aus 2005 stammte (LSG Hamburg L 1 KR 119/12 vom 27.03.2014).

Gut, kann man denken, dann ist es eben so: Es wird genau nach Wortlaut der Regelung geurteilt. Und das wäre an sich in Ordnung, weil die Rechtsprechung dann verlässlich wäre. Hauptsache, die Argumentation läuft immer gleich. Aber nein, es kommt doch wieder anders.

Die Beliebigkeit der BSG-Rechtsprechung

Am 21.04.15 hat der erste Senat über die Behandlung in einer Stroke-Unit (B 1 KR 8/15 R) geurteilt. Die Neurologische Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls (OPS 8-981). Für die Kodierung wird eine ärztliche Präsenz gefordert:

[quote style= “boxed” ]Vor 2012 war es so formuliert:
24-stündiger ärztlicher Anwesenheit (Von Montag bis Freitag wird tagsüber eine mindestens 12-stündige ärztliche Anwesenheit (Der Arzt kann ein Facharzt oder ein Assistenzarzt in der Weiterbildung zum Facharzt sein.) gefordert…
[/quote]

Erst ab 2012 werden die Ärzte der Neurologie (als Facharzt oder in der Weiterbildung) zugeordnet. Es war anscheinend ein Versehen, die Fachlichkeit der Ärzte völlig offen zu lassen

Konsequent wäre jetzt, dass für einen Fall, der sich vor 2012 abgespielt hat, jeder Arzt gereicht hätte, um die Komplexbehandlung abzurechnen. Genau nach Wortlaut der Regelung eben, so wie es das BSG immer wieder fordert. Aber nein. Das BSG sieht für diese Ergänzung plötzlich sehr wohl eine Rückwirkung. Und das Krankenhaus fällt bei der Klage durch, weil es keinen Neurologen gestellt hatte.

Offensichtlich hätte sich das Krankenhaus denken müssen, dass die Regelung so gemeint sein müsste. Die Rechtsprechung hat gewisse Ähnlichkeiten mit Lotto, so scheint es. Nur sind beim Lotto die Chancen gleich verteilt…
Photo by Lucien Monfils (Own work)

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