NUB abrechenbar ohne Evidenz

Dirk Ercken - NUB erlaubt oder verboten?Immer mal wieder tauchen Fragen zur Abrechnungsfähigkeit von neuen Behandlungsmethoden auf. Eine Kasse hat sich ziemlich weit vorgewagt und sich geweigert, eine NUB, die von InEK schon anerkannt und auch schon in der Praxis abgerechnet wurde, zu bezahlen.

NUB: Bioresorbierbare Koronarstents

Die Kasse verweigerte die Zahlung, weil die Tatsache, dass der Stent abgerechnet werden könne noch nicht heiße, dass auch eine ausreichende Evidenz für die Wirksamkeit vorliege. Dabei zitiert die Kasse § 2 SGB V, eine der vielen Paragraphen, die sich auf das Wirtschaftlichkeitsgebot berufen. Es geht aber um die Formulierung:

“Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen. “

Die Kasse argumentiert dann: Die Kosten der NUB Nr. 19 gegenüber der Standardmethode „medikamentenfreisetzender Stent“ seien fast 10-fach so hoch, daher sei auch das Wirtschaftlichkeitsgebot nicht eingehalten, denn ein etwaiger zusätzlicher Nutzen gegenüber der Standardmethode sei nicht durch Studien belegt.

Das Verwaltungsgericht Stuttgart folgte dieser Argumentation jedoch nicht und urteilte (4 K 5125/13 vom 7.5.2015) im Sinne des Krankenhauses.

Verbotsvorbehalt und Erlaubnisvorbehalt

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Die Einführung neuer Behandlungsmethoden ist regelmäßig ein Streitpunkt. Der GBA ist zuständig für die Prüfung der Wirksamkeit neuer Methoden. Diese Zuständigkeit ist in § 137 c SGB V geregelt.

Das Problem ist, dass eine ausreichende Evidenz erst nach Jahren der Anwendung zustande kommen kann: Für aussagekräftige doppelblind randomisierte Studien braucht es viele Patienten und viel Zeit. Eine Reihe anerkannter Behandlungsmethoden hat deshalb niemals eine relevantes Evidenzniveau erreicht. Zum Beispiel ist die Wirksamkeit von Acetylcystein (ACC), ein Standardmedikament bei Erkältungskrankheiten, niemals wissenschaftlich schlüssig belegt worden(1).

Damit der Fortschritt in der Medizin nicht durch restriktive Regelgebung vollkommen gelähmt wird, wird die gesetzliche Regelung als “Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt” interpretiert. Also dürfen wir die Methoden anwenden, so lange sie nicht ausdrücklich verboten wurden.

Der Umkehrschluss (“Verbot mit Erlaubnisvorbehalt“) wird im Bezug auf NUB immer wieder von den Kostenträgern gefordert und immer wieder abgelehnt. Sogar vom Bundessozialgericht, das doch in seiner Rechtssprechung extrem auf die Solidarkasse und weniger auf Patienten und Leistungserbringer schaut.

Am 10. Dezember 2013 hat der erste Senat die Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt bestätigt (B 1 KR 70/12 R) und damit frühere Rechtsprechung des BGH und BSG bestätigt. Auch das Bundesverfassungsgericht hat sich zur Sache schon geäußert (BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 2005, Az. 1 BvR 347/98)

„Es ist mit den Grundrechten (…) nicht vereinbar, einen gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Krankheit eine allgemein anerkannte, medizinischen Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, von der Leistung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder eine spürbare Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht.“

Grafik: © Dirk Ercken – Shutterstock
Urteil VG Stuttgart erhältlich unter http://www.justiz.baden-wuerttemberg.de
(1) Deniz Cicek et al.: Fortbildungstelegramm Pharmazie: Acetylcystein. Universität Düsseldorf, 2013, 7, 60–74.

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