PrüfvV: Unterschriftsreif

PrüfvV - (c) Trueffelpix-FotoliaEnde Oktober haben wir über den Zwischen­stand der Verhandlungen über die Prüf­verfahrens­verein­barung (PrüfvV) berichtet, die zukünftig den Umgang mit Prüfungen der Kranken­haus­rech­nungen regeln soll.

Die Kündigung der PrüfvV

Zur Erinnerung: Juni 2015 wurde die neue PrüfvV seitens der Kranken­haus­­gesell­schaft (DKG) schon wieder gekündigt (mehr dazu hier). Es war der frühst mögliche Termin für eine Kündi­gung überhaupt. Seit dem 01.01.2016 gilt die “alte” PrüfvV mangels Nach­folge­regelung weiter. Sie ist aber eigentlich nicht mehr gültig.

Die DKG kündigte seinerzeit an, dass umgehend Verhand­lungen über eine neue Version aufge­nommen werden sollten. Am 23. Dezember 2015 kündigte die DKG an, dass sie sich  mit dem Spit­zen­verband der gesetzlichen Kranken­versiche­rung (GKV-SV) hat einigen können. Noch ist offen, wann die geänderte Rege­lung genau in Kraft treten soll: 01. Oktober 2016 oder 01.01.2017. Es dauert jeden­falls noch ein Weilchen…

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Die interessanten Änderungen haben wir hier für Sie zusammen gefasst:

  • Sachlich-rechnerische Richtigkeit: Wo die Entwurfsfassung aus Oktober 2016 die “sachlich-rechnerische Richtigkeit” der Rechnung erwähnte, wird jetzt lediglich darauf hinge­wiesen, dass die PrüfvV für alle Prüfungen gilt, die eine Daten­erhebung durch den MDK erfor­dern. Damit verweist die PrüfvV indirekt auf die Änderungen der Prüf­regeln durch das Kranken­haus­struktur­gesetz (KHSG).
  • 4-Wochen-Frist: Statt vier Wochen stehen für die Übermitt­lung von Unter­lagen an den MDK, jetzt acht Wochen in der neuen Fassung. Eine weitere Änderung: Die Unterlagen müssen innerhalb der acht Wochen zuge­gangen sein. Es reicht nicht, wie bisher, der recht­zeitige Versand der Unterlagen.
  • 9-Monats-Frist: Statt neun hat die Kosten­träger­seite zukünftig elf Monate Zeit, das Ergeb­nis der Fal­lprüfung (“Leistungsentscheidung”) zu präsentieren.
  • “Unverzüglich”: Im schriftlichen Verfahren muss der MDK die Beauf­tragung unver­züg­lich mit­teilen. Das wird konkretisiert: “Unver­züg­lich” ist inner­halb von höchstens 2 Wochen.
  • Prüfgründe: Diese sollen nunmehr anders mi­tgeteilt werden. Statt “Teil­prüfung”, “Voll­prüfung”, “Fehl­belegung” und “Voraussetzung” soll es heißen: primäre und sekundäre Fehl­belegung, Kodierung (unter Benennung der kriti­schen Diag­nosen / Proze­duren) Fragen zur Voraus­setzung (Indikation, NUB etc.).
  • Widersprüche: Das Krankenhaus soll innerhalb von sechs Wochen nach Zugang der Leistungs­ent­schei­dung der Kasse eine begründete Stell­ung­nahme dazu ab­geben dürfen (“Nachverfahren”). Neue Unter­lagen dürfen dabei jedoch nicht vorgelegt werden.

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Bewertung

Die Deutsche Kranken­haus­gesell­schaft begrün­dete seiner­zeit die Kündigung der Verein­barung mit der massiven Kritik aus den Reihen der Kranken­häuser. Entsprechend erwar­teten wir eine neue Fas­sung, die für die Kranken­häuser deutliche Verbess­erungen bereit hält.

Diese Erwartung wird enttäuscht. Als einzige hand­feste Verbesse­rung der Lage ist die Verlänge­rung der Frist für die Liefe­rung von schrift­lichen Unterlagen von 4 auf 8 Wochen zu sehen. Diese Verbesse­rung wird mit einer Ver­schlech­terung der Beding­ungen um der Daten­liefe­rung bezahlt (siehe unten).

In puncto “Widerspruch” versucht sich die PrüfvV an einer Regelung, die bei genauer Betrach­tung komplett an der Kranken­haus-Reali­tät vorbei geht. Die weiteren Änder­ungen sind wenig sub­stantiell. In der Summe treffen die Worte des Horaz zu: “Der Berg kreißte und gebar eine Maus”.

Sachlich-Rechnerische Richtigkeit:

Eigentlich war diese unangenehme Erfindung des Bundes­sozial­gerichts schon vom Tisch. Das KHSG hat diesen Aspekt vor­weg­ge­nommen.

4-Wochen-Frist wird 8-Wochen-Frist:

Erfreulich ist, dass die sehr knapp bemessene 4-Wochen-Frist jetzt groß­zügiger ge­stal­tet wird. Einen hand­werk­lichen Fehler weist die neue Rege­lung aber auf: Die Frist endet mit dem Eingang der Unter­lagen beim MDK. Das Risiko des Postweges (man denke an die wochen­langen Post­streiks 2015!) liegt beim Kranken­haus. Bekanntlich gehen bei den ver­schie­denen MDK regelmäßig Sendungen “verloren”, manche Kranken­häuser berichten von jeder dritten Sendung, die wieder­holt ver­schickt werden müsse.

(c) Björn Wylezich Fotolia

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Der MDK beschreibt das Phänomen meist als “nicht einge­gangen”, was zukünftig zu einem echten Problem werden könnte. Für die Kranken­häuser, versteht sich. Schon bei der ersten Fassung der PrüfvV hat die DKG darauf hin­gewie­sen, dass die Kranken­häuser eine frist­gerechte Liefe­rung “unbedingt sicher­stellen” sollten und vor den Folgen einer Ver­spä­tung gewarnt. Jetzt hat sich die Lage noch ver­schärft: Nun sind die Kranken­häuser eigent­lich genötigt, den Zugang ihrer Sen­dungen durch kost­spielige Ein­schreiben mit Rück­schein (zurzeit 4,65 € pro Sendung) nach­zuweisen. Bundes­weit dürften jährlich über 10 Millionen Euro zusätzliche Porto­kosten die Folge sein!

Die Lösung für das Problem wäre eine digitale Über­mittlung; diese ist aber nicht in Sicht. Die PrüfvV erwähnt sie, stellt aber bloß in Aussicht, dass die Vertrags­partner dazu (irgend­wann) eine Empfehlung verein­baren werden.

9-Monats-Frist wird 11-Monats-Frist:

Die zulässige Dauer der schriftlichen Prüfung durch die Kosten­träger­seite wird auf 11 Monate verlängert. Anscheinend ist das ein Zugeständnis an die GKV im Gegen­zug für die Frist­verlänge­rung bei der Lieferung der Unter­lagen? Die Änderung ist nicht kritisch; die inhaltliche Aus­einander­setzung sollte sowieso das Ziel sein, und nicht die Hand­habung von Fristen.

“Unverzüglich” wird “innerhalb von zwei Wochen”:

Der MDK muss dem Krankenhaus zukünftig die Beauf­tragung durch die Kasse innerhalb von zwei Wochen mit­teilen. Jetzt ist das noch “unverzüglich”. Praktisch hat diese Änderung keine Konse­quenzen. Der MDK teilt die Beauftragung schon heute nahezu durch­gängig innerhalb von wenigen Tagen mit.

“Neue” Prüfgründe:

Die geänderte Benennung von Prüfgründen ist eine sinnvolle Anpassung, die einem effizienten Austausch von Informationen dienlich sein kann. Die derzeit gültigen Begrifflichkeiten “Vollprüfung” und “Teilprüfung” sind inhaltsleer und realitätsfern. An dieser Stelle begrüßen wir ausdrücklich, dass jetzt augenscheinlich auch Praktiker rechtzeitig an der Entwicklung der Vereinbarung beteiligt wurden.

Widerspruch wird “Nachverfahren”:

Hintergrund dieser Regelung ist die Tatsache, dass der GKV-SV ihren Mitgliedern Land auf und Land ab erzählt hat, dass Kranken­häuser die Ergeb­nisse einer MDK-Prüfung laut PrüfvV wider­spruchs­los hin­nehmen müssten. Ein Wider­spruch sei nicht vor­gesehen, so die Chef-Chefs der Kassen. Letzteres stimmt zwar, nur bedeutet das selbst­verständ­lich nicht, dass die Kasse eine Wort­mel­dung des Kranken­hauses komplett ignorieren kann.

Laut neuer Fassung der PrüfvV soll das Kranken­haus eine “begrün­dete Stellung­nahme” inner­halb von sechs Wochen ab­geben dürfen. Grund­lage müssen die Unter­lagen sein, die dem MDK schon vorliegen. Ein Nach­liefern von Unter­lagen ist aus­geschlossen.

Damit wird die Situation eindeutig “verschlimm­bessert”: Diese Regelung ist für die Kranken­häuser gefähr­licher als der derzeitige Zustand “nicht vorgesehen“. Zurzeit ist es so, dass Kassen, die die Annahme von Schrift­verkehr unter Hinweis auf das “Wider­spruchs­verbot”  verweigern, effektiv verklagt werden können. Die Gerichte sind zur Beweis­aufnahme verpflichtet (BSG GS 1/06) und spätestens dann wird das Kranken­haus gehört.

Die Verein­barung sieht jetzt vor, dass dem Krankenhaus eine Frist für einen Wider­spruch gesetzt wird. Diese Frist von sechs Wochen ist für die meisten Kranken­häuser in der Bundes­republik fernab der Realität. Genau so wenig, wie der MDK innerhalb von sechs Wochen begut­achten kann und muss, können das die Kranken­häuser. De facto wird hier eine neue Hürde aufge­worfen und nicht etwa eine alte besei­tigt.

Die Kassen dürfen laut Bundes­sozial­gericht ein Prüf­verfahren innerhalb der Verjährungs­frist immer nochmal “reanimieren”. Auch ein Kranken­haus müsste deshalb einer Bean­standung durch die Kasse innerhalb von vier Jahren wider­sprechen dürfen. Insofern ist zu hoffen, dass die Gerichte die Rege­lungen der PrüfvV als juristisch nicht bindend ansehen.

Bis das geklärt ist, sollten Kranken­häuser sicherheits­halber ein Verfahren ins Leben rufen, das eine Stellung­nahme innerhalb der neuen Frist generiert. Etwa so, wie die “Sozial­medizini­schen Stellung­nahmen”, die uns früher (und manchmal noch heute) als “Gutachten” zugesendet wurden. Wieder mehr Aufwand ohne erkenn­baren Vorteil.

Problem Schweigepflicht

“Dabei kann sowohl der MDK die angefor­derten Unter­lagen konkret benennen als auch das Kranken­haus die aus seiner Sicht zur Erfüllung des konkreten Prüf­auftrages erforder­lichen Unterlagen ergänzen.

Dieser Text steht in der neuen Fassung der PrüfvV. Damit über­schreiten die Verfasser ihre Kompetenzen eindeutig: Die Änderung des § 276 SGB V war nicht Teil des Auftrags! Eigentlich darf nur der MDK bestimmen, welche Unter­lagen gebraucht werden. Aller­dings ist schon lange klar, dass sich weder Sozial­gericht, noch MDK oder Kranken­kassen viele Gedanken über “den Daten­schutz und die Daten­sparsam­keit” machen. Jetzt hat sich die Deutsche Kranken­haus­gesell­schaft hier anscheinend eingereiht.

Ange­sichts des “Nachliefe­rungs­verbotes” bei einer Stellung­nahme zum MDK-Gutachten ist es wohl empfehlens­wert, bei jeder MDK-Anfrage immer die komplette Akte zu ver­schicken.

Illiustration: © Trueffelpix-Fotolia

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