Beatmungsstunden und NIV: Patt!

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Im vergangenen November berichteten wir über die Kodierempfehlung 549 der SEG 4 des MDS (Beatmungsdauer bei NIV). Hier finden Sie eine Übersicht über die Gemengelage, bestehend aus MDK-Empfehlungen, FoKA-Stellungnahmen, Gerichtsurteile und einem handlungsunfähigen Bundesschlichtungsausschuss. Patt-Situation!
Ihre Meinung und Ihre Vorschläge interessieren uns! Am Ende unseres Beitrags können Sie Ihren Beitrag dazu geben…
MDK, FoKA und NIV
Die SEG 4 hatte die – beim MDK schon lange praktizierte – Ansicht vertreten, dass eine Maskenbeatmung (NIV) nicht so gezählt werden müsse, wie eine invasive Beatmung (über Tubus oder Tracheostoma). Die Argumentation des MDK:
Bei einer von Anfang an diskontinuierlichen Maskenbeatmung werden die Phasen zwischen den tatsächlich erbrachten Beatmungszeiten für die Gesamtbeatmungszeit nicht berücksichtigt, da es sich hierbei nicht um die in den DKR geregelte Entwöhnungsphase handelt.
Am 18.01.16 hat der FoKA zu dieser Empfehlung Dissens erklärt. Der FoKA stellt klar:
- Für NIV und invasiven Beatmungsformen gelten die gleichen regeln.
- Eine Entwöhnungsphase hat als Ziel, die Beatmung zu beenden oder ihre Intensität zu verringern.
Die Argumente der SEG 4
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Die Stellungnahmen der SEG 4 bleiben immer mal wieder mangels argumentativer Grundlage “frei in der Luft hängen”. Das bekannteste Beispiel ist die These Herzinsuffizienz ist eine eigenständige Krankheit, kein Symptom. Es werden unbegründete Behauptungen als Fakt präsentiert, was statt Klarstellungen leider nur Konfliktstoff generiert.
So auch dieses Mal wieder: Der große Fehler steckt in der Ausnahme, die die SEG 4 für eine Maskenbeatmung annimmt. Wie will der MDK diese Sonderregelung eigentlich begründen? Immerhin steht in der Kodierrichtlinie 1001 ausdrücklich:
Bei intensivmedizinisch versorgten Patienten kann eine maschinelle Beatmung auch über Maskensysteme erfolgen, wenn diese an Stelle der bisher üblichen Intubation oder Tracheotomie eingesetzt werden.
Da hat der FoKA eindeutig Recht: Beatmung ist Beatmung, basta. Diese Sicht der Dinge vertreten auch die Gerichte, beispielsweise das LSG Baden-Württemberg und das LSG Hessen.
Die Eigenschaft “von Anfang an diskontinuierlich” kommt ebenfalls reichlich vage und unüberlegt daher. Sie ist eine Formulierung des MDK, die nirgends sonst erscheint oder unterstützt wird. Insbesondere die DKR geben keine Hinweise in diese Richtung.
Die Behauptung, bei einer “diskontinuierlichen Maskenbeatmung” handele es sich nicht um eine in den DKR geregelte Entwöhnungsphase, ist ebenso substanzlos. Die einzige Regelung in den DKR ist das Ende der Beatmung durch Extubation, Tod / Verlegung des Patienten oder “Beendigung der Beatmung nach einer Periode der Entwöhnung”.
Folglich ist immer eine Entwöhnungsphase zu berücksichtigen, wenn der Patient nicht extubiert wird, verstirbt oder verlegt wird. Das dürfte für die meiste Beatmungsbehandlungen zutreffen!
Was könnte die SEG 4 denn zu einer so abenteuerlichen Kodierempfehlung veranlasst haben?
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NIV: Das Problem ohne Lösung?
Die Kodierrichtlinien hinken in Sachen Beatmung hinter den medizinischen Entwicklungen her: Die Maskenbeatmung ist mittlerweile nicht mehr Ausnahme, sondern Goldstandard. Das bedeutet auch, dass die “Entwöhnungsregelung” der DKR manchmal aus relativ unkomplizierten NIV-Behandlungen, Langzeitbeatmungen mit entsprechend hochpreisigen DRG macht. Dass solche Vergütungen deutlich über das Ziel der Kostendeckung hinaus schießen, ist nahe liegend.
Die Freude der Krankenhäuser über diesen Effekt ist kurzsichtig: Eine unsachgemäße Vergütung wird tendenziell zu einer Untervergütung anderer Leistungen führen. Gedeckeltes Budget!
Insofern ist es in aller Interesse, dass dieses Problem untersucht und vernünftig gelöst wird. Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten, hier nach Sinnhaftigkeit geordnet:
- Die Selbstverwaltung ändert die Kodierrichtlinien entsprechend.
- Der Bundesschlichtungsausschuss regelt den Umgang mit NIV.
- SEG 4 und FoKA geben eine einheitliche Empfehlung ab.
- Die Sozialgerichte regeln das Problem.
Der Albtraum wäre eine Regelung durch die Sozialgerichtsbarkeit: Die ist weder für Beatmung, noch für Krankenhausfinanzierung kompetent. Außerdem haben wir leidvolle Erfahrungen besonders mit dem Bundessozialgericht machen müssen, die sicherlich keinen Appetit auf mehr machen!
Eine Einigung des MDK und der FoKA wäre möglicherweise eine praktische Lösung; allerdings fehlt dabei die Verbindlichkeit, die hier wichtig wäre.
Diese Überlegungen werden allerdings erst notwendig, weil die Selbstverwaltung (hier gemeint: Spitzenverbände der GKV und Deutsche Krankenhausgesellschaft) versagt und keine Regelung findet. Die Kodierrichtlinien sind das typische Regelwerk, das Klarheit schaffen müsste. Die DKR 1001 wurde 2013 letztmalig überarbeitet und ist dringend wieder “dran”.
Leider scheinen Streitigkeiten unter den Parteien einer sinnvollen Lösung mal wieder im Weg zu stehen. Gleiches gilt für den Bundesschlichtungsausschuss, der von den genannten Parteien mit großem “Hurra” begrüßt wurde. Wo ist er geblieben?
Die Beatmungsdauer bei NIV steht schon lange auf der Agenda des Ausschusses. Leider wird auch hier die sachliche Auseinandersetzung scheinbar einer unheilvollen Streitkultur geopfert. Vom Schlichtungsausschuss hört man nichts mehr. Nur der Hinweis, dass der Ausschuss derzeit mangels unabhängigen Vorsitzenden handlungsunfähig sei.
Verantwortungsvolles Handeln der Vertreter beider Parteien ist dringend nötig. InEK, Krankenkassen und Krankenhäuser brauchen eine klare Vorgabe, damit das Vergütungssystem ohne sinnlose und zermürbende Streiterei funktionieren kann.
Vielleicht war die Idee von Gesundheitsminister Seehofer, seinerzeit in 1994 eine Selbstverwaltung zu begründen, doch nicht so gut??
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