Aufwandspauschale: Widerstand gegen das BSG

Aufwandspauschale was gilt?

© Reinhold Föger

Eine Aufwandspauschale (AWP) dürfen wir nicht berechnen, wenn der MDK “Fehler” in der Abrechnung findet. Oder doch? Das Sozialgericht Darmstadt hat sich mit einem Urteil (S 8 KR 434/14 vom 07.12.2015) bei den Kritikern des Bundessozialgerichts eingereiht.

Die Fälle

Ein hessisches Krankenhaus hat in 10 Fällen die Aufwandspauschale gegen eine Krankenkasse eingeklagt. Es ging ausnahmslos um Fälle, in denen der MDK Diagnosen, Prozeduren oder Beatmungsdauer “korrigiert” hatte, ohne dass die Rechnungshöhe sich dadurch geändert hätte. Die Kasse verweigerte die Bezahlung der AWP.

Das Ergebnis ist ein überraschendes Urteil, das aus der Rechtsprechung des ersten Senates des BSG Kleinholz macht. Damit schart sich das Gericht hinter früheren Urteilen aus Mainz und Speyer und folgt kritischen Kommentaren wie der von Ulrich Knispel (Knispel, GesR 2015, 200-207). In allen Fällen wird die Kasse zur Zahlung von 300 € zzgl. Zinsen verurteilt.

Die Argumente

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Das Gericht hat eine ausführliche Urteilsbegründung formuliert, die auf die folgenden wesentlichen Punkte aufbaut:

  • Der erste Senat hat das SGB V mit seiner Rechtsprechung “überstrapaziert”: Für die Begründung eines besonderen Prüfregimes für eine “sachlich-rechnerische Prüfung” gibt es zum Beispiel keine Anhaltspunkte.
  • Die Rechtsprechung des ersten Senates BSG folgt den Willen des Gesetzgebers und den Wortlaut des Gesetzes nicht.
  • Eine Verweigerung der Zahlung einer Aufwandspauschale kommt nur in Frage, wenn
    • Der “Fehler”, den der MDK korrigiert haben will, unstrittig ein Fehler war und
    • dieser Fehler auch Ursache für das Prüfbegehren der Kasse war.

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Wie geht es weiter mit der Aufwandspauschale?

Weil sich die Kasse sehr auf den Begriff “sachlich-rechnerisch” versteift hatte, geht das Urteil auch besonders auf diesen Rechtsbegriff ein. Aktuell ist dieses “Prüfregime” vom Gesetzgeber im KHSG quasi abgeschafft worden. Allerdings geht das Gerücht, dass diese Gesetzesänderung dem vorsitzenden Richter nicht besonders interessieren soll.

In seinem “Obiter dictum” packt das Gericht aus Darmstadt noch die Verweigerung der Aufwandspauschale bei “Verschulden des Krankenhauses” an. Dabei wird auf ein früheres Urteil des 1. Senats Bezug genommen (B 1 KR 1/10 R (2010)). Hier wird die Rechtsprechung der obersten Richter nicht komplett abgelehnt, sondern der exakte Wortlaut der damaligen Begründung in Erinnerung gerufen.

Es handelte sich um einen unstrittigen Fehler (der Hauptdiagnose) und die Kasse konnte glaubhaft darlegen, dass der Fehler die Prüfung überhaupt erst ausgelöst hatte.

Insgesamt ist dieses Urteil natürlich erfreulich. Derzeit ist uns noch nicht bekannt, ob Berufung eingelegt wurde, also ist die Rechtskraft eine offene Frage.

Die Kritik an das BSG wird immer lauter und vielfältiger. Letztlich obliegt es dem ersten Senat, die Rechnungsprüfungen im Krankenhaus wieder zu befrieden. Die Unruhe, den Streit und die Rechtsunsicherheit, die die Kasseler Richter in den letzten Jahren gesät haben, können nur sie wieder aufheben. Sie sollen die unseligen “Erweiterungen” der geschriebenen Gesetze wieder zurück nehmen.

Allerdings: Um einen einmal eingeschlagenen Irrweg zu verlassen, bedarf es Kritikfähigkeit und menschliche Größe…

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