Dialyse: keine Krankenhausleistung?
Wieder hat ein Krankenhaus beim Bundessozialgericht den Kürzeren gezogen: Eine durchgeführte Dialyse darf laut BSG nicht immer kodiert werden (B 1 KR 34/15 R vom 19.04.16).
Der Fall: Dialyse als “Nebenbehandlung”
Ein Patient wurde wegen einer Herzkrankheit aufgenommen und behandelt. Weil nebenbefundlich eine terminale Niereninsuffizienz vorlag, wurde er während dessen mehrfach dialysiert.
Die Dialyse wurde verschlüsselt (8-854.2) und führte zu einer anderen Fallpauschale: Statt mit der F49B wurde der Fall nun mit der F49A abgerechnet. Das Zusatzentgelt, das ebenfalls durch die Kodierung ausgelöst wird, hatte das Krankenhaus nicht berechnet! Die Kasse forderte die Streichung der OPS für die Dialysen; sie wollte nur die F49B vergüten.
Die Rechtslage
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Der Knackpunkt in der Geschichte ist § 2 des Krankenhausentgeltgesetzes (KHEntgG). Hier ist zu lesen:
Das beschreibt die Situation im behandelnden Krankenhaus in Rheinland-Pfalz genau. Solche Dialysen sind daher keine allgemeine Krankenhausleistung gemäß KHEntgG. Dem hatte das Krankenhaus Rechnung getragen, indem es keine zusätzliche Vergütung (in Form des Zusatzentgeltes ZE 01) für die Dialyse verlangte.
Wenn eine Leistung nicht als “allgemeine Krankenhausleistung” gilt, sollte sie dennoch kodiert werden. Darüber äußern sich die Kodierrichtlinien (hier in der Version 2016) unzweideutig:
P001f Allgemeine Kodierrichtlinien für Prozeduren
Alle signifikanten Prozeduren, die vom Zeitpunkt der Aufnahme bis zum Zeitpunkt der Entlassung vorgenommen wurden und im OPS abbildbar sind, sind zu kodieren. Dieses schließt diagnostische, therapeutische und pflegerische Prozeduren ein.
Die Definition einer signifikanten Prozedur ist, dass sie entweder
- chirurgischer Natur ist
- ein Eingriffsrisiko birgt
- ein Anästhesierisiko birgt
- Spezialeinrichtungen oder Geräte oder spezielle Ausbildung erfordert.
Es ist besonders wichtig, dass alle signifikanten und kodierbaren Prozeduren, einschließlich traditioneller „nicht-chirurgischer“ Prozeduren verschlüsselt werden. …
Das sieht jedoch die Kasse und wie es scheint auch die Sozialgerichtsbarkeit wohl anders.
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Das Urteil
Noch liegt keine schriftliche Urteilsbegründung vor. Das Gericht hat aber im Terminbericht klar gestellt, dass aus Sicht der Bundesrichter eine Dialyse nicht kodiert werden darf, wenn sie gemäß § 2 KHEntgG keine Krankenhausleistung ist. Ferner wird festgestellt, dass die Dialyse, auch während eines Krankenhausaufenthaltes, eine ambulant zu erbringende Leistung sei.
Näheres folgt in der Begründung, die voraussichtlich noch drei Monate auf sich warten lassen dürfte.
Eine Bewertung: Pandoras Büchse
Und wieder hat es das Bundessozialgericht unterlassen, eine Regelung zu suchen, die gerecht und in der Praxis umsetzbar ist. Stattdessen sehen sich die Krankenhäuser Deutschlands erneut mit einer Rechtsauffassung konfrontiert, die uns der Kassen-Gnade ausliefert. Warum das so ist, fragen Sie sich vielleicht?
Der § 2 KHEntgG schließt noch weitere Leistungen aus:
Dürfen wir Operationen, die von Belegärzten durchgeführt werden, dann auch nicht mehr kodieren? Geburtshilfliche Maßnahmen von Beleghebammen bleiben unverschlüsselt?
Die Bundesrichter haben Pandoras Büchse ohne Not wieder aufgerissen um das nächste Übel einer langen Reihe in die Welt zu entlassen.
Da bleibt uns nur das Wissen: in der Büchse Pandoras war nicht nur Übel, sondern auch die Hoffnung enthalten. Wir blicken hoffnungsvoll auf den Gesetzgeber…
Illustration: © Martha Kosthorst
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