Gerichtspräsident nimmt 1. Senat in Schutz

Schutz vor Schatten an der Wand

Der Präsident des BSG nimmt “seine Richter” gegen den Vorwurf der Rechtsbeugung in Schutz. Er stellt dabei richtig, was sowieso niemand falsch verstanden hatte…

Die “merkwürdig eigenwillige” Rechtsprechung des ersten Senats des Bundessozialgerichts beschäftigt die Betroffenen und Geschädigten nachhaltig. Dieser Kreis hat zustimmend zur Kenntnis genommen, dass im Januar Strafanzeige gegen Richter des ersten Senats gestellt wurde. Der Gerichtspräsident mischt sich jetzt in die Diskussion ein.

Die Attacke

Vor einigen Wochen hat ein Krankenhaus Strafanzeige wegen fortgesetzter Rechtsbeugung gestellt. Wir kommentierten das: Ein durchaus ernster Vorwurf mit überaus geringen Erfolgschancen.

Der Hintergrund ist ein Artikel von Dr. Hambuchen, ehemals Präsident des 3. Senats des BSG, aus dem November letzten Jahres. Von der Leidenschaft dieser Abrechnung bestärkt, trauten sich erstmals Leistungserbringer, den Fehdehandschuh zu werfen. Auch der Gerichtspräsident fühlte sich durch den nachstehenden Text offenbar angesprochen:

“Und wenn auch kaum zu erwarten steht, dass dieser Artikel das Gefühl für die richterliche Selbstbeschränkung im 1. Senat nachhaltig stärken wird, so könnte sich vielleicht das Präsidium des BSG bei der künftigen Geschäftsverteilung von der Überlegung leiten lassen, dem 1. Senat demnächst eine etwas weniger brisante Rechtsmaterie zuzuteilen, um das notwendige Vertrauen der Rechtssuchenden in die Objektivität aller Spruchkörper des BSG wiederherzustellen.”
Dr. Hambüchen: Zitat aus dem genannten Artikel in “Das Krankenhaus”

Schutz vor Kritik durch die Krankenhausgesellschaft?

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Am 07. Februar stellte das Gericht seinen Geschäftsbericht 2017 vor. Eigentlich eher langweilige Zahlen. Die Pressemitteilung zu den langweiligen Zahlen ist in der Regel auch langweilig. Dieses Jahr nutzt Gerichtspräsident Dr. Schlegel sie aber für Anmerkungen, die ihm anscheinend auf der Seele liegen.

Die Forderung nach einer Änderung der Geschäftsverteilung (Hambüchen, siehe oben) sei schwerwiegend, so Dr. Schlegel. Er weist auf die richterliche Unabhängigkeit hin. Diese schützten Richter gerade vor solchen Umbesetzungen, “nur weil die Entscheidungen Beteiligten unliebsam sind“.  Diese verharmlosende Formulierung wird noch verstärkt, indem er anschließend die Krankenhausgesellschaft als Zeuge für die Verteidigung herbei zitiert:

“In einem mit der Leitung der Deutschen Krankenhausgesellschaft geführten Gespräch habe diese deutlich gemacht, dass sie zwar an ihrer inhaltlichen Kritik festhalte, aber die richterliche Unabhängigkeit respektiere. Sie fordere weder eine Umverteilung der Geschäfte des Bundessozialgerichts noch teile sie den Vorwurf der Rechtsbeugung.”
Zitat aus der Presseerklärung des BSG vom 07.02.18

Das ist ein bemerkenswerter Text. Die Krankenhausgesellschaft hat seinerzeit auf den Artikel von Dr. Hambüchen hingewiesen, aber niemals zu den Inhalten direkt Stellung bezogen. Es war nie die Rede davon, dass die DKG dem Bundessozialgericht Rechtsbeugung vorwerfe, oder eine “Strafversetzung” von Prof. Hauck und anderen verlange! Auch hat sich die DKG unseres Wissens nie als Feind der richterlichen Unabhängigkeit zu erkennen gegeben. Warum dann solche Ausführungen?

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Höchstrichterliche Nervosität

Scheinbar haben die Angriffe Hambüchens und die nachfolgende Strafanzeige beim obersten Gericht doch eine gewisse Nervosität ausgelöst. Ist die Weste doch nicht so weiß, wie man es gerne hätte?

Die Emotionen um die Rechtsprechung im Leistungserbringerrecht (Krankenhaus) kommen schon seit Jahren nicht so richtig zur Ruhe. Erst hatten wir die geteilte Zuständigkeit des 1. und 3. Senats, letzterer seinerzeit unter der Präsidentschaft von Dr. Hambüchen. Der 3. Senat ließ oft eine klare Linie in der Dogmatik vermissen; seine Urteile waren immer für eine Überraschung gut. Rückblickend wird die Rechtsprechung des dritten Senates gerne als “krankenhausfreundlich” dargestellt. Das ist objektiv gesehen unberechtigt, die Rechtsprechung war einigermaßen ausgewogen über die Lager verteilt, was man von den Urteilen des 1. Senats nicht behaupten kann.

Allerdings scheint eine persönliche Fehde zwischen den Richtern des ersten und des dritten Senats entstanden zu sein, die in den Spruchkörpern ausgetragen wurde. Dr. Hambüchen bezog 2006 Watschen im großen Senat, spätere Rechtsprechung wurde zum Kräftemessen der Protagonisten. Auf den Rücken der Parteien, wohl gemerkt. Der eine Senat veränderte immer wieder die Rechtsprechung des jeweils anderen, bis in der ganzen Republik keiner mehr wusste, woran er ist.

Amüsant, wie das vielleicht sein mag, wird ein solches Verhalten im Kindergarten meist von Erzieherinnen unterbunden. Dem Ansehen eines obersten Gerichts der Bundesrepublik Deutschland, das ganz ohne Erzieherinnen auskommen muss, hat dieser Kinderkram sicherlich geschadet.

Nun ist Herr Dr. Hambüchen außer Dienst und schießt seine Giftpfeile von der Seitenlinie aus. Übrig geblieben ist Prof. Hauck, der inzwischen mit seinem ersten Senat allein für das Rechtsgebiet zuständig ist. Und Prof. Hauck ist kein Freund der Leistungserbringer. Er sorgt durch seine “was-nicht-passt-wird-passend-gemacht-Rechtsprechung” für reichlich lohnende Ziele der Giftpfeile. Oder eben für Strafanzeigen. Letzere sind so schädlich für das Ansehen des Gerichtes, dass sein Präsident nun hektisch nach Verbündeten sucht, die ihm bestätigen: “Alles halb so wild!”

Besonders wichtig ist dabei natürlich die Meinung der Krankenhäuser, also der Krankenhausgesellschaft. Und so werden Nicht-Tatsachen zu einer Pressemeldung: Die DKG hat nicht gesagt, dass der erste Senat sich der fortgesetzten Rechtsbeugung schuldig macht. Ein schwacher Trost.

Was der Gerichtspräsident noch so sagt

Nun ist die Forderung Hambüchens, dem erste Senat ein harmloseres Rechtsgebiet zu geben, natürlich die beste Garantie, dass sich die Zuständigkeit niemals ändern wird. Das würde wie Schwäche und ein Schuldeingeständnis ausgelegt werden. Dr. Hambüchens Prosa ist zwar unterhaltsam, hilft den Krankenhäusern aber nur scheinbar weiter. Vielleicht wäre eine stillschweigende Änderung der Zuständigkeiten beim BSG eine Option gewesen, wenn sie nicht so vorlaut gefordert worden wäre.

Jedenfalls verfolgt das Gericht offenbar eine Strategie der Verharmlosung. Hier ist es angebracht nochmal an die einleitenden Worte des Präsidenten Schlegel zum Tätigkeitsbericht 2016 zu erinnern:

Der Sozialgerichtsbarkeit kommt die Aufgabe zu, den ordnungsgemäßen Vollzug dieser Gesetze zu überprüfen und entsprechenden Rechtsschutz zu gewähren. … Die Erwartungen des Bürgers an die Rechtsprechung und das Bundessozialgericht als oberster Instanz in sozialen Angelegenheiten sind hoch und nicht jeder Kläger, nicht jede Klägerin sieht ein, dass die Sozialgerichte zwar für die Kontrolle der Sozialverwaltung, nicht aber für den Inhalt der Gesetze zuständig sind.
Zitat Dr. Schlegel – Vorwort zum Tätigkeitsbericht 2016 des BSG

Da hat der Gerichtspräsident natürlich Recht: Alles andere würde die Kompetenzen eines Richters überschreiten, würde ja vielleicht sogar den Straftatbestand der Rechtsbeugung erfüllen.

Da bleibt nur noch die Frage: Wissen das alle Richter am BSG auch? Wurden sie alle informiert, dass sie für den Inhalt der Gesetze nicht zuständig sind? Dass sie lediglich den ordnungsgemäßen Vollzug überprüfen sollen und Rechtsschutz gewähren? Oder ist vielleicht eine Mail dazu in einem Spam-Filter hängen geblieben?
Illustration: © Jr Casas – Fotolia

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