Lieferfrist für Unterlagen: Ist die PrüfvV überhaupt bindend?

Krankenhäuser haben nach Aufforderung 8 Wochen Zeit, dem MDK Unterlagen zur Rechnungsprüfung zu liefern. Wird die Lieferfrist nicht eingehalten, gibt es Abzüge von der Rechnungshöhe, so die PrüfvV. Die Kasse darf dann festlegen, welche Summe sie als “unstrittig” sieht und diese für die Behandlung bezahlen. Diese Regelung hat, besonders in der ersten Fassung der PrüfvV (4 Wochen Lieferfrist!), zu großen Problemen geführt.

Beispielsweise wurden einer Kölner Klinik von einer einzigen Rechnung 404.000 € gestrichen, weil die Unterlagen laut SMD nach Ablauf der 4-Wochen-Frist eingegangen sein sollen. Das SG Köln gab der Knappschaft dabei Recht (SG Köln S 23 KN 108/15 KR vom 04.05.2016). Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Ist die Lieferfrist eine Ausschlussfrist?

Zum Glück beurteilen nicht alle Gerichte die Sache so streng, wie der Kölner Sozialrichter! Mittlerweile gibt es eine Reihe von Urteilen und Beschlüssen, die die Krankenhäuser hoffen lassen. Dabei geht es nicht nur um die Einhaltung der Lieferfrist, sondern vor allem um die Frage, ob die PrüfvV überhaupt die Vergütung von Krankenhausleistungen neu regeln darf:

  • Sozialgericht Detmold (S 24 KR 230/16 vom 31.03.2016 – Nicht rechtskräftig): Der OP-Bericht war laut MDK nicht mitgeschickt worden. Das Krankenhaus behauptet das Gegenteil.
  • Sozialgericht Dortmund (S 49 KR 580/16 vom 05.05.2017 – Rechtskräftig): Ein MDK-Gutachten beschreibt eine “vergessene Nebendiagnose”. Die Kasse akzeptiert keine neue Rechnung, weil das MDK-Verfahren abgeschlossen sei.
  • Sozialgericht Reutlingen (S 1 KR 3109/15 vom 11.01.2017 – Nicht rechtskräftig): Ein MDK-Gutachten streicht Langliegertage. Die Klinik stellt daraufhin einen Kodierfehler fest und ändert die Rechnung. Die Kasse akzeptiert keine neue Rechnung, weil das MDK-Gutachten abgeschlossen war.
  • Sozialgericht Gießen (S 7 KR 70/16 vom 10.11.2017 – Nicht rechtskräftig): Der SMD bestätigte die Hauptdiagnose nicht und das Krankenhaus klagte gegen die Knappschaft. Die Knappschaft meinte, dass ausschließlich die Unterlagen, die dem SMD vorgelegen hätten, vor Gericht verwendet werden dürften.
  • Sozialgericht Lüneburg (S 9 KR 192/15 vom 08.02.2018 – Nicht rechtskräftig): Der MDK gibt zu Protokoll, dass die Prüfungsunterlagen zu spät eingegangen sein sollen und die Kasse zahlt nur den “unstrittigen Betrag”.

Wie gehen die Sozialgerichte mit der PrüfvV um?

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Mit Ausnahme des SG Köln (wie oben beschrieben), erteilen die Gerichte der PrüfvV ein klare Absage. Der Tenor ist immer wieder, dass die Vertragsparteien den Bogen bei der Vereinbarung der PrüfvV überspannt haben. Es stehe der Selbstverwaltung nicht zu, die Vergütung von Krankenhausleistungen neu zu regeln, indem sie Sanktionen und Abschläge festlegen.

Zur Erinnerung ein Auszug aus § 17c KHG:

Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die Deutsche Krankenhausgesellschaft regeln das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Absatz 1c des Fünften Buches Sozialgesetzbuch; in der Vereinbarung sind abweichende Regelungen zu § 275 Absatz 1c Satz 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch möglich. Dabei haben sie insbesondere Regelungen über den Zeitpunkt der Übermittlung zahlungsbegründender Unterlagen an die Krankenkassen, über das Verfahren zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern bei Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Abrechnung im Vorfeld einer Beauftragung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung, über den Zeitpunkt der Beauftragung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung, über die Prüfungsdauer, über den Prüfungsort und über die Abwicklung von Rückforderungen zu treffen; die §§ 275 bis 283 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch bleiben im Übrigen unberührt. …

Die folgenden Aussagen treffen den Kern der genannten Urteile:

  • SG Detmold: Die Verbindlichkeit der PrüfvV bezieht sich nicht auf ein anschließendes Gerichtsverfahren. Die PrüfvV als untergesetzliche Norm ist nicht geeignet, den Vergütungsanspruch des Krankenhauses nach dem SGB V einzuschränken.
  • SG Dortmund: Die Vereinbarung einer Ausschlussfrist für eine nachträgliche Rechnungskorrektur ist nicht von der Ermächtigungsgrundlage des § 17c Abs. 2 Satz 1 KHG gedeckt.
  • SG Reutlingen: Die PrüfvV modifiziert tatsächlich die Rechtsprechung des BSG zur Zulässigkeit von Rechnungsänderungen. Allerdings nur für Korrekturen, die direkt mit dem Prüfanlass zu tun haben. Hier ging es um eine Verweildauerprüfung, daher war eine Änderung der Kodierung erlaubt.
  • SG Gießen: Die Vereinbarung einer materiell-rechtlichen Ausschlussfrist zur nachträglichen Rechnungskorrektur vor Ablauf der gesetzlichen vierjährigen Verjährungsfrist ist nicht von der Ermächtigungsgrundlage des § 17c Abs. 2 Satz 1 KHG gedeckt.
  • SG Lüneburg: Es steht dem Krankenhaus frei, auch nach Fristablauf noch Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Die Frage, ob § 17c Abs. 2 KHG zur Vereinbarung materielle Ausschlussfristen berechtigt, bleibt offen.

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Und das Bundessozialgericht?

Bis heute hat das BSG über die Frage der Verbindlichkeit der PrüfvV nur eine Aussage getroffen, als es um die “sachlich-rechnerische Prüfung” ging. Wie Sie sich bestimmt erinnern, haben die Selbstverwaltungspartner sich darauf geeinigt, dass es keine sachlich-rechnerische Prüfung geben soll. Auszug aus § 2 Abs. 1 PrüfvV:

Diese Vereinbarung gilt für … jede Prüfung der Abrechnung eines Krankenhauses nach § 275 Absatz 1c Satz 1 SGB V, mit der die Krankenkasse den MDK beauftragt und die eine Datenerhebung durch den MDK beim Krankenhaus erfordert. …

Das gefiel dem ersten Senat nicht und es steht geschrieben (B 1 KR 18/16 R vom 25.10.2016):

Die im Schrifttum (vgl Knispel, GesR 2015, 200, 206) vertretene Auffassung, es entspreche dem Willen des Gesetzgebers, “Meinungsverschiedenheiten über Kodier- und Abrechnungsfragen” (Bezugnahme auf BT-Drucks 17/13947 S 38 f) ebenfalls der PrüfvV zu unterstellen, sodass § 275 Abs 1c SGB V auch Prüfungen der sachlich-rechnerischen Richtigkeit erfassen müsse, findet im Gesetz und in den Gesetzesmaterialien zu § 17c Abs 2 KHG keine Grundlage.

Fazit

Die Verbindlichkeit der PrüfvV bei der Festlegung von Ausschlussfristen für Rechnungsänderungen und für die Lieferfrist von Unterlagen wird  von der Sozialgerichtsbarkeit kritisch gesehen. Viele Urteile befinden sich noch in der Berufung; es bleibt also abzuwarten, wie die Landessozialgerichte den Ball aufnehmen werden.

Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes bleibt, wie immer, ein Unsicherheitsfaktor. Frühere Rechtsprechung des ersten Senats lässt den Krankenhäusern jedoch Raum für vorsichtige Hoffnung.

Illustration: © Alexander Limbach – Fotolia

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