Rückwirkende Verrechnung von AWP

Verrechnung als BumerangDas Tauziehen um die nachträgliche Verrechnung von Aufwandspauschalen nimmt kein Ende! Manche Kassen haben schon in kleinerem oder größeren Stil bezahlte Aufwandspauschalen aus lang verflogenen Zeiten verrechnet.

Verrechnung wgn “sachlich-rechnerischer Richtigkeit”

Der Grund ist bekanntlich das “Prüfregime” der “sachlich-rechnerischen Richtigkeit”, das vom 1. Senat des Bundessozialgericht seit dem 01.07.2014 (B 1 KR 29/13 R und danach weitere Urteile) angewendet wird. Konsequent urteilt der erste Senat, dass eine Aufwandspauschale (und eine 6-Wochen-Frist) keine Rolle spielt, wenn die Rechnungsprüfung “nur” die Kodierung betrifft.

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Es macht den Eindruck, dass die Rechtsauffassungen des ersten Senats sich durchsetzen und die Krankenhäuser sich nicht wehren können. Zumindest für Fälle, die vor dem 01.01 2016 aufgenommen wurden. Ab diesem Datum ist eine Gesetzesänderung in Kraft getreten, die dem “sachlich-rechnerischen Prüfregime” den Garaus machte. So zumindest erwarten es die Experten; der erste Senat hat noch keinen solchen Fall beurteilt.

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Seit dem letzten Jahr schwebt ein Verfahren gegen die genannte Rechtsprechung beim Bundesverfassungsgericht. Die Chancen beurteilten wir als “eher dünn”. Allerdings finden sich immer mehr Urteile von Instanzgerichten, die der Rückforderung eine Absage erteilen (hier eine Liste, die von der Kanzlei Bregenhorn & Wendland publiziert wurde).

Neu ist ein Gerichtsbescheid des SG Fulda, das die Kanzlei Mohr publiziert hat (S 4 KR 255/16 vom 23.02.2018). Die Argumentation des Gerichtes ist von beeindruckender Überzeugungskraft. Sie könnte sogar eine Argumentation für das Bundesverfassungsgericht sein.

In aller Kürze seien hier die wichtigsten Standpunkte zusammen gefasst:

  • Rechtsprechung darf, anders als Gesetzesänderungen, grundsätzlich auch rückwirkend angewendet werden. Das gilt aber nicht, wenn die Rechtsprechung neues “Richterrecht” schafft. Dann müssen an die Rückwirkung strenge Maßstäbe angelegt werden, wie bei einem neuen Gesetz auch.
  • Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Rechtsprechung klar gestellt, unter welchen Bedingungen eine Rückwirkung für Gesetze gegeben sein kann. Diese treffen auf die “sachlich-rechnerische Richtigkeit” nicht zu.
  • Krankenhäuser, Krankenkassen, aber das auch das Bundessozialgericht haben erst 2014 von einem besonderen Prüfregime für Kodierungsprüfungen Kenntnis genommen. Noch in Urteilen aus 2013 erwähnte das BSG kein gesondertes Prüfregime. Daher haben Kassen und Krankenhäuser (und sogar das BSG) vor dem 01.07.2014 kein solches Regime gekannt oder vermutet. Die Bezahlung der Aufwandspauschalen fand daher in einer Auffassung über die Rechtslage statt, die beide Parteien für eindeutig hielten. In einem solchen Fall gebietet Treu und Glauben, dass die Rechtsgeschäfte nicht später komplett umgedreht werden.

Diese Argumentation könnte Schule machen. Sofern die Krankenhäuser keine “freiwilligen” Erstattungen geleistet haben, sondern auf eine Verrechnung gewartet haben, dürfte das letzte Wort noch nicht gesprochen sein!

Empfehlung: Die Zeitschrift “Der Krankenhaus-Justitiar” wird in der kommenden Ausgabe einen sehr guten Artikel zum Thema bringen.
Illustration: © Shockfactor.de – Fotolia

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