Kostenübernahmeerklärung gegen Prüfwut
Seit Einführung der PrüfvV steigern die Krankenkassen ihre Prüfwut hinsichtlich Krankenhausrechnungen ins Unermessliche. Den Rücken durch extrem kassenfreundliche Urteile des Bundessozialgerichts gestärkt, wird mittlerweile sogar auf die “Betrüger-Rhetorik” verzichtet. Eine Rechtfertigung für die systematischen Massenprüfungen wird wohl nicht mehr als erforderlich gesehen. Kann eine Kostenübernahmeerklärung hiergegen eingesetzt werden?
Aufwind für die Gesetzliche Krankenversicherung
Mittlerweile haben auch die eher zurückhaltenden Kassen verstanden, dass das Buffet schon lange eröffnet ist. Man darf sich hemmungslos bei den Krankenhauserlösen bedienen. Nichts und niemand hindert sie daran, 20, 40, in manchen Fällen auch 100 % der Krankenhausrechnungen einer Prüfung zu unterwerfen.
Unter den wohlwollenden Blicken des Bundessozialgerichts und Bundesversicherungsamtes wird das Schlachtefest unter dem Vorwand einer “Gegenmaßnahme gegen Fehlabrechnungen” immer grotesker. Die Sozialministerien der Länder sehen sich außerstande dagegen etwas zu tun und die Gesetzgebung der Bundesminister wird immer wieder durch die Subversion des 1. Senats BSG ad Absurdum geführt.
Auch der MDK beklagt sich informell über die zunehmende Belastung. Der Dienst wird immer mehr zum Laufburschen der Kassen, der eine beschämende Agenda umsetzen soll. Dass die Arbeit nicht mehr zu bewältigen ist, hört man jedoch nur hinter vorgehaltener Hand. Offizielle Verlautbarungen des MDK finden dagegen, dass alles toppi ist!2 Wess’ Brot ich ess…
Kostenübernahmeerklärung einfordern
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Besonders (aufwändige) elektive Behandlungen sind der Gefahr einer kompletten Streichung ausgesetzt. Zu denken ist dabei an:
- Jede elektive Operation aus dem AOP-Katalog
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- Multimodale rheumatologische Komplexbehandlung
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- Usw.
Bei Indikationen, mit eskalierenden Prüfquoten, kann ein Krankenhaus im Vorfeld eine Kostenübernahmeerklärung fordern. In diesem Zusammenhang bekommt ein Beschluss des SG Dresden (S 25 KR 317/17 ER vom 29.09.2017) eine richtungweisende Bedeutung.
Ein sächsisches Krankenhaus war es leid, dass die stationären Schmerzbehandlungen von einer großen Kasse mit großem Regelmaß nachträglich als “medizinisch unbegründet” beurteilt wurden. Das Haus sah sich genötigt, 10 % aller Behandlungsfälle gerichtlich einzuklagen. Es änderte seine Vorgehensweise: Bevor die Patienten stationär aufgenommen wurden, wurden sie über die Zahlungsmoral der Kasse informiert und dazu aufgefordert, eine Kostenübernahmeerklärung ihrer Kasse einzuholen.
Die Kasse reagierte darauf mit einem Schreiben, das dem Krankenhaus rechtliche Schritte androhte. Das Vorgehen, so die Kasse, sei rechtswidrig, weil das Krankenhaus die Leistung nach eigener Prüfung der Notwendigkeit zu erbringen habe. Erst später werde sich dann die Kasse mit der Frage der Notwendigkeit befassen. Außerdem dürfe das Krankenhaus die Patienten nicht über das Prüfverhalten der Kasse informieren, so der Kostenträger. Manchmal bekamen die Versicherten eine solche Kostenübernahme von der Kasse, manchmal nicht. Eine Kostenübernahme sei nicht notwendig, bekamen die Versicherten dann zu hören.
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Der Gerichtsbeschluss
Das Krankenhaus hat das Recht, die Aufnahme von Kostenübernahmeerklärungen abhängig zu machen, schreibt das SG Dresden. Das gilt allerdings nur für strikt elektive Aufnahmen, bei denen der Patient keine gesundheitlichen Nachteile durch den Aufschub erleidet.
Insbesondere sieht das Gericht kein Hindernis für diese Entscheidung in § 39 SGB V. Die Kasse berief sich nämlich auf diese Norm.
Das Gericht sieht in dieser Formulierung kein Verbot, die Kasse vor der Aufnahme um ihre Meinung zu bitten. Immerhin ist die Meinung der aufnehmenden Ärzte für die Kasse nicht bindend. Wenn der MDK zu einem anderen Ergebnis kommt, kann die Bezahlung nachträglich verweigert werden. Daher soll das Krankenhaus die Kasse auch um eine Kostenübernahmeerklärung bitten dürfen:“Stellt der aufnehmende Krankenhausarzt zwar stationäre Behandlungsbedürftigkeit fest, erwartet er aber, dass möglicherweise der durch die abrechnende Krankenkasse eingeschaltete MDK zu einem anderen Ergebnis kommt, so muss es dem Krankenhaus möglich sein, eine Vorab-Prüfung des Anspruchs durch die Krankenkasse, die die abschließende Entscheidung über die Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit trifft, zu bewirken.”
Die Frage, ob ein Leistungserbringer über Abrechnungsstreitigkeiten mit einer Kasse zu Stillschweigen verpflichtet ist, bleibt unbeantwortet. Die Kasse machte hier geltend, dass die Informationen den Patienten über die Rechtmäßigkeit des Vorgehens der Kasse verunsichern könnten. Im Vertrag zwischen Krankenhaus und Kasse sei festgelegt, dass die Parteien ihren Vertragspartner nicht schädigen dürfen.
Da diese Frage nicht Gegenstand des Rechtsstreits war, hielt sich das Gericht bedeckt. Allerdings mutet es seltsam an, dass die Kasse das eigene Verhalten anscheinend nicht als schädigend für das Krankenhaus betrachtet.
Genehmigungsfiktion
Dabei ist auch zu bedenken, dass es eine “Genehmigungsfiktion” (§ 13 Abs. 3 SGB V) gibt, die vom ersten Senat BSG sehr ernst genommen wird.
Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (Medizinischer Dienst), eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. …
Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet.
Fazit und praktische Empfehlung
Wir haben einen erstinstanzlichen Gerichtsbeschluss, der die Leistungserbringer ermutigen sollte, sich aktiver gegen das parasitäre Verhalten der GKV zu wehren. Natürlich sind diese Betrachtungen noch nicht der Weisheit letzter Schluss, aber wir sollten uns nicht mehr so leicht von Drohungen und Aufforderungen der Kassen beeindrucken lassen.
Wenn Sie ein Problem mit systematischen Fallprüfungen haben, die darauf abzielen, die Indikation oder die Dauer einer strikt elektiven Behandlung grundsätzlich abzulehnen, können Sie es dem genannten Krankenhaus gleich tun. Dabei sind einige taktische Überlegungen anzustellen:
- Wenn die Behandlung auch von anderen Krankenhäusern in der Nähe angeboten wird, sollten Sie vor einer Verfahrensänderung das Gespräch suchen. Eine konzertierte Aktion wäre ungleich effektvoller.
- “Überfallen” Sie Ihr Gegenüber nicht: Sie sollten mit der Kasse sprechen, bevor Sie Tatsachen schaffen.
- Beschränken Sie sich auf genau umschriebene Indikationen und auf genau definierte Kostenträger. Überlegen Sie genau, was Sie erreichen wollen (nur Notwendigkeit der stationären Behandlung, oder auch eine bestimmte Dauer?) und formulieren Sie entsprechend.
- Vermeiden Sie allzu provokante Formulierungen in Ihrem Schreiben für den Patienten. Informieren Sie, aber bleiben Sie strikt sachlich. Informieren Sie auch darüber, dass der Patient unter keinen Umständen persönlich für die Bezahlung der Rechnung herangezogen wird.
- Seien Sie konsequent: Sie müssen bereit sein, auf Behandlungen zu verzichten. Wenn Sie hier einknicken, verlieren Sie Ihre Glaubwürdigkeit.
Zur Information folgt noch der Wortlaut des Schreibens, der Stein des Anstoßes war. Diese Darstellung soll den Fall nur illustrieren; mit der Wiedergabe ist keinerlei Aussage zur Qualität des Schreibens, noch eine Empfehlung zur Verwendung verbunden.
1 Blog Medizinrecht Saarland 27.09.18
2 Gerards, Gläfke: Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK). In: von Dercks (Hg): Operatives und Strategisches Medizincontrolling, 1. Auflage, Mediengruppe Oberfranken 2018 S. 69
Foto: © M Reinhold Foeger – Fotolia
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