Kostenübernahmeerklärung gegen Prüfwut

Kostenübernahmeerklärung vor stationärer AUfnaheSeit Einführung der PrüfvV steigern die Krankenkassen ihre Prüfwut hinsichtlich Krankenhausrechnungen ins Unermessliche. Den Rücken durch extrem kassenfreundliche Urteile des Bundessozialgerichts gestärkt, wird mittlerweile sogar auf die “Betrüger-Rhetorik” verzichtet. Eine Rechtfertigung für die systematischen Massenprüfungen wird wohl nicht mehr als erforderlich gesehen. Kann eine Kostenübernahmeerklärung hiergegen eingesetzt werden?

Aufwind für die Gesetzliche Krankenversicherung

Mittlerweile haben auch die eher zurückhaltenden Kassen verstanden, dass das Buffet schon lange eröffnet ist. Man darf sich hemmungslos bei den Krankenhauserlösen bedienen. Nichts und niemand hindert sie daran, 20, 40, in manchen Fällen auch 100 % der Krankenhausrechnungen einer Prüfung zu unterwerfen.

Unter den wohlwollenden Blicken des Bundessozialgerichts und Bundesversicherungsamtes wird das Schlachtefest unter dem Vorwand einer “Gegenmaßnahme gegen Fehlabrechnungen” immer grotesker. Die Sozialministerien der Länder sehen sich außerstande dagegen etwas zu tun und die Gesetzgebung der Bundesminister wird immer wieder durch die Subversion des 1. Senats BSG ad Absurdum geführt.

Misstrauen der Kasseler Richter: Auszug aus der Urteilsbegründung zu B 1 KR 25/13 R (14.10.14). Der Senat fordert die Mitteilung ausführlicher Begründungen für die Rechnungslegung:
“Nur so beugt das Krankenhaus einer Irreführung und darauf beruhender täuschungsbedingter ungerechtfertigter Vermögensverfügung der KK vor, ermöglicht der KK die sachlich-rechnerische Richtigkeitskontrolle und schafft damit die für die Zusammenarbeit unerlässliche Vertrauensbasis.”

Mittlerweile regt sich aber Widerstand gegen das Prüfgebaren der Kassen. Massenprüfungen in der derzeitigen Form sind rechtsmissbräuchlich und sind vom Gesetz nicht gedeckt.1 Nicht nur die DKG, die als “krawallig” bekannt ist, wehrt sich. Sogar die betont unparteiische DGfM gibt ein (recht braves) Positionspapier ab.

Auch der MDK beklagt sich informell über die zunehmende Belastung. Der Dienst wird immer mehr zum Laufburschen der Kassen, der eine beschämende Agenda umsetzen soll. Dass die Arbeit nicht mehr zu bewältigen ist, hört man jedoch nur hinter vorgehaltener Hand. Offizielle Verlautbarungen des MDK finden dagegen, dass alles toppi ist!2 Wess’ Brot ich ess…

Kostenübernahmeerklärung einfordern

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Besonders (aufwändige) elektive Behandlungen sind der Gefahr einer kompletten Streichung ausgesetzt. Zu denken ist dabei an:

  • Jede elektive Operation aus dem AOP-Katalog
  • Multimodale Schmerztherapie
  • Multimodale rheumatologische Komplexbehandlung
  • Kardiorespiratorische Polysomnographie
  • Naturheilkundliche Komplexbehandlung
  • Anthroposophisch medizinische Komplexbehandlung
  • Usw.

Bei Indikationen, mit eskalierenden Prüfquoten, kann ein Krankenhaus im Vorfeld eine Kostenübernahmeerklärung fordern. In diesem Zusammenhang bekommt ein Beschluss des SG Dresden (S 25 KR 317/17 ER vom 29.09.2017) eine richtungweisende Bedeutung.

Ein sächsisches Krankenhaus war es leid, dass die stationären Schmerzbehandlungen von einer großen Kasse mit großem Regelmaß nachträglich als “medizinisch unbegründet” beurteilt wurden. Das Haus sah sich genötigt, 10 % aller Behandlungsfälle gerichtlich einzuklagen. Es änderte seine Vorgehensweise: Bevor die Patienten stationär aufgenommen wurden, wurden sie über die Zahlungsmoral der Kasse informiert und dazu aufgefordert, eine Kostenübernahmeerklärung ihrer Kasse einzuholen.

Die Kasse reagierte darauf mit einem Schreiben, das dem Krankenhaus rechtliche Schritte androhte. Das Vorgehen, so die Kasse, sei rechtswidrig, weil das Krankenhaus die Leistung nach eigener Prüfung der Notwendigkeit zu erbringen habe. Erst später werde sich dann die Kasse mit der Frage der Notwendigkeit befassen. Außerdem dürfe das Krankenhaus die Patienten nicht über das Prüfverhalten der Kasse informieren, so der Kostenträger. Manchmal bekamen die Versicherten eine solche Kostenübernahme von der Kasse, manchmal nicht. Eine Kostenübernahme sei nicht notwendig, bekamen die Versicherten dann zu hören.

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Der Gerichtsbeschluss

Das Krankenhaus hat das Recht, die Aufnahme von Kostenübernahmeerklärungen abhängig zu machen, schreibt das SG Dresden. Das gilt allerdings nur für strikt elektive Aufnahmen, bei denen der Patient keine gesundheitlichen Nachteile durch den Aufschub erleidet.

Insbesondere sieht das Gericht kein Hindernis für diese Entscheidung in § 39 SGB V. Die Kasse berief sich nämlich auf diese Norm.

Auszug aus § 139 SGB V:
“Versicherte haben Anspruch auf vollstationäre … Behandlung durch ein … Krankenhaus, wenn die Aufnahme oder die Behandlung im häuslichen Umfeld nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann.”

Das Gericht sieht in dieser Formulierung kein Verbot, die Kasse vor der Aufnahme um ihre Meinung zu bitten. Immerhin ist die Meinung der aufnehmenden Ärzte für die Kasse nicht bindend. Wenn der MDK zu einem anderen Ergebnis kommt, kann die Bezahlung nachträglich verweigert werden. Daher soll das Krankenhaus die Kasse auch um eine Kostenübernahmeerklärung bitten dürfen:
“Stellt der aufnehmende Krankenhausarzt zwar stationäre Behandlungsbedürftigkeit fest, erwartet er aber, dass möglicherweise der durch die abrechnende Krankenkasse eingeschaltete MDK zu einem anderen Ergebnis kommt, so muss es dem Krankenhaus möglich sein, eine Vorab-Prüfung des Anspruchs durch die Krankenkasse, die die abschließende Entscheidung über die Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit trifft, zu bewirken.”

Die Frage, ob ein Leistungserbringer über Abrechnungsstreitigkeiten mit einer Kasse zu Stillschweigen verpflichtet ist, bleibt unbeantwortet. Die Kasse machte hier geltend, dass die Informationen den Patienten über die Rechtmäßigkeit des Vorgehens der Kasse verunsichern könnten. Im Vertrag zwischen Krankenhaus und Kasse sei festgelegt, dass die Parteien ihren Vertragspartner nicht schädigen dürfen.

Da diese Frage nicht Gegenstand des Rechtsstreits war, hielt sich das Gericht bedeckt. Allerdings mutet es seltsam an, dass die Kasse das eigene Verhalten anscheinend nicht als schädigend für das Krankenhaus betrachtet.

Genehmigungsfiktion

Dabei ist auch zu bedenken, dass es eine “Genehmigungsfiktion” (§ 13 Abs. 3 SGB V) gibt, die vom ersten Senat BSG sehr ernst genommen wird.

Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (Medizinischer Dienst), eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. …

Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet.

Fazit und praktische Empfehlung

Wir haben einen erstinstanzlichen Gerichtsbeschluss, der die Leistungserbringer ermutigen sollte, sich aktiver gegen das parasitäre Verhalten der GKV zu wehren. Natürlich sind diese Betrachtungen noch nicht der Weisheit letzter Schluss, aber wir sollten uns nicht mehr so leicht von Drohungen und Aufforderungen der Kassen beeindrucken lassen.

Wenn Sie ein Problem mit systematischen Fallprüfungen haben, die darauf abzielen, die Indikation oder die Dauer einer strikt elektiven Behandlung grundsätzlich abzulehnen, können Sie es dem genannten Krankenhaus gleich tun. Dabei sind einige taktische Überlegungen anzustellen:

  • Wenn die Behandlung auch von anderen Krankenhäusern in der Nähe angeboten wird, sollten Sie vor einer Verfahrensänderung das Gespräch suchen. Eine konzertierte Aktion wäre ungleich effektvoller.
  • “Überfallen” Sie Ihr Gegenüber nicht: Sie sollten mit der Kasse sprechen, bevor Sie Tatsachen schaffen.
  • Beschränken Sie sich auf genau umschriebene Indikationen und auf genau definierte Kostenträger. Überlegen Sie genau, was Sie erreichen wollen (nur Notwendigkeit der stationären Behandlung, oder auch eine bestimmte Dauer?) und formulieren Sie entsprechend.
  • Vermeiden Sie allzu provokante Formulierungen in Ihrem Schreiben für den Patienten. Informieren Sie, aber bleiben Sie strikt sachlich. Informieren Sie auch darüber, dass der Patient unter keinen Umständen persönlich für die Bezahlung der Rechnung herangezogen wird.
  • Seien Sie konsequent: Sie müssen bereit sein, auf Behandlungen zu verzichten. Wenn Sie hier einknicken, verlieren Sie Ihre Glaubwürdigkeit.

Zur Information folgt noch der Wortlaut des Schreibens, der Stein des Anstoßes war. Diese Darstellung soll den Fall nur illustrieren; mit der Wiedergabe ist keinerlei Aussage zur Qualität des Schreibens, noch eine Empfehlung zur Verwendung verbunden.

Sehr geehrte/r ,
durch Ihren Arzt wurden Sie zur stationären Behandlung in das Orthopädische Zentrum eingewiesen.
Hiermit bestätigen wir Ihnen den Eingang Ihrer Einweisung (Verordnung von Krankenhausbehandlung).
Bitte haben Sie dafür Verständnis, dass wir Ihnen heute noch keinen verbindlichen Termin für Ihre stationäre Krankenhausbehandlung mitteilen können. In der jüngeren Vergangenheit kam es zu massiven Auseinandersetzungen zwischen unserem Haus und gesetzlichen Krankenkassen, da vermehrt von Seiten der Krankenkasse angezweifelt wurde, dass die Schmerztherapie tatsächlich stationär erfolgen müsse. Sie werden verstehen, dass wir die mit einer nachträglichen Prüfung der Notwendigkeit einer stationären Behandlung verbundenen Risiken nicht eingehen können, da die Krankenkassen dann die von uns erbrachten Leistungen gar nicht bezahlen und uns nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten zur Verfügung stehen, die für den Betrieb unseres Krankenhaus erforderlichen Entgelte auch tatsächlich zu erhalten.
Nachdem es sich vorliegend nicht um eine Notfallbehandlung handelt, müssen wir zur Vermeidung späterer Auseinandersetzungen mit Ihrem Krankenversicherer darauf bestehen, dass uns bereits vor Durchführung der stationären Behandlung eine schriftliche Kostenübernahmeerklärung Ihrer Krankenversicherung vorgelegt wird, mit der diese erklärt, dass gegen die medizinische Notwendigkeit der vollstationären Behandlung in Ihrem Fall keine Einwände erhoben werden. Einen entsprechenden Vordruck für eine von der Krankenkasse abzugebende Erklärung fügen wir in der Anlage bei.”

Dem Schreiben liegt ein Formular mit folgendem Wortlaut bei:
“Erklärung
Hiermit wird bestätigt, dass der Patient/die Patientin: KV-Nr.: bei uns gesetzlich krankenversichert ist und von unserer Seite keine Einwände gegen die medizinische Notwendigkeit einer vollstationären Behandlung des/der vorstehend genannten Patientin/Patienten im Rahmen der mit der Verordnung von Krankenhausbehandlungen vom durch den/die niedergelassene(n) Arzt/Ärztin ärztlich verordneten stationären Schmerztherapie erhoben werden.
Mit dieser Erklärung sind keine sonstigen, über die Anerkennung der medizinischen Notwendigkeit einer vollstationären Behandlung hinausgehenden präjudizierenden Erklärungen der Krankenkasse abgegeben … (Ort/Datum) (Unterschrift/Stempel Krankenkasse)”

1 Blog Medizinrecht Saarland 27.09.18
2 Gerards, Gläfke: Der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK). In: von Dercks (Hg): Operatives und Strategisches Medizincontrolling, 1. Auflage, Mediengruppe Oberfranken 2018 S. 69
Foto: © M Reinhold Foeger – Fotolia

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