Rechnungsänderungen

Rechnungsänderungen in neuem Licht

Rechnungsänderungen

© Noppadol

Bei der Frage nach möglichen Rechnungsänderungen hat die PrüfvV für Verunsicherung gesorgt . Dürfen Änderungen nach dem MDK-Gutachten noch umgesetzt werden, oder nicht? Wie beurteilt die Sozialrechtsprechung die Lage? Was ändert sich voraussichtlich durch das MDK-Reformgesetz? Viele Fragen und manche überraschende Antwort.

Rechnungsänderungen beschränken

Eins der dringenden Anliegen des Spitzenverbands GKV beim Entwurf der Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) war die Beschränkung des “Nachkodierens” seitens der Krankenhäuser. Jedes Mal, wenn der MDK einen Kode aus dem Datensatz strich, erfand das Krankenhaus einen neuen Kode, der noch hinzugefügt werden sollte. Dieses Verfahren erlebte die Kassenseite als reine Schikane und das sollte aufhören. Daher stehen Beschränkungen in der PrüfvV (mehr dazu hier).

Die PrüfvV scheint jedoch an verschiedenen Stellen nicht “zu Ende gedacht” zu sein und es gibt einige Probleme. Was passiert eigentlich wenn:

  • der MDK einen falschen Kode streicht, den korrekten Kode aber nicht einfügt?
  • der MDK einen Kodierfehler behebt, und die Rechnung dadurch höher wird, statt niedriger?
  • das Krankenhaus in einer Begehung mit dem MDK eine Änderung der Kodierung fordert?

Wir haben in allen genannten Situationen Kassen erlebt, die eine Änderung unter Hinweis auf die PrüfvV ablehnen.

Die Rechtsprechung

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Es gibt viele Urteile zu Rechnungsänderungen. Ein Griff in die Kiste:

Bundessozialgericht

  • B 1 KR 33/15 R vom 19.04.2016 und B 1 KR 40/15 R vom 05.07.2016: eine “Bagatellgrenze” von 300 € als Kriterium für eine zulässige Rechnungsänderung gibt es nicht – Eine Änderung der Rechnung ist zulässig bis zum Ende des Jahres, das auf die Rechnungslegung folgt.
  • B 1 KR 27/16 R vom 27.05.2017: Eine Änderung der Kodierung ist bis zum Abschluss des Prüfverfahrens erlaubt, wenn die Kodierung auch Gegenstand der Prüfung ist. Wenn eine Verweildauerfrage geprüft wird, gilt die oben stehende Regel.

Landessozialgerichte

  • LSG Baden-Württemberg L 5 KR 1522/17 vom 17.04.2019 (nicht rechtskräftig): Rechnungsänderungen sind durch die PrüfvV nur für das MDK-Verfahren reguliert. Diese Regeln gelten im Gerichtsverfahren nicht.
  • LSG Rheinland-Pfalz L 5 KR 155/18 vom 13.08.2018 (nicht rechtskräftig): Die PrüfvV erlaubt auch die Umsetzung von MDK-Gutachten, die eine Rechnungserhöhung und keine Rechnungsminderung zur Folge haben.

Sozialgerichte

  • SG Chemnitz S 15 KR 819/17 vom 23.04.2019 (nicht rechtskräftig): Eine Erhöhung des Rechnungsbetrags infolge eines MDK-Gutachtens ist erlaubt (verweist auf die oben genannten Rechtsgänge unter Landessozialgerichte)
  • SG Detmold S 24 KR 1181/18 vom 16.05.20129 (nicht rechtskräftig): Die PrüfvV kann keine verbindliche Ausschlussfristen festlegen, dazu fehlt die gesetzliche Grundlage.
  • SG Regensburg S 8 KR 699/17 vom 25.10.2018 (rechtskräftig): Wenn sich MDK und Krankenhaus in einer Begehung auf die Änderung der Kodierung einigen und dies im Gutachten steht, kommt es nicht darauf an, dass die Rechnungsänderung erst Tage danach erfolgte.
  • SG Detmold S 22 KR 746/17 vom 05.04.2018: Es gelten im Gerichtsverfahren die Regeln aus der BSG-Rechtsprechung für die Rechnungsänderungen. Sie sind erlaubt bis zum Ende des Jahres, das auf dem Jahr der Rechnungslegung folgt.

Wir erkennen einen klaren Trend: Die Regeln der PrüfvV gelten nur außerhalb der Gerichtssäle. Ausschlussfristen können die Selbstverwaltungspartner nicht vereinbaren.

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Das MDK-Reformgesetz

Eine der wesentlichen Änderungen im Referentenentwurf des MDK-Reformgesetzes ist ein geplantes Verbot von Rechnungsänderungen in § 17c KHG:

Krankenhausfinanzierungsgesetz § 17c (geplante Ergänzung)

(2a) Nach Übermittlung der zahlungsbegründenden Unterlagen an die Krankenkasse ist eine Korrektur dieser Unterlagen durch das Krankenhaus ausgeschlossen. In der Vereinbarung nach Absatz 2 Satz 1 können von Satz 1 abweichende Regelungen vorgesehen werden.

Diese Regelung erklärt der Gesetzgeber als Maßnahme, um eine Rechnungsprüfung effizienter zu machen:

Die Rechnungsstellung eines Krankenhauses hat grundsätzlich abschließend zu sein. Eine spätere Rechnungskorrektur ist nicht mehr möglich, soweit die Vertragsparteien auf Bundesebene nichts Abweichendes vereinbaren. Wiederholte Rechnungsänderungen
und eine damit einhergehende unnötige Ressourcenbindung bei der Abrechnungsprüfung
können so vermieden werden.


Es geht hier also um Datensatzänderungen, die das Krankenhaus durchführt, um die Folgen eines MDK-Gutachtens aufzuheben. Die geplante Formulierung reicht aber weiter als das:

  • “Kodierrevisionen” nach der Fallabrechnung können nicht mehr zu einer neuen Rechnungslegung führen. Damit bricht ein wichtiges Geschäftsmodell vieler Krankenhausberater weg.
  • Dem Kodierprozess in den Krankenhäusern wird keine “zweite Chance” mehr zugestanden.

Die Regelung birgt eine große Gefahr: Wenn die Prüfung des MDK zu einem unbilligen Ergebnis führt, hat das Krankenhaus anscheinend keinen Handlungsspielraum mehr. Ein Beispiel, das wir mit dem MDK Sachsen erlebt haben, soll das Problem verdeutlichen:

Eine laparoskopische Operation (Adnektomie) wurde versehentlich als “offen chirurgisch” verschlüsselt. Der MDK bemerkte den Fehler. Statt den Kode durch den entsprechenden OPS “laparoskopisch” zu ersetzen (was in die gleiche DRG führt), zog der Gutachter es vor, den falschen Kode ersatzlos zu streichen.

Das Ergebnis war ein Datensatz ohne Operation und eine entsprechende Rechnungsminderung. Die Kasse ließ sich nicht auf eine Diskussion über den Fall ein.

In ähnlichen Fällen bleibt zukünftig nur die Möglichkeit eines Gerichtsverfahrens, wenn das Gesetz unverändert in Kraft treten sollte. Da steckt schon die nächste brisante Frage: Gilt das Änderungsverbot dann auch vor einem Gericht? Wenn ja, würden Krankenhäuser in Fällen wie oben dargestellt der Willkür des jeweiligen MDK-Gutachters ausgesetzt sein.

Aufgrund der offensichtlichen Ungerechtigkeit solcher Ergebnisse ist meine (zugegebenermaßen laienhafte) Erwartung, dass spätestens vor Gericht die “Waffengleichheit” wieder hergestellt wird. Im Vorfeld könnte natürlich die PrüfvV solche Verwerfungen abfangen. Angesichts der Passivität und mangelnder Kompromissbereitschaft der Selbstverwaltungspartner (auch auf Krankenhausseite!) ist eine solche konstruktive Regelung wohl unwahrscheinlich.

Praktische Konsequenzen

Es gibt wieder mal viele, teilweise widersprüchliche Perspektiven und Regelungen. Wie soll man praktisch damit umgehen? Hier einige praktische Handreichungen (ohne Gewähr!):

Situation bis Ende 2019

  • Wenn keine Fallprüfung erfolgt
    • Ständige Rechtsprechung des BSG bestätigt die Möglichkeit einer Rechnungsänderung bis zum Ende des Jahres, das auf das Jahr der Rechnungslegung folgt. Also eine Periode von 12 bis 24 Monaten (abhängig vom Monat der Rechnungslegung).
  • Wenn eine MDK-Prüfung der Kodierung erfolgt
    • Das BSG beschreibt (B 1 KR 27/16 R vom 23.05.2017), dass eine laufende Kodierprüfung dem Krankenhaus das Recht verleiht, seine Kodierung zu korrigieren. Ggf. auch über die oben genannte Frist hinaus. (der Fall stammt aus der Zeit vor der PrüfvV).
  • Wenn eine MDK-Prüfung ohne Prüfung der Kodierung erfolgt
    • Eine Verweildauerprüfung verlängert laut BSG nicht die Frist für eine Rechnungsänderung. Sie bleibt also bis zum Ende des Jahres nach der Rechnungslegung möglich. Die Regelungen der PrüfvV verhindern eine Rechnungsänderung nach Abschluss der MDK-Prüfung nicht, sofern die Änderung im MDK-Verfahren eingeführt wurde.
  • Gerichtsverfahren
    • Die Regeln der PrüfvV gelten nur außerhalb der Gerichtssäle. Wenn das Ergebnis eine Änderung der Kodierung ist, wird diese auch umgesetzt. Die “Nachkodierungsfristen” der PrüfvV haben vor den Gerichten keine Gültigkeit.

Erwartete Situation ab 2020

  • Unabhängig von der Durchführung einer Fallprüfung
    • Eine Rechnungsänderung durch das Krankenhaus ist laut Gesetz ausgeschlossen. In einem MDK-Verfahren ist allerdings eine Änderung durch den MDK (auch zu Gunsten des Krankenhauses!) zulässig.
  • Gerichtsverfahren
    • Im Gerichtsverfahren gilt die Amtsermittlung: Der Fall wird komplett neu aufgerollt und es gelten keine Verbote einer Rechnungsänderung. Diese werden dann auch nicht durch das Krankenhaus, sondern durch ein Gericht eingefordert.

Ein Schema zum Download

Diese Einschätzungen haben wir in ein Schema zusammengefasst, das Sie hier downloaden können. Rechtsansprüche können aus der Verwendung nicht abgeleitet werden.

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