Prüfunterlagen versenden: Harte Zeiten

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Hinweis: Dieser Artikel ist nicht mehr aktuell. Hier geht es zu einer neueren Darstellung der Lage.
Seit Jahren streiten wir uns über den Unterlagenversand für den MD. Inzwischen gibt es höchstrichterliche Rechtsprechung, eine neue PrüfvV und ein Erörterungsverfahren. Dieser Artikel soll helfen, den Überblick nicht zu verlieren: Wo stehen wir?
Das Versenden von Prüfunterlagen für den MD sollte eigentlich kein Problem sein. So dachte zumindest die DKG, als sie 2014 die erste Version der PrüfvV mit dem GKV Spitzenverband aushandelte. Es wurden den Krankenhäusern schlanke 4 Wochen Frist zugestanden. Der Aufschrei war groß!
Für einen Außenstehenden mögen 4 Wochen als völlig ausreichend erscheinen: Einmal ins Archiv, Akte ziehen, kopieren und versenden, fertig! Wer aber ein Krankenhaus wirklich kennt, weiß auch, wie aufwendig manchmal Aktenteile zusammengesucht werden müssen. Und wie schwer es ist, fehlende Entlassbriefe und OP-Berichte beizubringen!
In der Folge wurden mehrere Friständerungen eingeführt. Die Corona-Anpassungen waren großzügig aber unübersichtlich. Ab 2022 wird vieles neu geregelt.
Die Lieferfrist der PrüfvV für Prüfunterlagen
Seit dem 01.04.21 dürfen sich Krankenhäuser für den Versand von Prüfunterlagen 28 Wochen Zeit nehmen. Das ist eine mehr als ausreichende Frist. Für Behandlungen mit Aufnahmedatum ab dem 01.01.2022 wird diese Frist aber wieder verkürzt: Es gelten wieder 8 Wochen. Die Frist läuft ab Eingang der Aufforderung vom MD.
Zum Glück bieten mittlerweile die meisten MDs eine Möglichkeit zur elektronischen Übermittlung der Akte. Das hat den charmanten Vorteil, dass es keine Diskussionen mehr über das genaue Eingangsdatum beim MD geben wird. Denn dieses Datum hat es in sich; darüber gleich mehr.
Was wegfällt, ist die sperrige Regelung über die Änderung der Rechnung während der Prüfung. Zurzeit sind das 8 Monate, früher waren es 5. Ab dem 01.01.22 wird § 17c Abs. 2a KHG tatsächlich in Kraft treten: Eine Krankenhausrechnung darf dann grundsätzlich nicht mehr nachträglich geändert werden (Siehe dazu auch diesen Beitrag). Und das gilt auch während (oder nach) einer Fallprüfung. Damit wird eine lieb gewonnene Gewohnheit ausgehebelt: Nach einem negativen MD-Gutachten können wir nicht mehr schauen, ob wir noch einen Kode hinzufügen oder ändern können. Was im ersten Aufschlag nicht dabei war, können wir nicht mehr nachkodieren. Im Gegenzug dürfen die Kassen vermeintliche Rückforderungen nicht einfach aufrechnen.
Die Versandfrist und die Rechtsprechung
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Schon seit Jahren sind wir an eine Lieferfrist gebunden. Der MD hat von Anfang an auf die Einhaltung bestanden. So auch der MDK-Nordrhein, als ein dickes Paket Unterlagen einen Tag zu spät eintraf. Die Rechnung betrug mehr als 400.000 € und das Geld war weg. Die Frage war, ob diese Akte trotz Verspätung noch in einem Gerichtsverfahren geprüft werden könne. Über solche Fragen wurden viele Urteile gesprochen. Die Gerichte waren sich nicht einig: Manche meinten, die Lieferfrist die Versandfrist sei eine Ausschlussfrist, andere meinten das nicht.
Mittlerweile hat der erste Senat BSG gesprochen: B 1 KR 32/20 R vom 18.04.2021. Es gibt eine klare Ansage: Wer die Lieferfrist verpasst, darf die Unterlagen auch in einem Gerichtsverfahren nicht mehr einbringen. Aber es lohnt sich, das Urteil genauer anzuschauen. Es werden noch einige Randbemerkungen eingefügt:
- Nur Unterlagen, die vom MD konkret angefordert wurden, unterliegen einer Lieferfrist.
- Pauschale Formulierungen, wie z. B. „alle zur Begründung des Anspruchs erforderliche Unterlagen” lösen keine Lieferfrist aus.
- Noch fehlende Unterlagen, die der MD in seiner Anforderung nicht konkret benannt hat, dürfen auch später noch (im Erörterungsverfahren / vor Gericht) eingeführt werden.
Das Fazit: Versenden Sie von Anfang an die komplette Akte! Datensparsamkeit ist hier gefährlich.
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Das Erörterungsverfahren
Auch neu ist die Umsetzung des Erörterungsverfahrens ab 2022. Die KIS-Hersteller werden hoffentlich rechtzeitig ein großes Update für die § 301 Converter bereitstellen, damit Sie die neuen Datensegmente in INKA / KAIN versenden, respektive empfangen können. Außerdem wäre es schön, wenn dabei unsere Dokumentationspflicht bedacht und unterstützt wird. Man darf doch noch träumen?
Auch hier gibt es eine Lieferfrist. Nachdem die Kasse die ersten Argumente des Krankenhauses abgelehnt hat, haben wir 4 Wochen Zeit, um zu liefern. Was genau geliefert werden möchte bleibt ziemlich unklar. In fast jedem beschreibenden Satz der PrüfvV werden wieder andere Begriffe verwendet: „Einwendungen“, „Unterlagen“, „Daten“, „Argumentationen“, „Tatsachenvorträge“; suchen Sie sich was Schönes aus. Diese schwammigen Ausdrücke – da bin ich mir ziemlich sicher – werden mal wieder von den Gerichten geklärt werden müssen. Ist eine „Argumentation“ noch zulässig, wenn diese im Erörterungsverfahren nicht genau so Erwähnung fand? Wir werden sehen.
Die Krankenakte
Ein völlig neuer Aspekt ist die Übersendung der Behandlungsakte an die Kasse. Um vor Gericht Inhalte der Akte als Beweis einzubringen, muss die Akte der Kasse vorher bekannt gewesen sein. Das hat der Gesetzgeber den Krankenhäusern in einer undurchsichtigen Formulierung ausdrücklich erlaubt:
„Die Krankenhäuser sind befugt, personen- und einrichtungsbezogene Daten für die Erörterung der Rechtmäßigkeit der Abrechnung im erforderlichen Umfang zu verarbeiten.“ (§ 17c Abs. 2b S. 3 KHG)
Es gibt hier ein großes Aber: Die Kassen werden sicher sein wollen, dass das Krankenhaus keine Unterlagen einbringt, die dem MD nicht vorgelegen haben. Daher wird der medizinische Dienst den Kassen die vorliegenden Unterlagen übersenden. Die Kassen werden diese dann dem Krankenhaus zur Verfügung stellen müssen.
Da muss das Krankenhaus nur noch die Argumente vortragen, die es klageweise geltend machen will.
Die Konsequenzen
Langsam nimmt die Umsetzung der PrüfvV auch in der Rechtsprechung Form an. In der Vergangenheit haben wir damit gerechnet, die Prüfvereinbarung durch Richterrecht ausgehebelt werden könnte. Doch der neue Vorsitz des ersten Senats BSG führt anscheinend dazu, dass die Beliebigkeit der früheren Urteilsfindung nicht fortgesetzt wird. Der erste Senat hat bestätigt, dass die Selbstverwaltung Ausschlussfristen definieren kann. Auch wenn diese erhebliche wirtschaftliche Konsequenzen haben („materielle Ausschlussfristen“). Die oben genannte Rechnung von mehr als 400.000 € ist also perdü.
Die PrüfvV ist ernst zu nehmen: wer die Fristen nicht einhält, hat verloren. Auch in einem späteren Gerichtsverfahren. Was bedeutet das für die nahe Zukunft?
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