Landessozialgericht Baden-Württemberg L 11 KR 2307/07

Landessozialgericht Baden-Württemberg

Urteil vom 20.04.2010 (nicht rechtskräftig)

  • Sozialgericht Heilbronn S 8 KR 728/05
  • Landessozialgericht Baden-Württemberg L 11 KR 2307/07

 

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 22. März 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Erstattung der Kosten der privatärztlichen Behandlung der seit 30. Oktober 2002 durchgeführten Immuntherapie nach der Methode des Dr. H. in Höhe von 73.005,39 EUR.

Der 1982 geborene Kläger ist über seinen Vater, der Mitglied der Beklagten ist, familienversichert. Nach rezidivierenden Infekten der Atemwege und Nasennebenhöhlen, Angina, Lymphknotenschwellungen, Fieberschüben und Leistungsknick 2001 diagnostizierte Internist Dr. E. am 26. April 2001 den Verdacht auf eine EBV-Infektion (Epstein-Barr-Virus), ggf als reaktiviertes Pfeiffersches Drüsenfieber (Mononukleose). Vom 18. Dezember 2001 bis 22. Januar 2002 befand sich der Kläger insbesondere wegen chronischer Sinusitis, orthostatischer Kreislaufdysregulation und Verdacht auf reaktive infektiöse Mononukleose zur stationären Rehabilitation in der Rehabilitationsklinik S. A … Die Schulbildung am Gymnasium brach der Kläger nach Wiederholung der 12. Klasse mit der Fachhochschulreife ab.

Wegen persistierender Beschwerden stellte sich der Kläger erstmals am 30. Oktober 2002 in der Praxis des Dr. H., der keine Vertragsarztzulassung mehr besitzt, vor. Dr. H. diagnostizierte im Bericht vom 19. Februar 2003 beim Kläger den Verdacht auf ein post- und parainfektiöses CFID-Syndrom (chronic-fatigue-immune-dysbalance-syndrome) mit chronisch persistierender EBV-Infektion bei humoralem Immundefekt mit allergischer Diathese und gestörter Autoimmunität. Nach dem vorläufigen Therapieplan vom 19. Februar 2003 empfahl Dr. H. zur Behandlung des Klägers folgende Maßnahmen: Bolusinfusionen mit Antioxidantien, Ozontherapie, Vitamin C als Infusion; Gluthation, Colibiogen Ampullen, Magnesium, Selenase, Medivitan Ampullen, Beriglobin Ampullen, Baypamune, Phlogenzym, Mutaflor, L-Lysin, Physiotherapie, Traditionelle Chinesische Medizin sowie Herd- und Regulationstherapie. In der Folge führte der Kläger Teile der Therapie auf eigene Kosten durch. Die Verordnungen wurden von Dr. H. und anderen in der Praxis des Dr. H. tätigen Ärzten ausgestellt, ua von Internist und Neuroimmunologe Dr. d. B. und Psychiater und Psychoneuroimmunologe Dr. M … Auch Dr. d. B. ist nicht als Vertragsarzt zugelassen. Unter den von Dr. H. und Dr. d. B. verordneten Mitteln befinden sich auch in erheblichem Umfang Produkte der in Brüssel ansässigen Firma S. wie zB Sanovir, PKS Power Pack und Sanocystrol. Dabei handelt es sich um sog HSM (H.-Systems Medicine)-Produkte, die von Dr. H. selbst entwickelt wurden. Dr. H. ist auch wissenschaftlicher Mentor der Firma S … Die genannten Produkte werden von der Firma S. in ihrem Internetauftritt (http://m.s …com) als Nahrungsergänzungspräparate bezeichnet.

Am 19. Dezember 2002 beantragte der Vater des Klägers die – zumindest anteilige – Übernahme der Kosten der Behandlung und legte Rechnungen verschiedener Ärzte und Apotheken vor. Die Beklagte erstattete anfangs einen Teilbetrag in Höhe von 5.110,26 EUR. Nachdem sie bei Dr. L., Medizinischer Dienst der Krankenversicherung B.-W. (MDK), die Stellungnahme vom 25. März 2003 eingeholt hatte, teilte sie dem Vater des Klägers dann bei einer persönlichen Vorsprache am 2. April 2003 sowie mit Schreiben vom 17. Juli 2003 (ohne Rechtsbehelfsbelehrung) mit, Kostenerstattungen dürften nur für Behandlungen bei einem Vertragsarzt vorgenommen werden. Dr. H. habe keine Zulassung zur kassenärztlichen Behandlung. Es werde deshalb um Verständnis gebeten, dass die von Dr. H. durchgeführte Behandlung bzw die von ihm veranlasste Therapie auch im Kostenerstattungsverfahren nicht bezahlt werden dürfe. In Gesprächen mit der Beklagten am 2. Februar 2004 und 7. Februar 2005 (Aktennotizen vom 2. Februar 2004 und 9. Februar 2005) wurde eine nochmalige Überprüfung der Kostenübernahme vereinbart. Die Beklagte veranlasste daraufhin im März 2005 eine erneute Stellungnahme des MDK. Mit Schreiben vom 8. Februar 2005 beantragte der Vater des Klägers erneut die Kostenübernahme für die Behandlung.

Am 9. März 2005 hat der Kläger Untätigkeitsklage gegen die Beklagte vor dem Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. Die Beklagte habe die Kosten der Behandlung seit Herbst 2002 zu übernehmen, denn die immunologische Behandlung durch Dr. H. schließe eine vertragsärztliche Versorgungslücke. Prof. Dr. O., R.-K.-Universität H., Institut für Immunologie, und Prof. Dr. v. B., B., hätten in ihren beiden Gutachten vom 18. Mai 1995 die Therapie der Praxis Dr. H. als wirtschaftlich erachtet. Die Gutachten und das Positionspapier der Ärztekammer N. aus dem Jahr 2000 hat der Kläger vorgelegt.

Die Beklagte hat hierzu ua ausgeführt, durch die Falschinformation, dass Dr. H. eine Kassenzulassung habe, habe sie im Rahmen der Kostenerstattung Vertragsleistungen in Höhe der Vertragssätze für die Zeit vom 1. August 2002 bis 19. Februar 2003 übernommen. Im Gespräch am 2. April 2003 sowie mit Schreiben vom 17. Juli 2003 sei dem Vater des Klägers mitgeteilt worden, dass die Kosten für die Immunbalancetherapie nicht weiter übernommen werden können. Gegen diesen Bescheid sei kein Widerspruch eingelegt worden.

Dr. B., MDK, hat mit Schreiben vom 14. April 2005 ausgeführt, derzeit gebe es keine Standardtherapie des Chronic Fatigue Syndroms (CFS). Die Behandlung durch Dr. H. könne nicht als Behebung eines Systemmangels bewertet werden, da für seine therapeutischen Ansätze keine hinreichende positive Datenlage existiere.

Mit Bescheid vom 28. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. August 2005 hat die Beklagte die Kostenübernahme für die Immunbehandlung bei Dr. H. auf den Antrag vom 8. Februar 2005 abgelehnt. Die Immunbalancetherapie sei vom Bundesausschuss bisher nicht als Behandlungsmethode anerkannt worden. Ein Systemmangel liege nach den Ausführungen des MDK im Gutachten vom 14. April 2005 nicht vor. Denn für die therapeutischen Ansätze des Dr. H. existiere keine hinreichende positive Datenlage. Es handele sich um die Gabe verschiedener Arzneimittel, ergänzt durch mehrere unkonventionelle Verfahren, für die im Gesamten kein medizinisch-wissenschaftlicher Wirksamkeitsnachweis vorliege. Deshalb könnten die Kosten der Behandlung – unabhängig von der Wahl der Kostenerstattung – nicht bezahlt bzw erstattet werden.

Der Kläger hat die Klage fortgeführt und auf das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 2. Februar 2006 (Az. S 9 KR 59/05) hingewiesen. Zur Unterstützung hat er noch das Attest des Dr. d. B. vom 13. April 2006 vorgelegt. Darin wird ausgeführt, durch die Therapie habe eine Besserung erzielt werden können. Wegen der Kosten, die nicht erstattet würden, habe bisher nur geringfügig begleitend behandelt werden können.

Das SG hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts Prof. Dr. S., Arzt für Neurologie, Psychiatrie, Psychotherapie an der Universität T. und Priv.-Doz. Dr. K., Internistin/Rheumatologie, Hämatologie/Internistische Onkologie, Oberärztin an der Medizinischen Klinik und Poliklinik T., mit der Erstattung von Gutachten beauftragt. Gegen diese Beauftragungen hat sich der Kläger mit dem Hinweis gewandt, die Gutachter seien nicht kompetent. Er leide an einer immunologischen Form des CFS, dem CFIDS, und eine psychische Erkrankung liege nachweislich nicht vor (unter Vorlage des Attestes des Dr. d. B. vom 17. Mai 2006: keinerlei Hinweise auf eine psychische oder psychosomatische Störung). Das SG hat an der Beauftragung der Gutachter festgehalten, jedoch den Gutachtensauftrag an Prof. Dr. S. dahingehend abgeändert, dass nur noch ein Gutachten nach Aktenlage angefordert wurde. Prof. Dr. S. hat daraufhin am 28. Juli 2006 das neurologisch-psychiatrische Gutachten über den Kläger nach Aktenlage erstattet. Er habe keine Hinweise für das Vorliegen einer Gesundheitsstörung auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet, aber auch keine Hinweise für eine Erkrankung überhaupt gefunden. Die Diagnose des CFS sei umstritten. Zumindest für die von Dr. H. vorgeschlagenen Therapieverfahren bestehe auch bei einem CFS keine Indikation.

Dr. K. hat ein radiologisches Zusatzgutachten für erforderlich erachtet, das vom SG genehmigt worden ist. Prof. Dr. C., Ärztlicher Direktor der Radiologischen Klinik am Universitätsklinikum T., hat in dem Zusatzgutachten vom 10. August 2006 keine morphologischen Veränderungen gefunden. Insbesondere haben sich in den Lungen keine Infiltrate nachweisen lassen.

Im internistisch-rheumatologischen Gutachten vom 15. Dezember 2006 hat Dr. K. die Erfüllung der Diagnosekriterien eines CFS, am ehesten postviral, zumindest 2002 bis 2003, als erfüllt angesehen. Zum jetzigen Zeitpunkt bestehe lediglich ein chronisches Erschöpfungssyndrom, während anfangs die Diagnosekriterien für ein klassisches CFS erfüllt gewesen seien. Ein klassischer Immundefekt könne nicht diagnostiziert werden. Allgemein anerkannt sei therapeutisch lediglich die kognitive Verhaltenstherapie sowie das graduelle aerobe Fitnesstraining. Alle anderen Maßnahmen seien nicht anerkannt bzw in, wenn auch zum großen Teil nicht randomisierten, Studien als nicht wirksam befunden worden. Die wissenschaftlichen Publikationen zu einigen der von Dr. H. durchgeführten Therapien hätten keine Wirksamkeit der entsprechenden Untersuchungen und Maßnahmen zeigen können.

Zu diesem Gutachten hat der Kläger ausgeführt, Bewegungstherapie sei kontraproduktiv. Die Verhaltenstherapie könne allenfalls dann eine Begleittherapie darstellen, wenn Verhaltensstörungen aufgrund der Gesamterkrankung auftreten würden. Dies sei in seinem Fall ausgeschlossen worden. Inzwischen gebe es eine Studie der Standfort University in den USA, nach der nicht nur das Vorhandensein von Viren der Herpesfamilie, sondern schon allein deren Titer ausreichend seien, um umfangreiche lebensbedrohliche Schädigungen hervorzurufen. Dies unterstreiche die Lebensbedrohlichkeit der Erkrankung. Viren der Herpesfamilie, wie das Herpes 6 und Eppstein-Barr, seien Auslöser von Herzinsuffizienz und Myokarditis.

Mit Urteil vom 22. März 2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Bescheid vom 28. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. August 2005 sei rechtmäßig. Die Beklagte habe die Behandlung durch Dr. H. nicht zu Unrecht verweigert. Die Gewährung der Behandlung durch Dr. H. im Wege der Sachleistung komme bereits deshalb nicht in Frage, weil dieser kein zugelassener Vertragsarzt sei. Darüber hinaus sei der Sachleistungsanspruch auf Leistungen beschränkt, deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemeinen medizinischen Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprächen und zweckmäßig und wirtschaftlich seien. Bei den durch Dr. H. durchgeführten diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen lasse sich nicht feststellten, dass es sich um zweckmäßige Behandlungsstrategien handele. Dies ergebe sich aus den schlüssigen und nachvollziehbaren Feststellungen von Dr. K. im Gutachten vom 15. Dezember 2006. Zweifel an der Kompetenz oder Unvoreingenommenheit der Gutachterin seien nicht ersichtlich. Die gerichtliche Sachverständige habe unter Berücksichtigung der vorliegenden medizinischen Studien dargelegt, dass eine wissenschaftliche Grundlage für die durch Dr. H. durchgeführte Behandlung nicht bekannt sei. Auch Beweiserhebungen in anderen gerichtlichen Verfahren hätten ergeben, dass keine hinreichenden Wirksamkeitsnachweise für die immunmodulatorische Behandlung durch Dr. H. vorliegen würden. Die Behandlungsmethode sei als neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode anzusehen. Diese Behandlungsmethode sei vom Gemeinsamen Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen nicht anerkannt. Eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Maßnahme sei jedoch Leistungsvoraussetzung. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus den Grundsätzen des sog Systemversagens oder unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Dezember 2005 (Az. 1 BvR 347/98). Denn es liege schon keine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung vor. Darüber hinaus bestünde eine anerkannte Behandlungsmethode in Form der kognitiven Verhaltenstherapie und eines graduellen aeroben Fitnesstrainings, die beim Kläger nicht durchgeführt worden sei.

Gegen das am 11. April 2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 7. Mai 2007 Berufung eingelegt. Er macht geltend, die Behandlung bei Dr. H. sei erfolgreich gewesen. Die Befundentwicklung spreche nachprüfbar für den Erfolg des Behandlungsansatzes. Im Jahr 2008 habe er die Therapie aus finanziellen Gründen fast abbrechen müssen, weshalb eine gesundheitliche Verschlechterung eingetreten sei. Die Beklagte habe keine Behandlungsansätze vorgebracht, die zur Heilung oder zur Linderung geeignet seien. Fitnesstraining sei darüber hinaus kein medizinischer Heilungsansatz. Zudem sei ihm wegen des zwischenzeitlich diagnostizierten Verdachts auf Myokarditis, einer Herzmuskelentzündung, Schonung verordnet worden. Hierzu hat der Kläger den Arztbericht der Priv.-Doz. Dr. S., H. H. Universität D., Klinik für Kardiologie, Pneumologie und Angiologie, vom 16. Mai 2007 vorgelegt (Diagnose: Verdacht auf laufende bzw abgelaufene Myokarditis, allergische Diathese. Empfehlung: konsequente körperliche Schonung für die nächsten drei Monate, ggfs weiterführende myokardiale Abklärung mittels Biopsieentnahme und genauer Bestimmung). Die kognitive Verhaltenstherapie negiere die Existenz der bei ihm festgestellten Krankheit. Verhaltenstherapie und Fitnesstraining seien nicht nur wirkungslos, sondern sogar potentiell schädlich. Dies belege die Publikation der Autoren Twisk/Maes (Neuroendocrinology Letters Vol 30, No 3, 2009). Das CFS sei eine schwere und lebensbedrohende Erkrankung. Wegen des Immundefektes könnten selbst eine einfache Entzündung oder virale Infekte tödlich ablaufen. Zwischenzeitlich habe er den Immunologen Dr. B. aufgesucht, um zu dokumentieren, dass bei ihm das CFS zweifelsfrei immunologische Ursachen habe. Hierzu hat der Kläger das Attest des Dr. B. vom 16. Juli 2007 vorgelegt (Diagnosen: schweres, chronisches Erschöpfungssyndrom (CFID-Syndrom), Zustand nach rezidivierender Epstein-Barr-Virusinfektion, Begleitmyokarditis, zelluläre Immundefizienz, B-Zell Lymphopenie, rezidivierende Fieberschübe, rezidivierende Atemwegsinfektionen, rezidivierende Gelenk- und Muskelschmerzen, Rhinitis allergica, polyvalente Nahrungsmittelallergie und Neurodermitis). Zusätzlich habe er sich bei Prof. Dr. d. M., B., vorgestellt, der mit Attest vom 23. März 2009 bestätige, dass er an CFS leide und eine virale Infektion als Hauptursache zu erkennen sei. Es bestehe ein defektes Immunsystem. Damit sei geklärt, dass eine kognitive Verhaltenstherapie seinem Krankheitsbild nicht Rechnung tragen könne. Klar erkennbar sei, dass PD Dr. K. im Gutachten ihre Fachgebietsgrenzen überschritten habe. Aktuelle Studien belegten, dass das CFS Folge einer Infektion mit einem Retrovirus sein könne. Auch der A.-Bundesverband gehe davon aus, dass es sich um eine immunologische Erkrankung handele. Die Gesamtausgaben beliefen sich auf 73.005,39 EUR (2002: 4.269,43 EUR, 2003: 13.492,31 EUR, 2004: 10.401,66 EUR, 2005: 22.749,07 EUR, 2006: 8.085,18 EUR, 2007: 12.504,41 EUR, 2008: 3.980,49 EUR, 2009: 2.025,10 EUR und 2010: 608 EUR abzüglich der von der Beklagten erstatteten 5.110,26 EUR). Hierzu hat der Kläger die entsprechenden Rechnungen und Verordnungen vorgelegt (vgl Anlage zu Blatt 47 LSG-Akte, Blatt 75 – 119 und Blatt 129 -135 LSG-Akte).

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 22. März 2007 und den Bescheid der Beklagten vom 28. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. August 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 17. Juli 2003 aufzuheben und ihm die seit 30. Oktober 2002 entstandenen Kosten der privatärztlichen Behandlung in Höhe von 73.005,39 EUR zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Entscheidung.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft im Sinne von § 144 SGG und auch im Übrigen zulässig, aber nicht begründet. Die Beklagte und das SG haben zutreffend entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf Erstattung der entstandenen Kosten für die seit 30. Oktober 2002 durchgeführte Immuntherapie nach der Methode des Dr. H. hat.

Die ursprünglich als Untätigkeitsklage gemäß § 88 SGG erhobene Klage ist nach Erlass des Bescheides vom 28. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. August 2005 im Wege der Klageänderung als Anfechtungs- und Leistungsklage zulässig. Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Kostenerstattung der Immuntherapiebehandlung seit deren Beginn im Jahr 2002 und damit auch der Bescheid vom 17. Juli 2003. Im Schreiben vom 17. Juli 2003 gegenüber dem Vater des Klägers, der auch den entsprechenden Antrag als Vertreter des Sohnes gestellt hat, ist ein Verwaltungsakt zu sehen. Ein Verwaltungsakt ist gemäß § 31 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitlich Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Eine Maßnahme hat Regelungscharakter, wenn sie darauf gerichtet ist, eine verbindliche Rechtsfolge zu setzen. Zwar hat die Beklagte das Schreiben nicht als Bescheid bezeichnet und auch keine Rechtsbehelfsbelehrung angefügt. Jedoch hat die Beklagte bei verständiger Würdigung nach den Umständen des Einzelfalles aus Empfängersicht (BSG, Urteil vom 29. Oktober 1992, 10 RKg 4/92, SozR 3-1300 § 50 Nr 13 mwN) mit dem Schreiben die Kostenübernahme abgelehnt und dadurch eine Regelung im Sinne des § 31 SGB X getroffen. Die Beklagte hat nach den Aktennotizen vom 2. Februar 2004 und 9. Februar 2005 eine nochmalige Überprüfung der Kostenübernahme vereinbart und danach mit dem Bescheid vom 28. April 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. August 2005 die Kostenerstattung abgelehnt. In diesen Bescheiden erwähnt die Beklagte zwar den Antrag des Klägers vom 8. Februar 2005, hat jedoch die Kostenübernahme allgemein abgelehnt und weder auf einen konkreten Zeitraum noch auf bestimmte Kosten begrenzt. Damit hat die Beklagte aus Empfängersicht vor dem Hintergrund der vorangegangenen Vereinbarung der Überprüfung inzident auch den Bescheid vom 17. Juli 2003 überprüft (vgl BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008, B 1 KR 2/08 R, SozR 4-2500 § 13 Nr 20), so dass streitgegenständlich die Frage der Kostenerstattung seit Beginn der Untersuchungen und Behandlungen am 30. Oktober 2002 ist. Bei den Forderungsaufstellungen des Klägers Bl 47 und 64 LSG-Akte in Höhe von 73.196,39 EUR bis November 2009 wurden für den Zeitraum bis November 2007 fälschlicherweise 62.402,14 EUR angesetzt statt 61.402,14 EUR (siehe Aufstellung Anlage Bl 47 iVm Bl 47 LSG-Akte), deshalb ist der Betrag von insgesamt (nur) 73.005,39 EUR richtig, was der Kläger in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat.

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Kostenerstattungsanspruch ist für den Zeitraum bis zum Zugang des Bescheides vom 17. Juli 2003 zunächst § 44 SGB X iVm § 13 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) in der Fassung des Artikel 5 Nr 7 b des Gesetzes vom 19. Juli 2001 – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (BGBl I, 1046), während für den nachgehenden Zeitraum die Rechtsgrundlage allein § 13 Abs 3 SGB V bildet. Gemäß § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.

Der Senat geht bei seiner Entscheidung davon aus, dass ein Anspruch nach § 13 Abs 3 Satz 1 Alt 2 SGB V, nicht aber ein Anspruch nach § 13 Abs 2 Satz 1 SGB V (idF des Art 1 Nr 8 GKV-WSG vom 26. März 2007, BGBl I S 378) geltend gemacht wird. Nach § 13 Abs 2 Satz 1 SGB V können zwar seit dem 1. April 2004 Versicherte anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Von Oktober 2002 bis zum 31. März 2004 stand dieses Wahlrecht nur freiwillig Versicherten und ihren Familienangehörigen zu. Ein Anspruch auf Erstattung besteht aber höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung der Sachleistung zu tragen hätte (§ 13 Abs 2 Satz 9 SGB V bzw § 13 Abs 2 Satz 4 SGB V aF). Dagegen sind nach § 13 Abs 3 SGB V Kosten in der Höhe zu erstatten, in der sie entstanden sind. Ein Anspruch in Höhe der mit der Klage geltend gemachten Kosten ergäbe sich daher nur aus § 13 Abs 3 SGB V. Im Ergebnis spielt die Frage, ob Kostenerstattung nach Abs 2 oder Abs 3 Satz 1 Alt 2 des § 13 SGB V geltend gemacht wird, ohnedies keine Rolle, weil die Voraussetzungen beider Anspruchsgrundlagen nicht erfüllt sind. Durch die Möglichkeit, anstelle von Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung zu wählen, wird der sachliche Umfang der Leistungspflicht der Krankenkasse nicht verändert. Versicherte, die von diesem Wahlrecht Gebrauch machen, erhalten Krankenbehandlung in demselben Umfang und in denselben Grenzen, als wenn sie im Sachleistungssystem verblieben wären. In beiden Fällen müssen die Leistungen sowohl den Anforderungen des § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V entsprechen als auch dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs 1 SGB V genügen. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte auch im Wege der Kostenerstattung nicht beanspruchen (BSG, Urteil vom 25. September 2000, B 1 KR 24/99 R, SozR 3-2500 § 13 Nr 23). Für beide Rechtsgrundlagen ist daher das Bestehen eines Primär- bzw Naturalleistungsanspruch Anspruchsvoraussetzung; und an einem solchen Anspruch fehlt es (siehe unten).

Als Rechtsgrundlage des geltend gemachten Erstattungsanspruches scheidet auch § 13 Abs 3 Satz 1 Alt 1 SGB V aus. Voraussetzung für einen Anspruch nach dieser Alternative ist, dass die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig hat erbringen können. Die von Dr. H. im Oktober 2002 begonnene Behandlung war nicht unaufschiebbar iSd § 13 Abs 3 Satz 1 Alt 1 SGB V. Dies folgt bereits aus dem Umstand, dass Dr. H. zunächst umfangreiche Laboruntersuchungen begonnen hat, bevor er im Februar 2003 einen vorläufigen Therapieplan aufgestellt hat. Demnach musste (und konnte) mit der Behandlung im Oktober 2002 nicht sofort begonnen werden. Damit liegt erst recht kein Notfall vor. Eine Notfallbehandlung hätte im Übrigen als Sachleistung erbracht werden müssen, so dass sich der Vergütungsanspruch nicht gegen den Kläger, sondern allein gegen die Krankenkasse gerichtet hätte (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2001, B 1 KR 6/01 R, SozR 3-2500 § 13 Nr 25).

Ein Anspruch nach § 13 Abs 3 Satz 1 Alt 2 SGB V (anzuwenden idF des Art 5 Nr 7 Buchst b SGB IX Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen vom 19. Juni 2001, BGBl I 1046) ist nicht gegeben. Diese Rechtsnorm bestimmt: Hat die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Ein Anspruch auf Kostenerstattung ist demnach nur gegeben, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind: Bestehen eines Naturalleistungsanspruchs des Versicherten und dessen rechtswidrige Nichterfüllung, Ablehnung der Naturalleistung durch die Krankenkasse, Selbstbeschaffung der entsprechenden Leistung durch den Versicherten, Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung, Notwendigkeit der selbst beschafften Leistung und (rechtlich wirksame) Kostenbelastung durch die Selbstbeschaffung (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008, B 1 KR 2/08 R, SozR 4-2500 § 13 Nr 20). Die selbstbeschaffte Krankenbehandlung muss zu den Leistungen gehören, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sachleistung zu erbringen haben (BSG, Urteil vom 30. Juni 2009, B 1 KR 5/09 R, Breith 2007, 111 ff mwN). Daran fehlt es hier.

Versicherte haben gemäß § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst gemäß § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 1 und 3 SGB V unter anderem ärztliche Behandlung und Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln.

Der Anspruch auf Krankenbehandlung unterliegt den sich aus §§ 2 Abs 1, 12 Abs 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er umfasst folglich nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind (§ 12 Abs 1 SGB V) und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen (§ 2 Abs 1 Satz 3 SGB V). Den allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse erfüllt eine Leistungserbringung dann, wenn sie nicht nur von einzelnen Ärzten, sondern von der großen Mehrheit der einschlägigen Fachleute (Ärzte und Wissenschaftler) befürwortet wird und, von einzelnen, nicht ins Gewicht fallenden Gegenstimmen abgesehen, ein Konsens über die Zweckmäßigkeit der Therapie besteht. Dies setzt im Regelfall voraus, dass über Qualität und Wirksamkeit der neuen Methode, die in ihrer Gesamtheit und nicht nur in Bezug auf Teilaspekte zu würdigen ist, zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen gemacht werden können. Der Erfolg muss sich aus wissenschaftlich einwandfrei durchgeführten Studien über die Zahl der behandelten Fälle und die Wirksamkeit der Methode ablesen lassen. Die Therapie muss in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Zahl von Behandlungsfällen erfolgreich gewesen sein (BSG, Urteil vom 13. Dezember 2005, B 1 KR 21/04 R, SozR 4-2500 § 18 Nr 5 mwN). Deshalb sind die Krankenkassen nicht bereits dann leistungspflichtig, wenn die streitige Therapie nach Einschätzung des Versicherten oder des behandelnden Arztes positiv verlaufen ist oder einzelne Ärzte die Therapie befürwortet haben. Ärztliche Behandlungsmethoden im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung sind medizinische Vorgehensweisen, denen ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zugrunde liegt, das sie von anderen Therapieverfahren unterscheidet und das ihre systematische Anwendung in der Behandlung bestimmter Krankheiten rechtfertigen soll (BSG, Urteil vom 16. November 2008, B 1 KR 11/08 R, SozR 4-2500 § 13 Nr 9 mwN).

Bei der vom Kläger selbstbeschafften Therapie stellt sich bereits die Frage, ob der Methode überhaupt ein nachvollziehbares theoretisches Konzept zugrunde liegt. Bereits ab 2003 lag ein Schwerpunkt der Behandlung auf der Gabe von sog HSM-Produkten. Dabei handelt es sich um von Dr. H. selbst entwickelte “H. Systems Medicine” (HSM)-Präparate, die von der in Brüssel ansässigen Firma S. vertrieben werden. Dr. H. bezeichnet sich auf seiner Website selbst als “wissenschaftlicher Mentor” dieser Firma (http://a.-h …com). Nach Ansicht von Dr. H. besteht “die Ursache der meisten chronischen Erkrankungen (organisch wie psychisch, von Rheuma über Tumore bis hin zu Depressionen …) auf der Unfähigkeit von Teilen des individuellen Immunsystems [ …] mit koevolutionären Mikroorganismen im Gleichgewicht zu leben” (http: aaO). Der Verzehr von HSM-Produkten, die von S. als Nahrungsergänzungspräparate bezeichnet werden (http://m …com/tl/hsm-produkte.html), soll der Versorgung der Mitochondrien und mit den von diesen benötigten Rohstoffen dienen. Die Zweifel am Vorliegen eines nachvollziehbaren theoretischen Konzepts gründen sich vor allem auf den Umstand, dass sich mit den HSM-Präparaten eine Vielzahl von Krankheiten wirksam behandeln lassen sollen. Zu diesen angeblich behandelbaren Krankheiten gehören zB (http://m …com/tl/mit-hsm-behandelbare-erkrankungen.html):

• ADHD, Alzheimer, Aneurysma, Asthma, Angst, Arterienverkalkung, Autoimmunerkrankungen, Arthritis, Atemwegserkrankungen (chron.) • Basedow, Borreliose (chron.), Burnout-Syndrom • CFIDS, chronische nicht operative Erkankungen, Colitis ulcerosa • Demenz, Depressionen • EBV-Infektion (chron.), Embolien • Fibromyalgie • Gefäßerkrankungen (chron.) • Hashimoto, Herzerkrankungen (chron.), hyperkinetisches Syndrom, Hypertonie • Infertilität (männliche) / Kinderwunsch • Kardiomyopathie • Lebererkrankungen • Multiple Sklerose, Morbus Crohn, Migräne, Myokarditis • Narkolepsie, Nervenerkrankungen (chron.) • Panikattacken, PMS, Polyneuropathie, Psychosen • Rheuma, rheumatische Arthritis • Sarkoidose, Schmerzsyndrom (chron.) • Thrombosen, Tinnitus, Tuberkulose (therapieresistent), Tumore (komplementäre Behandlung) • Zoster-Infektion (rezidiv)

Letztlich kann jedoch offenbleiben, ob die Behandlung durch Dr. H., Dr. d. B. und Dr. M. auf einem ausreichend nachvollziehbaren Konzept beruht, sodass hierzu weitere Ermittlungen nicht notwendig sind. Die Kostenerstattung scheitert aus anderen Gründen.

Der Anspruch auf Krankenbehandlung umfasst – wie bereits dargelegt – nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen. Dies ist bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung gemäß § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V nur dann der Fall, wenn der GBA in Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 5 SGB V eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat. Durch Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 5 iVm § 135 Abs 1 SGB V wird nämlich nicht nur geregelt, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer (Ärzte, Zahnärzte usw) neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu Lasten der Krankenkassen erbringen und abrechnen dürfen. Vielmehr wird durch diese Richtlinien auch der Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich festgelegt. “Neu” ist eine Methode, wenn sie nicht als abrechnungsfähige ärztliche Leistung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM) enthalten ist (BSG, Urteil vom 5. Mai 2009, B 1 KR 15/08 R, SozR 4-2500 § 27 Nr 16 mwN). Gemessen daran ist die Immunbalancetherapie nach Dr. H. neu und als bislang nicht vom GBA empfohlene Methode zur Behandlung des CFS damit – auch mit den Anteilen, die zur Behandlung anderer Krankheiten einsetzbar wären, wie zB der Physiotherapie – grundsätzlich kein Leistungsgegenstand der gesetzlichen Krankenversicherung.

Ein Ausnahmefall, in dem es keiner Empfehlung des GBA bedarf, liegt nicht vor. Weder ergeben sich angesichts der erheblichen Verbreitung des Krankheitsbildes Anhaltspunkte für einen Seltenheitsfall (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2004, B 1 KR 27/02 R, SozR 4-2500 § 27 Nr 1 mwN) noch für ein Systemversagen. Ungeachtet des in § 135 Abs 1 SGB V aufgestellten Verbots mit Erlaubnisvorbehalt kann nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts eine Leistungspflicht der Krankenkasse ausnahmsweise dann bestehen, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Untersuchungs- oder Behandlungsmethode darauf zurückzuführen ist, dass das Verfahren vor dem Bundesausschuss trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde (sog Systemversagen). Diese Durchbrechung beruht darauf, dass in solchen Fällen die in § 135 Abs 1 SGB V vorausgesetzte Aktualisierung der Richtlinien rechtswidrig unterblieben ist und deshalb die Möglichkeit bestehen muss, das Anwendungsverbot erforderlichenfalls auf andere Weise zu überwinden (BSG, Urteil vom 7. November 2006, B 1 KR 24/06 R, SozR 4-2500 § 27 Nr 12 mwN). Ein solcher Fall des Systemversagens liegt schon deshalb nicht vor, weil das Verfahren vor dem Bundesausschuss antragsabhängig ist und ein entsprechender Antrag beim Bundesausschuss nicht gestellt worden (und offensichtlich auch nicht beabsichtigt) ist.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass das CFS (immer noch) als eine neuartige Krankheit angesehen werden kann, obwohl die Krankheit zwischenzeitlich Aufnahme in die Internationale Klassifikation der Krankheiten 10. Revision (ICD-10) gefunden hat (G93.3). Auch in diesem Fall müssen die Anforderungen des § 12 Abs 1 SGB V vorliegen, wenn das streitgegenständliche Krankheitsbild wissenschaftlich umstritten ist und kontrollierte medizinische Studien zu seiner Behandlung noch nicht vorliegen (BSG, Urteil vom 25. September 2000, B 1 KR 24/99 R, SozR 3-2500 § 13 Nr 23). Dann ist zu untersuchen, ob zumindest die von den Befürwortern der betreffenden medizinischen Auffassung selbst aufgestellten Diagnosestandards eingehalten sind, ferner, ob allgemein anerkannte Grundsätze einer sinnvollen Stufendiagnostik zum Ausschluss anderer Erkrankungen befolgt wurden und ob die angewandte Therapie in Ansehung der festgestellten Regelwidrigkeiten medizinisch vertretbar war (BSG, Urteil vom 25. September 2000, B 1 KR 24/99 R, aaO). Fehlende oder unzureichende Kenntnisse über Ursache und Verlauf einer Krankheit schließen des Weiteren eine wirksame Behandlung nicht von vornherein aus. Der Erlaubnisvorbehalt in § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V bezieht sich zwar nur auf neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, nicht dagegen auf neuartige Krankheiten und somit auch nicht ohne weiteres auf sämtliche Maßnahmen, die zur Erkennung oder Bekämpfung einer neuartigen Krankheit eingesetzt werden. Andererseits lässt sich bei neuen oder umstrittenen Krankheitsbildern die Zweckmäßigkeit der Therapieentscheidung (im Rahmen des Wirtschaftlichkeitsgebotes) oft nur dann beurteilen, wenn die Krankheit hinreichend erforscht und eine zuverlässige Diagnosestellung möglich ist. Das Krankheitsbild muss bei Zugrundelegung der allgemein anerkannten Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft die begründete Annahme rechtfertigen, dass die vom Arzt diagnostizierte Erkrankung vorliegt und mit der vorgeschlagenen Therapie wirksam behandelt werden kann (BSG, Urteil vom 25. September 2000, B 1 KR 5/99 R, SozR 3-2500 § 13 Nr 22 mwN). Deshalb ist auch bei umstrittenen Krankheitsbildern der allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse gemäß § 2 Abs 1 Satz 3 SGB V zu prüfen, der im Übrigen vom Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs 1 SGB V im Rahmen der Zweckmäßigkeitsprüfung umfasst ist (vgl Hauck/Haines/Noftz, SGB V, 46. Erg-Lfg, § 12 RdNr 6, 9, 19 und 28 ff).

Beim Kläger liegt zur Überzeugung des Senats nach den Feststellungen der Dr. K. im Gutachten vom 15. Dezember 2006 das nach den Kriterien des Centers of Disease Control (CDC) festgestellte Krankheitsbild des CFS (ICD-10 G93.3) mittlerweile noch in Form eines chronischen Erschöpfungssyndroms vor. Die angewandte Immuntherapie nach der Methode des Dr. H., für die Kostenerstattung begehrt wird, entspricht jedoch nicht den Voraussetzungen des §§ 2 Abs 1 Satz 3, 12 Abs 1 SGB V. Denn es liegen verschiedene randomisierte kontrollierte Studien vor, die Dr. K. in ihrem Gutachten vom 15. Dezember 2006 zitiert und auf die zum Teil auch schon Dr. B. im Gutachten vom 14. April 2005 hingewiesen hat, aus denen sich keine hinreichenden wissenschaftlichen Belege für die Wirksamkeit der Behandlungsmethode des Dr. H. ergeben. In den verschiedenen Studien wurde die Verhaltenstherapie mit anderen Behandlungen wie Immuntherapie, Entspannungsübungen und Selbsthilfegruppen verglichen. Die Verhaltenstherapie war hierbei jeweils überlegen. Dass Dr. M. (zusammen mit Herrn T.) in der Publikation im Jahr 2009 die Verhaltenstherapie und das Fitnesstraining als wirkungslos und sogar potentiell schädlich für Patienten mit CFS erachten, ist die vereinzelte Ansicht eines den Kläger behandelnden Arztes. Hinzu kommt, dass damit kein Wirksamkeitsnachweis der Behandlungsmethode des Dr. H. – auf den es allein ankommt – erbracht wird. Auch nach dem Positionspapier der Ärztekammer N. aus dem Jahr 2000 gelang dieser Nachweis nicht. Selbst wenn Prof. Dr. O. und Prof. Dr. v. B. die Diagnostik und Therapie für wirtschaftlich erachten, weil die Erkrankung bei einem nicht unbedeutenden Teil der Patienten entweder geheilt oder die Symptomatik gelindert werden kann, sind diese Ausführungen als vereinzelte Ausführungen ebenso wie die Überzeugung der den Kläger behandelnden Ärzte unerheblich. Ein Anhaltspunkt dafür, dass die angewandte Immuntherapie medizinisch wirksam ist, ergibt sich deshalb aus den nachvollziehbaren Feststellungen der Dr. K. nicht (so auch zur Behandlung von CFS mit Immunglobulinen und Interferon alpha in Kombination mit hochdosierten Vitaminen LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 27. September 2004, L 16 KR 10/01 (nachgehend zu BSG, Urteil vom 25. September 2000, B 1 KR 5/99 R, aaO); Hessisches LSG, Urteil vom 3. März 2005, L 1 KR 712/99; beide veröffentlicht in Juris). Der Senat hat wie schon das SG keinen Zweifel an der Kompetenz der Sachverständigen und der Richtigkeit ihrer Ausführungen und Bewertungen. Dr. K. hat durch ihr schlüssiges und nachvollziehbares Gutachten unter Darstellung der wissenschaftlich diskutierten Ursachen, Diagnosekriterien des CDC und Therapien ihre Fachkenntnis deutlich gemacht. Im Übrigen hat sie auch beim Kläger eine immunologische Diagnostik vorgenommen und unter Anwendung der CDC-Kriterien schließlich beim Kläger schlüssig ein CFS diagnostiziert.

Wenn nur die Versorgung des Klägers mit Medikamenten (zB Calciparin (Wirkstoff: Heparin), siehe Rechnung der B. Apotheke i. H. vom 1. Februar 2005; Baypamune (Tierarzneimittel mit der Pharmaprüfnummer – PZN – 2522151), siehe Rechnung der vorgenannten Apotheke vom 12. April 2005) außerhalb ihres Zulassungsbereichs (Off-label-use) als Teil der Therapiemethode betrachtet wird, ergibt sich auch hier kein Kostenerstattungsanspruch. Denn der sich aus § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 3 und § 31 Abs 1 SGB V ergebende Anspruch der Versicherten auf Bereitstellung der für die Krankenbehandlung benötigten Arzneimittel unterliegt ebenfalls den Einschränkungen aus §§ 2 Abs 1 Satz 3, 12 Abs 1 SGB V. Er besteht nur für solche Pharmakotherapien, die sich bei dem vorhandenen Krankheitsbild als zweckmäßig und wirtschaftlich erwiesen haben und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht. Hieran fehlt es, wenn das verordnete Medikament nach den Vorschriften des Arzneimittelrechts der Zulassung bedarf, aber nicht zugelassen ist. Das gleiche gilt grundsätzlich für die Verordnungsfähigkeit eines zum Verkehr zugelassenen Arzneimittels, wenn es in einem Anwendungsgebiet zum Einsatz kommen soll, auf das sich die Zulassung nicht erstreckt. Eine arzneimittelrechtliche Zulassung liegt nur vor, wenn das Arzneimittel die Zulassung gerade für dasjenige Indikationsgebiet besitzt, in dem es im konkreten Fall eingesetzt werden soll (BSG, Urteil vom 30. Juni 2009, B 1 KR 5/09 R, Breith 2010, 111 ff mwN).

Das BSG hat in seinem Urteil vom 19. März 2002 (B 1 KR 37/00 R, SozR 3-2500 § 31 Nr 8 – Sandoglobulin) die allgemeinen Voraussetzungen für einen Off-Label-Use zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung aufgezeigt. Ein Off-Label-Use kommt danach nur in Betracht, wenn es 1. um die Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden) Erkrankung geht, wenn 2. keine andere Therapie verfügbar ist und wenn 3. aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden kann. Abzustellen ist dabei auf die im jeweiligen Zeitpunkt der Behandlung vorliegenden Erkenntnisse. Dabei bedarf es eines positiven Wirksamkeitsnachweises nach den oben genannten und nachfolgend näher aufzuzeigenden Maßstäben. Letzteres ist nur dann anzunehmen, wenn entweder die Erweiterung der Zulassung bereits beantragt ist und die Ergebnisse einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III (gegenüber Standard oder Placebo) veröffentlicht sind und eine klinisch relevante Wirksamkeit bzw einen relevanten Nutzen bei vertretbaren Risiken belegen oder außerhalb eines Zulassungsverfahrens gewonnene Erkenntnisse veröffentlicht sind, die über Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels in dem neuen Anwendungsgebiet zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen zulassen und aufgrund deren in den einschlägigen Fachkreisen Konsens über einen voraussichtlichen Nutzen in dem vorgenannten Sinne besteht (BSG, Urteil vom 19. März 2002, B 1 KR 37/00 R, aaO). Solche wissenschaftlichen Erkenntnisse fehlen jedoch gerade in Bezug auf die Behandlung des CFS mittels Immunmodulatoren in Kombination mit weiteren Medikamenten. Dies kann ebenfalls dem Gutachten der gerichtlichen Sachverständigen Dr. K. entnommen werden.

Inzwischen hat das BSG (Urteil vom 30. Juni 2009, B 1 KR 5/09 R, Breith 2010, 111) darauf hingewiesen, dass fraglich sei, ob angesichts der im Laufe der letzten Jahre vom Gesetzgeber geschaffenen Regelungen, mit denen er deutlich gemacht habe, unter welchen Bedingungen er eine Off-Label-Versorgung mit Arzneimitteln in der GKV für angezeigt halte, aktuell überhaupt noch Raum für eine richterrechtliche Rechtsfortbildung in diesem Bereich bestehe, deren Ermöglichung bei Verkündung des Sandoglobulin-Urteils vom 19. März 2002 (BSGE 89, 184 = SozR 3-2500 § 31 Nr 8) noch wesentlich auf dem Fehlen solcher normativen Vorgaben beruhte.

Soweit es sich bei den Produkten, für die der Kläger Kostenerstattung begehrt, um Lebensmittel handelt (Nahrungsergänzungsmittel), besteht schon deshalb keine Erstattungspflicht der Beklagten, weil die Versorgung mit Lebensmitteln grundsätzlich nicht zu den Aufgaben der gesetzlichen Krankenversicherung gehört, selbst wenn therapeutische Nebeneffekte damit verbunden sind (st Rspr des BSG, ua Urteil vom 16. Dezember 2008, B 1 KN 3/07 KR R, veröffentlicht in Juris). Eine Ausnahme auf der Grundlage von § 31 Abs 1 Satz 2 SGB V kommt vorliegend nicht in Betracht.

Schließlich ergibt sich der Kostenerstattungsanspruch nicht ausnahmsweise wegen Vorliegens einer notstandsähnlichen Krankheitssituation unter Berücksichtigung verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung. Das BVerfG hat mit Beschluss vom 6. Dezember 2005 (Az. 1 BvR 347/98, SozR 4-2500 § 27 Nr 5) zu einer ärztlichen Behandlungsmethode entschieden, dass es mit den Grundrechten aus Art 2 Abs 1 in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip und aus Art 2 Abs 2 Satz 1 Grundgesetz nicht vereinbar ist, einen gesetzlich Krankenversicherten, für dessen lebensbedrohliche oder regelmäßig tödliche Erkrankung eine allgemein anerkannte, medizinischem Standard entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung steht, generell von der Gewährung einer von ihm gewählten, ärztlich angewandten Behandlungsmethode auszuschließen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Eine solche verfassungskonforme Auslegung setzt voraus, dass drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind: – Es liegt eine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende oder zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung vor, – bezüglich dieser Krankheit steht eine allgemein anerkannte, medizinischem Stand entsprechende Behandlung nicht zur Verfügung und – eine “auf Indizien gestützte”, nicht ganz fernliegende Aussicht auf Heilung oder wenigstens auf eine spürbare positive Entwicklung auf den Krankheitsverlauf besteht.

Auch der Senat ist – wie schon das SG – davon überzeugt, dass eine lebensbedrohliche oder wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung beim Kläger nicht vorliegt. Mit dem Kriterium einer Krankheit, die zumindest mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung in der Bewertung vergleichbar ist, ist eine strengere Voraussetzung umschrieben, als sie etwa mit dem Erfordernis einer schwerwiegenden Erkrankung für die Eröffnung des sogenannten Off-Label-Use formuliert ist (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008, B 1 KR 11/08 R, SozR 4-2500 § 13 Nr 19 mwN). Dabei ist in die Beurteilung einzubeziehen, ob sich die Gefahr eines tödlichen Krankheitsverlaufs schon in näherer oder erst in ganz ferner, noch nicht genau absehbarer Zeit zu konkretisieren droht (BSG, Urteil vom 27. März 2007, B 1 KR 30/06 R, veröffentlicht in Juris mwN). Gerechtfertigt ist eine verfassungskonforme Auslegung der einschlägigen gesetzlichen Regelungen daher nur, wenn eine notstandsähnliche Situation im Sinne einer in einem gewissen Zeitdruck zum Ausdruck kommenden Problematik vorliegt, wie sie für einen zur Lebenserhaltung bestehenden akuten Behandlungsbedarf typisch ist (BSG, Urteil vom 14. Dezember 2006, B 1 KR 12/06 R, SozR 4-2500 § 31 Nr 8). Deshalb hat das BSG auch die im Rahmen einer Friedreich‘schen Ataxie aufgetretene Kardiomyopathie, die zu allgemeiner Leistungsminderung und eingeschränkter Lebenserwartung führt, trotz der unbestreitbaren Schwere dieser Erkrankung nicht mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung auf eine Stufe gestellt (BSG, Urteil vom 14. Dezember 2006, aaO) und dies auch bei einem chronischen Schmerzsyndrom verneint (BSG, Urteil vom 27. März 2007, B 1 KR 30/06 R, veröffentlicht in Juris).

Entsprechend diesen Grundsätzen kann weder die Grunderkrankung des Klägers, das CFS, noch die Begleiterkrankung oder selbständige Erkrankung mit dem Verdacht auf eine laufende bzw abgelaufene Myokarditis als eine solche lebensbedrohliche oder wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung angesehen werden. Die Prognose bei der Erkrankung an CFS ist zwar nach den Ausführungen der Sachverständigen Dr. K. schlecht. Allerdings haben weder Dr. K. noch die den Kläger behandelnden Ärzte in ihren Attesten und Bescheinigungen Befunde festgestellt, die eine in naher Zeit lebensbedrohliche Situation seit Beginn der Behandlung am 30. Oktober 2002 nahelegen. Im Gegenteil kann sich das CFS im mehrjährigen Verlauf sogar spontan bessern. Hierauf hat ebenfalls Dr. K. hingewiesen. Bezüglich der Myokarditis hat Dr. S. im Bericht vom 16. Mai 2007 eine deutliche körperliche Leistungsminderung festgehalten und dreimonatige Schonung empfohlen. Lebensbedrohliche Befunde ergeben sich daraus ebenfalls nicht.

Der Ansicht des SG Düsseldorf (Urteil vom 2. Februar 2006, S 9 KR 59/05, veröffentlicht in Juris), kann nicht gefolgt werden. Das SG Düsseldorf hat einen strengen Wirksamkeitsnachweis bei der immunologischen Behandlung nicht verlangt, da das CFS nach gegenwärtigem Stand nicht behandelbar, die Entstehung und Verlauf weitgehend unerforscht und mit herkömmlichen Behandlungsmethoden nicht nachhaltig wirksam zu beeinflussen sei. Deshalb hat es das SG Düsseldorf als ausreichend erachtet, dass es sich nach den Angaben des behandelnden Arztes um eine vertretbare Therapie handele, da die Beklagte zur Sicherstellung einer ärztlichen Behandlung des Klägers verpflichtet sei, solange die ausgewählte Behandlung eine spürbar positive Entwicklung auf den Krankheitsverlauf habe. Damit hat das SG Düsseldorf Bezug genommen auf das dritte Kriterium der vom BVerfG für die verfassungskonforme Auslegung entwickelten Voraussetzungen. Vorliegend scheitert eine verfassungskonforme Auslegung jedoch schon daran, dass keine lebensbedrohliche oder wertungsmäßig vergleichbare Erkrankung vorliegt. Des Weiteren ist auch nach der Rechtsprechung des BSG die begründete Annahme der Wirksamkeit der Therapie unter Zugrundelegung der allgemein anerkannten Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft erforderlich (BSG, Urteil vom 25. September 2000, B 1 KR 5/99 R, aaO).

Eine Aussage des Dr. H. und der mit ihm beruflich verbundenen Ärzte in Bezug auf die Wirksamkeit der von Dr. H. selbst entwickelten Mittel ist ohne Aussagekraft. Dies gilt auch dann, wenn Dr. H. vom Vertrieb dieser Produkte selbst nicht wirtschaftlich profitieren sollte. Nach den Erläuterungen von Dr. H. im Befundbericht vom 19. Februar 2003 (Bl 8 f der SG-Akte) zu seinem Therapievorschlag vom selben Tag existiert für klinische Beschwerden, die seiner Meinung nach auf immunologischen Störungen beruhen, keine Standardtherapie. Es handele sich bei seinem Therapievorschlag zum Teil um experimentelle Therapieansätze im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH). Die von ihm angewandten Methoden setzten sich individuell, je nach bestehender Notwendigkeit, aus Elementen von schulmedizinischen, molekularbiologischen, immunologischen und Naturheil-Verfahren zusammen. Dies erklärt zwar, weshalb es keine aussagekräftigen Studien zur Wirksamkeit der Behandlungsmethode gibt und auch nicht geben kann. Denn wenn die Behandlung bei jedem Patienten anders ausgeführt werden muss, kann einer vergleichenden Studie, die keine Wirksamkeit der Behandlungsmethode ergeben hat, immer entgegengehalten werden, dass es an der individuellen Einstellung der Medikation gefehlt hat. Damit haben sich die Vertreter dieser Methode zwar rhetorisch gegen eine wissenschaftliche Methodik “abgesichert”. Damit besteht aber auch keine Möglichkeit, die für die Erstattungsfähigkeit der Behandlungskosten notwendige Annahme einer Wirksamkeit der Therapie unter Zugrundelegung der allgemein anerkannten Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft zu führen.

Individuellen Heilerfahrungen Betroffener kommt keine Bedeutung zu. Deshalb ist unerheblich, ob sich der Zustand des Klägers durch die Behandlung nach der Methode des Dr. H. gebessert hat. Daran bestehen im Übrigen insofern Zweifel, als der Kläger trotz jahrelanger Medikation bis zum heutigen Tag nicht in der Lage war, ein Studium oder eine Ausbildung aufzunehmen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs 2 SGG) liegen nicht vor.