Landessozialgericht Hessen L 8 KR 64/15

Hessisches Landessozialgericht

Urteil vom 26.01.2017 (rechtskräftig)

Sozialgericht Kassel S 12 KR 210/10
Hessisches Landessozialgericht L 8 KR 64/15

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 16. November 2014 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.466,27 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe eines Krankenhausvergütungsanspruchs streitig und insoweit, ob eine Fallzusammenführung zu erfolgen habe bzw. ob ein einheitlicher Behandlungsfall mit einer Unterbrechung vorlag.

Die Klägerin ist Trägerin des zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Klinikums A-Stadt. Der bei der Beklagten Krankenversicherte C. (im Weiteren: Versicherter), geboren 1938, wurde dort vollstationär behandelt vom 31. März 2009 bis zum Samstag, den 4. April 2009 und vom Montag, den 6. April 2009 bis zum 25. April 2009.

Der Versicherte wurde am 31. März 2009 zur Behandlung eines bösartigen Melanom des Rumpfes (ICD-10 C 43.5) aufgenommen. Es wurde in der ersten Zeitspanne rechts eine Exzision einzelner Lymphknoten und Lymphgefäße (axillär mit Radionuklidmarkierung – Sentinel-Lymphonodektomie) (OPS 540111), jeweils eine Computertomographie des Schädels und des Adomens mit Kontrastmittel (OPS 3220 und 3225) und eine radikale und ausgedehnte Exzision von erkranktem Gewebe der Haut und Unterhaut ohne primären Wundverschluss, histographisch kontrolliert (mikrographische Chirurgie) an Brustwand und Rücken (OPS 5-895.1a) sowie eine temporäre Weichteildeckung durch alloplastisches Material großflächig an Brustwand und Rücken (OPS 5-916.7a) durchgeführt.

Am 2. April 2009 wurde mit dem Versicherten ein Aufklärungsgespräch über die geplante LAD axillär rechts geführt (Patientenakte) und am 3. April 2009 ein Aufklärungsgespräch hinsichtlich der für diese Operation durchzuführenden Narkose (Patientenakte).

Der Versicherte verließ das Klinikum am Samstag, den 4. April 2009 um 11:39 Uhr.

Die Kosten des vollstationären Aufenthalts des Versicherten vom 31. März bis zum 4. April 2009 stellte die Klägerin der Beklagten unter Zugrundelegung der Hauptdiagnose ICD-10 C43.5 [bösartiges Melanom des Rumpfes] und der DRG-Fallpauschale J21Z in Höhe von 3.199,03 EUR in Rechnung (Rechnung vom 24. April 2009).

Der Versicherte wurde am Montag, den 6. April 2009 erneut zur vollstätionären Behandlung in dem Klinikum der Klägerin aufgenommen (7:02 Uhr) und am gleichen Tag wurde rechts eine radikale (systematische) Lymphadenektonomie als selbständiger Eingriff im Mammaabflussgebiet (OPS 54040) durchgeführt.

Die Klägerin stellte der Beklagten die Kosten des zweiten vollstationären Aufenthalts des Versicherten unter Angabe der Hauptdiagnose ICD-10 C77.3 [sekundäre und nicht näher bezeichnete bösartige Neubildung: Axilliäre Lymphknoten und Lymphknoten der oberen Extremität] und der DRG-Fallpauschale R12B in Höhe von 5.741,99 EUR in Rechnung.

Die Beklagte zahlte zunächst die von der Klägerin in Rechnung gestellten Beträge (insgesamt 8.941,02 EUR) und veranlasste eine Prüfung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung in Hessen (MDK) zur Beantwortung der Frage, ob die Hauptdiagnose korrekt sei und ob es sich hier um ein Fallsplitting handele. Das Gutachten des MDK ergab, dass beide Aufenthalte des Versicherten mit der Diagnose ICD-10 C77.3 zu verschlüsseln seien. Zudem handele es sich medizinisch um einen durchgehenden Behandlungsfall vom 31. März 2009 bis zum 25. April 2009.

Die Beklagte verlangte auf dieser Grundlage von der Klägerin die Erstellung einer neuen Rechnung und eine Gutschrift.

Die Klägerin stornierte daraufhin ihre Rechnung für den ersten Aufenthalt des Versicherten und stellte der Beklagten mit Rechnung vom 18. Dezember 2009 für diesen Aufenthalt nunmehr einen Betrag in Höhe von 2.932,84 EUR in Rechnung. Dabei akzeptierte sie für diesen Aufenthalt die Kodierung der Diagnose ICD-10 C77.3 und legte die Fallpauschale des DRG R13Z zugrunde, ging jedoch weiterhin von zwei getrennt abrechenbaren Krankenhausaufenthalten aus.

Die Beklagte nahm eine Rechnungskorrektur vor und zahlte letztlich an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 7.208,56 EUR zur Vergütung der vollstationären Behandlung des Versicherten vom 31. März 2009 bis zum 25. April 2009 unter Zugrundelegung der Diagnose ICD-10 C77.3 und einer DRG R12B zuzüglich Zuschläge für die Überschreitung der oberen Grenzverweildauer für 4 Tage.

Die Klägerin hat am 11. Juni 2010 Klage erhoben bei dem Sozialgericht Kassel auf Zahlung in Höhe von zunächst weiteren 2.932,84 EUR nebst Zinsen.

Auf den Hinweis der Beklagten, sie habe auf die Gesamtforderung der Klägerin in Höhe von 8.674,83 EUR einen Betrag in Höhe von 7.208,56 EUR gezahlt, hat die Klägerin die Zahlung von weiteren 1.466,27 EUR geltend gemacht und im Übrigen die Klage zurückgenommen.

Die Klägerin hat zur Klagebegründung ausgeführt, sie habe zwar die Verschlüsselung der Hauptdiagnosen nach ICD-10 C77.3 akzeptiert, jedoch sei im vorliegenden Fall eine Fallzusammenführung nach § 2 Fallpauschalenvereinbarung (FPV) ausgeschlossen. Zwar stünden beide Behandlungsabschnitte (30. März – 4. April 2009 und 6. April – 25. April 2009) in einem medizinischen Zusammenhang. Gemäß den Abrechnungsregeln handele es sich dabei um zwei eigenständige Behandlungsfälle. Auch sei nach den Klarstellungen der Vertragsparteien nach § 17b Abs. 2 Satz 1 Krankenhausgesetz (KHG) eine Fallzusammenführung im Fall von medizinisch sinnvollen Behandlungsabschnitten einer onkologischen Erkrankung ausgeschlossen. Zudem könne eine Beurlaubung nicht vorgelegen haben, da eine solche nach § 6 des Hessischen Vertrages über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung gem. § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V nur für wenige Stunden möglich sei.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die stationäre Behandlung des Versicherten sei im Zeitpunkt seiner Entlassung am 4. April 2009 nicht beendet gewesen. Dies ergebe sich aus dem Entlassungsbericht der Klinik der Klägerin. Danach sei am 1. April 2009 nach vorheriger Lokalisation mittel Gammasonde der Sentinel-Lymphknoten axillar rechts exstirpiert worden und am 6. April 2009 sei nach positivem Sentel-Lymphkonten-Nachweis am 1. April 2009 in ITN die radikale Lymphadenektomie axillär rechts erfolgt. Damit sei die Behandlung am 4. April 2009 gem. § 1 Abs. 7 Satz 4 FPV 2009 nicht abgeschlossen gewesen und am 6. April 2009 habe gem. § 1 Abs. 7 Satz 5 FPV 2009 keine Wiederaufnahme i.S.v. § 2 FPV stattgefunden. Auch sei der MDK nach Auswertung der Patientenakte des Versicherten in seinem Gutachten vom 7. Dezember 2010 zu der Überzeugung gekommen, dass im Zeitpunkt der Entlassung des Versicherten am 4. April 2009 das weitere Procedere (operative radikale Axilladissektion) festgestanden habe. Die vorbereitenden Maßnahmen für diesen operativen Eingriff (Aufklärung des Versicherten) hätten bereits während des ersten Aufenthalts stattgefunden. Danach habe es sich bei der Entlassung am Samstag, den 4. April 2009, und der erneuten Aufnahme am Montag, den 6. April 2009, um einen Wochenendurlaub gehandelt. In der Patientenakte sei in der Verlaufskurve vom 31. März 2009 bis 4. April 2009 der Eintrag: “am 06.04.2009 WA” und in der Rubrik “ärztliche Anordnungen” mit Datum vom 2. April 2009 der Eintrag “für Montag OP in ITN planen, am Samstag E und Wiederaufnahme” zu finden. Die ärztliche Aufklärung des Versicherten bezüglich der radikalen Axilladessektion sei am 4. April 2009 erfolgt. Im Übrigen zitiere die Klägerin eine Klarstellung der Vertragsparteien zu § 17b Abs. 2 Satz 1 KHG, die zu der FPV 2007 ergangen sei, und vorliegend für das Jahr 2009 nicht gelte. Zudem bezögen sich die dort genannten “Behandlungszyklen” auf Chemotherapie- oder Bestrahlungszyklen.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 16. November 2011 die Klage abgewiesen. Die im Leistungserbringungsrecht als Leistungsklage zulässige Klage sei nicht begründet. Der Klägerin stehe für die vollstationäre Behandlung des Versicherten in den Zeiträumen vom 31. März 2009 bis zum 4. April 2009 und vom 6. April 2009 bis zum 25. April 2009 kein weiterer Zahlungsanspruch zu. Die Beklagte habe die Zahlung der streitig gebliebenen 1.466,27 EUR im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Nach Auswertung der vorgelegten Unterlagen und den überzeugenden schlüssigen Ausführungen des MDK habe es sich bei den beiden Aufenthalten des Versicherten um einen einheitlichen, untrennbar zusammenhängenden Behandlungsfall gehandelt. Die Behandlung sei am 4. April 2009 nicht abgeschlossen gewesen. Ob dies eine Fallpauschalen-Zusammenführung streng nach dem Wortlaut des § 2 FPV beinhalte, könne dahin stehen; ebenso ob eine nach dem Krankenhausvertrag klassische Beurlaubung vorgelegen habe. Jedenfalls sei am 6. April 2009 keine vom Erstaufenthalt unabhängige, eigenständige Wiederaufnahme des Versicherten erfolgt. Es sei lediglich die zuvor am 31. März 2009 bereits in Gang gesetzte Behandlung nach einer Unterbrechung am Wochenende fortgesetzt worden. Hierauf sei für die Abrechnung der Behandlung allein abzustellen. Dahinstehen könne, ob die Wochenendbeurlaubung eine Beurlaubung im klassischen Sinn beinhaltet habe. Nicht entscheidungserheblich sei, ob diese ein Entgegenkommen des Krankenhauses darstelle und allein auf Wunsch des Versicherten zustande gekommen sei, dem organisatorische Gründe zugrunde lagen oder dies aus abrechnungstaktischen Gründen erfolgt sei. Abzustellen sei allein auf den engen zeitlichen Zusammenhang, die unmittelbare zeitliche Vorausplanung des zweiten Aufenthaltes bereits noch während des Erstaufenthaltes und der mit dem Erstaufenthalt zwingend vorgegebene Ablauf der weiteren Behandlung, ohne dass hier auf der Grundlage des zeitlichen Ablaufs unabhängig voneinander bestehende, getrennt abrechenbare Behandlungsschritte vorliegen würden. Dies machten der enge zeitliche Zusammenhang, die Vorbereitungen während des ersten Aufenthaltes sowie die noch unmittelbar am 6. April 2009 erfolgte Operation und die “Entlassung/Beurlaubung” des Versicherten am 4. April 2009 allein wegen des Wochenendes deutlich. Weder aus dem Vorbringen der Klägerin noch aus der beigezogenen Krankengeschichte ließen sich andere Gründe ableiten. Vorliegend von getrennt abrechenbaren, eigenständigen Krankenhausbehandlungsfällen auszugehen habe zur Folge, dass Abrechnungsmanipulationen Tür und Tor geöffnet würden.

Gegen das am 22. Dezember 2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am Montag, den 23. Januar 2012 Berufung eingelegt. Mit Beschluss vom 16. Juli 2013 (GA Bl. 270) hat der Senat das Ruhen des Verfahrens angeordnet im Hinblick auf vor dem Bundessozialgericht (BSG) anhängige Revisionsverfahren (Az. B 1 KR 62/12 R und B 3 KR 33/12 R). Die Klägerin hat am 24. Februar 2015 das Verfahren wieder aufgerufen.

Die Klägerin wiederholt und vertieft ihre Rechtsauffassung und trägt ergänzend vor, nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 28. November 2013, Az. B 3 KR 33/12) sei die Anwendung des § 2 FPV auf Fälle ausgeschlossen, die nicht vom Wortlaut der Vorschrift erfasst seien. Das BSG habe mit dieser Entscheidung seine ständige Rechtsprechung bestätigt, dass Vergütungsregelungen streng nach ihrem Wortlaut auszulegen seien, um Fehlinterpretationen und Missverständnisse zu vermeiden. Nur so sei die routinemäßige Anwendung der Regelungen im Massengeschäft der Abrechnungen handhabbar. Des Weiteren habe das Krankenhaus im Falle einer nicht wirtschaftlichen Behandlungsweise nur Anspruch auf eine Vergütung, die bei fiktivem wirtschaftlichen Alternativverhalten angefallen wäre (BSG, Urteil vom 1. Juli 2014, Az. B 1 KR 62/12 R). Die Wahl der teureren Behandlungsalternative durch das Krankenhaus sei nur dann unwirtschaftlich, wenn die von der Krankenkasse präferierte billigere Durchführungsform für die notwendige Behandlung eine echte Alternative darstelle, d. h. aus medizinischer Sicht zweckmäßig und gleich gut geeignet sei, um den angestrebten Behandlungserfolg zu erreichen. Dazu habe das Sozialgericht keine Feststellungen getroffen.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 16. November 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie für die vollstationäre Krankenhausbehandlung des Versicherten C., geb. 1938, vom 31. März 2009 bis zum 4. April 2009 und vom 6. April 2009 bis zum 25. April 2009 weitere 1.466,27 EUR zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 21. Januar 2010 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte vertritt die Auffassung, das Sozialgericht habe mit der angefochtenen Entscheidung zutreffend entschieden. Die Abrechnung zweier Fallpauschalen widerspreche dem Wirtschaftlichkeitsgebot der §§ 2, 12 und 70 SGB V und verweist auf die Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 1. Juli 2014, Az. B 1 KR 62/12 R und Urteil vom 10. März 2015, Az. B 1 KR 3/15 R).

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis zu einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt. Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitgegenstandes wird auf den Inhalt der Patientenakte des Versicherten, der Gerichts- und der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung des Senats gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte im Einverständnis der Beteiligten den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz SGG).

Die insbesondere gem. § 151 Abs. 1 und 2 SGG form- und fristgerecht erhobene Berufung ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Das Sozialgericht ist zutreffend zu dem Ergebnis gekommen, dass die Klägerin weder den gegen die Beklagte geltend gemachten Zahlungsanspruch in Höhe von weiteren 1.466,27 EUR besitzt noch den geltend gemachten Zinsanspruch.

Die erhobene Zahlungsklage ist gem. § 54 Abs. 5 SGG zulässig. Es handelt sich bei einer auf Zahlung der Behandlungskosten eines gesetzlich oder freiwillig Versicherten gerichtete Klage eines Krankenhausträgers gegen dessen Krankenkasse um einen so genannten Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt (ständige Rechtsprechung: z. B. BSG, Urteil vom 28. November 2013, Az. B 3 KR 33/12 R, Rdnr. 9, zitt. nach Juris).

Rechtsgrundlage des geltend gemachten Vergütungsanspruchs der Klägerin gegen die Beklagte für die im Jahr 2009 erbrachte stationäre Krankenhausbehandlung ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V in der vom 1. Juli 2008 bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Fassung i.V.m. § 7 Satz 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) in der vom 25. März 2009 bis zum 31. Dezember 2010 geltenden Fassung und § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KHEntgG in der vom 25. März 2009 bis zum 31. Juli 2012 geltenden Fassung sowie § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) in der vom 25. März 2009 bis zum 31. Dezember 2011 geltenden Fassung i.V.m. Anlage 1 Teil a) des Fallpauschalen-Katalogs der G-DRG-Version 2011 sowie dem am 1. Juni 2002 in Kraft getretenen, zwischen der Hessischen Krankenhausgesellschaft e.V. (deren Mitglied die Klägerin ist) und den Krankenkassen geschlossenen Vereinbarung über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung nach § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 SGB V.

Nach § 1 Satz 1 FPV 2009 werden Fallpauschalen jeweils von dem die Leistung erbringenden Krankenhaus nach dem am Tag der voll- oder teilstationären Aufnahme geltenden Fallpauschalen-Katalog und den dazu gehörenden Abrechnungsregelungen abgerechnet. Somit ist die auf die Aufnahme der Versicherten am 31. März 2009 folgende Behandlung nach der FPV 2009 abzurechnen.

Vergütungsregelungen sind grundsätzlich streng nach ihrem Wortlaut auszulegen, um Fehlinterpretationen und Missverständnisse zu vermeiden; nur so sind sie für die routinemäßige Anwendung im Massengeschäft der Abrechnung der zahlreichen Behandlungsfälle handhabbar. Da das DRG-basierte Vergütungssystem vom Gesetzgeber gem. § 17b Abs. 2 Satz 1 KHG als jährlich zu entwickelndes und damit “lernendes” System angelegt wurde, ist es bei zutage tretenden Unrichtigkeiten, Unbilligkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie Aufgabe der Vertragsparteien, solche Mängel mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (BSG, Urteil vom 28. November 2013, Az. B 3 KR 33/12 R, Rdnr. 18, zitt. nach Juris).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kommt der Senat – ebenso wie das Sozialgericht – zu der Überzeugung, dass vorliegend nur ein abzurechnender Behandlungsfall in der Zeit vom 31. März 2009 bis zum 25. April 2009 mit einer Beurlaubung am 5. April 2009 vorgelegen hat mit der Folge, dass die Klägerin von der Beklagten nicht die Zahlung weiterer 1.466,27 EUR beanspruchen kann.

Die Beklagte hat dem Vergütungsanspruch der Klägerin für die Behandlung des Versicherten zutreffend die Hauptdiagnose ICD-10 C77.3 [sekundäre und nicht näher bezeichnete bösartige Neubildung: Axilliäre Lymphknoten und Lymphknoten der oberen Extremität] für beide Zeiträume und einer DRG R12B zuzüglich Zuschläge für die Überschreitung der oberen Grenzverweildauer für vier Tage zugrunde gelegt. Dies führt zu einem Vergütungsanspruch der Klägerin in Höhe von 7.208,56 EUR.

Die auf die Aufnahme des Versicherten am 31. März 2009 folgende Behandlung ist als ein Behandlungsfall mit Beurlaubung am 5. April 2009 gem. § 1 Abs. 7 FPV 2009 abzurechnen.

Gemäß § 1 Abs. 7 Satz 1 und Satz 2 1. Halbsatz FPV 2009 sind für die Ermittlung der Verweildauer die Zahl der Belegungstage maßgeblich, wobei Belegungstage der Aufnahmetag sowie jeder weitere Tag des Krankenhausaufenthalts sind ohne den Verlegungs- oder Entlassungstag aus dem Krankenhaus. Vollständige Tage der Beurlaubung sind gem. § 1 Abs. 7 Satz 4 FPV 2009 gesondert in der Rechnung auszuweisen und zählen nicht zur Verweildauer. Eine Beurlaubung liegt gem. § 1 Abs. 7 Satz 5 FPV 2009 vor, wenn ein Patient mit Zustimmung des behandelnden Krankenhausarztes die Krankenhausbehandlung (zu FPV 2008 siehe: BSG, Urteil vom 10. März 2015, Az. B 1 KR 3/15 R, Rdnr. 19, zitt. nach juris) zeitlich befristet unterbricht, die stationäre Behandlung jedoch noch nicht abgeschlossen ist.

Der Senat ist zu der Überzeugung gekommen, dass der Versicherte mit Zustimmung der ihn behandelnden Krankenhausärzte seine Krankenhausbehandlung am 4. April 2009 unterbrach und seine Behandlung am 4. April 2009 noch nicht abgeschlossen gewesen ist. Die Patientenakte enthält mit Datum vom 2. April 2009 den Eintrag “für Montag OP in ITN planen”. Des Weiteren wurde am 2. April 2009 mit dem Versicherten ein ärztliches Aufklärungsgespräch über die geplante LAD axillär rechts geführt und am 3. April 2009 ein ärztliches Aufklärungsgespräch hinsichtlich der für diese Operation durchzuführende Narkose.

Dieser Beurteilung steht – entgegen der Klägerin – die Regelungen des § 6 des Vertrags über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung gem. § 112 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V nicht entgegen.

Gem. § 6 Abs. 1 dieses Vertrages ist eine Beurlaubung mit der Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung grundsätzlich nicht vereinbar. In Ausnahmefällen kann der Patient gem. § 6 Abs. 2 dieses Vertrages – soweit ärztlich vertretbar – zur Erledigung unaufschiebbarer persönlicher Angelegenheiten oder zur Stabilisierung des Behandlungserfolgs beurlaubt werden. Die Beurlaubung soll gem. § 6 Abs. 2 Satz 2 dieses Vertrages nur für wenige Stunden gewährt werden, möglichst nicht über Nacht. Dies ist jedoch eine Soll-Bestimmung, von der nach ärztlicher Einschätzung in begründeten Einzelfällen abgewichen werden kann. Ausweislich der Patientenakte sahen die behandelnden Krankenhausärzte am 2. April 2009 eine Unterbrechung der stationären Behandlung des Versicherten am Samstag vor der für den folgenden Montag geplanten Operation für begründet an. Dies wurde aufgrund eines psychiatrischen Konzils am 3. April 2009 bestätigt. Im Rahmen eines ersten psychologisch stützenden Gesprächs zeigte sich der Versicherte von der Diagnose und den prognostischen Risiken sehr belastet.

Selbst wenn die Voraussetzungen einer Beurlaubung nach dieser Regelung nicht vorgelegen hätten, würde dies zu keinem anderen Ergebnis führen. Ein Verstoß eines Krankenhauses gegen diese Bestimmungen kann nicht zu einem höheren Entgeltanspruch führen. Denn ein unwirtschaftlicher Behandlungsweg eines Krankenhauses begründet keinen höheren Vergütungsanspruch. Wählt ein Krankenhaus einen unwirtschaftlichen Behandlungsweg, kann es allenfalls die Vergütung beanspruchen, die bei fiktivem wirtschaftlichem Alternativverhalten angefallen wäre (BSG, Urteil vom 10. März 2015, Az. B 1 KR 3/15 R, Rdnr. 27, zitt. nach Juris). Verstößt eine Klinik gegen vertragliche Pflichten, indem ohne Grund ein Patient beurlaubt wird, so kann daraus keine höhere Vergütung folgen als bei vertragsgemäßen Verhalten. Insoweit ist für die Auslegung des Begriffs der “Beurlaubung” in § 1 Abs. 7 Satz 5 FPV 2009 allein maßgeblich, ob tatsächlich eine Beurlaubung stattgefunden hat, die “gesondert in der Rechnung auszuweisen” ist.

Dem steht auch die Klarstellung der Vertragsparteien zu § 17b Abs. 2 Satz 1 KHG, die zu der FPV 2007 ergangen ist, nicht entgegen. Denn diese betrifft nach ihrem Wortlaut “Behandlungszyklen”. Weiter heißt es dazu: “Es handelt sich in diesen Fällen um einzelne abgeschlossene Behandlungen, die durch eine reguläre Entlassung beendet wurden.” Wie ausgeführt, war vorliegend die Behandlung am 4. April 2009 gerade noch nicht abgeschlossen.

Demgegenüber ist der Vortrag der Klägerin unerheblich, dass eine Fallzusammenführung nach § 2 FPV 2009 nicht möglich ist, da dessen Voraussetzungen nicht vorliegen. Die Regelung betrifft die Zusammenführung von abgeschlossenen Krankenhausbehandlungen zu einem Fall. Wie bereits ausgeführt, war die Behandlung des Versicherten am 4. April 2009 gerade nicht abgeschlossen.

Damit entfällt auch der geltend gemachte Verzinsungsanspruch.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsgesetz (VwGO).

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.

Der Streitwert war gem. § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz festzusetzen.