Sozialgericht Karlsruhe S 5 KR 4463/13

Sozialgericht Karlsruhe

Urteil vom 24.02.2014 (nicht rechtskräftig)

Sozialgericht Karlsruhe S 5 KR 4463/13

1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. 3. Die Sprungrevision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Vergütung für eine stationäre Behandlung.

Die Klägerin ist die Trägerin des “Klinikums P.”. Das Krankenhaus ist zur Versorgung gesetzlich Krankenversicherter zugelassen.

Vom 10. – 12.10.2011 befand sich das bei der Beklagten versicherte Mitglied M. B. in stationärer Behandlung im “Klinikum P.”.

Hierfür stellte die Klägerin der Beklagten 1.300,01 EUR in Rechnung.

Die Beklagte beglich die Rechnung zunächst, veranlasste dann aber eine Abrechnungsprüfung durch den MDK nach § 275 Abs. 1c SGB V.

In einem Gutachten gelangte der MDK zu dem Ergebnis, die Abrechnung der Klägerin sei fehlerhaft.

Gestützt auf dieses Ermittlungsergebnis rechnete die Beklagte – nach Angaben der Klägerin – am 5.3.2012 in Höhe von 1.330,01 EUR gegen eine andere unstreitige Hauptforderung der Klägerin auf.

Mit der am 19.12.2013 erhobenen Klage begehrt die Klägerin Zahlung in dieser Höhe. Sie trägt vor, die Klage sei zulässig. Vor der Klageerhebung habe sie kein Schlichtungsverfahren mit der Beklagten durchführen müssen. Zwar sei gemäß § 17c Abs. 4b S. 3 KHG ein vorgeschaltetes Schlichtungsverfahren notwendig, wenn der Wert der Forderung 2.000 EUR nicht übersteigt. Die Regelung sei aber nur anwendbar, wenn die streitige stationäre Behandlung – anders als hier – erst nach dem Inkrafttreten der Vorschrift begonnen hat, also nach dem 1.8.2013. Insoweit sei die Konstellation vergleichbar mit der Einführung der Aufwandspauschale nach § 275 Abs. 1c S. 3 SGB V am 1.4.2007 durch das “Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung”. Der Gesetzgeber habe auch damals keine Übergangsregelung getroffen. Dennoch könne nach einem Urteil des Bundessozialgerichts vom 22.6.2010 (B 1 KR 29/09 R) ein Krankenhaus die Aufwandspauschale nur fordern, wenn die stationäre Aufnahme des Patienten nach dem Inkrafttreten der Regelung erfolgt ist. Diese Entscheidung sei auf den vorliegenden Fall übertragbar. Fände § 17c Abs. 4b S. 3 KHG Anwendung, würde im übrigen die Garantie des effektiven Rechtsschutzes beeinträchtigt: Art. 19 Abs. 4 GG begründe einen Anspruch auf Zugang zum Gericht, auf eine umfassende Prüfung des Streitgegenstands in einem förmlichen Verfahren innerhalb angemessener Zeit und auf eine gerichtliche Entscheidung. Dieser Anspruch wäre gefährdet, müsste hier vor der Klagerhebung ein Schlichtungsverfahren stattfinden. Denn bisher existiere kein “arbeitsfähiger” Schlichtungsausschuss. Es erscheine auch zweifelhaft, ob sich dies jemals ändern werde. So hätten die Deutsche Krankenhausgesellschaft und der GKV-Spitzenverband gegenüber dem Bundesgesundheitsminister angeregt, die neue Regelung des § 17c Abs. 4b S. 3 KHG zu modifizieren oder sogar ersatzlos zu streichen. Außer einer sozialgerichtlichen Klage habe sie, die Klägerin, daher keine Möglichkeit, ihre Rechte durchzusetzen. Die Klage sei auch begründet. Denn der Beklagten habe keine Gegenforderung zugestanden, mit der sie hätte aufrechnen können; die für die stationäre Behandlung in Rechnung gestellte Summe sei (aus näher dargestellten Gründen) nicht zu beanstanden gewesen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, ihr 1.330,01 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5.3.2012 zu zahlen.

Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt. Sie trägt vor, auch nach ihrer Auffassung sei die Klage zulässig. Denn § 17c Abs. 4b S. 3 KHG gälte nicht für Behandlungsfälle, die vor dem 1.8.2013 begonnen haben. Nach den Grundsätzen des intertemporalen Sozialrechts sei neues Recht nur auf solche Sachverhalte anwendbar, die sich vollständig nach Inkrafttreten der Regelung verwirklichen. Zu berücksichtigen sei zudem der Regelungsschwerpunkt des Gesamtkomplexes: Der Gesetzgeber habe den § 17c KHG umfassend geändert. Die Neufassung sei durchgehend auf Krankenhausbehandlungen ausgerichtet, die erst nach dem 1.8.2013 begonnen haben. Gleiches müsse dann auch für die Vorschrift des § 17c Abs. 4b S. 3 KHG gelten, bei der es sich lediglich um ein Teilelement dieses Gesamtkomplexes handele. Auch in den Gesetzesmaterialien finde sich kein Hinweis darauf, die Regelung solle auf Fälle wie den vorliegenden Anwendung finden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1) Die Klage ist unzulässig. Denn die Beteiligten haben das nach § 17c Abs. 4b S. 3 KHG erforderliche Schlichtungsverfahren nicht durchgeführt.

Nach dieser Vorschrift ist bei Klagen, mit denen nach Durchführung einer Abrechnungsprüfung nach § 275 Abs. 1c SGB V eine streitig gebliebene Vergütung gefordert wird, vor der Klageerhebung das Schlichtungsverfahren nach § 17c Abs. 4 KHG durchzuführen, wenn der Wert der Forderung 2.000 EUR nicht übersteigt.

So verhält es sich hier (dazu a). Mangels Durchführung eines Schlichtungsverfahrens ist die Klage als unzulässig abzuweisen (dazu b).

a) Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 17c Abs. 4b S. 3 KHG sind erfüllt (dazu aa). Entgegen der Auffassung der Beteiligten gilt die Regelung auch dann, wenn – wie hier – die Vergütung für eine Behandlung im Streit steht, die vor dem 1.8.2013 begonnen hat (dazu bb). Dieses Ergebnis ist mit der Garantie eines effektiven Rechtsschutzes vereinbar (dazu cc).

aa) Mit ihrer Klage fordert die Klägerin eine Vergütung, die nach Durchführung einer Abrechnungsprüfung durch den MDK nach § 275 Abs. 1c SGB V streitig geblieben ist und deren Wert 2.000 EUR nicht übersteigt.

Zwar ist die von der Klägerin eingeklagte (Haupt-)Forderung für sich genommen nicht streitig; umstritten ist vielmehr die (Gegen-)Forderung der Beklagten, mit der diese aufgerechnet hat. Auch eine solche Konstellation unterfällt aber der Regelung des § 17c Abs. 4b S. 3 KHG: Gemäß § 19 Abs. 1 S. 1 des Vertrags nach § 112 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SGB V zwischen der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft und den Landesverbänden der Krankenkassen hat die Krankenkasse eine Rechnung des Krankenhauses innerhalb von 30 Tagen nach Übermittlung des Rechnungssatzes zu zahlen – selbst wenn sie Zweifel an deren Richtigkeit hegt. Angesichts dieser knappen Zahlungsfrist hat die Krankenkasse in der Praxis fast immer schon gezahlt, bevor eine Abrechnungsprüfung durch den MDK abgeschlossen ist. Nach der Prüfung verbleibende Streitigkeiten zwischen Krankenhaus und Krankenkasse werden daher zumeist nicht über die originäre Forderung des Krankenhauses ausgetragen, sondern nahezu ausschließlich über einen etwaigen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch der Krankenkasse. Würde diese typische Konstellation von § 17c Abs. 4b S. 3 KHG nicht erfasst, liefe die Regelung praktisch leer. Vor diesem Hintergrund findet die Vorschrift auch dann Anwendung, wenn die Krankenkasse auf Erstattung der angeblich zu Unrecht geleisteten Vergütung klagt (Leber, KH 2013, 1044, 1045) oder – wie meistens und wie auch hier – gegen eine andere, für sich genommen unstreitige Forderung des Krankenhauses aufrechnet.

bb) § 17c Abs. 4b S. 3 KHG erfasst auch Klagen, in denen die Vergütung für eine Behandlung im Streit steht, die vor dem 1.8.2013 begonnen hat.

(1) Die Vorschrift ist zum 1.8.2013 in Kraft getreten. Eine Übergangsregelung für “Altfälle” hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen (vgl. Art. 2 des Gesetzes vom 15.7.2013, BGBl. I Seite 2423).

(2) Auch nach allgemeinen Grundsätzen des intertemporalen Prozessrechts ist eine Änderung des Verfahrensrechts ohne Übergangsfrist zu berücksichtigen; von einer Rechtsänderung erfasst sind daher grundsätzlich sogar Klagen, die bei Inkrafttreten der Neuregelung bereits anhängig sind (vgl. z.B. BSG, Beschluss vom 16.12.2009, B 7 AL 147/09 B, Rdnr. 8 – nach Juris; Urteil vom 25.4.2013, B 8 SO 21/11 R; Rdnr. 12 nach Juris).

Allerdings werden im Einzelfall die allgemeinen Grundsätze des intertemporalen Prozessrechts durch den im Rechtsstaatsprinzip wurzelnden Grundsatz des Vertrauensschutzes eingeschränkt: Wirkt der Gesetzgeber auf die verfahrensrechtliche Lage ein, in der sich ein Kläger befindet, und ist das Vertrauen in den Fortbestand der bisherigen Regelung schutzwürdig, so findet das neue Recht ausnahmsweise keine Anwendung (BVerfG, Beschluss vom 7.7.1992, 2 BvR 1631/90, Rdnr. 42 – nach Juris; BSG, a.a.O.). Eine solche schutzwürdige Lage kommt aber frühestens in Betracht, wenn der Kläger ein Rechtsmittel eingelegt hat (vgl. BVerfG, a.a.O., Rdnr. 43 – nach Juris); vor Erhebung einer Klage besteht hingegen überhaupt keine prozessuale Position, die beeinträchtigt oder entzogen werden könnte.

Im vorliegenden Fall ist die einschränkende Regelung des § 17c Abs. 4b S. 3 KHG am 1.8.2013 in Kraft getreten. Klage erhoben hat die Klägerin indes erst am 19.12.2013. Angesichts dessen konnte die Klägerin zu keinem Zeitpunkt des gerichtlichen Verfahrens erwarten, ein Schlichtungsverfahren sei nicht erforderlich.

(3) Unergiebig ist in diesem Zusammenhang das von der Klägerin angeführte Urteil des BSG vom 22.6.2010 (B 1 KR 29/09 R). In dieser Entscheidung hat sich das BSG mit der Frage befasst, ob die in § 275 Abs. 1c S. 3 SGB V normierte Pflicht der Krankenkasse, im Falle einer erfolglosen Abrechnungsprüfung dem Krankenhaus eine Aufwandspauschale zu zahlen, auch für Behandlungen gilt, die vor dem Inkrafttreten der Vorschrift begonnen haben. Es ging also nicht um eine prozessuale Regelung, sondern um eine Regelung des materiellen Sozialrechts. Ob eine neue Regelung des materiellen Sozialrechts Anwendung findet, richtet sich u.a. nach dem sogenannten Leistungs- bzw. Versicherungsfallprinzip; dieses Prinzip war auch für das BSG bei seiner Entscheidung vom 22.6.2010 bedeutsam (a.a.O., Rdnr. 14 – nach Juris). Im Prozessrecht spielt das Prinzip hingegen keine Rolle. Da es sich bei § 17c Abs. 4b S. 3 KHG um keine materielle, sondern um eine prozessuale Regelung handelt, die den Zugang zum gerichtlichen Verfahren normiert, liegt – entgegen der Auffassung der Klägerin – hier keine Konstellation vor, die dem vom BSG beurteilten Fall entspräche.

Ebenso wenig zu überzeugen vermag der Vortrag der Beklagten, der “Regelungsschwerpunkt des Gesamtregelungskomplexes” spreche gegen die Anwendung des § 17c Abs. 4b S. 3 KHG. Die Beklagte lehnt sich ersichtlich an die Argumentationslinie des BSG in der o.a. Entscheidung vom 22.6.2010 an (ohne diese ausdrücklich zu nennen). Wie ausgeführt, ist dieses Urteil auf den vorliegenden Fall indes gerade nicht übertragbar. Unabhängig davon ist für die Kammer nicht nachvollziehbar, warum die neue Regelung des § 17c Abs. 4b S. 3 KHG mit den weiteren Änderungen des § 17c KHG, die zum 1.8.2013 in Kraft getreten sind, einen unauflösbaren “Gesamtregelungskomplex” bilden sollte. Ein solcher Zusammenhang wird von der Beklagten nur behauptet, aber nicht belegt.

(4) Für die Anwendbarkeit des § 17c Abs. 4b S. 3 KHG spricht schließlich auch Sinn und Zweck der Norm. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers soll das obligatorische Schlichtungsverfahren der Entlastung der Sozialgerichte dienen (BT-Drucksache 17/13947 Seite 40). Erfasste die Regelung – entsprechend der Auffassung der Beteiligten – nur Klagen, in denen die Vergütung für eine Behandlung im Streit steht, die nach dem 1.8.2013 begonnen hat, träte der vom Gesetzgeber beabsichtigte Effekt indes erst mit großer Verzögerung ein. Denn in der Praxis klagen Krankenhäuser streitig gebliebene Vergütungsforderungen oft erst lange nach der Behandlung ein, nicht selten knapp kurz vor Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist. Folgte man der Ansicht der Beteiligten, gäbe es daher in den nächsten Jahren kaum Klagen, die von § 17c Abs. 4b S. 3 KHG erfasst sind; die Entlastung der Sozialgerichte bliebe also jedenfalls kurz- und mittelfristig marginal. Dies widerspräche dem erklärten Willen des Gesetzgebers (so auch Weis/Romeyke, NZS 2013, 733, 734). Um der Regelung des § 17c Abs. 4b S. 3 KHG volle Wirksamkeit zu verschaffen, ist sie somit ab dem 1.8.2013 auch dann anzuwenden, wenn die streitige Behandlung vor diesem Zeitpunkt begann.

cc) Das Erfordernis eines vorgeschalteten Schlichtungsverfahrens ist mit dem grundrechtlichen Anspruch der Klägerin auf effektiven Rechtsschutz vereinbar.

Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen (Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG). Damit wird sowohl der Zugang zum Gericht als auch die Wirksamkeit des Rechtsschutzes gewährleistet (BSG, Urteil vom 2.7.2013, B 1 KR 18/12 R, Rdnr. 35 – nach Juris). Der Rechtsweg muss allerdings nicht ohne weitere Voraussetzungen offen stehen. Vielmehr hat der Gesetzgeber, dem die Ausgestaltung des Rechtsweges obliegt, einen weiten Spielraum; er darf auch restriktive Voraussetzungen normieren. Verfassungsrechtlich zulässig ist z.B. das Erfordernis eines Vorverfahrens, jedenfalls solange es den Rechtsschutz nicht unzumutbar erschwert (Sachs, GG, 6. Aufl., Art.19 Rdnr. 139).

Gemessen hieran begegnet die Regelung des § 17c Abs. 4b S. 3 KHG, die den Zugang zum Sozialgericht bei Vergütungsforderungen bis zu 2.000 EUR an die vorherige Durchführung eines Schlichtungsverfahrens knüpft, grundsätzlich keinen Bedenken.

Auch die Klägerin beanstandet wohl nicht die Norm als solche. Vielmehr trägt sie vor, es bestehe kein “arbeitsfähiger” Schlichtungsausschuss und damit selbst auf lange Sicht keine Möglichkeit, ein Schlichtungsverfahren (als Voraussetzung für ein etwaiges Klageverfahren) zu durchlaufen.

Diese Zweifel teilt die Kammer nicht. Im Gegensatz zur Lage in einigen anderen Bundesländern (vgl. die Nachweise bei Weis/Romeyke, a.a.O., Fn. 3) existiert in Baden-Württemberg bereits seit dem Jahr 2003 ein Schlichtungsausschuss nach § 17c Abs. 4 KHG (vgl. z.B. die Nachweise auf der Homepage der Baden-Württembergischen Krankenhausgesellschaft unter “www.bwkg.de/aufgaben-services.html” oder der AOK unter “www.aok-gesundheitspartner.de/bund/krankenhaus/kh abrechnung/pruefung/stichproben/ index.html”) Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 17c Abs. 4b S. 3 KHG ist vor der Klageerhebung das Schlichtungsverfahren “nach Absatz 4” (nicht: Absatz 4b) durchzuführen. Zuständig ist also der bereits existierende Ausschuss. Es bedarf somit jedenfalls in Baden-Württemberg keines neuen und ggf. erst zu gründenden Ausschusses. Zwar führt die gesetzliche Neuregelung wohl dazu, dass sich der baden-württembergische Schlichtungsausschuss nach § 17c Abs. 4 KHG seit dem 1.8.2013 mit deutlich mehr Fällen befassen muss als nach der bis dahin geltenden Rechtslage; aufgrund dessen mag es derzeit bei der Bearbeitung vorübergehend zu Verzögerungen kommen. Dies berechtigt die Klägerin aber nicht dazu, von der Einleitung eines Schlichtungsverfahrens einfach abzusehen und unmittelbar Klage zu erheben. Vielmehr sind die Verzögerungen, die sich aus den personellen und organisatorischen Anlaufschwierigkeiten des Schlichtungsausschusses ergeben, von der Klägerin einstweilen hinzunehmen (zumal auch ein Klageverfahren regelmäßig nicht binnen weniger Monate abgeschlossen wird). Selbst wenn das Schlichtungsverfahren sehr lange andauern sollte, drohte der Klägerin im übrigen kein Rechtsverlust. Denn gemäß § 45 Abs. 2 SGB I i.V.m. § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB wird die Verjährung einer Vergütungsforderung durch die Einleitung des Schlichtungsverfahren nach § 17c Abs. 4b S. 3 KHG gehemmt (BSG, Urteil vom 17.12.2013, B 1 KR 59/12 R, Rdnr. 19 – nach Juris).

b) Da es im vorliegenden Fall an der Durchführung eines Schlichtungsverfahrens fehlt, war die Klage als unzulässig abzuweisen; denn spätestens zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung müssen die Sachurteilsvoraussetzungen vorliegen (Böttiger in: Breitkreutz/Fichte, SGG, 2. Aufl., § 54 Rdnr. 21). Das Gericht brauchte das Verfahren weder auszusetzen (dazu aa) noch dessen Ruhen anzuordnen (dazu bb).

aa) Allerdings vertritt das BSG in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, sei ein nach § 78 S. 1 SGG erforderliches Vorverfahren bei Erhebung der Klage noch nicht beendet, dürfe das Gericht die – unzulässige – Klage nicht abweisen; vielmehr müsse es den Rechtsstreit aussetzen, um den Beteiligten Gelegenheit zu geben, das Vorverfahren abzuschließen (vgl. aus jüngster Zeit z.B. BSG, Urteil vom 24.10.2013, B 13 R 31/12 R; Rdnr. 20 – nach Juris).

Auf den vorliegenden Fall lässt sich diese Rechtsprechung indes nicht übertragen: Denn ein Schlichtungsverfahren nach § 17c Abs. 4b S. 3 KHG ist hier nicht nur nicht abgeschlossen, sondern noch nicht einmal eingeleitet. In der Erhebung einer Klage liegt zwar ggf. zugleich die Einlegung eines Widerspruchs (vgl. Breitkreutz in: Breitkreutz/Fichte, a.a.O., § 84 Rdnr. 6), nicht aber die Einleitung eines Schlichtungsverfahrens. Eine solche Deutung verbietet sich insbesondere, wenn der Kläger – wie hier – gerade kein Schlichtungsverfahren durchführen will. Im übrigen ist auch bei einem fehlenden Vorverfahren nach den §§ 78 ff. SGG keine Aussetzung geboten, wenn der Kläger auf einer unmittelbaren gerichtlichen Entscheidung ohne Vorverfahren beharrt (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.3.2010, L 9 SO 44/09, Rdnr. 8 und 19 – nach Juris; Breitkreutz, a.a.O., § 78 Rdnr. 8). Hier besteht eine vergleichbare Konstellation; denn der Klägerin geht es erklärtermaßen um ein gerichtliches Verfahren ohne (vorheriges oder paralleles) Schlichtungsverfahren.

Scheidet die Aussetzung des Verfahrens schon aus diesen Gründen aus, kann die Kammer dahingestellt lassen, ob das Schlichtungsverfahren überhaupt mit heilender Wirkung nachgeholt werden könnte (dagegen beim Güteverfahren nach § 15a EGZPO: BGH, Urteil vom 23.11.2004, VI ZR 336/03, Rdnr. 12 ff. – nach Juris; so möglicherweise auch BSG, Urteil vom 17.12.2013, B 1 KR 59/12 R, Rdnr. 19 – nach Juris).

bb) Das Gericht hatte auch nicht das Ruhen des Verfahrens anzuordnen.

Gemäß § 202 S. 1 SGG i.V.m. § 251 S. 1 ZPO hat das Gericht hat Ruhen des Verfahrens anzuordnen, wenn beide Parteien dies beantragen und anzunehmen ist, dass wegen Schwebens von Vergleichsverhandlungen oder aus sonstigen wichtigen Gründen diese Anordnung zweckmäßig ist.

Die Beteiligten haben nicht übereinstimmend beantragt, gerade das vorliegende Verfahren ruhen zu lassen: Mit Schriftsatz vom 4.2.2014 hat die Beklagte vorgeschlagen, von den insgesamt 41 zur mündlichen Verhandlung am 24.2.2014 geladenen Fällen “ein” Verfahren als Musterverfahren auszuwählen und die übrigen Verfahren ruhend zu stellen. Diesen Vorschlag hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 13.2.2014 aufgegriffen und ihrerseits angeregt, “ca. drei … Verfahren, die aus Sicht der Kammer geeignet erscheinen”, zu entscheiden und die sonstigen Verfahren zum Ruhen zu bringen. Mit Schriftsatz vom 18.2.2014 schließlich hat die Beklagte ausgeführt, es erscheine sinnvoll, “bis zu drei” Klageverfahren als Musterverfahren auszuwählen; hinsichtlich der übrigen Verfahren beantrage sie das Ruhen.

Hieraus ist ersichtlich, dass die Beteiligten jedenfalls nicht alle der zur mündlichen Verhandlung am 24.2.2014 geladenen Fälle haben ruhen lassen wollen. Nicht hinreichend deutlich gemacht haben die Beteiligten hingegen, welche Verfahren genau das Gericht entscheiden soll. Damit fehlt zugleich eine – zumindest mittelbare – Bestimmung derjenigen Verfahren, hinsichtlich derer das Ruhen gewünscht ist. Das Gericht selbst durfte insoweit keine Auswahl treffen; sie ist den Beteiligten vorbehalten. Dies gilt umso mehr, als die am 24.2.2014 verhandelten Fälle durchaus Unterschiede aufweisen (z.B. hinsichtlich des Zeitpunkts einer drohenden Verjährung oder der Frage, ob der Wert der Forderung die Grenze des § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG übersteigt).

Eine Konkretisierung derjenigen Verfahren, die ruhen sollen, war in der mündlichen Verhandlung nicht möglich; denn weder die Klägerin noch die Beklagte sind hierzu erschienen.

2) Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.

3) Die Kammer hat davon abgesehen, die Sprungrevision zuzulassen.

Es kann dahingestellt bleiben, ob aus den Schriftsätzen der Beteiligten hinreichend deutlich der übereinstimmende Antrag hervorgeht, in allen Fällen, die am 24.2.2014 vom Gericht entschieden werden (also auch dem vorliegenden Fall), die Sprungrevision zuzulassen. Denn einerseits setzt die Zulassung der Sprungrevision keine entsprechenden Anträge der Beteiligten voraus; sie kann auch von Amts wegen erfolgen. Andererseits entscheidet das Gericht über die Zulassung nach pflichtgemäßem Ermessen; Anträgen der Beteiligten kommt dabei nur die Bedeutung einer Anregung zu (Hintz/Lowe, SGG, § 161 Rdnr. 16; Pietzner in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 134 Rdnr. 43). Das Gericht ist an die Anträge nicht gebunden.

Zwar weist die streitige Rechtsfrage, ob § 17c Abs. 4b S. 3 KHG auch Klagen erfasst, in denen die Vergütung für eine Behandlung im Streit steht, die vor dem 1.8.2013 begann, grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 161 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG auf. Daneben kommt es aber für die Entscheidung auch auf tatsächliche Umstände an (die zudem auf das Land Baden-Württemberg begrenzt sind), nämlich darauf, ob der hiesige Schlichtungsausschuss nach § 17c Abs. 4 KHG hinreichend “arbeitsfähig” ist. Tatsächliche Fragen lassen sich indes in einem Revisionsverfahren nicht klären.