Sozialgericht Mainz S 14 KR 443/11

SOZIALGERICHT MAINZ

  • Aktenzeichen: S 14 KR 443/11

Verkündet am: 10.12.2012

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit

 – Kläger-

gegen

– Beklagte –

hat die 14. Kammer des Sozialgerichts Mainz  auf die mündliche Verhandlung vom 10. Dezember 2012 durch, die Richterin am Sozialgericht Dr. Wiegand sowie die ehrenamtlichen Richter Herr Süß und Herr Mai

für Recht erkannt:

  1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 592,51 Euro nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 24.05.2011 sowie 300,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 16.11.2011 zu zahlen.
  2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
  3. Der Streitwert wird auf 892,51 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die (weitere) Vergütung einer Krankenhausbehandlung in Höhe von 592,51 Euro sowie die Zahlung einer Aufwandspauschale in Höhe von 300,00 Euro.

Der bei der Beklagten versicherte Patient ####### geboren am ####### wurde in dem Zeitraum vom 25.10.2010 bis zum 02.11.2010 stationär, zunächst auf der internistischen Intensivstation und ab dem 27.10.2010 in der Normalstation der Medizinischen Klinik II, Gastroenterologie, Hepatologie, Diabetologie und Onkologie der gem. § 108 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), zugelassenen Klägerin, behandelt. Die Aufnahme in das  Krankenhaus erfolgte wegen des Verdachts auf eine gastrointestinale Blutung.

Die Klägerin rechnete für den stationären Aufenthalt unter dem 05.11.2010 insgesamt 2.345,71 Euro (DRG G67A: Ösophagitis, Gastroenteritis und verschiedene Erkrankungen der Verdauungsorgane oder gastrointestinale Blutung, mit äußerst schweren oder schweren CC oder Alter >74 Jahre oder Ulkuserkrankung, mit schweren CC oder Alter> 74 Jahre, mehr als 1 Belegungstag, mit komplizierter Diagnose oder Dialyse oder kompliziertem Eingriff) ab. Dabei wurde u.a. die Nebendiagnose N 17.9 (akutes Nierenversagen, nicht näher bezeichnet) abgerechnet. Mit Rechnung vom 03.11.2011 stellte sie zudem die Aufwandspauschale in Höhe von 300,00 Euro in Rechnung.

Die Beklagte zahlte den mit Rechnung vom 05.11.2010 geltend gemachten Betrag zunächst vollständig, nahm jedoch am 20.05.2011 eine Verrechnung vor und zahlte am 24.05.2011 wiederum einen Teilbetrag in Höhe von 1.753,20 Euro.

Der seitens der Beklagten eingeschaltete Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) teilte durch die Ärztin im MDK #######  in einer Stellungnahme vom 07.12.2010 mit, dass die Nebendiagnose N17.9 nicht korrekt sei. Der Kreatininwert bei der Aufnahme zur stationären Behandiung habe bei 3,03 mg/dl gelegen, so dass die Kriterien des RIFLE Stadiums Failure nicht erfüllt seien. Die akute Verschlechterung des chronischen Nierenversagens sei mit der Kodierung der chronischen Niereninsuffizienz inkludiert.

Die Klägerin erwiderte mit Schreiben vom 07.12.2010, dass das Erreichen des Stadiums Failure nach RIFLE völlig bedeutungslos für die Kodierung der akuten Niereninsuffiiienz sei. Hierbei handele es sich um ein rein gedankliches Konstrukt innerhalb einer Kodierempfehlung der Sozialmedizinischen Expertengruppe (SEG) 4 der MDK-Gemeinschaft. Die Kodierung von Diagnosen orientiere sich an den Deutschen Kodierrichtlinien inder jeweils gültigen Fassung und den dort aufgeführten Voraussetzungen zur Kodierung einer Nebendiagnose. Danach sei es aber nicht bedeutend ob im Rahmen einer akuten Niereninsuffizienz ein bestimmtes Stadium erreicht, werde, da ein akutes Nierenversagen jeglicher Schwere kodiert werden könne, sobald ein Ressourcenverbrauch zu verzeichnen sei. Weiterhin entbehre die Aussage, dass die akute Verschlechterung des chronischen Nierenversagens in der Kodierung der chronischen Niereninsuffizienz inkludiert sei, jeglicher Grundlage. Ein Hinweis hierzu finde sich in den Deutschen Kodierrichtlinien nicht Die stationäre Aufnahme des Versicherten sei vorliegend mit stattgehabter gastrointestinaler Blutung mit Anämie und akuter Niereninsuffizienz auf der Intensivstation erfolgt. Das Kreatinin sei auf 3 mg/dl angestiegen, die Glomeruläre Filtrationsrate (GFR) auf 20 .ml/h abgesunken. Ein Patient mit bekannter chronischer Niereninsuffizienz . habe üblicherweise einen Kreatininwert von. 1,4 bis 1,5 mg/dl bei einer GFR von ca. 50 ml/h, d.h.die Nierenfunktion sei um über 50% verschlechtert gewesen. Unter intensivmedizinischen Maßnahmen (intravenöse Flüssigkeit, Bilanzierung, Diurese) sei die Rekompensation gelungen, so dass vor der Entlassung wieder “Normalwerte” bestanden hätten.

Der seitens der Beklagten erneut eingeschaltete MDK führte in einer Stellungnahme des Arztes im MDK ######  und der Ärztin im MDK ###### vom 15.02.2011 hierzu ergänzend aus, dass es zu einer vorübergehenden Verschlechterung einer chronischen Niereninsuffizienz gekommen sei, die mit N19 (Nicht näher bezeichnete Niereninsuffizienz, Inkl.: Niereninsuffizienz, nicht als akut oder chronisch bezeichnet, Niereninsuffizienz o.n.A, Urämie o.n.A) zu kodieren sei.

Mit Schreiben vom 15:02.2011 teilte die Klägerin mit, dass ohne jeden Zweifel eine Niereninsuffizienz vorgelegen habe. Da so spezifisch wie möglich zu kodieren sei, sei der Kode N19 ausgeschlossen.

Die Ärztin im MDK ###### und der Arzt im MDK ###### erwiderten in einer Stellungnahme vom 01.03.2011, dass im Sinne der SEG-4 Empfehlung kein akutes Nierenversagen vorliege.

Am 16.11.2011 hat die Klägerin Klage vor das Sozialgericht (SG) Mainz erhoben.

Ergänzend ünd vertiefend zu den bereits dargelegten Argumenten trägt sie vor, dass diagnostische und therapeutische Maßnahmen bezüglich der akuten Niereninsuffizienz erforderlich gewesen seien, etwa Bilanzierung, Diuretika, häufige Laborkontrollen, intensivmedizinische Überwachung. Damit sei die Definition der Nebendiagnose erfüllt und die Nebendiagnose N17.9 zu kodieren, da dieser Kode spezifischer als der Kode N19 sei. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) seien die Abrechnungsbestimmungen und Kataloge streng nach ihrem Wortlaut auszulegen und ließen daher keine Interpretation durch den MDK zu. Da die Begutachtur1;g durch den MDK im Ergebnis keine Reduzierung der Krankenhausforderung nach sich ziehe, sei die Beklagte auch zu der Zahlung der Aufwandspauschale gem. § 275 Abs. 1 c SGB V verpflichtet.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 592,51 Euro nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 24.05.2011 sowie 300,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 16.11.2011 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt ergänzend und vertiefend zu den. bereits dargestellten Argumenten vor, dass rn den Stadien 1 und 2 (AKIN) von einem drohenden akuten Nierenversagen gesprochen werde. Erst das Stadium 3 nach AKIN oder die Kategorie Failure nach RIFLE beschreibe das Krankheitsbild des akuten Nierenversagens, so dass erst ab diesem Stadium bzw. dieser Kategorie die Verwendung des Begriffs akutes Nierenversagen zutreffend sei. Dies werde in der Kodierempfehlung Nr. 268 SEG-4 zum Ausdruck gebracht. Bei dem Versicherten sei aber nur die Kategorie Injury erreicht gewesen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Prozessakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten und die Krankenunterlagen der Klägerin Bezug genommen. Der jeweilige Akteninhalt war Gegenstand der mündlichen Beratung.

Entscheidungsgründe

Die Kammer konnte in Abwesenheit der Klägerin verhandeln und entscheiden, weil die Klägerin mit der ordnungsgemäß zugestellten Terminsmitteilung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist und Anlass zur Vertagung nicht bestanden hat.

Die zulässige Klagehat auch in der Sache Erfolg.

Die Klage ist als (echte) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Bei der auf Vergütung der Behandlungskosten eines Versicherten gerichteten Klage des Krankenhauses gegen den Träger der gesetzlichen Krankenversicherung handelt es sich um einen sog. Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem ein Verwaltungsakt der Beklagten gegen den Kläger nicht zu ergehen hat und nicht ergangen ist. Es bedarf mithin weder eines Vorverfahrens noch der Einhaltung einer Klagefrist (vgl. etwa Bundessozialgericht (BSG), Urt. v. 23.07.2002 – B 3 KR 64/01 R – juris Rn. 13 m.w.N.).

Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat einen Anspruch auf die geltend gemachte Vergütung für die stationäre Krankenhausbehandlung.

Rechtsgrundlage des geltend gemachten Vergütungsanspruchs ist § 109 Abs. 4 Satz 2, 3 SGB V LV.m.§ 7 Abs. 1 Nr. 1. des Gesetzes über die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen (Krankenhausentgeltgesetz – KHEntgG) und § 17b KHG sowie der durch Schiedsspruch am 01.01.2000 in Kraft getretene Vertrag nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V zwischen der Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz e.v. und den Landesverbänden der Krankenkassen über die allgemeinem Bedingungen der Krankenhausbehandlung (KBV). Gem. § 109 Abs.4 Satz 2 SGB V sind zugelassene Krankenhäuser im Rahmen ihres Versorgungsauftrages zur Krankenhausbehandlung der Versicherten. verpflichtet; Satz 3 der Vorschrift verpflichtet die Krankenkassen mit dem Krankenhausträger Pflegesatzverhandlungen nach Maßgabe des Krankenhausfinanzierungsgesetzes, des Krankenhausentgeltgesetzes und der Bundespflegesatzverordnung zu führen und setzt damit die Vergütungspflicht als selbstverständlich voraus (BSG, Urt. v. 11.04.2002- B 3 KR 24/01 R – juris Rn. 22). Die Behandlungspflicht löst einen Vergütungsanspruch des Leistungserbringers gegenüber dem gesetzlichen Krankenversicherungsträger aus, der unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten entsteht, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und LS.v. § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich ist (vgl. etwa BSG, Urt. v. 30.06.2009 – B 1 KR 24/08 R -juris Rn. 15 m.w.N.; Urt. v. 16.12.2008 – B1 KN 3/08 KR R – juris Rn. 15; Urt. v. 11.04.2002 – B 3 KR, 24/01 R – juris Rn. 23 m.w.N.).

Ausgehend von diesen Grundsätzen steht der Klägerin ein Anspruch auf die geforderte weitere Vergütung für die stationäre Behandlung zu. Die Klägerin konnte die DRG G67A abrechnen, da die Nebendiagnose N17.9 korrekt kodiert wurde.

Bei der Zuordnung eines bestimmten Behandlungsfalles zu einer DRG wird zunächst die durchgeführte Behandlung nach ihrem Gegenstand und ihren prägenden Merkmalen mit einem Kode gemäß dem vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) herausgegebenen Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) i. S. v. § 301 Abs. 2 Satz 2 SGB V verschlüsselt. Zur sachgerechten Durchführung der Verschlüsselung, der Kodierung, haben die Vertragspartner auf Bundesebene Kodierrichtlinien beschlossen. Maßgebend für den vorliegenden Abrechnungsfall sind die Kodierrichtlinien des Jahres 2010. Der in den Computer eingegebene Kode wird einer bestimmten DRG zugeordnet; anhand der dann ‘nach Maßgabe des Fallpauschalenkatalogs und der Pflegesatzvereinbarung die von der Krankenkasse. zu zahlende Vergütung errechnet wird (BSG, Urt. v. 18.09.2008 – B 3 KR 15/0? R – juris Rn. 16). Die Kodierrichtlinien für das Jahr 2010 regeln in Abschnitt D003i auf Seite 10, wann eine Nebendiagnose als solche kodiert werden darf. Hierzu heißt es: “Die Nebendiagnose . ist definiert als “eine Krankheit oder Beschwerde, die entweder gleichzeitig mit der Hauptdiagnose besteht oder sich während des Krankenhausaufenthalts entwickelt.” Für Kodierungszwecke müssen Nebendiagnosen als Krankheiten interpretiert werden, die das Patientenmanagement in der Weise beeinflussen, dass irgendeiner der folgenden Faktoren erforderlich ist:

  • therapeutische Maßnahmen
  • diagnostische Maßnahmen
  • erhöhter Betreuungs-, Pflege- und/oder Überwachungsaufwand.

Krankheiten, die z.B. durch den Anästhesisten während der präoperativen Beurteilung dokumentiert wurden, werden nur kodiert, wenn sie den oben genannten Kriterien entsprechen. Sofern eine Begleitkrankheit das Standardvorgehen für eine spezielle Prozedur beeinflusst, wird diese Krankheit als Nebendiagnose kodiert. Anamnestische Diagnosen, die das Patientenmanagement gemäß obiger Definition nicht beeinflusst haben, wie z.B. eine ausgeheilte Pneumonie vor sechs Monaten oder ein abgeheiltes Ulkus, werden nicht kodiert.”

Diese Voraussetzungen für die Kodierung der Nebendiagnose N17.9liegen vor.

Der Versicherte litt unter einem akuten Nierenversagen. Bei einem akuten Nierenversagen handelt es sich um eine plötzliche Verschlechterung der Nierenfunktion mit Retention harnpflichtiger Substanzen, Störungen des Elektrolyt- und, Wasserhaushalts sowie des Säure-Basen-haushalts (vgl. Roche Lexikon Medizin, 5. Aufl. , ,2003; “Niereninsuffizienz, akute”; s. auch die Kodierempfehlung Nr. 268 der SEG-4). lm Jahr 2004 wurden in einer internationalen Konsensuskonferenz die RIFLE-Kriterien (Risk – Injury – Failure – Loss – ESRD (End Stage Renal Disease); vgl. im Einzelnen hierzu: Bellomo et al, Acute renal failure – definition, outcome measures, animal models, fluid therapy and information technology needs: the Second International Consensus Conference of the Acute Dialysis Quality Initiative (ADQI) Group, insbesondere S. R205f. – abrufbar nur in englischer Sprache unter: http://ccforum.com/contentlpdf/cc2872.pdf – letzter Abruf am 07.12.2012) etabliert und hierdurch die bis dahin bestehenden unterschiedlichen Definitionen des akuten Nierenversagens durch eine einheitliche Definition sowie Stadieneinteilung ersetzt (vgl. die Kodierempfehlung Nr. 268 der SEG-4). Diese Kriterien wurden im Jahr 2007 nochmals überarbeitet und die AKIN-Kriterien (Acute Kidney Injury Network) etabliert (vgl. die Kodierempfehlung Nr. 268 der SEG-4) sowie der Begriff des “akuten Nierenversagens” (Acute Renal Failure) durch den Begriff  “akute Nierenschädigung” (Acute Kidney Injury) ersetzt. Nach den AKIN-Kriterien liegt eine “akute Nierenschädigung” im Falle einer abrupten (innerhalb von 48 Stunden) Abnahme der Nierenfunktion, definiert durch einen absoluten Anstieg des Serum-Kreatinins ≥ 0,3 mg/dl (≥ 26,4 μmol/l), einen prozentualen Anstieg des Serum-Kreatinins ≥ 50 % (das 1,5-fache des Ausgangswertes) oder eine Verminderung der Urin-Ausscheidung< 0,5 mllkg/h über mehr als 6 Stunden (Definition abrufbar in englischer Sprache unter: http://www.akinet.org/akinstudies.php – letzter Abruf am 07.12.2012) vor. Die Stadieneinteilung des akuten Nierenversagens / der akuten Nierenschädigung stellt sich wie folgt dar (Quellen: Bellomo et al, a:a.O., S. R206; http://www.akinet.org/akinstudies.php – Table 2):

RIFLE-Stadien01

Bei dem Versicherten zeigte sich zum Zeitpunkt der stationären Aufnahme ein Kreatininwert von 3 mg/dl. Kein Streit besteht zwischen den Parteien dahingehend, dass ein Patient mit bekannter chronischer Niereninsuffizienz üblicherweise einen Kreatininwert von 1, 4 – 1,5 mg/dl aufweist, so dass hier ein prozentualer Anstieg von 50% oder mehr zu verzeichnen war. In Anwendung der genannten Definition lag damit ein akutes Nierenversagenleine akute Nierenschädigung vor. Ob es sich hierbei, wie seitens der Beklagten vorgetragen, um ein akutes Nierenversagen/ eine akute Nierenschädigung des Stadiums “Injury” nach RIFLE bzw. der Kategorie 2 nach AKIN gehandelt hat, kann letztlich offen bleiben, da es nach Auffassung der erkennenden Kammer für die Kodierung der Nebendiagnose nicht auf das erreichte Stadium ankommt. Der Kode N17;9 verlangt ein “akutes Nierenversagen, nicht näher bezeichnet”. Anhaltspunkte dahingehend, dass nur ein bestimmtes Stadium des akuten Nierenversagens/der akuten Nierenschädigung erfasst werden soll, ergeben sich aus dem Wortlaut des Kodes nicht. Vielmehr ist nach diesem allein maßgeblich, dass der Patient ein akutes Nierenversagen / eine akute Nierenschädigung im Sinne der vorgenannten Definition hatte. Dies war, wie bereits erwähnt, vorliegend der Fall. Soweit die Beklagte unter Berufung auf die Kodierempfehlung Nr. 268 der SEG-4 darauf abstellt, dass nur das Stadium 3 nach AKIN bzw. das Stadium Failure nach RIFLE das Krankheitsbild des akuten Nierenversagens beschreibe und die Stadien 1 und 2 nach AKIN bzW. Risk und Injury nach RIFLE nur einem drohenden akuten Nierenversagen entsprechen würden, widerspricht dies der dargelegten, aktuellen medizinischen Definition des akuten Nierenversagens/der akuten Nierenschädigung. Insoweit ist der Kodierempfehlung Nr. 268 der SEG-4 auch nicht zu entnehmen, worauf die Eirischätzung fußt, dass abweichend von der eingangs dargelegten Definition erst ab einem bestimmten Stadium von einem akuten Nierenversagen/einer akuten Nierenschädigung ausgegangen werden könne. Allein erwähnt werden in der Kodierempfehlung zwar die KDOQI (Kidney Disease Outcomes Quality Initiative) Guidelines 2002, jedoch sind diese, wie dargelegt, aufgrund der nachfolgend etablierten Kriterien nicht Konsens und damit nicht zur Beurteilung der vorliegenden Frage heranzuziehen. Im Ergebnis geht die, im Übrigen unverbindliche Empfehlung der SEG-4, damit über den Wortlaut des Kodes N17.9 hinaus, der jedoch alleinige Grundlage bei der Beurteilung der vorliegend streitgegenständlichen Frage sein darf. Die Kammer schließt sich diesbezüglich der Rechtsprechung des BSG zur Beurteilung der Vergütung, von Krankenhausleistungen nach dem DRG-System an; wonach der Fallpauschalenkatalogsowie der OPS streng nach ihrem Wortlaut und den Kodierrichtlinien auszulegen sind (BSG, Urt. v. 18.09.2008 – B 3 KR 15/07 R – juris Rn. 18). Damit Vergütungsregelungen das Ziel einer routinemäßigen Abwicklung in zahlreichen Behandlungsfällen erreichen können, sind sie streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln zu handhaben, ohne, dass Raum für weitere Bewertungen und Abwägungen verbleibt. Ergeben sich bei der Abrechnung Wertungswidersprüche und sonstige Ungereimtheiten, haben es die jeweils zuständigen Stellen durch Änderungen im Fallpauschalenkatalog, im OPS und in den Kodierrichtlinien in der Hand, diese für die Zukunft zu beseitigen, wenn sie Handlungsbedarf sehen (BSG, a.a.O.). Da der Kode N17.9 allein das Vorliegen eines akuten Nierenversagens verlangt, welches unter Berücksichtigung der aktuellen medizinischen Definition bei dem Versicherten ####### vorlag, ist folglich grundsätzlich dieser Kode heranzuziehen und der über den Wortlaut des Kodes hinausgehenden Kodierempfehlung Nr.268 der SEG-4 in Anwendung der Rechtsprechung des BSG eine Absage zu erteilen. Da entsprechend der redaktionellen Hinweise, Ziff. II der Kodierrichtlinien ,2010 zur medizinischen Dokumentation immer der Kode für die spezifische Erkrankung bzw. Prozedur in der höchsten Differenziertheit (bis zur letzten Stelle des Kodes) zu verschlüsseln ist, war vorliegend der gegenüber dem Kode N19 spezifischere, Kode N17.9 zu verschlüsseln.

Die eingangs aufgeführten Voraussetzungen für die Kodierung der Nebendiagnose lagen auch vor, da das akute Nierenversagen/die akute Nierenschädigung das Patientenmanagement beeinflusst hat. Namentlich wurden Maßnahmen wie die intravenöse Gabe von Flüssigkeit, Bilanzierung, die Gabe von Diuretika, häufige Laborkontrollen und eine intensivmedizinische Überwachung durchgeführt. Insoweit herrscht zwischen den Parteien auch kein Streit. Damit hat das akute Nierenversagen/die akute Nierenschädigung jedoch sowohl therapeutische als auch diagnostische Maßnahmen erforderlich gemacht und jedenfalls einen erhöhten Überwachungsaufwand ausgelöst, so dass die in Teil D003i der Deutschen Kodierrichtlinien 2010 genannten Voraussetzungen für die Kodierung einer Nebendiagnose erfüllt sind.

Da die Abrechnung der Klägerin nicht zu beanstanden war, hat sie gem. § 275 Abs. tc Satz 3 SGB V Ld.F. vom 17.03.2009 einen Anspruch auf eine Aufwandspauschale in Höhe von 300,00 Euro gegenüber der Beklagten. Zwar ist nach dem Wort!aut des § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V die Aufwandspauschale nur zu entrichten, wenn “die Prüfung”, also – unter Berücksichtigung von Satz 2 der Norm – die Prüfung durch den MDK, zu keiner Minderung des Abrechnungsbetrages geführt hat. Jedoch kann nach Auffassung der erkennenden Kammer eine auf einer im Ergebnis nicht durchgreifenden Kodierempfehlung der SEG-4 basierende fehlerhafte Einschätzung des MDK nicht dazu führen, dass der Anspruch auf dieAufwandspauschaleuntergeht, wenn die Abrechnung der Klägerin im Ergebnis richtig war. Vorliegend war die Abrechnung der Klägerin nach Auffassung des Gerichts . korrekt, so dass der Klägerin jedenfalls in vorliegender Konstellation der Anspruch auf die Aufwandspauschale zusteht.

Der Klage war daher stattzugeben.

Der Zinsanspruch in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ergibt sich aus § 69 Abs. 1. Satz 3 SGB V in Verbindung mit §§ 291, 288 BGB und § 9 Abs. 7 KBV. Für die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen zu den Krankenhäusern gelten gem. § 69 Abs~ 1 Satz 3 SGB V die Zinsvorschriften des BGB entsprechend, da der Gesetzgeber insoweit im SGB V keine speziellen Regelungen getroffen hat (BSG, Urt. v. 08.09.2009 -: B 1 KR 8/09 R – juris Rn. 14). Die von der Klägerin geltend gemachten Prozesszinsen nach§ 251 BGB können nicht höher sein als Verzugszinsen (Landessozialgericht (LSG) Rheinland-Pfalz, Urt. v. 15.04.2010 – L 5 KR 12/08 – juris Rn. 21 m.w.N.). Die nach § 291 Satz 2 in Verbindung mit § 288 BGB maßgeblichen Bestimmungen über die Höhe der Verzugszinsen sind dispositiv (LSG Rheinland-Pfalz, a.a.O.) und werden durch eine entsprechende vertragliche Regelung über die Höhe der Verzugszinsen verdrängt (BSG, a.a.O., juris Rn. 22r Gem. § 9 Abs. 7 KBV beträgt der für Vergütungsansprüche der Krankenhäuser gegenüber den Krankenkassen maßgebliche Verzugszinssatz “zwei Prozent” über dem Basiszinssatz. Diese Bestimmung ist dahin auszulegen, dass in Anlehnung an die gesetzliche Regelung in § 288 BGB “zwei Prozentpunkte” über dem Basiszinssatz gemeint sind (LSG Rheinland-Pfalz, a.a.O.). Da die Beklagte am 24.05.2011 nach der zuvor erfolgten “Verrechnung” den Teilbetrag in Höhe von 1.753,20 Euro gezahlt hat, ist der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 24.05.2011 gerechtfertigt. Im Hinblick auf den geltend gemachten Zinsanspruch aus der Forderung in Höhevon 300,00 Euro ist zu bemerken, dass die seitens der Klägerin ausgestellte Rechnung auf den 03.11.2011 datiert, so dass der von der Klägeringeltend gemachte Anspruch auf Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten überdem.Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit gerechtfertigt ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG. Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen, werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) erhoben; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) sind entsprechend anzuwenden (§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG). Vorliegend gehören weder die Klägerin . noch die Beklagte zu den in § 183 Satz 1 SGG genannten Personen, so dass die §§ 154 bis 162 VwGO Anwendung finden. Gem. § 154 Abs. 1 VwGO trägt der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens. Da die Beklagte im Rechtsstreit unterlegen ist, hat sie die Kosten des Verfahrens zu tragen .

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2 GKG. Gem. § 52 Abs. 1 GKG ist in Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Vorliegend entspricht der Streitwert in der Höhe der mit der Klage geltend gemachten Forderung.