Sozialgericht Nürnberg S 11 KR 649/17

Sozialgericht Nürnberg

Urteil vom 07.11.2018 (nicht rechtskräftig)

Sozialgericht Nürnberg S 11 KR 649/17

I. Die Beklagte wird verurteilt, einen Betrag in Höhe von 4.786,20 EUR nebst Zinsen in Höhe von 4 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 28.09.2016 zu bezahlen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 4.786,20 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Vergütung von Behandlungskosten für den Versicherten E. (K.D.) wegen stationärer Krankenhausbehandlung im Haus der Klägerin im Zeitraum vom 04.04.2016 bis 20.04.2016.

Der 1940 geborene Versicherte K.D. wurde im Krankenhaus der Klägerin im Zeitraum vom 07.03.2016 bis 23.03.2016 wegen eines bekannten Plasmozytoms und Wirbelkörpermetastasen in TH12/LWK5 stationär behandelt. Ausweislich des Operationsberichts vom 09.03.2016 wurde eine Stabilisierung der Wirbelkörper durchgeführt. Laut Entlassungsbrief Chirurgie vom 23.03.2016 sei dem Versicherten von den behandelnden Ärzten die Stabilisierung an beiden Trochanterregionen bei sehr ausgedünnten Corticalis bei Plasmozytom-Befall mittels PFN zur Frakturprophylaxe empfohlen worden. Diesen Eingriff habe der Versicherte jedoch abgelehnt und für die nächsten Wochen die häusliche Erholung gewünscht; laut seinem Mondkalender wäre der operative Eingriff momentan ungünstig. Nach Rücksprache mit dem behandelnden Onkologen Dr. S. sei die poststationäre Vorstellung zur Therapieplanung vorerst empfohlen worden. Die Behandlung wurde mit Rechnung vom 31.03.2016 auf der Grundlage der DRG E09A mit einem Behandlungskostenerlös in Höhe von 20.399,67 EUR abgerechnet. Im Rahmen einer weiteren stationären Krankenhausbehandlung vom 04.04.2016 bis 20.04.2016 erfolgte dann eine Osteosynthese des Femurs. Der Versicherte hatte am 04.04.2016 nach Aufklärung seine Einwilligung zu diesem Eingriff gegeben. Die Behandlung wurde mit Rechnung vom 29.04.2016 auf der Grundlage der DRG E28B mit einem Behandlungskostenerlös in Höhe von 4.786,20 EUR abgerechnet. Danach beauftragte die Beklagte den MDK mit einer Stellungnahme zu der Fragestellung, ob die getrennte Abrechnung der Behandlungsfälle unter Anwendung der Wiederaufnahmeregelung der Fallpauschalenverordnung (FPV) korrekt sei, insbesondere, ob eine Komplikation zur Fallzusammenführung führe. In seiner Stellungnahme vom 16.09.2016 kam der MDK zu dem Ergebnis, dass keine Komplikation vorliege, aber eine Fallzusammenführung indiziert sei. Daraufhin forderte die Beklagte mit Schriftsatz vom 21.09.2016 den gesamten Behandlungskostenerlös in Höhe von 4.786,20 EUR zurück. Die Klägerin widersprach dieser Einschätzung. Anschließend rechnete die Beklagte die rückgeforderten Behandlungskosten laut Zahlungsnachweis vom 23.09.2016 mit unbeanstandeten Behandlungskosten anderer Patienten auf, wobei die Rückforderung am 27.09.2016 bei der Klägerin verbucht wurde.

Da zwischen den Beteiligten außergerichtlich kein Konsens erzielt wurde, hat die Klägerin am 26.09.2017 Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben (Schriftsatz vom 25.09.2017) und zur Begründung insbesondere vorgetragen (Schriftsätze vom 26.09.2017, 28.12.2017, 06.02.2018, 12.03.2018, 20.06.2018, 28.06.2018 und 27.07.2018 sowie Vortrag in der nichtöffentlichen Sitzung vom 27.06.2018), dass hier eine Fallzusammenführung nach der FPV nicht durchzuführen sei. Es liege weder ein Fall des § 2 Abs. 1 und 2 FPV vor, noch eine Komplikation nach Abs. 3 dieser Vorschrift. Das vom BSG entwickelte Konstrukt des “wirtschaftlichen Alternativverhaltens” entbehre jeder rechtlichen Grundlage und könne auch hier nicht Grundlage einer Fallzusammenführung sein. Dies umso mehr, als der Versicherte nach dem ersten Aufenthalt am 23.03.2016 eine Weiterbehandlung zunächst kategorisch abgelehnt habe. Zu diesem Zeitpunkt sei unklar gewesen, ob der Patient überhaupt eine Weiterbehandlung habe vornehmen mögen, weiterhin, ob er die Behandlung im Haus der Klägerin vornehmen möchte, so dass eine fiktive Berechnung im Sinne des Wirtschaftlichkeitsgebotes gegen den Patientenwillen nicht in Betracht kommen könne. Die durchgeführte Verrechnung sei zudem unwirksam, weil keine wirksame Aufrechnungserklärung vorliege. Die Aufrechnung richte sich nach den BGB-Vorschriften. Danach müsse – um die Wirkung der Aufrechnung nach § 389 BGB zu erreichen – dargestellt werden, welche Forderungen sich deckungsgleich gegenübergestanden haben sollen. Zudem sei die Beklagte dem Erfordernis des § 9 Satz 2 der Prüfverfahrensvereinbarung nicht nachgekommen. Sie habe lediglich die Aufrechnung angekündigt, den Leistungsanspruch, der aufgerechnet werden solle, jedoch nicht benannt. Somit liege nach den Vorgaben der Prüfverfahrensvereinbarung keine wirksame Aufrechnungserklärung vor.

Im Zusammenhang mit der Behandlung des Patienten K.D. handele es sich um zwei voneinander unabhängige und abgeschlossene Behandlungen, die jede für sich dem Wirtschaftlichkeitsgebot entsprochen hätten, indem die erbrachten Leistungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich gewesen seien und das Maß des Notwendigen nicht überschritten hätten. Die Behandlung der Wirbelkörper im Aufenthalt vom 07.03.2016 bis 23.03.2016 sei abgeschlossen gewesen. Die Wiederaufnahme am 04.04.2016 sei zum Entlassungszeitpunkt nicht geplant gewesen, sondern lediglich empfohlen worden. Die vom BSG entwickelte Begründung für eine Fallzusammenführung, die auf dem Wirtschaftlichkeitsgebot gründen solle und vom “fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhalten” ausgehe, entbehre jeglicher gesetzlichen Grundlage. Das Wirtschaftlichkeitsgebot beziehe sich auf die Erbringung der Leistung, nicht auf die Art und Weise der Abrechnung einer Leistung, die nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot erbracht worden sei. Eine Begrenzung der Abrechnungsvorschriften oder ein Eingriff in Vereinbarungen, die ihre gesetzliche Grundlage in § 9 Abs. 1 Nr. 1 und 2 KHEntgG finden, könne aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot nicht folgen und werde hiervon nicht umfasst. Allein die Anwendung des Wirtschaftlichkeitsgebotes könne im Ergebnis nicht dazu führen, dass eine Krankenhausbehandlung gegen den Willen des Patienten fiktiv angenommen und abgerechnet werde. Die Einwilligung zum Eingriff im Aufenthalt vom 04.04.2016 bis 20.04.2016 sei vom Patienten K.D. erst am 04.04.2016 erklärt worden. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass, wenn der Patient sich entschieden hätte, den Eingriff in einem anderen Krankenhaus vornehmen zu lassen, die Frage einer Fallzusammenführung überhaupt nicht in Betracht gekommen wäre und auch die von der Rechtsprechung entwickelte Fallzusammenführung aufgrund “fiktiven wirtschaftlichen Alternativverhaltens” ins Leere gelaufen wäre.

Aus § 1 Abs. 7 S. 5 FPV ergebe sich, dass eine Beurlaubung nur von Seiten des Patienten ausgehen könne. Der Patient möchte die Behandlung, die noch nicht abgeschlossen sei, unterbrechen und bedürfe hierfür der Zustimmung des Krankenhausarztes. Im zugrundeliegenden Fall wäre eine Beurlaubung nur fiktiv in dem Sinne möglich, dass der Patient gezwungen werde, eine Weiterbehandlung vorzunehmen. Dies widerspreche dem Wortlaut des Gesetzes. Die Frage, ob die Klägerin den Patienten über verschiedene Behandlungsalternativen hätte aufklären müssen und ihm die wirtschaftlichere hätte nahelegen sollen, sei eine ganz andere Frage.

Im Übrigen unterscheide sich die hier zu entscheidende Konstellation von dem Fall, den der 1. Senat des BSG am 28.03.2017 (B 1 KR 29/16 R) entschieden habe. In dem dortigen Fall sei bei einem Patienten eine Biopsie vorgenommen worden, die einen krankhaften Befund ergeben habe, der entsprechend zu operieren gewesen sei. In dem hier zu entscheidenden Fall sei es im zweiten Aufenthalt um ein frakturgefährdetes Femur wegen der Metastasen gegangen. Diese Behandlung sei empfohlen worden, aber nicht zwingend notwendig gewesen. Selbst wenn eine medizinische Notwendigkeit bestehe, sei der Patient nicht gezwungen, sich behandeln zu lassen. Es sei dem Patienten hier nicht nur um Einholung einer Zweitmeinung gegangen, für die eine Beurlaubung grundsätzlich möglich sei, sondern die Frage sei gewesen, ob er überhaupt eine Behandlung wünsche und ob er die Behandlung im Haus der Klägerin durchführen lassen wolle. Im Übrigen sei die Entscheidung des BSG (a.a.O.) problematisch, weil die Abrechnungsvorschriften überdehnt würden und das Wirtschaftlichkeitsgebot auf reine Abrechnungsfragen erstreckt werde, was eine unzulässige richterliche Rechtsfortbildung darstellen dürfte. Das BSG führe in dieser Entscheidung selbst aus, dass nach der Fallpauschalenverordnung das tatsächliche und nicht das fiktive Geschehen abzurechnen sei. Tatsächlich sei der Patient hier nach abgeschlossener Krankenhausbehandlung entlassen worden. Die zweite Krankenhausbehandlung stelle einen völlig neuen Behandlungsfall dar, so dass eine Fallzusammenführung insgesamt nicht in Betracht kommen könne.

Die Entscheidung des BSG vom 28.03.2017 (a.a.O.) sei in sich widersprüchlich. Bereits im Leitsatz werde ausgeführt, dass das Krankenhaus einen stationär Behandelten beurlaube, wenn es, also das Krankenhaus, in die Unterbrechung einwillige. Damit werde entsprechend der gesetzlichen Regelung in der Fallpauschalenverordnung zur Beurlaubung deutlich, dass das Krankenhaus einwillige in ein Anliegen, das vom Patienten komme. Gleichzeitig postuliere aber der 1. Senat die Forderung, dass das Krankenhaus dem Patienten mehr oder weniger die Beurlaubung nahezulegen habe, um eine günstigere Abrechnungssituation zu erreichen. Das BSG habe in seiner Entscheidung an mehreren Stellen ausgeführt, dass die Patientenautonomie ausnahmslos zu achten sei. Hierzu gehöre auch die Möglichkeit, dass der Patient eine Behandlung ablehne.

Die Klägerin beantragt (öffentliche Sitzung vom 07.11.2018, Schriftsatz vom 25.09.2017):

“I. Die Beklagte wird verurteilt, einen Betrag in Höhe von 4.786,20 EUR nebst Zinsen in Höhe von 4 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 28.09.2016 zu bezahlen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.”

Die Beklagte beantragt (öffentliche Sitzung vom 07.11.2018),

“die Klage abzuweisen.”

Zur Klageerwiderung trägt die Beklagte unter Verweis auf das Urteil des BSG vom 10.03.2015 (B 1 KR 3/15 R, Rn. 2, zitiert nach juris = USK 2015-6) insbesondere vor (Schriftsätze vom 09.11.2017, 15.01.2018, 27.02.2018, 10.07.2018, 10.09.2018 und 02.11.2018 sowie Vortrag in der nichtöffentlichen Sitzung vom 27.06.2018), dass die beiden Krankenhausaufenthalte vom 07.03.2016 bis 23.03.2016 und vom 04.04.2016 bis 20.04.2016 als ein Krankenhausfall abzurechnen seien, da dies das sog. “fiktive wirtschaftliche Alternativverhalten” einer stationären Behandlung dargestellt hätte. Für eine Beurlaubung nach § 1 Abs. 7 S. 5 FPV genüge es entgegen der Ansicht des LSG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 05.11.2015, L 5 KR 257/14, Rn. 14, zitiert nach juris), dass der Therapieplan des Krankenhauses eine – oder wie hier nacheinander mehrere – Wiederaufnahmen in überschaubarer Zeit vorsehe (BSG, a.a.O., Rn. 2, zitiert nach juris). Es müsse nicht etwa bereits zum Zeitpunkt der Unterbrechung der Krankenhausbehandlung feststehen, dass der Patient nach der Unterbrechung wiederaufgenommen werde. Eine solche Anforderung könnten derartige Zukunftsplanungen aufgrund der Unkenntnis über die Zukunft nie erfüllen. Vielmehr reiche es hierfür aus, dass das Krankenhaus bei der Behandlungsunterbrechung die Indikation für die Wiederaufnahme stelle, um die Behandlung zeitnah fortzusetzen.

Die Krankenhausbehandlung habe – was unstreitig sei – dem Willen des Versicherten nicht widersprochen. Die Klägerin vermische zwei verschiedene Ebenen, zum einen die Einwilligung, die ein Eingriff voraussetze, der andererseits ohne Vorliegen einer Notfallsituation eine Körperverletzung wäre und zum anderen die Beurlaubung nach einer Behandlungsempfehlung. Dem Patienten stehe es frei, die Behandlungsempfehlung (zweiter Aufenthalt) umzusetzen oder anzunehmen, was aber keinen Einfluss auf die Pflicht des Leistungserbringers habe, das Wirtschaftlichkeitsgebot bei der Behandlungsplanung zwingend zu beachten. Hier sehe sich die Beklagte durch das Urteil des BSG vom 28.03.2017 (B 1 KR 29/16 R) bestätigt. Das Institut der Beurlaubung sehe nicht vor, dass eine Beurlaubung nur von Seiten des Patienten ausgehen könne. Das Wirtschaftlichkeitsgebot gelte uneingeschränkt auch im Leistungserbringungsrecht und zwinge Krankenhäuser bei der Behandlungsplanung, die Möglichkeit “wirtschaftlichen Alternativverhaltens” zu prüfen. Soweit die Behandlung kostengünstiger durch einen stationären Aufenthalt statt durch zwei stationäre Behandlungsepisoden tatsächlich möglich sei und medizinische Gründe nicht entgegenstünden, habe das Krankenhaus seine Behandlungsplanung zwingend daran auszurichten. Dass das Prinzip der Wirtschaftlichkeit auch für die Abrechnung gelte, ergebe sich aus § 12 SGB V sowie aus höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. BSG, Urteil vom 28.03.2017, a.a.O.; BSG, Urteil vom 19.04.2016, B 1 KR 23/15 R; BSG, Urteil vom 10.03.2015, B 1 KR 2/15 R, jeweils zitiert nach juris). Bereits aus dem Leitsatz ergebe sich die Vergleichbarkeit des vorliegenden Sachverhalts mit dem Urteil des BSG vom 28.03.2017:

“Ein Krankenhaus beurlaubt einen stationär behandelten Versicherten, wenn es in die Unterbrechung der Behandlung einwilligt und vorsieht, ihn in einem überschaubaren Zeitraum zur Fortsetzung der Behandlung wiederaufzunehmen, ohne dass dessen Wiederaufnahme im Zeitpunkt der Unterbrechung bereits sicher feststehen muss.”

Der Versicherte sei am 23.03.2016 entlassen worden, da er sich eine Erholung gewünscht habe. Die Aufnahme am 04.04.2016 sei zu diesem Zeitpunkt bereits geplant gewesen. Es sei ein überschaubarer Zeitraum gewesen, in dem der Versicherte entlassen worden sei. Er sei zudem zur Fortsetzung der Behandlung wiederaufgenommen worden, was jedoch zum Zeitpunkt der Entlassung nicht sicher feststehen müsse. Sowohl beim ersten Aufenthalt vom 07.03.2016 bis 23.03.2016 als auch beim zweiten Aufenthalt vom 04.04.2016 bis 20.06.2016 seien Metastasen bei bekanntem Plasmozytom behandelt worden. Darüber hinaus sei im Arztbrief zum ersten Aufenthalt unter dem Punkt “Therapie und Verlauf” dem Versicherten angeraten worden, die Stabilisierung an beiden Trochanterregionen aufgrund der sehr ausgedünnten Corticalis bei Plasmozytom-Befall vornehmen zu lassen. Bereits bei der Entlassung am 23.03.2016 habe festgestanden, dass die durch die Metastasen ausgedünnten Corticalis zur Frakturprophylaxe behandelt werden müssten. Nicht einmal 14 Tage später sei der Versicherte aufgenommen worden zur Behandlung der Trochanterregionen, deren Behandlung bereits im ersten Aufenthalt dringend angeraten worden sei. Es habe daher eine Auffälligkeit im Sinne eines nicht erlaubten Fallsplittings bestanden (BSG, Urteil vom 28.03.2017, a.a.O., Rn. 20, zitiert nach juris).

Das Gericht hat die Patientenakte des Versicherten K.D. sowie die Akte der Beklagten zum Verfahren beigezogen. Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten und der Gerichtsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist auch begründet.

Der Rechtsweg zum Sozialgericht ist gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG gegeben. Das SG Nürnberg ist gemäß § 57 Abs. 1 SGG örtlich zuständig. Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 SGG statthaft. Die Klage eines Krankenhausträgers – wie hier der Klägerin – auf Zahlung von Behandlungskosten eines Versicherten gegen eine Krankenkasse ist ein Beteiligtenstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt, kein Vorverfahren durchzuführen ist und keine Klagefrist zu beachten ist (BSG, Urteil vom 16.12.2008, B 1 KN 3/08 KR R m.w.N.).

Die Klage ist auch begründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung einer Vergütung für die stationäre Behandlung des Versicherten K.D. auch im vom 04.04.2016 bis 20.04.2016 in Höhe von 4.786,20 EUR zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 4 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 28.09.2016 zu. Denn die Forderung in dieser Höhe ist nicht durch Aufrechnung entsprechend §§ 387 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) erloschen.

Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs der Klägerin für die stationäre Behandlung des Versicherten K. D. ist mangels Vorliegens eines Vertrags nach § 112 SGB V für den Freistaat Bayern § 109 Abs. 4 S. 3 SGB V i.V.m. § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 KHEntgG sowie die Pflegesatzvereinbarung für das Jahr 2016.

Der Vergütungsanspruch der Klägerin ist nicht dadurch erloschen, dass die Beklagte mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch gegen die Überzahlung der Vergütung für die stationäre Krankenhausbehandlung des Versicherten K.D. im Zeitraum vom 04.04.2016 bis 20.04.2016 entsprechend § 387 BGB laut Zahlungsnachweis vom 23.09.2016 die Aufrechnung erklärt hat (zur entsprechenden Anwendung des § 387 BGB auf überzahlte Krankenhausvergütung siehe BSG, Urteile vom 23.06.2015, B 1 KR 26/14 und 21.04.2015, B 1 KR 8/15 R, jeweils zitiert nach juris).

Rechtsgrundlage für die von der Beklagten erklärte Aufrechnung mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch aus der Erfüllung des Vergütungsanspruchs des Krankenhauses ist § 69 Abs. 1 S. 3 SGB V i.V.m. §§ 387, 389 BGB. Grundsätzlich ist eine Aufrechnung auch im Verhältnis von Krankenhausträgern und Krankenkassen zulässig. Es besteht nämlich allgemein die Möglichkeit, einer öffentlich-rechtlichen Forderung im Wege der Aufrechnung entgegenzutreten. Dabei sind die zivilrechtlichen Vorschriften zur Aufrechnung (§§ 387 ff. BGB) entsprechend anzuwenden (BSG, Urteile vom 25.10.2016, B 1 KR 9/16 R, Rn. 10, und vom 17.03.2005, B 3 KR 11/04 R, Rn. 15 m.w.N., jeweils zitiert nach juris). Voraussetzung dieses einseitigen Gestaltungsrechts, mit dem die wechselseitige Tilgung zweier Forderungen bewirkt wird, ist entsprechend § 387 BGB, dass sich zum Zeitpunkt der wirksamen Aufrechnungserklärung gegenseitige, gleichartige und fällige bzw. erfüllbare Forderungen gegenüberstehen. Die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung muss dabei uneingeschränkt wirksam und fällig sein; hingegen genügt Erfüllbarkeit der Hauptforderung (BSG, Urteil vom 28.11.2013, B 3 KR 33/12 R, Rn. 13, zitiert nach juris; Gursky in: Staudinger, BGB, 7. Aufl. 2014, § 387 Rn. 9, 55).

Eine solche Aufrechnungslage bestand im vorliegenden Verfahren zum Zeitpunkt der Erklärung der Aufrechnung am 23.09.2016 nicht. Denn der Beklagten steht gegen die Klägerin kein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch wegen Fallzusammenführung der beiden stationären Krankenhausbehandlungen nach der Fallpauschalenverordnung (FPV) 2016 zu. Es liegt nämlich weder ein Fall des § 2 Abs. 1 FPV 2016 vor, noch eine Komplikation nach § 2 Abs. 3 FPV 2016. Eine Fallzusammenführung war auch nicht aufgrund eines sog. “wirtschaftlichen Alternativverhaltens” wegen – fiktiver – Beurlaubung des Versicherten K.D. vorzunehmen. Daher kann vorliegend dahinstehen, ob die Aufrechnung wirksam erklärt worden ist, insbesondere, ob eine wirksame Aufrechnungserklärung wegen von der Klägerin geltend gemachten Verstoßes gegen § 10 S. 2 der Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) vom 03.02.2016, wonach der Leistungsanspruch und der Erstattungsanspruch genau zu benennen sind, zu verneinen ist.

Die stationären Krankenhausbehandlungen des Versicherten K.D. vom 07.03.2016 bis 23.03.2016 sowie vom 04.04.2016 bis 20.04.2016 sind nicht zusammenzuführen, sondern separat – wie von der Klägerin vorgenommen – abzurechnen.

Die Vorschrift des § 2 Abs. 1 S. 1 lautet:

“Das Krankenhaus hat eine Zusammenfassung der Falldaten zu einem Fall und eine Neueinstufung in eine Fallpauschale vorzunehmen, wenn 1 … und 2. für die Wiederaufnahme eine Einstufung in dieselbe Basis-DRG vorgenommen wird”.

Abs. 2 S. 1 dieser Vorschrift lautet:

“Eine Zusammenfassung der Falldaten zu einem Fall und eine Neueinstufung in eine Fallpauschale ist auch dann vorzunehmen, wenn 1 … und 2. innerhalb der gleichen Hauptdiagnosegruppe (MDC) die zuvor abrechenbare Fallpauschale in die “medizinische Partition” oder die “andere Partition” und die anschließende Fallpauschale in die “operative Partition” einzugruppieren ist”.

Vorliegend ist weder eine Einstufung in dieselbe Basis-DRG beider Behandlungsvorgänge vorzunehmen, so dass die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 FPV 2016 nicht vorliegen, noch eine Einstufung innerhalb der gleichen Hauptdiagnosegruppe (MDC) mit der Folge, dass auch die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Nr. 2 FPV 2016 nicht gegeben sind.

Abs. 3 S. 1 dieser Vorschrift lautet:

“Werden Patienten oder Patientinnen, für die eine Fallpauschale abrechenbar ist, wegen einer in den Verantwortungsbereich des Krankenhauses fallenden Komplikation im Zusammenhang mit der durchgeführten Leistung innerhalb der oberen Grenzverweildauer, bemessen nach der Zahl der Kalendertage ab dem Aufnahmedatum des ersten unter diese Vorschrift zur Zusammenfassung fallenden Aufenthalts, wieder aufgenommen, hat das Krankenhaus eine Zusammenfassung der Falldaten zu einem Fall und eine Neueinstufung in eine Fallpauschale vorzunehmen”.

Da im vorliegenden Fall keine Komplikation im Sinne des § 2 Abs. 3 FPV 2016 vorliegt, kommt diese Vorschrift ebenfalls nicht zur Anwendung.

Eine Fallzusammenführung kommt auch weder aufgrund einer Beurlaubung des Versicherten K.D. im Sinne des § 1 Abs. 7 S. 5 FPV 2016 in Betracht noch aufgrund – fiktiver – Beurlaubung unter dem Gesichtspunkt des sog. “wirtschaftlichen Alternativverhaltens”.

Die Vorschrift des § 1 Abs. 7 S. 5 FPV 2016 lautet:

“Eine Beurlaubung liegt vor, wenn ein Patient mit Zustimmung des behandelnden Krankenhausarztes die Krankenhausbehandlung zeitlich befristet unterbricht, die stationäre Behandlung jedoch noch nicht abgeschlossen ist.”

Nach Satz 6 dieser Vorschrift liegt bei Fortsetzung der Krankenhausbehandlung nach einer Beurlaubung keine Wiederaufnahme im Sinne von § 2 FPV 2016 vor.

Eine “Beurlaubung” im Sinne dieser Vorschrift liegt vorliegend nicht vor, weil der Versicherte K.D. am 23.03.2016 nicht beurlaubt, sondern entlassen worden ist.

Auch unter dem Gesichtspunkt des sog. “wirtschaftlichen Alternativverhaltens” ist hier nicht von einer – fiktiven – Beurlaubung des Versicherten K.D. am 23.03.2016 auszugehen. Zum sog. “wirtschaftlichen Alternativverhalten” führt das BSG (Urteil vom 10.03.2015, B 1 KR 3/15 R, Rn. 22 ff., zitiert nach juris) aus:

“Ein Krankenhaus hat nämlich stets, auch bei der Vergütung der Krankenhausbehandlung durch Fallpauschalen, einen Vergütungsanspruch gegen einen Träger der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nur für eine erforderliche, wirtschaftliche Krankenhausbehandlung (BSG SozR 4-2500 § 12 Nr. 4 auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen) … Das Wirtschaftlichkeitsgebot zwingt auch Krankenhäuser bei der Behandlungsplanung, die Möglichkeit wirtschaftlichen Alternativverhaltens zu prüfen. Wählt das Krankenhaus einen unwirtschaftlichen Behandlungsweg, kann es allenfalls die Vergütung beanspruchen, die bei fiktivem wirtschaftlichem Alternativverhalten angefallen wäre. Der Nachweis der Wirtschaftlichkeit erfordert, dass bei Existenz verschiedener gleich zweckmäßiger und notwendiger Behandlungsmöglichkeiten die Kosten für den gleichen zu erwartenden Erfolg geringer oder zumindest nicht höher sind.

Das Wirtschaftlichkeitsgebot gilt nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes für alle Leistungsbereiche des SGB V (vgl. zB BSGE 105, 271 = SozR 4-2500 § 40 Nr. 5, Rdnr. 27; BSGE 113, 231 = SozR 4-2500 § 40 Nr. 7, Rdnr. 16) … Das Wirtschaftlichkeitsgebot gilt nach dieser Gesetzeskonzeption uneingeschränkt auch im Leistungserbringungsrecht (vgl. zB BSG SozR 4-2500 § 109 Nr. 29 Rdnr. 14; BSG SozR 4-2500 § 275 Nr. 9 Rdnr. 10 m.w.N.). Das SGB V macht keine Ausnahme hiervon für Krankenhausbehandlungen (BSG SozR 4-2500 § 12 Nr. 4 Rdnr. 18, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen) …”

Zu Unrecht beruft sich die Beklagte darauf, dass hier eine Fallzusammenführung aufgrund “wirtschaftlichen Alternativverhaltens” wegen – fiktiver – Beurlaubung des Versicherten K.D. vorzunehmen sei. Auch unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des BSG liegen die Voraussetzungen hierfür nicht vor. Denn die erste stationäre Behandlung des Versicherten K.D. war bei Entlassung am 23.03.2016 bereits abgeschlossen, so dass auch eine – fiktive – Beurlaubung von vornherein nicht gegeben sein kann (dazu 1.). Darüber hinaus setzt auch eine – fiktive – Beurlaubung im Sinne dieser Vorschrift denknotwendig einen entsprechenden – geäußerten – Willen bzw. eine erklärte Einwilligung des Versicherten, sich beurlauben zu lassen, voraus, die zum Zeitpunkt seiner Entlassung am 23.03.2016 gerade nicht feststellbar sind (dazu 2). Entgegen der Auffassung der Beklagten ist diese Voraussetzung schon aufgrund des verfassungsrechtlich geschützten Rechtsguts “Patientenautonomie” unverzichtbar und daher nicht im Sinne einer mutmaßlichen Einwilligung interpretationsfähig.

1. Bereits nach der grammatikalischen Interpretation ist § 1 Abs. 7 S. 5 FPV 2016 hier nicht anwendbar. Denn die erste stationäre Behandlung des Versicherten K.D. war bei Entlassung am 23.03.2016 bereits abgeschlossen. Die Aufnahmediagnose bei der ersten Krankenhausbehandlung vom 07.03.2016 bis 23.03.2016 war “Wirbel-Körper-Metastasen”; beim zweiten Krankenhausaufenthalt war die Aufnahmediagnose “drohende Fraktur im Intertrochanterica-Bereich des Femurs (Oberschenkels) beidseits bei bekanntem Plasmozytom”. Zielsetzung der ersten stationären Krankenhausbehandlung war es ausschließlich, die Wirbelsäule im Bereich der Brustwirbel und Lendenwirbel wegen der Metastasen zu stabilisieren. Die Behandlung am Femur während der zweiten Krankenhausbehandlung hat sich auf einen komplett neuen Behandlungsvorgang bezogen. Ob die zweite Krankenhausbehandlung letztlich auf derselben Grunderkrankung wie die erste Krankenhausbehandlung beruht, ist entgegen der Auffassung der Beklagten rechtlich nicht erheblich. Somit hat die zweite Krankenhausbehandlung des Versicherten K.D. die erste nicht lediglich fortgesetzt und seine Entlassung am 23.03.2016 hatte nicht lediglich eine zeitliche Unterbrechung der stationären Krankenhausbehandlung zur Folge.

2. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten ist § 1 Abs. 7 S. 5 FPV 2016 auch hier deshalb nicht anwendbar, weil der Versicherte K.D. zum Zeitpunkt seiner Entlassung am 23.03.2016 nicht den Willen geäußert hat – was im Übrigen unstreitig ist -, sich beurlauben zu lassen und er eine Einwilligung für eine Wiederaufnahme entsprechend der Empfehlung der Klinik, die Stabilisierung an beiden Tochanterregionen aufgrund der sehr ausgedünnten Corticalis bei Plasmozytom-Befall vornehmen zu lassen, nicht erklärt hat.

Zum Zeitpunkt der Entlassung am 23.03.2016 war dem Versicherten K.D. zwar von der Klinik ein Aufnahmetermin angeboten worden, laut Entlassungsbericht vom 23.03.2016 lehnte er “momentan den Eingriff ab und wünschte für die nächsten Wochen die häusliche Erholung bzw. lt. seinem Mondkalender wäre der operative Eingriff momentan ungünstig”. Die Einwilligung zum Eingriff während des Krankenhausaufenthalts vom 04.04.2016 bis 20.04.2016 hat der Versicherte K.D. erst am 04.04.2016 erklärt. Zum Zeitpunkt seiner Entlassung am 23.03.2016 war somit völlig unklar, ob er der Empfehlung der Klinik folgen und sich in dieser Klinik wiederaufnehmen lassen werde. Es kann auch nicht unterstellt werden, dass der den Versicherten behandelnde Arzt ihn wiederum in dieselbe Klinik eingewiesen hätte.

Aus der Formulierung in Satz 5 des § 1 Abs. 7 FPV 2016

” … Wenn ein Patient mit Zustimmung des behandelnden Krankenhausarztes die Krankenhausbehandlung zeitlich befristet unterbricht, die stationäre Behandlung jedoch noch nicht abgeschlossen ist”

ergibt sich, dass der Versicherte den Willen geäußert haben muss, zunächst beurlaubt und anschließend wieder in das Klinikum aufgenommen zu werden. Die “Zustimmung des behandelnden Krankenhausarztes” setzt denknotwendig einen entsprechenden – geäußerten – Willen des Versicherten, sich beurlauben zu lassen, bzw. eine erklärte Einwilligung in eine Beurlaubung voraus. Insoweit verkennt die Beklagte, dass es für die Annahme einer Beurlaubung gerade nicht genügt, dass lediglich der Therapieplan eines Krankenhauses eine Wiederaufnahme in überschaubarer Zeit vorsieht und es ebenso wenig ausreicht, dass die Krankenhausbehandlung dem Willen des Versicherten nicht widersprochen hat. Diese Interpretation ist mit dem eindeutigen Wortlaut des Satz 5 des § 1 Abs. 7 FPV 2016 nicht zu vereinbaren.

Die Beklagte kann sich für ihre Rechtsauffassung, eine Beurlaubung im Sinne des § 1 Abs. 7 S. 5 FPV 2016 könne auch ohne geäußerten Willen bzw. ohne erklärte Einwilligung des Versicherten vorliegen, es reiche vielmehr aus, dass das Krankenhaus bei der Behandlungsunterbrechung die Indikation für die Wiederaufnahme stelle, um die Behandlung zeitnah fortzusetzen, auch nicht auf die Entscheidung des BSG vom 10.03.2015 (a.a.O.) berufen. Insoweit verkennt die Beklagte, dass das BSG in der zitierten Entscheidung (Rn. 28) nicht den Begriff “Beurlaubung” im Sinne der Beklagten definiert hat, sondern die Streitsache an das LSG zurückverwiesen hat, damit geprüft werde, ob die dortige Klägerin nach dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit bei der Behandlung des Versicherten den kostengünstigeren Weg gewählt hat, ggf. also die Gesamtbehandlung innerhalb eines einzigen, nach DRG J23Z zu vergütenden Behandlungszeitraums. Das Wirtschaftlichkeitsgebot zwinge danach auch Krankenhäuser bereits bei der Behandlungsplanung dazu, die Möglichkeit wirtschaftlichen Alternativverhaltens zu prüfen und ggf. zu nutzen (vgl. BSG SozR 4-2500 § 12 Nr. 4 Rn. 17, 25). Somit hat das BSG im Gegenteil beanstandet, dass das LSG (LSG Hamburg, Urteil vom 04.07.2013, L 1 KR 21/11) u. a. die zur Möglichkeit wirtschaftlicher Behandlung notwendige Feststellung unterlassen habe, dass die Ausweitung der ersten Operation von der Einwilligung der Versicherten gedeckt gewesen sei (Rn. 28).

Soweit sich die Beklagte für ihre Interpretation des Begriffs “Beurlaubung” im Sinne des § 1 Abs. 7 S. 5 FPV 2016 auf die Entscheidung des BSG vom 28.03.2017 (B 1 KR 29/16 R) stützt, ist zunächst festzustellen, dass der dortige Sachverhalt mit dem hier vorliegenden nicht vergleichbar ist, weil die erste stationäre Behandlung im dortigen Fall – im Gegensatz zu dem hier vorliegenden – noch nicht abgeschlossen war. Kernaussage dieser Entscheidung ist (Leitsätze 1 und 2), dass eine Beurlaubung eines stationär behandelten Versicherten auch dann vorliegen kann, wenn seine Wiederaufnahme im Zeitpunkt der Unterbrechung der Behandlung noch nicht feststeht. Soweit das BSG ausführt (Rn. 23 f.)

“Eine Beurlaubung setzt nach Wortlaut und Regelungssystem … zu § 1 Abs. 7 FPV 2011 eine bereits zum Zeitpunkt der Unterbrechung der Krankenhausbehandlung beabsichtigte Wiederaufnahme in das Krankenhaus voraus (vgl. BSG, Urteil vom 10.03.2015 – B 1 KR 3/15 R – juris Rn. 19 = USK 2015-6). Hierfür genügt es entgegen der Ansicht des LSG, dass der Therapieplan des Krankenhauses eine – oder wie hier nacheinander mehrere – Wiederaufnahmen in überschaubarer Zeit vorsieht … Es ist für eine Beurlaubung entgegen der Ansicht des LSG ebenfalls unschädlich, dass die beabsichtigte Wiederaufnahme von der Entscheidung des Patienten abhängt, sich im Wiederaufnahmezeitpunkt weiterbehandeln zu lassen …”

vermag das Gericht diesen Ausführungen insbesondere in der Schlussfolgerung des BSG, dass es für eine Beurlaubung (ebenfalls) unschädlich sei, dass die beabsichtigte Wiederaufnahme von der Entscheidung des Patienten abhänge, nicht zu folgen.

Zum einen fehlt in der Entscheidung eine Erläuterung, ob sich das BSG für die Annahme einer Beurlaubung am Wortlaut des § 1 Abs. 7 S. 5 FPV orientiert und eine nicht abgeschlossene erste stationäre Krankenhausbehandlung voraussetzt oder eine zum Zeitpunkt der Unterbrechung der Krankenhausbehandlung beabsichtigte Wiederaufnahme genügen lässt und nach welchen Kriterien insoweit die Abgrenzung vorzunehmen ist. Zum anderen ist dem BSG nicht darin beizupflichten, dass es für eine Beurlaubung unschädlich sein solle, dass die beabsichtigte Wiederaufnahme von der Entscheidung des Patienten abhänge, sich im Wiederaufnahmezeitpunkt weiterbehandeln zu lassen. Eine nähere Begründung zu dieser Rechtsauffassung findet sich in den Entscheidungsgründen nicht. Soweit das BSG ausführt (Rn. 23)

“Auch diese Bedingung besteht stets bei einer beabsichtigten Wiederaufnahme, da die Patientenautonomie ausnahmslos zu achten ist (vgl. dazu z. B. BSGE 115, 95 = SozR 4-2500 § 2 Nr. 4, Rn. 25; Hauck, SGb 2014, 8, 9 ff.)”

stellt das BSG für die Beachtung der Patientenautonomie lediglich auf den Zeitpunkt der Wiederaufnahme des Patienten zur weiteren stationären Krankenhausbehandlung ab, ohne zu begründen, warum die Nichtbeachtung der Patientenautonomie zum Zeitpunkt der “Unterbrechung” des ersten stationären Krankenhausaufenthalts ohne rechtliche Konsequenzen sein solle.

Zur Überzeugung des Gerichts steht jedenfalls fest, dass die Patientenautonomie, die ausnahmslos zu beachten ist, nicht nur u. a. Voraussetzung bei tatsächlicher Beurlaubung ist, sondern auch bei der Prüfung, ob eine – fiktive – Beurlaubung unter dem Gesichtspunkt sog. “wirtschaftlichen Alternativverhaltens” bejaht werden kann, ebenso uneingeschränkt gewahrt werden muss. Jede in die körperliche Unversehrtheit eingreifende ärztliche Behandlungsmaßnahme bedarf einer besonderen Rechtfertigung, in der Regel der – grundsätzlich vor Durchführung der Behandlung ausdrücklich erteilten – wirksamen Einwilligung des Patienten. Dabei setzt die Wirksamkeit der Einwilligung die Aufklärung über den Verlauf des Eingriffs, seine Erfolgsaussichten, Risiken und mögliche Behandlungsalternativen mit wesentlich anderen Belastungen voraus (Hauck, SGb 2014, 8-17, 9 f.). Nur so wird das aus der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG)) und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG) abgeleitete Selbstbestimmungsrecht des Patienten sowie sein Recht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) gewahrt (BGHZ 106, 391; BGH, Urteil vom 29.06.1995, 4 StR 760/94, NStZ 1996, 34; BSG, Urteil vom 17.12.2013, B 1 KR 70/12 R zum Erfordernis einer wirksamen Einwilligung des Patienten und ggf. seines gesetzlichen Vertreters in die stationäre Behandlung als Vergütungsvoraussetzung). Darüber hinaus kann vorliegend nicht unterstellt werden, dass der Versicherte K.D. wiederum von seinem behandelnden Vertragsarzt in das Krankenhaus der Klägerin eingewiesen worden wäre (insoweit kommt es nach § 39 Abs. 2 SGB V in der Regel, d. h. wenn kein zwingender Grund vorliegt, darauf an, in welches Krankenhaus der vom Versicherten ausgewählte Vertragsarzt den Versicherten einweist).

Die Patientenautonomie als verfassungsrechtlich geschütztes Recht kann nicht durch das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 SGB V – auch nicht unter dem Gesichtspunkt des sog. “wirtschaftlichen Alternativverhaltens” – außer Kraft gesetzt bzw. eingeschränkt werden. Die Annahme einer “Zwangsbeurlaubung” eines Patienten bei Entlassung aus dem Krankenhaus, d. h. ohne geäußerten Willen bzw. ohne erklärte Einwilligung des Patienten in eine Wiederaufnahme in diese Klinik zur Durchführung der empfohlenen Behandlung, kommt daher von vornherein nicht in Betracht.

Dem trägt auch die Vorschrift des § 1 Abs. 7 S. 5 FPV 2016 Rechnung. Sowohl nach der bereits dargestellten grammatikalischen als auch nach der teleologischen Interpretation wird die Patientenautonomie in dieser Vorschrift nicht nur uneingeschränkt berücksichtigt, sondern die Vorschrift dient letztlich der Patientenautonomie. Denn dem Patienten soll nach dieser gesetzlichen Regelung die Möglichkeit gegeben werden, eine nicht abgeschlossene Behandlung, insbesondere die Weiterführung der Behandlung, mit einer Zweitmeinung abzusichern, um sich über den weiteren Behandlungsweg klar zu werden. Aus dieser Situation heraus soll der Patient die Möglichkeit haben, die Behandlung zu unterbrechen, um sie anschließend fortzusetzen.

Letztlich kann sich die Beklagte auch nicht darauf berufen, dass das Krankenhaus Hinweispflichten gegenüber dem Versicherten K.D. verletzt habe. Hierzu führt das BSG in seiner Entscheidung vom 28.03.2017 (a.a.O., Rn. 27) aus:

“Der erkennende Senat weist nur ergänzend darauf hin, dass die dargelegten Grundsätze zu Hinweispflichten des Krankenhauses führen können, wenn Versicherte den noch nicht abgeschlossenen stationären Aufenthalt tatsächlich abbrechen wollen. Das Krankenhaus hat den Versicherten die rechtlich gebotene wirtschaftliche Durchführung der Behandlung anzubieten, indem es den Versicherten die Möglichkeit der bloßen Beurlaubung aufzeigt, diese Vorgehensweise auch als die rechtlich gebotene wirtschaftliche Durchführung der Behandlung darstellt und seine Zustimmung durch den behandelnden Krankenhausarzt erklärt, soweit medizinische Gründe nicht entgegenstehen. Diese Aufklärung muss das Krankenhaus in den Behandlungsunterlagen nach allgemeinen Grundsätzen dokumentieren … Nach diesen Grundsätzen war entgegen der Auffassung des LSG vorliegend eine Beurlaubung des Versicherten nicht aus Rechtsgründen ausgeschlossen, sondern geboten …”.

Zum einen setzen solche Hinweispflichten des Krankenhauses denknotwendig einen noch nicht abgeschlossenen stationären Krankenhausaufenthalt voraus, was vorliegend zu verneinen ist. Zum anderen ist – wie bereits dargestellt – eine Einschränkung der ausnahmslos zu beachtenden Patientenautonomie in dem Sinne, dass eine mutmaßliche Einwilligung des Patienten in eine Beurlaubung und weitere stationäre Behandlung in derselben Klinik genügen solle, nicht zu rechtfertigen.

Im vorliegenden Fall hat der Versicherte K.D. keinen Willen geäußert bzw. keine Einwilligung erklärt, sich lediglich bis zur Wiederaufnahme beurlauben zu lassen, so dass auch aus diesem Grund (zusätzlich zum Fehlen der Voraussetzung einer nicht abgeschlossenen vorherigen Krankenhausbehandlung) die Voraussetzungen des § 1 Abs. 7 S. 5 FPV 2016 nicht vorliegen.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 12 Abs. 1 der Pflegesatzvereinbarung für 2016.

Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die Beklagte antragsgemäß zu verurteilen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. §+ 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 52 Abs. 1 und 3 Gerichtskostengesetz (GKG).