2004-1910c Verletzung des Rückenmarks (mit traumatischer Paraplegie und Tetraplegie)

Kleine Änderungen der Version: 2012

Änderungen der Ursprungsversion: 2009, 2005, sowie in diesem Jahr.

Ursprüngliche Version dieser Kodierrichtlinie: 2003

1910c Verletzung des Rückenmarks
(mit traumatischer Paraplegie und Tetraplegie)

Kodierung

Die akute Phase – unmittelbar posttraumatisch
Unter der akuten Phase einer Rückenmarksverletzung versteht man den Behandlungszeitraum unmittelbar nach dem Trauma. Sie kann mehrere Krankenhausaufenthalte umfassen.

Wenn ein Patient mit einer Verletzung des Rückenmarks erstmalig aufgenommen wird (z.B. mit Kompression des Rückenmarks, Kontusion, Riss, Querschnitt oder Quetschung), sind folgende Details zu kodieren:

1. Die Art der Läsion des Rückenmarks ist als erster Kode anzugeben (komplette oder inkomplette Querschnittverletzung). Siehe „Art der Rückenmarksläsion“
2. Die funktionale Höhe (Ebene) der Rückenmarksläsion ist zu verschlüsseln.
Siehe „Funktionale Höhe der Rückenmarksläsion“

Patienten mit Rückenmarksverletzungen haben mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Wirbelfraktur oder -luxation erlitten; demnach sind auch folgende Angaben zu kodieren:

3. Die Bruchstelle, wenn eine Fraktur der Wirbel vorliegt.
4. Der Ort der Luxation, wenn eine Luxation vorliegt.

Zu 3. und 4. siehe „Kodierung von Wirbelfrakturen und -dislokationen“

Beispiel 1

Ein Patient wird mit einer Kompressionsfraktur an T12 aufgenommen. Es liegt eine Kompressionsverletzung des Rückenmarks auf derselben Höhe mit inkompletter Paraplegie auf der funktionalen Höhe L2 vor.

Hauptdiagnose: S24.12 Inkomplette Querschnittverletzung des thorakalen Rückenmarkes
Nebendiagnose(n): S34.72!
Funktionale Höhe einer Verletzung des lumbosakralen Rückenmarkes, L2
S22.06 Fraktur eines Brustwirbels, T11 und T12

Die akute Phase – Verlegung des Patienten
Wenn ein Patient in Folge eines Traumas eine Verletzung des Rückenmarks erlitten hat und unmittelbar von einem Akutkrankenhaus in ein anderes Akutkrankenhaus verlegt wurde, ist in beiden Häusern der Kode für die Art der Verletzung als Hauptdiagnose anzugeben und der entsprechende Kode für die funktionale Höhe der Rückenmarksverletzung als erste Nebendiagnose.

Beispiel 2

Ein Patient wird mit einer schweren Rückenmarksverletzung in Krankenhaus A aufgenommen. Ein CT bestätigt eine Luxation des T7/8 Wirbels mit Verletzung des Rückenmarks auf derselben Höhe. Neurologisch zeigt sich ein inkompletter Querschnitt unterhalb T8. Nach Stabilisierung im Krankenhaus A wird der Patient ins Krankenhaus B verlegt, in dem eine Spondylodese durchgeführt wird.

Krankenhaus A
Hauptdiagnose: S24.12 Inkomplette Querschnittverletzung des thorakalen Rückenmarkes
Nebendiagnose(n): S24.75! Funktionale Höhe einer Verletzung des thorakalen Rückenmarkes, T8/T9
S23.14 Luxation eines Brustwirbels, Höhe T7/8 und T8/9
Prozedur(en): 3-203 Native Computertomographie von Wirbelsäule und Rückenmark
Krankenhaus B
Hauptdiagnose: S24.12 Inkomplette Querschnittverletzung des thorakalen Rückenmarkes
Nebendiagnose(n): S24.75! Funktionale Höhe einer Verletzung des thorakalen Rückenmarkes, T8/T9
S23.14 Luxation eines Brustwirbels, Höhe T7/8 und T8/9
Prozedur(en): 5-836.41
Spondylodese, dorsal und ventral kombiniert, interkorporal, 2 Segmente
5-835.3
Osteosynthese durch ventrales Schrauben/Plattensystem

Rückenmarksverletzung – chronische Phase
Die chronische Phase betrifft Patienten mit Paraplegie/Tetraplegie, die zur Behandlung von anderen Erkrankungen aufgenommen werden, die mit ihrem Zustand in Zusammenhang stehen können oder nicht (z.B. Harnwegsinfekt).

In diesen Fällen ist die zu behandelnde Erkrankung, gefolgt von einem Kode der Kategorie

G82.–
Paraparese und Paraplegie, Tetraparese und Tetraplegie

anzugeben sowie andere vorliegende Erkrankungen. Die Reihenfolge dieser Diagnosen muss sich an der Definition der Hauptdiagnose orientieren.

Die Kodes für die Verletzung des Rückenmarks sind nicht anzugeben, da diese nur in der akuten Phase zu verwenden sind.

Beispiel 3

Ein Patient wird zur Behandlung einer Infektion des Harntraktes aufgenommen. Zusätzlich bestehen eine inkomplette schlaffe Paraplegie auf Höhe von L2, ein inkomplettes Cauda-(equina-) Syndrom und eine neurogene Blasenentleerungsstörung.

Hauptdiagnose: N39.0 Harnwegsinfektion, Lokalisation nicht näher bezeichnet
Nebendiagnose(n): G82.08 Schlaffe Paraparese und Paraplegie, inkomplett
G82.66! Funktionale Höhe der Schädigung des Rückenmarks, L2-S1
G83.41 Inkomplettes Cauda- (equina-) Syndrom

Anmerkung: Die neurogene Blasenentleerungsstörung ist laut ICD-10-GM im Kode G83.4- Cauda- (equina-) Syndrom als Inklusivum enthalten.

Art der Rückenmarksläsion
Wenn ein Patient eine Verletzung des Rückenmarks aufweist, ist zunächst die Art der Rückenmarksläsion (d.h. vollständig oder unvollständig) zu kodieren. Wenn keine Information vorhanden ist, wird immer die Kategorie für eine nicht näher bezeichnete Verletzung zugeordnet.

S14.1- Sonstige und nicht näher bezeichnete Verletzungen des zervikalen Rückenmarkes
S24.1- Sonstige und nicht näher bezeichnete Verletzungen des thorakalen Rückenmarkes
S34.1- Sonstige Verletzung des lumbalen Rückenmarkes

S14.1-, S24.1- und S34.1- bieten an 5.Stelle die Möglichkeit anzugeben, ob es sich bei der Läsion um eine komplette oder inkomplette Querschnittverletzung handelt.

Ist ein Patient mit zervikaler oder thorakaler Rückenmarksverletzung aufgrund der Rückenmarksverletzung beatmungspflichtig, so ist Z99.1 Abhängigkeit vom Respirator als zusätzliche Schlüsselnummer zu den Beatmungskodes (siehe DKR 1001c Maschinelle Beatmung) anzugeben.

Wenn eine Kontusion oder ein Ödem des Rückenmarkes ohne Ausfälle vorliegt, ist einer der folgenden Kodes zu verwenden:

S14.0 Kontusion und Ödem des zervikalen Rückenmarks
S24.0 Kontusion und Ödem des thorakalen Rückenmarks
S34.0 Kontusion und Ödem des lumbalen Rückenmarks [Conus medullaris]

Beispiel 4

Ein Patient wird aufgenommen mit einer Fraktur des vierten Zervikalwirbels mit Luxation des 4./5. Halswirbelkörpers und inkompletter Querschnittslähmung bei Kontusion des Rückenmarks auf Höhe von C5. Neurologisch zeigt sich ein inkompletter Querschnitt unterhalb C5.

Hauptdiagnose: S14.13 Sonstige inkomplette Querschnittverletzung des zervikalen Rückenmarkes
Nebendiagnose(n): S14.75! Funktionale Höhe einer Verletzung des zervikalen Rückenmarkes, C5
S12.22 Fraktur des 4. Halswirbels
S13.14 Luxation eines Halswirbels, C4/C5

Funktionale Höhe der Rückenmarksverletzung
Die funktionale Höhe der Rückenmarksverletzung ist mit

S14.7!, S24.7!, S34.7! Funktionale Höhe der zervikalen/thorakalen/lumbosakralen Rückenmarksverletzung

als Nebendiagnose zu kodieren und nach der Art der Verletzung anzugeben. Es ist also immer in der folgenden Reihenfolge zu verschlüsseln:

Art der Rückenmarksläsion
funktionale Höhe der Rückenmarksverletzung
Fraktur/Luxation, sofern vorhanden
Schweregrad des Weichteilschadens der Fraktur/Luxation

Für die Höhenangabe der funktionalen Höhe sind die Hinweise bei S14.7!, S24.7! und S34.7! in der ICD-10-GM zu beachten, z.B. für S24.7!:


„Unter der funktionalen Höhe einer Rückenmarksverletzung wird das unterste intakte Rückenmarkssegment verstanden (so bedeutet z.B. „komplette T4-Läsion des Rückenmarks“, daß die Funktionen des 4. und der höheren Thorakalnerven intakt sind und daß unterhalb T4 keine Funktion mehr vorhanden ist).“

Wenn die funktionale Höhe der Rückenmarksverletzung nicht genau lokalisiert werden kann, ist die Schlüsselnummer für „nicht näher bezeichnete“ Höhe aus der entsprechenden Kategorie (S14.– zervikales, S24.– thorakales oder S34.– lumbales Rückenmark) zu verwenden.

Beispiel 5

Ein Patient wird zur Behandlung einer Fraktur des vierten Halswirbels mit einer unvollständigen Läsion des Rückenmarks in Höhe C5 aufgenommen.

Hauptdiagnose: S14.13 Sonstige inkomplette Querschnittverletzung des zervikalen Rückenmarkes
Nebendiagnose(n): S14.70! Funktionale Höhe einer Verletzung des zervikalen Rückenmarkes, Höhe nicht näher bezeichnet
S12.22 Fraktur des 4. Halswirbels

Kodierung von Wirbelfrakturen und -luxationen
Wenn eine Verletzung des Rückenmarks vorliegt, sind immer die Kodes für die Rückenmarksverletzung vor der Fraktur oder der Luxation anzugeben.

Wenn eine Luxation der Wirbelsäule aufgetreten ist ohne Angabe beider verschobener Stellen (z.B. Luxation des T5), ist die angegebene Höhe und die Höhe unmittelbar unter der angegebenen Höhe (z.B. T5/T6) zu kodieren, um die Luxation zu beschreiben.

Beispiel 6

Ein Patient wird mit Frakturen des zweiten, dritten und vierten Brustwirbels mit Luxation in Höhe T2/3 und T3/4 aufgenommen. Das Rückenmark ist in Höhe T3 vollständig durchtrennt. Die neurologische Untersuchung bestätigt einen kompletten Querschnitt unterhalb T3.

Hauptdiagnose: S24.11 Komplette Querschnittverletzung des thorakalen Rückenmarkes
Nebendiagnose(n): S24.72! Funktionale Höhe einer Verletzung des thorakalen Rückenmarkes, T2/T3
S22.01 Fraktur eines Brustwirbels, Höhe: T1 und T2
S22.02 Fraktur eines Brustwirbels, Höhe: T3 und T4
S23.11 Luxation eines Brustwirbels, Höhe: T1/T2 und T2/T3
S23.12 Luxation eines Brustwirbels, Höhe: T3/T4 und T4/T5

Bei Frakturen und Luxationen der Wirbelsäule mit Weichteilschaden ist ein zusätzlicher Kode für den Schweregrad des Weichteilschadens der Fraktur bzw. der Luxation anzugeben. Zuerst ist der Kode der Fraktur oder der Kode der Luxation anzugeben und danach der entsprechende Kode für den Schweregrad des Weichteilschadens der Fraktur /Luxation (Sx1.84!–Sx1.89!).

Nur geschlossene Frakturen 0. Grades oder Luxationen mit Weichteilschaden 0. Grades (gekennzeichnet durch „geringen Weichteilschaden, einfache Bruchform“) oder nicht näher bezeichneten Grades erhalten keine zusätzliche Schlüsselnummer (s.a. DKR 1903c Fraktur und Luxation).

Bei Mehrfachfrakturen oder -luxationen wird jede Höhe einzeln angegeben.

Beispiel 7

Ein Patient wird mit einer komplizierten offenen Fraktur II. Grades des zweiten, dritten und vierten Brustwirbels mit Verschiebung auf Höhe T2/T3 und T3/T4 und kompletter Durchtrennung des Rückenmarks in Höhe T3 aufgenommen. Die neurologische Untersuchung bestätigt einen kompletten Querschnitt unterhalb T3.

Hauptdiagnose: S24.11 Komplette Querschnittverletzung des thorakalen Rückenmarkes
Nebendiagnose(n): S24.72! Funktionale Höhe einer Verletzung des thorakalen Rückenmarkes, T2/T3
S22.01 Fraktur eines Brustwirbels, Höhe: T1 und T2
S22.02 Fraktur eines Brustwirbels, Höhe: T3 und T4
S21.88!
Offene Fraktur oder Luxation II.Grades des Thorax
S23.11 Luxation eines Brustwirbels, Höhe: T1/T2 und T2/T3
S23.12 Luxation eines Brustwirbels, Höhe: T3/T4 und T4/T5