Bayerisches Landessozialgericht L 4 KR 101/99

Bayerisches Landessozialgericht

Urteil vom 15.11.2001 (nicht rechtskräftig)

  • Sozialgericht München S 2 KR 111/97
  • Bayerisches Landessozialgericht L 4 KR 101/99

 

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 29. April 1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Erstattung für die stationäre Behandlung der Klägerin im Montreux Counselling Centre in Victoria (MCC), B.C., Kanada für die Zeit vom 05.06.1996 bis Ende Oktober 1998.

Die am 1974 geborene Klägerin war bei der Beklagten seit September 1995 pflichtversichert und ist seit 15.10.1996 freiwillig versichert. Sie leidet an einer Anorexie und war deswegen in ambulanter Behandlung des Allgemeinarztes Dr.W. und des Frauenarztes Dr.G … Außerdem befand sie sich seit 1991 in stationärer Behandlung, u.a. im Pasinger Krankenhaus (München) von November bis Dezember 1991, im Max-Planck-Institut für Psychiatrie (München) in der Tagesklinik von Februar bis August 1992, von Juli 1994 bis August 1994 in der Psychosomatischen Fachklinik Bad Pyrmont und von Februar 1995 bis Juni 1995 in der Medizinisch-Psychosomatischen Klinik Roseneck (Prien am Chiemsee).

Die Klägerin nahm Ende April 1996 mit der Leiterin des MCC, P. P. , Kontakt auf, die ihr eine baldige Behandlung in Aussicht stellte. Sie wurde am 06.06.1996 in die Einrichtung stationär aufgenommen und nach dem Privatgutachten der Nervenärztin S. bis 30.11.1996 rund um die Uhr betreut und überwacht. Sie stand vom 01.12.1996 bis 31.08.1997 unter engmaschiger Betreuung, wohnte aber mit einer anderen Patientin zusammen und konnte ihre Freizeit selbst gestalten. Ab 01.09. 1997 erhielt die Klägerin regelmäßige Psychotherapie und hatte noch mehr persönlichen Freiraum. Sie wohnte seit 01.04.1998 mit anderen Patientinnen und einer Mitarbeiterin der Klinik in einer Wohngemeinschaft und konnte trotz regelmäßiger Psychotherapiesitzungen verreisen. Die Klinikbehandlung wurde Ende Oktober 1998 abgeschlossen.

Die Klägerin ließ am 18.06.1996 die Übernahme der Kosten für die Behandlung im MCC unter Vorlage eines Attestes des Allgemeinarztes Dr.W. beantragen, der die Therapie befürwortete.

Das von der Beklagten eingeholte Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung in Bayern (MDK, Gutachterin Nervenärztin Dr.v.d.L.) gelangte zu dem Ergebnis, die Klägerin habe in der Klinik Roseneck im Jahre 1995 sowohl psychisch als auch physisch erstmals erkennbare Fortschritte gemacht. Für das Krankheitsbild Anorexia nervosa stünden in Deutschland grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten sowohl im stationären als auch im teilstationären sowie im ambulanten Bereich zur Verfügung, u.a. im Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München und in der Psychosomatische Klinik in Roseneck; ferner gebe es Einrichtungen der Caritas sowie zahlreiche Therapeuten, die diese Krankheit behandelten. Bei einer akuten, das Leben des Patienten bedrohenden Situation stehe eine sofortige Behandlung auf einer medizinischen Intensivstation zur Verfügung. Die Behandlung in der Einrichtung in Kanada stelle nicht die einzige Therapiemöglichkeit bei diesem Krankheitsbild dar. Konzepte und Therapieziele unterschieden sich nicht grundsätzlich von denen, die in diesen Einrichtungen vertreten würden.

Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11.10.1996 eine Kostenübernahme ab und wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 12.02.1997 zurück. Sie führte zur Begründung aus, die Therapie in der Klinik in Kanada sei nicht die einzige Behandlungsmöglichkeit des gegebenen Krankheitsbildes gewesen. In Deutschland seien sowohl im stationären, als auch im teilstationären sowie ambulanten Bereich Behandlungsmöglichkeiten gegeben.

Die Klägerin hat hiergegen am 18.03.1997 Klage beim Sozialgericht München (SG) erhoben. Das SG hat Befundberichte des Allgemeinarztes Dr.W. , des Frauenarztes Dr.G. , des Pasinger Krankenhauses (München), der Medizinisch-Psychosomatischen Klinik Roseneck, der Psychosomatischen Fachklinik Bad Pyrmont und des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie mit Nebenbefunden beigezogen.

Aus der Kostenübersicht vom 17.05.1998 ergibt sich für die Zeit von Januar bis Juni 1998 ein vorläufiger Gesamtbetrag der Behandlungskosten in Höhe von 667.250,00 US-Dollar. Der Klägerbevollmächtigte hat mit Schriftsatz vom 19.03.1998 dargelegt, die Unterbringung im MCC sei wegen des lebensbedrohlichen Zustandes der Klägerin eine Notaufnahme gewesen; Klinikeinweisung, ärztliche Fluggenehmigung und Abflug hätten binnen 48 Stunden erfolgen müssen. Im MCC sei auch ein anderes Therapiekonzept verfolgt worden als in den deutschen Kliniken, die die Klägerin besucht habe; die Therapie sei erfolgreich gewesen.

Das SG hat mit Urteil vom 29.04.1999 die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, grundsätzlich ruhe der Anspruch gegen die Beklagte, solange sich die Klägerin im Ausland aufhalte. Eine Ausnahme vom Ruhen des Leistungsanspruchs sei aufgrund über- oder zwischenstaatlichen Rechts für Kanada nicht vorgesehen. Das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Kanada über soziale Sicherheit vom 14.11.1995, das Zustimmungsgesetz vom 12.01.1988 und die Vereinbarung zur Durchführung des Abkommens umfassten nicht den Bereich der sozialen Krankenversicherung. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung scheide eine Kostenerstattung, abgesehen von Notfällen, regelmäßig aus, wenn sich die Versicherte eine Behandlung außerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung selbst beschafft habe, ohne die Gewährung der Leistung zuvor bei der Krankenkasse beantragt und deren Entscheidung abgewartet zu haben. Es liege auch weder ein Notfall noch eine Systemstörung vor. Die Klägerin hätte im Max-Planck-Institut, in der Klinik Roseneck oder auch in der Psychosomatischen Klinik Bad Pyrmont sich behandeln lassen können.

Hiergegen richet sich die Berufung der Klägerin vom 16.08.1999, mit der sie geltend macht, sie habe den regulären Beschaffungs- können. Es habe sich um einen Notfall gehandelt, da ein Notarzt erst die Zustimmung zum Flug erteilen musste. Nach den Ausführungen der Gutachterin Dr.S. sei der Aufenthalt im MCC die einzige medizinische Behandlungsmöglichkeit gewesen. In dieser Klinik werde ein anderer therapeutischer Ansatz verfolgt, der zur Heilung der Klägerin geführt habe.

Der Klägerbevollmächtigte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 29.04.1999 sowie den Bescheid der Beklagten vom 11.10.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.02.1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten für die Auslandsbehandlung der Klägerin im Montreux Counselling Centre, Victoria, British Columbia/Kanada vom 06.06.1996 bis Ende Oktober 1998 dem Grunde nach zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, eine Notfallbehandlung wäre auch in Deutschland sichergestellt gewesen und die Klägerin hätte die Kostenübernahme rechtzeitig beantragen müssen. Sie sei nach den Angaben der Ärzte der Klinik Roseneck auch für eine Weiterbehandlung motiviert gewesen.

Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden die Akten der Beklagten und des SG. Auf den Inhalt dieser Akten und die Sitzungsniederschrift wird im Übrigen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§ 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG -); der Wert des Beschwerde- Satz 1 Nr.1 SGG). Die Voraussetzungen für den Erlass eines Grundurteils gemäß § 130 SGG liegen vor; denn die Klägerin macht eine Geldleistung geltend, deren genaue Höhe derzeit noch offen ist.

Die Berufung ist unbegründet.

Die Klägerin hat dem Grunde nach keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die stationäre Behandlung im MCC in der Zeit von Juni 1996 bis Ende Oktober 1998. Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, ergibt sich ein derartiger Anspruch nicht aus zwischenstaatlichem Sozialversicherungsrecht, so dass der Leistungsanspruch der Klägerin ruht (§ 16 Abs.1 Nr.1 Sozialgesetzbuch V (SGB V). Nach dieser gesetzlichen Vorschrift ruht der Anspruch auf Leistungen, solange Versicherte sich im Ausland aufhalten und zwar auch dann, wenn sie dort während eines vorübergehenden Aufenthalts erkranken, soweit in diesem Gesetzbuch nichts Abweichendes bestimmt ist. Einschlägig ist hier für die Zeit ab 01.04.1988 insbesondere das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Kanada über soziale Sicherheit vom 14.11.1985 (BGBl.II Nr.2 vom 19.01.1988, S.26). Gemäß Art.2 Abs.1 bezieht sich dieses Abkommen nicht auf die gesetzliche Krankenversicherung, da diese Materie dort nicht genannt ist.

§ 18 Abs.1 SGB V stellt es in das Ermessen der Krankenkassen, die Kosten einer erforderlichen Behandlung im Ausland ganz oder teilweise zu übernehmen, wenn eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur im Ausland möglich ist. Sowohl der Wortlaut, als auch die systematische Stellung und der Normzweck legen nahe, dass diese Bestimmung eng auszulegen ist. Es handelt sich hierbei um eine Ausnahmeregelung vom Grundsatz des Ruhens des Leistungsanspruchs (§ 16 Abs.1 Nr.1 SGB V). Da die gesetzliche Krankenversicherung die Aufgabe hat, ihren Versicherten eine Krankenbehandlung zur Verfügung zu stellen, die hinsichtlich Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht sowie den medizinischen Fortschritt berücksichtigt und das Leistungserbringungsrecht darauf ausgerichtet ist, die entsprechenden inländischen Einrichtungen (Ärzte, Krankenhäuser, Kureinrichtungen, nichtärztliche Leistungserbringer) vorzuhalten (§§ 69 ff. SGB V), kommt eine Kostenübernahme für eine Auslandsbehandlung gemäß § 18 Abs.1 SGB V nur dann in Frage, wenn im innerstaatlichen System der Leistungen bzw. Leistungserbringung eine Störung oder Versorgungslücke vorliegt.

Das Bundessozialgericht (BSG) hat sich mit Urteil vom 16.06.1999 (SozR 3-2500 § 18 Nr.4 = BSGE 84, 90 ff.) mit den Leistungsvoraussetzungen des § 18 Abs.1 SGB V befasst. Danach darf die Krankenkasse Kosten einer Auslandsbehandlung nicht übernehmen, wenn eine andere, gleich oder ähnlich erfolgversprechende Behandlung der Krankheit im Inland möglich ist. Eine Behandlung entspricht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse, wenn über ihre Wirksamkeit und Zweckmäßigkeit in den einschlägigen Fachkreisen Konsens besteht. Der Vorrang kommt einer Inlandsbehandlung auch dann zu, wenn das Leistungsangebot im Ausland wegen einer besonders modernen technischen Ausstattung eines Krankenhauses oder wegen des auch international herausragenden fachlichen Rufs des dortigen Arztes eine überdurchschnittliche Qualität aufweist. Die Notwendigkeit einer Auslandsbehandlung ist zu verneinen, wenn zwar eine bestimmte, vom Versicherten bevorzugte Therapie nur im Ausland erhältlich ist, im Inland aber andere, gleich oder ähnlich wirksame und damit zumutbare Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Nur wenn die im Ausland praktizierte Methode den im Inland bestehenden Behandlungsangeboten eindeutig überlegen ist, wenn etwa eine Krankheit im Inland nur symptomatisch behandelt werden kann, während im Ausland eine kausale, die Krankheitsursache beseitigende Therapie möglich ist, kommt eine Kostenübernahme durch die Krankenkasse in Betracht, weil dann allein die Auslandsbehandlung dem Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht. Da das Gesetz mit der Möglichkeit der Kostenbeteiligung bei Auslandsbehandlung nicht das im Geltungsbereich des SGB V vorhandene Leistungsangebot erweitern, sondern nur eine anders nicht zu schließende Versorgungslücke für in Deutschland nicht behandelbare Krankheiten beseitigen will, können bei mehreren gleichwertigen Behandlungsmöglichkeiten nur die im Inland bestehenden Therapieangebote in Anspruch genommen werden.

Das BSG hat ferner mit Urteil vom 14.02.2001 für Recht erkannt (SGb 2001, 303), dass es bei der Frage, ob eine im Ausland angebotene Behandlungsmethode dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht, bei komplexen Therapieansätzen nicht anhand der Einzelelemente, sondern aufgrund einer Gesamtwürdigung unter Einbeziehung aller eingesetzten Maßnahmen zu urteilen ist.

Im vorliegenden Fall sprechen das Gutachten des MDK vom 21.08. 1996 und der Befundbericht der Klinik Roseneck vom 01.09.1997 gegen die Annahme, dass nur im MCC eine kausale Therapie der Anorexie der Klägerin möglich gewesen wäre. Durch die Behandlung in der Klinik Roseneck hat sich die psychische und physische Lage der Klägerin geändert. Es gelang den Ärzten im Verlauf der Therapie eine gute, tragfähige therapeutische Beziehung zu der Patientin herzustellen; sie öffnete sich langsam und sprach über ihre Ängste, ihr mangelndes Selbstwertgefühl, ihr extrem überhöhtes Leistungsdenken sowie ihre starke Verunsicherung in sozialen Situationen. Die Patientin konnte von den Therapiemaßnahmen gut profitieren. Die Ängste vor einer Gewichtszunahme ließen deutlich nach, sie entwickelte mehr Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl. Sie wurde in einem deutlich stabilisierten Zustand entlassen und hat im Verlauf der Therapie 12,5 kg zugenommen. Ihr wurde zur weiteren Stabilisierung des Krankheitsbildes sowie zur Verbesserung des Körpergewichtes die Fortsetzung der Therapie in ambulanter Form dringend empfohlen. Da mit der Klägerin die Fortsetzung der Therapie in ambulanter Form vereinbart worden ist, muss davon ausgegangen werden, dass sie mit dem Therapievorschlag der Klinik einverstanden gewesen ist.

Das Gutachten des MDK vom 21.08.1996 (Nervenärztin Dr.v.d.L.) stellt überzeugend unter anderem fest, dass im Inland zahlreiche ärztlich geleitete Einrichtungen und für die Behandlung der Erkrankung der Klägerin besonders geeignete Therapiezentren vorhanden sind, wo sie die medizinisch notwendigen Sachleistungen im stationären, teilstationären oder ambulanten Bereich hätte erhalten können. Die im MCC verfolgten Konzepte und Therapieziele unterscheiden sich nicht grundsätzlich von denen, die in hiesigen Einrichtungen vertreten werden.

Dem Privatgutachten der Nervenärztin Dr.S. vom 26.04.1999 lässt sich demgegenüber nicht entnehmen, dass allein die dort durchgeführte Therapie eine kausale Behandlung der Anorexie gewesen ist und in dieser Form im Inland nicht angeboten wird. Die Gutachterin berichtet von einer intensiven, rund um die Uhr dauernden Betreuung und Überwachung in der Anfangsphase von ungefähr sechs Monaten. Eine derartige Behandlung, die der Stabilisierung des Körpergewichtes dient und auch eine psychische Behandlung in Individualtherapie enthält, kann auch im Inland in stationären Einrichtungen durchgeführt werden. In der anschließenden Zeit erfolgte überwiegend eine psychotherapeutische Behandlung, wobei der persönliche Freiraum der Klägerin stets zunahm. Auch diese Behandlungsform kann im Inland durch eine ambulante Behandlung zugelassener Leistungserbringer (Ärzte, Psychotherapeuten) erbracht werden.

Auf die Frage, ob die inländischen Einrichtungen und Therapiezentren zur Behandlung oder Fortsetzung der von der Klägerin abgebrochenen Therapie bereit gewesen wären, kommt es hier nicht an, da von ihr nicht behauptet worden ist, sie hätte wegen mangelnder Kapazitäten im Inland eine notwendige Behandlung nicht rechtzeitig erreichen können. Sie hat vielmehr Ende April 1996 mit der Leiterin des MCC Kontakt in München aufgenommen und war an einer Behandlung dieser Einrichtung interessiert. Dem Befundbericht der Klinik Roseneck vom 01.09.1997 ist außerdem zu entnehmen, dass die Klägerin sich zur Fortsetzung der bisher stationären Therapie in ambulanter Form bereit erklärt hatte. Daraus ergibt sich, dass die Frage der Aufnahmekapazitäten und Wartezeiten für stationäre Einrichtungen im Inland für die Klägerin bei der Suche nach einem geeigneten Therapieplatz keine Rolle gespielt hat.

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Kostenerstattung nach § 13 Abs.2 SGB V. Nach dieser Vorschrift können freiwillige Mitglieder für die Dauer der freiwilligen Versicherung anstelle der Sach- oder Dienstleistung Kostenerstattung wählen. Der Sachverhalt bietet keinen Anhalt für die Annahme, dass die Klägerin von diesem Wahlrecht Gebrauch gemacht hat.

Außerdem liegen die Voraussetzungen des allgemeinen Kostenerstattungsanspruchs gemäß § 13 Abs.3 SGB V nicht vor. Der Senat kann hier offen lassen, ob es für § 13 Abs.3 SGB V im Verhältnis zu § 18 SGB V überhaupt eine Anwendungsmöglichkeit gibt. § 13 Abs.3 SGB V setzt voraus, dass die Krankenkasse entweder eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind. Beide Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Es kann entgegen der Ansicht des Klägerbevollmächtigten nicht von einem Notfall im krankenversicherungsrechtlichen Sinne oder von einer unaufschiebbaren Leistung ausgegangen werden. Ein Notfall setzt neben sofortiger Behandlungsbedürftigkeit voraus, dass die Behandlung durch einen zugelassenen Arzt nicht möglich und der Versicherte daher auf die Hilfe eines an der vertragsärztlichen Versorgung nicht teilnahmeberechtigten Arztes angewiesen war (Kasseler Kommentar-Höfler, § 13 SGB V, Rdnr.8; Kasseler Kommentar-Hess, § 76 SGB V, Rdnr.11, jeweils mit weiteren Nachweisen auf die ständige Rechtsprechung des BSG).

Aus den Angaben der Klägerin ergibt sich nicht, wann der Notfall vor dem Abflug nach Kanada aufgetreten ist. Jedenfalls muss davon ausgegangen werden, dass die Klägerin ausreichend Zeit gehabt hat, in München und Umgebung ein zugelassenes Krankenhaus aufzusuchen. Soweit die Klägerin mit ihrer Behauptung, sie habe im MCC eine einzigartige Therapie erhalten, auf etwaige Systemstörungen oder Versorgungslücken, die gleichfalls unter die erste Alternative des § 13 Abs.3 SGB V fallen, abzielt, ist ein Erstattungsanspruch schon zu verneinen, weil sie es unterlassen hat, sich vor der Leistungsbeschaffung mit der Beklagten in Verbindung zu setzen. Das BSG hat mit Urteil vom 25.09.2000 (SGb 2001, 672) entschieden, dass auf die Unfähigkeit der Krankenkasse, eine unaufschiebbare Leistung rechtzeitig zu erbringen, ein Kostenerstattungsanspruch nur gestützt werden kann, wenn es dem Versicherten nicht möglich oder nicht zuzumuten war, sich vor der Leistungsbeschaffung mit der Kasse in Verbindung zu setzen. Da die Klägerin bereits Ende April 1996 mit der Leiterin des MCC über eine dortige Behandlung gesprochen hat und ihr die Aufnahme in die Einrichtung binnen einiger Monate zugesagt worden war, hatte sie ausreichend Zeit, vor Behandlungsbeginn die Beklagte von der geplanten Therapie zu unterrichten.

Eine Kostenerstattung nach der zweiten Alternative des § 13 Abs.3 SGB V scheitert, wie das SG zu Recht festgestellt hat, auch daran, dass die Klägerin nicht vor Beschaffung der Leistung mit der Beklagten Kontakt aufgenommen und deren Entscheidung abgewartet hat (BSG vom 10.02.1993 SozR 3-2200 § 182 RVO Nr.15; BSG vom 16.12.1993 SozR 3-2500 § 12 SGB V Nr.4; BSG vom 24.09.1996 BSGE 79, 125; BSG vom 15.04.1997 SozSich 1998, 38). Die Klägerin hat bereits vor der Antragstellung bei der Beklagten die Behandlung im MCC begonnen. Für die Zeit nach der Ablehnung der Kostenübernahme durch die Beklagte steht der Klägerin Kostenerstattung nicht zu, weil, wie oben ausgeführt, im System der gesetzlichen Krankenversicherung ihr eine geeignete Vertragseinrichtung zur Verfügung gestanden hätte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs.2 Nrn.1, 2 SGG).