Bayerisches Landessozialgericht L 4 KR 203/01

Bayerisches Landessozialgericht

Urteil vom 30.10.2003 (nicht rechtskräftig)

  • Sozialgericht Nürnberg S 5 KR 91/99
  • Bayerisches Landessozialgericht L 4 KR 203/01
  • Bundessozialgericht B 1 KR 1/04 B

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 26. Juli 2001 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Erstattung der restlichen Kosten für eine geschlechtsangleichende Operation in Höhe von 23.545,36 DM (in Euro) in einem nicht zugelassenen Krankenhaus.

Der 1964 geborene Kläger, von Beruf Diplomkaufmann, ist bei der Beklagten freiwillig versichert. Er leidet an einer Frau-zu-Mann-Transsexualität und hatte bereits 1989 mit einer Behandlung zur Geschlechtsumwandlung von einer Frau zum Mann begonnen. Im Jahre 1993 folgten von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommene Behandlungen der Brustoperation und Entfernung der Gebärmutter.

Der Kläger vereinbarte Anfang 1997 mit dem Schweizer Arzt Dr.D. einen Operationstermin und ließ sich von der Klinik S. (P.) einen Kostenvoranschlag für eine operative Geschlechtsanpassung Frau zu Mann erstellen. Die Klinik veranschlagte für die Leistungen Operationshonorar Dr.D. , Honorar für Anästhesie, postoperative Intensivüberwachung, Pflege- und Betreuungskosten (stationärer Aufenthalt ca. fünf Wochen), Operationssaalbenutzung und Materialkosten, Laborkosten (einschließlich Eigenblutkosten), plastische Korrektur Mamma, Honorar für das zweite Operationsteam und Honorar für Assistenten 68.000,00 DM. Der Operateur Dr.D. habe auf diesem Gebiet große Erfahrungen – er habe mehr als 120 Eingriffe geschlechtsanpassender Operation Frau zu Mann und über 400 Eingriffe Mann zu Frau durchgeführt -, so dass für die Versicherten ein geringes Risiko zu erwarten sei. Es werde auch die Garantie übernommen, dass Folgeoperationen innerhalb eines Jahres in der Fallpauschale enthalten sind. Mit der Operation in einer Sitzung werde das bestmögliche ästhetische und funktionelle Ergebnis, die kürzeste Belastung des Patienten sowie eine frühzeitige Totalrehabilitation mit Belastbarkeit erreicht.

Der Kläger beantragte mit diesem Kostenvoranschlag am 05.06. 1997 bei der Beklagten die Kostenübernahme.

Der von der Beklagten gehörte Medizinische Dienst der Krankenversicherung in Bayern ((MDK), Gutachter Arzt für Psychiatrie Dr.E. , stellte in der gutachtlichen Stellungnahme vom 23.06.1997 fest, die beim Kläger vorliegende Transsexualität erfordere eine Behandlung, die z.B. in den Krankenhäusern Klinikum rechts der Isar der TU M. (Prof.Dr.B.), Kreiskrankenhaus D. (Dr.S.), St.-M.-Krankenhaus F. (Privatdozent Dr.E. , Privatdozent Dr.S.) in mehreren Sitzungen durchgeführt werde.

Der Kläger ließ mit Schreiben vom 28.06.1997 vortragen, die Kasse solle den Betrag übernehmen, den sie bei jeder anderen Klinik gleichfalls aufzuwenden hätte. Sie habe auch die Kosten der früheren Operationen im Jahr 1993 getragen. In der zweiten gutachtlichen Stellungnahme vom 30.06.1997 teilte Dr.E. (MDK) unter Hinzuziehung des Chirurgen Dr.T. mit, dass es sich bei den vorgeschlagenen operativen Maßnahmen um die üblichen Operationsmethoden handle. Aus chirurgischer Sicht könnten derartige Maßnahmen in einer oder auch in mehreren Sitzungen durchgeführt werden, ohne dass hierdurch eindeutige Nutzen-Risiko-Unterschiede festgestellt werden könnten. Es spreche nichts dagegen, die Operation in der geplanten Weise vorzunehmen. Für eine einzeitige oder mehrzeitige Behandlung gebe es keine objektiven Vor- bzw. Nachteile. Gegen die Behandlung in der Klinik S. bestünden keine Einwände. Wegen der eventuell höheren Belastung der Versichertengemeinschaft mit Kosten durch die Behandlung in der nicht zugelassenen Klinik könne eine Kostenbeteiligung, nicht jedoch eine volle Kostenübernahme in Frage kommen.

Die Beklagte sagte am 10.07.1997 für die stationäre Behandlung in der Klinik S. einen täglichen Pflegesatz von 555,88 DM zu.

Der Kläger wurde in der Klinik vom 19.07. bis 11.08.1997 stationär behandelt. Das Krankenhaus forderte von ihm mit den Rechnungen vom 06.08.1997 und 15.09.1997, getrennt nach Kostenträgern, 19.830,50 DM, 16.500,00 DM und 6.390,00 DM. Die Anästhesisten verlangten mit den Rechnungen vom 04.09.1997 3.244,46 DM und 805,68 DM und die behandelnden Ärzte (Dres.K. und andere) mit der Rechnung vom 28.08.1997 25.532,77 DM. Hierauf leistete die Beklagte am 01.10.1997 einen Betrag von 12.785,24 DM.

Der Klägerbevollmächtigte beantragte am 25.05.1998 die Über- nahme der restlichen Kosten durch die Beklagte in Höhe von 59.518,17 DM (Gesamtkosten 72.303,41 DM abzüglich der Teilleistung der Beklagten von 12.785,24 DM). Die private Zusatzversicherung des Klägers (H.) habe bisher noch nicht geleistet. Die Behandlung durch die anderen von der Beklagten vorgeschlagenen Ärzte wäre für den Kläger unzumutbar gewesen; auch andere Krankenkassen hätten die gesamten Operationskosten getragen.

Mit Bescheid vom 15.06.1998 lehnte die Beklagte die volle Kostenübernahme für den stationären Aufenthalt des Klägers in der Klinik S. ab. Es bestehe mit dieser Klinik kein Vertragsverhältnis, so dass eine Kostenübernahme grundsätzlich ausscheide. Mit der seinerzeit zugebilligten Kostenbeteiligung in der Höhe des Pflegesatzes der Universitäts-Klinik M. habe sich die Kasse auf die Beurteilung des MDK gestützt. Daraus sei ein Rechtsanspruch auf eine volle Kostenerstattung nicht abzuleiten. Der Kläger legte hiergegen am 29.09.1998 Widerspruch ein. Nachdem die H. Versicherung ihren Anteil der Kosten übernommen hatte, verringerte der Klägerbevollmächtigte die Forderung auf 23.545,36 DM.

Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 10.03.1999 den Widerspruch zurück. Zur Durchführung der geschlechtsangleichenden Operation hätten dem Kläger in ausreichendem Maße erfahrene Vertragskrankenhäuser zur Verfügung gestanden. Die Inanspruchnahme der Nichtvertragsklinik S. (P.) begründe keinen Leistungsanspruch gegenüber der Kasse. Die Behandlung beruhe auf Privatvertrag und sei zu Lasten der Kasse nicht durchführbar. Eine Rechtsgrundlage für eine höhere Beteiligung an den Kosten sei nicht gegeben.

Der Kläger hat mit der Klage vom 09.04.1999 beim Sozialgericht Nürnberg (SG) geltend gemacht, die Operation in der Klinik S. sei kostengünstiger und weniger belastend gewesen als in den von der Beklagten genannten Vertragskrankenhäusern. Er habe wegen der negativen Erfahrungen anderer Patienten zu den genannten Ärzten Dr.E. , Dr.S. und Dr.S. kein Vertrauen gehabt. Nur durch Dr.D. in der Klinik S. sei eine zumutbare Operation und Behandlung möglich gewesen.

Das SG hat am 21.03.2000 einen Erörterungstermin abgehalten und mit Urteil vom 26.07.2001 die Beklagte verpflichtet, die restlichen Kosten in Höhe von 23.545,36 DM aus Anlass der Behandlung bei Dr.D. zu übernehmen. Hinsichtlich der vorgenommenen Operation bestehe eine Versorgungslücke. Die zugelassenen Kliniken mit ihren Operateuren seien nicht in der Lage, der Operation durch Dr.D. vergleichbare effektive Leistungen anzubieten und entsprechende Operationserfolge zu erzielen. Die Operation hätte nicht unter zumutbaren Bedingungen in einem Vertragskrankenhaus erbracht werden können. Maßgebend hierfür seien das Vertrauen des Klägers in den Operateur, eine einzeltägige Operation, das Interesse an verkürzter Rehabilitation, das verminderte Infektionsrisiko sowie das besondere Körpergefühl und das berechtigte Anliegen des Klägers, ein Urinieren im Stehen zu erreichen, das verlässlich nur durch die Operationstechnik des Dr.D. sicherzustellen gewesen sei.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten vom 23.11. 2001. Auch wenn der MDK in seinen Gutachten vom 23.06.1997 und 30.06.1997 keine Bedenken gegen die Operation durch Dr.D. getragen habe, bestehe kein Anlass, die Kosten in voller Höhe zu übernehmen. Die Beklagte habe bereits in einer Einzelfallentscheidung zu Gunsten des Klägers einen Teil der Kosten erstattet. Die Tatsache, dass der Kläger in die benannten Einrichtungen und Ärzte kein Vertrauen habe, lasse nicht die Inanspruchnahme einer Nichtvertragseinrichtung zu. Innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung habe der Versicherte keinen Anspruch auf Optimalversorgung oder die Dienste eines bestimmten Behandlers. Vielmehr komme die Beklagte ihrem Sicherstellungsauftrag bereits durch die generelle Bereitstellung von Behandlern nach. Diese seien nicht nur ausreichend vorhanden gewesen, sondern auch vor Inanspruchnahme der Klinik S. benannt worden. Der vom Kläger angesprochene Wirtschaftlichkeitsaspekt lasse nicht zu, Leistungen außerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung mit den Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen zu vergleichen.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 26.07.2001 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden die Akten der Beklagten und des SG. Auf den Inhalt dieser Akten und die Sitzungsniederschrift wird im Übrigen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§ 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG -); der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 1.000,00 DM (§ 144 Abs.1 Satz 1 Nr.1 SGG a.F.). Der Termin war nicht zu verlegen (§ 110 Abs.1 SGG), da der Klägerbevollmächtigte hierum nur bei der Notwendigkeit seiner Anwesenheit gebeten hatte. Dies war nicht der Fall.

Die Berufung der Beklagten ist begründet.

Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Klage abzuweisen, da der Kläger gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Übernahme der Restkosten der Operation in der S. Klinik (P.) in Höhe von 23.545,36 DM hat.

Ein derartiger Anspruch ergibt sich nicht aus einer Kostenzusage der Beklagten (§ 34 Abs.1 Sozialgesetzbuch X). Die Beklagte hat zwar die medizinische Notwendigkeit der geschlechtsangleichenden Operation im Anschluss an die Stellungnahme des MDK anerkannt, aber dennoch mit Bescheid vom 10.07.1997 sich an den Kosten der gesamten stationären Behandlung mit einem täglichen Pflegesatz von 555,88 DM beteiligt, also in der Höhe des Pflegesatzes der „Universitäts-Klinik M.“, da die Operation auch dort hätte durchgeführt werden können. Es hat sich hierbei um eine Kulanzentscheidung der Beklagten gehandelt, da sie, wie noch auszuführen ist, zur Übernahme der Kosten in einer Privatklinik schon dem Grunde nach nicht verpflichtet gewesen war. Aus der teilweisen Übernahme der Kosten für die Krankenhausbehandlung in der Privatklinik ergibt sich daher nicht die Verpflichtung der Beklagten auch zur Übernahme der restlichen Kosten nach Leistung durch die private Zusatzversicherung des Klägers. Dies ist dem Kläger von vornherein bewusst gewesen, da er mit Schreiben vom 28.06.1997 der Beklagten mitgeteilt hat, dass die Beklagte den Betrag übernehmen solle, den sie bei „jeder anderen Klinik auch aufzuwenden hätte“.

Es besteht auch kein Anspruch auf Kostenerstattung bzw. -freistellung nach § 13 Abs.2 Sozialgesetzbuch V in der Fassung des Art.1 Nr.1a, 17 Gesetz vom 23.06.1997 (BGBl.I S.1520), der zum 01.07.1997 in Kraft getreten ist. Danach können Versicherte an Stelle der Sach- oder Dienstleistung Kostenerstattung für Leistungen wählen, die sie von den im 4. Kapitel genannten Leistungserbringern in Anspruch nehmen. Auch wenn dem Akteninhalt nicht zu entnehmen ist, ob der Kläger von dem Wahlrecht Gebrauch gemacht hat, ist der Kostenerstattungsanspruch nicht begründet, weil es sich bei der Klinik S. (P.) unstreitig nicht um ein zugelassenes Krankenhaus handelt. Gemäß § 108 SGB V dürfen die Krankenkassen Krankenhausbehandlung nur durch folgende Krankenhäuser (zugelassene Krankenhäuser) erbringen lassen: 1. Hochschulkliniken im Sinne des Hochschulbauförderungsgesetzes, 2. Krankenhäuser, die in dem Krankenhausplan eines Landes aufgenommen sind (Plankrankenhäuser), oder 3. Krankenhäuser, die einen Versorgungsvertrag mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen abgeschlossen haben. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG vom 10.05.1995 SozR 3-2500 § 13 Nr.7; BSG vom 23.11.1995 SozR 3-2500 § 13 Nr.9) ist eine Kostenerstattung nach § 13 Abs.2 SGB V ausgeschlossen, wenn sich ein freiwilliges Mitglied zur stationären Behandlung in ein Krankenhaus begeben hat, das zur Behandlung von Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen nicht zugelassen ist.

Entgegen dem SG ist der Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs.3 SGB V nicht begründet. Konnte danach die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Eine unaufschiebbare Leistung wird nach allgemeiner Meinung angenommen bei Notfällen im Sinne des § 76 Abs.1 Satz 2 SGB V sowie anderen dringlichen Bedarfslagen, wozu Systemversagen, Systemstörungen oder Versorgungslücken unter der Voraussetzung zählen, dass eine Sachleistung nicht rechtzeitig zur Verfügung steht (BSG vom 24.05.1972 BSGE 34, 172; BSG vom 20.10.1972 BSGE 35, 10; BSG vom 18.05.1978 BSGE 46, 179; BSG vom 20.07.1976 SozR 2200 § 184 Nr.4, Kasseler Kommentar-Höfler, § 13 SGB V, Rdnr.26, 27;). Eine dringende Behandlungsbedürftigkeit ist anzunehmen, wenn ohne eine sofortige Behandlung durch einen Nichtvertragsarzt Gefahren für Leib und Leben entstehen oder heftige Schmerzen unzumutbar lange andauern würden (BSG a.a.O., BSGE 34, 172).

Hiervon kann im vorliegenden Fall nicht die Rede sein. Denn der Kläger hat nach seinen Angaben sich bereits im Jahre 1989 in ärztliche Behandlung zur Geschlechtsumwandlung begeben. Nach zwei Operationen im Jahr 1993 (Brustoperation und Entfernung der Gebärmutter) hat er Anfang 1997 mit Dr.D. einen Operationstermin in der Privatklinik S. (P.) vereinbart. Die Operation hat erst im Juli 1997 stattgefunden. Schon dieser zeitliche Ablauf zeigt, dass es an einer dringenden Behandlungsbedürftigkeit gefehlt hat.

Die Beklagte hat es auch nicht zu Unrecht abgelehnt, die Kosten der Operation in vollem Umfang zu tragen. Dem Akteninhalt ist nicht zu entnehmen, ob die Beklagte bereits vor Erlass des angefochtenen Bescheides vom 15.06.1998 über den Antrag des Klägers vom 05.06.1997 auf Bewilligung der Krankenhausbehandlung in der Privatklinik S. (P.) entschieden hat. Sollte sie das Leistungsbegehren vor Aufnahme in die Privatklinik am 19.07.1997 bereits abgelehnt haben, wofür das Schreiben des Klägers an die Beklagte vom 28.06.1997 spricht, wo von einem Telefonat „am 26.06.“ die Rede ist, ist der Erstattungsanspruch unbegründet, weil die Beklagte, wie oben ausgeführt worden ist, nicht zur Übernahme der Krankenhausbehandlung in einer Privatklinik verpflichtet ist.

Falls die Beklagte über den Antrag des Klägers vom 05.06.1997 erst mit Bescheid vom 15.06.1998 entschieden hat, ist dem Kläger entgegenzuhalten, dass bereits nach dem Wortlaut des § 13 Abs.3 2. Alternative SGB V der ursächliche Zusammenhang zwischen der Leistungsablehnung und der Selbstbeschaffung fehlt. Es wird hier vorausgesetzt, dass die Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht ablehnt und dadurch dem Versicherten für die selbst- beschaffte Leistung Kosten entstanden sind. Mit dem Wortlaut und Sinn und Zweck dieser Regelung ist es nicht zu vereinbaren, dass Versicherte sich, ohne vorher Kontakt mit der Krankenkasse aufzunehmen und deren Entscheidung abzuwarten, eine Leistung selbst beschaffen und anschließend Kostenerstattung von der Krankenkasse verlangen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (BSG vom 19.06.2001 SGb 2001, 549; BSG vom 10.02.1993 SozR 3-2200 § 182 RVO Nr.15; BSG vom 16.12.1993 SozR 3-2500 § 12 SGB V Nr.4; BSG vom 24.09.1996 BSGE 79, 125) sind die Kosten für eine selbstbeschaffte Leistung im Regelfall nicht zu erstatten, wenn der Versicherte sich die Leistung außerhalb des im SGB V geregelten Versorgungssystems selbst beschafft, ohne zuvor die Krankenkasse zu informieren und deren Entscheidung abzuwarten. So liegt der Fall hier, falls der Kläger vor der Ablehnung durch die Beklagte die Operation hat durchführen lassen. Anders läge der Fall, wenn man in der Kostenzusage vom 10.07.1997 für einen Teil der veranschlagten Behandlungskosten gleichzeitig eine Ablehnung bezüglich der restlichen Kosten sähe. In diesem Fall hätte sich die Beklagte jedoch im angefochtenen Bescheid vom 15.06.1998 zu Recht auf ihre fehlende Leistungspflicht bei Inanspruchnahme einer Privatklinik berufen.

Gegen das Fehlen des ursächlichen Zusammenhangs zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffen der Leistung kann nicht mit Recht eingewendet werden, dass in der langen Dauer des Verwaltungsverfahrens von der Antragstellung bis zur Erteilung des ablehnenden Bescheides von etwa einem Jahr bereits die Ablehnung des Leistungsbegehrens liegt. Denn im Falle der Untätigkeit eines Sozialleistungsträgers sieht das Gesetz, das vor- rangig anzuwenden ist (Art.20 Abs.3 Grundgesetz), eine andere Lösung vor. Bei einer derartigen Sachlage ist die Untätigkeitsklage gemäß § 88 Abs.1 SGG der einschlägige Rechtsbehelf, um eine Entscheidung über den Leistungsantrag zu erreichen. Im Falle eines dringlichen Leistungsbegehrens besteht auch die Möglichkeit, den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu beantragen.

Der Kläger beruft sich zu Unrecht darauf, dass nur der von ihm konsultierte Arzt Dr.D. und die Klinik S. (P.) ihm die bestmögliche Behandlung gewähren konnten, zumal er zu den Ärzten, die in den von der Beklagten vorgeschlagenen Krankenhäusern tätig sind, auf Grund der Informationen anderer Patienten kein Vertrauen haben konnte. Damit kann eine Versorgungslücke im Sinne des § 13 Abs.3 2. Alternative SGB V nicht begründet werden. Die optimale Versorgung ist nicht der Maßstab der gesetzlichen Krankenversicherung. Die qualitativen Maßstäbe der Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung ergeben sich aus den §§ 2, 12 Abs.1, 28, § 137c (eingefügt durch Gesetz vom 22.12.1999 BGBl.I S.2626). Danach stellen die Krankenkassen den Versicherten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 SGB V) zur Verfügung. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen. Das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs.1 SGB V bestimmt, dass die Leistungen der Krankenversicherung ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein müssen und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten dürfen. Hinsichtlich der Tätigkeit des Arztes regelt § 28 Abs.1 SGB V, dass er die Leistungen nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig zu erbringen hat. Die neu eingefügte Vorschrift des § 137c SGB V sieht vor, dass im Rahmen der stationären Versorgung – ähnlich wie bei dem Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen im Rahmen der ambulanten ärztlichen Versorgung – ein besonderer Ausschuss die aus Anlass einer Krankenhausbehandlung zu erbringenden Untersuchungs- und Behandlungsmethoden prüft, ob sie für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse erforderlich sind. Außerdem regelt für das Leistungserbringungsrecht § 70 Abs.1 SGB V, dass die Krankenkassen und die Leistungserbringer eine bedarfsgerechte und gleichmäßige, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Versorgung der Versicherten zu gewährleisten haben. Die Versorgung der Versicherten muss ausreichend und zweckmäßig sein, darf das Maß des Notwendigen nicht überschreiten und muss in der fachlich gebotenen Qualität sowie wirtschaftlich erbracht werden. Diesen Vorgaben des SGB V nach den allgemeinen Grundsätzen im Leistungsrecht und Leistungserbringungsrecht werden die Krankenkassen im Rahmen der stationären Versorgung dadurch gerecht, dass sie, wie §§ 39 und 108 SGB V vorsehen, die Krankenhausbehandlung durch zugelassene Krankenhäuser erbringen lassen. Damit ist es dem Versicherten auch möglich, den Leistungsstandard einer Universitätsklinik zu erhalten.

Nach der neuen Rechtsprechung des BSG zur Krankenbehandlung im vertragslosen Ausland (§ 18 Abs.1 SGB V), die auf die vorliegende Fallkonstellation der Inanspruchnahme eines nicht zugelassenen Krankenhauses zur Prüfung einer Versorgungslücke insoweit zu übertragen ist, weil es auch hier um eine privatärztliche Behandlung geht (BSG vom 16.06.1999 BSGE 84,90), darf die Krankenkasse die Kosten einer (im Ausland durchgeführten Therapie) nur übernehmen, wenn für die betreffende Krankheit (im Inland) überhaupt keine, also auch keine andere Behandlungsmethode zur Verfügung steht, die dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse genügt. Die Notwendigkeit einer Auslandsbehandlung ist zu verneinen, wenn zwar eine bestimmte, vom Versicherten bevorzugte Therapie (nur im Ausland) erhältlich ist, (im Inland) aber andere, gleich oder ähnlich wirksame und damit zumutbare Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Denn eine Spitzenmedizin bildet nicht den Maßstab für die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung.

Dies bedeutet für den vorliegenden Fall, dass der Kläger von der Beklagten nicht mit Recht die Kostenübernahme für die Behandlung in der Privatklinik durch Dr.D. verlangen kann, auch wenn dieser einen international herausragenden fachlichen Ruf hat oder das Krankenhaus sich auf Leistungen solcher Art spezialisiert haben sollte.

Dem Umstand, dass in der Klinik S. die Operation durch Dr.D. in einer Sitzung durchgeführt wird, während in anderen Krankenhäusern hierfür möglicherweise mehr als ein Operationstermin angesetzt wird, kommt nach dem Gutachten des MDK vom 30.06.1997 keine Bedeutung zu. Denn aus chirurgischer Sicht können derartige Maßnahmen in einer oder auch in mehreren Sitzungen durchgeführt werden, ohne dass eindeutige Nutzen-Risiko-Unterschiede festgestellt werden könnten. Die Entscheidung, ob die Behandlung in einer oder mehreren Sitzungen durchgeführt werden soll, ist vom Behandler und dem Patienten gemeinsam festzulegen. Im Übrigen hat auch die S. Klinik (P.) in ihrem Kostenvoranschlag weitere operative Eingriffe nicht ausgeschlossen. Sie hat hier die Garantie übernommen, dass Folgeoperationen innerhalb eines Jahres in der Fallpauschale enthalten sind.

Gegen eine Versorgungslücke spricht schließlich, dass die Beklagte dem Kläger rechtzeitig (offensichtlich Anfang Juli) das Gutachten des MDK vom 23.06.1997 mit den darin genannten vier in Frage kommenden Krankenhäusern in Süddeutschland übersandt hat. Die vom Kläger gegen die einzelnen Ärzte erhobenen Vorwürfe, die auf Angaben Dritter beruhen, sind hier nicht geeignet, den Leistungsstandard dieser Krankenhäuser bzw. Ärzte anzuzweifeln.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs.2 Nrn.1, 2 SGG).