Bayrisches Landessozialgericht L 4 KR 509/17

 

 

Kernpunkte:

  • Eine schleppende Bearbeitung eines AHB-Antrags bei der gleichen Kasse, die dann anschließend die Langliegertage bestreitet, geht zu Lasten der Kasse.
  • Voraussetzung: Eine Entlassung nach Hause oder in die Kurzzeitpflege war aus medizinischen Gründen nicht möglich.

 

 

Urteil:

Bayerisches Landessozialgericht

Urteil vom 28.06.2018 (nicht rechtskräftig)

Sozialgericht Augsburg S 12 KR 553/14
Bayerisches Landessozialgericht L 4 KR 509/17

 

I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 16. Februar 2017 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Die Revision wird nicht zugelassen. IV. Der Streitwert wird auf 10.483,32 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand:

 

Die Klägerin und Berufungsbeklagte begehrt die Zahlung von 10.483,32 EUR nebst Zinsen für eine erfolgte stationäre Behandlung des bei der Beklagten und Berufungsklägerin Versicherten C … Streitig ist hierbei die Verweildauer in stationärer Behandlung.

Der Versicherte befand sich vom 7. Dezember 2009 bis 27. Januar 2010 in stationärer Behandlung im Klinikum A-Stadt, das von der Klägerin betrieben wird (Diagnose u.a.: J44.19 – Chronische obstruktive Lungenkrankheit mit akuter Exazerbation). Im Anschluss erfolgte ab 27. Januar 2010 eine Maßnahme der pulmologischen Anschlussheilbehandlung (AHB). Das Krankenhaus erstellte am 24. März 2010 eine Rechnung über 36.244,01 EUR, die von der Beklagten vollständig beglichen wurde. Die Rechnung führte die Fallpauschale E36Z (Intensivmedizinische Komplexbehandlung ) 552 Aufwandspunkte oder hochaufwendiges Implantat bei Krankheiten und Störungen der Atmungsorgane) auf sowie ein tagesbezogenes Entgelt bei Überschreitung der oberen Grenzverweildauer (GVD) für zehn Tage vom 17. bis 26. Januar 2010 in Höhe von 9.998,60 EUR. Unter Berücksichtigung verschiedener Systemzuschläge und Abschläge ergab sich der Rechnungsbetrag.

Einen über die Klägerin zugeleiteten Antrag vom 30. Dezember 2009 zur AHB mit Empfehlung auf eine Aufnahme in der Lungenfachklinik P-Stadt bewilligte die Beklagte am 7. Januar 2010. Die Beklagte gab an, die Fachklinik A. in P-Stadt sei um Mitteilung gebeten worden, wann der Patient aufgenommen werden könne. Sobald der Beklagten (“uns”) der mögliche Aufnahmetermin genannt werde, werde das Krankenhaus unaufgefordert davon verständigt. Mit Schreiben vom 18. Januar 2010 (Telefax vom 19. Januar 2010) teilte die Beklagte dann mit, dass die Kosten der AHB in der Fachklinik A. ab dem 27. Januar 2010 übernommen würden.

Die Beklagte beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Bayern mit der Prüfung der Notwendigkeit einer Überschreitung der GVD. In seiner Stellungnahme vom 30. November 2010 führte der MDK nach Einsicht in die Patientenakte aus, dass die Überschreitung im Wesentlichen durch das AHB-Prozedere zustande gekommen sei. Eine Entlassung nach Hause sei vorher nicht möglich gewesen.

Am 17. Dezember 2010 rechnete die Beklagte in Höhe von 10.483,32 EUR (tagesbezogenes Entgelt bei GVD-Überschreitung sowie zu berücksichtigende Verringerungen der Systemzuschläge) im Rahmen einer Sammelrechnung auf.

Die Klägerin wandte sich gegen die Aufrechnung. In einer E-Mail der Beklagten an die Klägerin vom 28. Dezember 2010 heißt es dazu: “Wie wir ja gestern bereits telefonisch erörtert haben, stimmen Sie mit dem Medizinischen Dienst darüber überein, dass eine vollstationäre medizinische Behandlungsbedürftigkeit ab dem 12.01.2010 nicht mehr bestanden hat. Andere mit der medizinischen Behandlung in Ihrem Haus nicht im Zusammenhang stehende Gründe sind dafür verantwortlich gewesen, dass eine Entlassung nach Hause nicht erfolgen konnte. Die bereits bezahlte Rechnung ist von uns korrigiert worden.”

Mit E-Mail vom 11. Dezember 2013 an die Beklagte bat die Klägerin, die Entscheidung noch einmal zu überdenken. Der Patient sei direkt in die AHB verlegt worden, eine Entlassung nach Hause sei nicht möglich gewesen. Auch eine Kurzzeitpflege sei medizinisch nicht vertretbar gewesen. Vom Antrag bis zur AHB seien 29 Tage vergangen, wobei das Krankenhaus kein Verschulden für die schleppende Bearbeitung durch die Krankenkasse treffe. Die Entscheidung des Großen Senats des Bundessozialgerichts (BSG) sei auf diesen Fall nicht anwendbar. Der Patient sei während des Aufenthalts in der Klinik in einem desolaten körperlichen Zustand gewesen, eine alternative Behandlungsmöglichkeit zu einer AHB in einer spezialisierten Fachklinik habe zu keinem Zeitpunkt bestanden. Die Beklagte lehnte mit E-Mail vom 16. Dezember 2013 eine weitere Zahlung ab. Es sei am 11. Januar 2010 eine Direktverlegung in eine AHB-Einrichtung möglich und damit ab diesem Zeitpunkt keine vollstationäre Behandlungsnotwendigkeit mehr gegeben gewesen.

Die Klägerin hat am 29. Dezember 2014 Klage beim Sozialgericht Augsburg erhoben. Eine alternative Behandlungsmöglichkeit zu einer AHB in einer spezialisierten Fachklinik habe nicht bestanden, so dass die stationäre Behandlung bis zum 27. Januar 2010 medizinisch notwendig gewesen sei.

Die Beklagte hat sich auf eine Entscheidung des Großen Senats des BSG (Beschluss vom 25. September 2007, GS 1/06, BSGE 99, 111 ff) bezogen, wonach sich die Notwendigkeit der vollstationären Krankenhausbehandlung allein nach medizinischen Erfordernissen richte. Die Klinik habe jedoch selbst den 11. Januar 2010 als Termin für eine Verlegung in eine AHB genannt. Ab diesem Zeitpunkt habe somit nicht mehr der kurative, sondern ein rehabilitativer Aspekt im Vordergrund gestanden.

Die Klägerin hat ferner vorgetragen, dass die Aufrechnung mangels Fälligkeit eines Erstattungsanspruchs unzulässig sei. Der E-Mail-Verkehr sei so zu verstehen, dass die Klägerin der Einschätzung des MDK-Gutachtens folge, dass die Notwendigkeit für eine vollstationäre Behandlung in einem Krankenhaus der Schwerpunktversorgung ab dem 12. Januar 2010 nicht mehr bestanden habe. Mangels Alternativen sei der Versicherte jedoch im Klinikum verblieben. Daher sei auch die stationäre Behandlung im gesamten Zeitraum bis 27. Januar 2010 aus medizinischen Gründen erforderlich gewesen.

Die Beklagte hat demgegenüber argumentiert, dass für den weiteren Aufenthalt ein rein pflegerischer Hintergrund bestanden habe und damit grundsätzlich eine ambulante Behandlung ausreichend gewesen wäre. Die Klägerbevollmächtigten haben noch vorgetragen, dass auch eine Kurzzeitpflege nicht in Betracht gekommen wäre, da eine ständige ärztliche Präsenz notwendig gewesen sei; daher habe eine stationäre Behandlungsnotwendigkeit bis zur Entlassung in die AHB bestanden.

Das Sozialgericht hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass der MDK nicht positiv bestätigt habe, dass der Versicherte nach Hause oder in Kurzzeitpflege hätte entlassen werden können und dass die frühere Aufnahme in eine AHB am Verhalten der Beklagten gescheitert sei. Demgegenüber hat die Beklagte weiter argumentiert, dass sie nicht zuständig sei für eine nahtlose Unterbringung in einer anderen Einrichtung und ihr daher auch nicht zur Last gelegt werden könne, dass ein Platz zur AHB ab 12. Januar 2012 nicht zur Verfügung gestanden habe. Eine hilfsweise erhobene Widerklage hat der Bevollmächtigte der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 16. Februar 2017 zurückgenommen.

Das Sozialgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 16. Februar 2017 verurteilt, an die Klägerin 10.483,32 EUR zu zahlen nebst Zinsen hieraus von 4 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 18. Dezember 2010. Die Voraussetzungen für eine Aufrechnung seien nicht erfüllt; der Beklagten stehe der geltend gemachte Erstattungsanspruch wegen Überschreitung der GVD nicht zu:
Für den Krankenhausaufenthalt des Patienten sei zwischen den Beteiligten unstreitig, dass bereits vor Ende der GVD (= 16. Januar 2010) eine Entlassung des Versicherten in eine stationäre Anschlussheilbehandlung möglich gewesen wäre, jedoch nur in eine spezialisierte pulmologische Fachklinik. Eine ambulante Behandlung anstelle der Krankenhausbehandlung wäre dagegen nicht in Betracht gekommen. Der MDK-Gutachter Dr. G. habe ausdrücklich eine Entlassung aus dem Krankenhaus nach Hause ausgeschlossen. Damit aber scheide auch eine Entlassung in eine Kurzzeitpflegeeinrichtung aus, die ja nur hinsichtlich der Möglichkeiten der Grundpflege eine umfassendere Versorgung biete als dies bei einer Entlassung nach Hause auch unter Berücksichtigung häuslicher Krankenpflege möglich wäre. Denn es fehle eine entsprechende laufend verfügbare ärztliche Betreuung, wie sie in einer spezialisierten pulmologischen Rehabilitationsfachklinik gegeben sei. Da eine ambulante Behandlung also nicht ausreichend gewesen wäre und ein Platz in einer Reha-Einrichtung vor dem 27. Januar 2010 nicht zur Verfügung gestanden habe, sei eine stationäre Krankenhausbehandlung zur Überzeugung des Gerichts noch tatsächlich aus medizinischen Gründen erforderlich gewesen. Denn der Patient sei auf die besonderen Mittel eines Krankenhauses im Hinblick auf die ärztliche Überwachung angewiesen gewesen.

Soweit sich die Beklagte darauf berufe, dass eine Unterbringung in einer anderen Einrichtung als im Krankenhaus geboten gewesen wäre und deshalb stationäre Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit nicht vorgelegen habe, handele es sich um eine andere Fallgestaltung als in der o. g. Entscheidung des Großen Senats vom 25. September 2007. Dort sei eine Entlassung nach Hause nicht möglich gewesen, weil wegen der Anforderungen der Erkrankung/Behinderung eine spezielle Form des Wohnens und der ambulanten (auch sozialen) Betreuung erforderlich gewesen sei. Dies aber gehörte nicht zum Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Dagegen gehe es im vorliegenden Streitfall um eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme anstelle von Krankenhausbehandlung, einer Alternative, die zum Leistungskatalog der GKV zähle. Dabei liege es auch in der Verantwortung der GKV, durch Abschluss entsprechender Versorgungsverträge eine ausreichende Versorgung ihrer Versicherten sicherzustellen.

Der Klinik könne auch nicht vorgehalten werden, dass sie sich unzureichend um die Verlegung des Versicherten in eine AHB-Einrichtung gekümmert habe und daher eine unwirtschaftliche Verlängerung der Verweildauer vorliege (vgl. BSG vom 21. April 2015 – B 1 KR 6/15 R – zu einer verspäteten Verlegung in ein anderes Krankenhaus zur weiterführenden Diagnostik). Denn von ihr sei bereits frühzeitig am 30. Dezember 2009 der Antrag auf eine AHB-Maßnahme veranlasst worden. Dass erst zum 27. Januar 2010 eine Aufnahme zur AHB erfolgen konnte, liege im Verhalten der Beklagten und der Aufnahmekapazität der AHB-Fachklinik begründet. Da die Beklagte ausdrücklich anlässlich der Bewilligung einer AHB-Maßnahme mit Bescheid vom 7. Januar 2010 mitgeteilt habe, dass die Fachklinik um Mitteilung gebeten worden sei, wann eine Aufnahme erfolgen könne, und dass die Klinik unaufgefordert über den möglichen Aufnahmetermin verständigt werde, habe die Klinik von sich aus nichts Weiteres mehr veranlassen müssen. Ihr könne keine “Verschleppung” vorgeworfen werden.

Beginn und Höhe der Verzinsung ergäben sich aus § 12 Abs. 1 der Pflegesatzvereinbarung 2010. Der Verzinsungsbeginn am 18. Dezember 2010 sei unstreitig.

Gegen das am 13. Juli 2017 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 10. August 2017 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Unstreitig sei eine AHB bereits vor dem Ende der GVD am 16. Januar 2010 möglich gewesen. Es habe für den darüber hinausgehenden Zeitraum keine stationäre Behandlungsbedürftigkeit mehr vorgelegen. Die Aufzählung des Großen Senats des BSG vom 25. September 2007 (a.a.O.) sei nicht abschließend. Aus der Formulierung “aus anderen Gründen” gehe hervor, dass das BSG sämtliche Fallgruppen von der stationären Behandlungsbedürftigkeit habe ausnehmen wollen, bei denen eine stationäre Krankenhausbehandlung nicht mehr erforderlich sei. Dies insbesondere dann, wenn – wie hier – das Behandlungsziel erreicht worden sei oder wenn sich herausstelle, dass das Behandlungsziel nicht mehr erreicht werden könne. Ferner hat die Beklagte auf ein Urteil des BSG vom 10. April 2008 (B 3 KR 20/07 R) verwiesen. Danach sei ein Anspruch nach § 39 Abs. 1 S. 2 SGB V bei einer medizinischen Rehabilitation ausgeschlossen, weil keine akute medizinische Behandlung in Rede stehe, sondern die Stabilisierung eines schon erreichten Zustandes oder die Entwicklung eigener Abwehr- und Heilungskräfte. Auch nach der Kommentarliteratur müsse die vollstationäre Behandlung die allein geeignete Behandlungsform sein (Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, SGB V, § 39 Rn. 26-27). Abzustellen sei daher nur auf die Behandlungsform. Schließlich sei es nicht zutreffend, dass eine aus medizinischen Gründen hervorgehende Erforderlichkeit daraus hervorgehe, dass der Versicherte auf die besonderen Mittel des Krankenhauses im Hinblick auf die ärztliche Versorgung angewiesen gewesen sei. Dieses Argument könne bereits dadurch widerlegt werden, dass eine weitere Behandlung in einer pulmologischen Rehabilitationsklinik in gleicher Weise in Betracht gekommen sei. Allein dieser Umstand führe dazu, dass die besonderen Mittel des Krankenhauses nicht länger vonnöten gewesen seien.

Die Klägerin hat sich auf die Ausführungen des Sozialgerichts bezogen. Unstreitig sei der Patient in stationärem Rahmen weiterhin zu behandeln gewesen. Die nur theoretische Möglichkeit, die Behandlung im Rahmen einer stationären Rehabilitationseinrichtung fortzusetzen, genüge nicht aus, um die vollstationäre Krankenhausbehandlungsnotwendig- keit zu negieren. Vielmehr müsse die geforderte Alternative auch in tatsächlicher Hinsicht zur Verfügung stehen. Dies sei jedoch erst zum Verlegungszeitpunkt der Fall gewesen. Ein mangelnder Reha-Platz führe unweigerlich zur Erforderlichkeit vollstationärer Krankenhausbehandlung. Dies beruhe allein auf medizinischen Erfordernissen. Sie hat auf Rn. 34 der Entscheidung des BSG vom 10. April 2008 (a.a.O.) verwiesen. Ferner hätten Versicherte nach § 11 Abs. 4 SGB V (inzwischen § 39 Abs. 1a SGB V) einen Anspruch auf ein Versorgungsmanagement bzw. Entlassmanagement. Diesen Pflichten sei die Klägerin ordnungsgemäß und insbesondere zeitig genug nachgekommen. Der Antrag auf eine AHB-Maßnahme sei bereits am 30. Dezember 2009 gestellt worden. Am 7. Januar 2010 habe die Beklagte mitgeteilt, dass die Klinik von ihr unaufgefordert über den möglichen Aufnahmetermin verständigt werde. Dies sei am 19. Januar 2010 geschehen mit dem möglichen Aufnahmetermin am 27. Januar 2010. Nunmehr zu behaupten, dass eine vollstationäre medizinische Behandlungsbedürftigkeit ab dem 12. Januar 2010 nicht mehr bestanden habe, sei treuwidrig.

Nach Ansicht der Beklagten könne aus der Regelung zum Entlass- bzw. Versorgungsmanagement ein Anspruch auf Krankenhausvergütung nicht begründet werden. Dies ergebe sich auch aus dem Urteil des BSG vom 17. November 2015 (B 1 KR 20/15 R).

Die Klägerin hat erwidert, es könne dahinstehen, ob die Behandlung in einem Krankenhaus bis zum Beginn der Reha objektiv tatsächlich erforderlich war. Durch die Informationen der Beklagten habe die Klägerin nämlich davon ausgehen dürfen, dass die Behandlung bis zum Verlegungszeitraum notwendig sei. So habe auch der MDK festgestellt, dass eine Entlassung nach Hause nicht möglich gewesen sei, so dass eine alternative Entlassung oder Verlegung in eine Pflegeeinrichtung ohne ärztliche Begleitung nicht möglich gewesen sei.

In der mündlichen Verhandlung vom 28. Juni 2018 hat der Vertreter der Klägerin erklärt, dass der Sozialdienst des Klinikums sich in vergleichbaren Fällen vor der Entlassung um Benennung von Einrichtungen bemühe, die für eine AHB in Betracht kämen. Dabei handele es sich um eine Empfehlung an die Krankenkasse. Auf die Niederschrift der Sitzung wird im Übrigen verwiesen.

 

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 16. Februar 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

 

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten, der Patientenakte sowie der Klage- und Berufungsakte hingewiesen.

 

Entscheidungsgründe:

 

Die form- und fristgerecht (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG) eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig, jedoch unbegründet.

Zutreffend hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 10.483,32 EUR nebst Zinsen hieraus von 4 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 18. Dezember 2010 zu zahlen. Der Vergütungsanspruch der Klägerin beruht auf § 109 Abs. 4 S. 3 SGB V in Verbindung mit der Pflegesatzvereinbarung. Es liegt auch für die Zeit vom 17. bis 26. Januar 2010 eine Krankenhausleistung der Klägerin im Sinne von § 39 SGB V vor. Die Beklagte durfte nicht gemäß § 69 S. 3 SGB V in Verbindung mit §§ 387 ff des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch in Höhe von 10.483,32 EUR aufrechnen. Auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts wird hierzu gemäß § 153 Abs. 2 SGG verwiesen.

Der Versicherte konnte am 16. Januar 2010 (Ablauf der GVD) nicht ohne Weiteres nach Hause entlassen werden. Dies ergibt sich neben dem Vortrag der Beteiligten jedenfalls auch aus der Stellungnahme des MDK vom 30. November 2010. Offensichtlich ist auch, dass als Alternative zur stationären Behandlung nur eine AHB in Betracht kam. Ein Platz hierfür konnte von der Beklagten jedoch erst zum 27. Januar 2010 vermittelt werden.

Soweit die Beklagte auf die Möglichkeit einer ambulanten Behandlung hingewiesen hat, hat sie zuletzt hieran nicht festzuhalten. Dem steht auch die o.g. Stellungnahme des MDK eindeutig entgegen. Die im Begutachtungsgrund von der Beklagte aufgeworfene Frage an den MDK, ab welchem Zeitpunkt die vollstationäre medizinische Behandlung nicht mehr mit den besonderen Mitteln des Krankenhauses erforderlich war und ob unter Hinzuziehung von entsprechenden Komplementärleistungen eine Behandlung im ambulanten Rahmen erfolgen könnte, hat der MDK mit dieser Stellungnahme verneint. Angezeigt war eine Fortsetzung der Behandlung in einer spezialisierten pulmologischen Reha-Einrichtung in Form einer AHB.

Wie das Sozialgericht auch zutreffend ausgeführt hat, war auch eine Entlassung in eine Kurzzeitpflegeeinrichtung nicht möglich, da dort zwar eine umfassende Versorgung im Bereich der Grundpflege möglich ist, jedoch nicht die hier notwendige ständige ärztliche Präsenz gewährleistet ist.

Damit kam als einzige Alternative zur AHB nur die Fortdauer der stationären Behandlung (§ 39 SGB V) in Betracht. Diese war deshalb in vorliegendem Fall medizinisch geboten.

Die rechtlichen Ausführungen der Beklagten unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Großen Senats des BSG vom 25. September 2007 (a.a.O.), des BSG vom 10. April 2008 (a.a.O.) und zuletzt auch vom 17. November 2015 (a.a.O.) sind zwar zutreffend. Zutreffend ist daher, dass maßgeblich ist, ob die vollstationäre Behandlung die (allein) geeignete Behandlungsform ist. Zutreffend ist ferner, dass die Klägerin als Krankenhaus aus dem richtigen Entlass- bzw. Versorgungsmanagement nach § 11 Abs. 4 SGB V a.F. keinen Anspruch auf die Krankenhausvergütung ableiten kann.

Maßgeblich ist nach dem Großen Senat des BSG die medizinische Notwendigkeit der stationären Behandlung. Von besonderer Bedeutung für die Entscheidung des Senats ist in diesem Zusammenhang, dass, wie dargelegt, nur eine weitere Behandlung in einer pulmologischen Rehabilitationsklinik in Betracht kam. Streitig ist im Wesentlichen zwischen den Beteiligten nur, ob dieser Umstand dazu führt, dass die besonderen Mittel des Krankenhauses nicht länger vonnöten waren und die stationäre Behandlung durch die Klägerin nicht mehr die (allein) geeignete Behandlungsform darstellte.

Stellte man wie die Beklagte auf die Notwendigkeit der alleinigen Geeignetheit ab, wäre der Beklagte zuzustimmen, dass hier zumindest auch die AHB geeignet war. Eine derartige enge Auslegung vermag der Senat jedoch der Entscheidung des Großen Senats des BSG nicht zu entnehmen. Dort bestand nämlich die Möglichkeit, das Behandlungsziel durch andere Maßnahmen der GKV wie einer ambulanten Behandlung einschließlich einer häuslichen Krankenpflege zu erreichen (BSG, a.a.O., juris Rn. 15). Dies ist wie dargelegt in dem hier zu entscheidenden Fall jedoch gerade nicht der Fall. Als Alternative zur stationären Behandlung ist nur die AHB in einer spezialisierten pulmologischen Reha-Einrichtung in Betracht gekommen. Einen AHB-Platz konnte die Beklagte jedoch erst zum 27. Januar 2010 anbieten. Eine andere Leistungsart nach § 11 ff SGB V war nach Überzeugung des Senats ausgeschlossen, da der Versicherte in vorliegendem Rechtsstreit im Hinblick auf die ärztliche Überwachung auf besondere Mittel einer stationären Einrichtung angewiesen war, so dass bis zur Ermöglichung der AHB der Anspruch auf Behandlung einer Krankheit nach §§ 11 Abs. 1 Nr. 4, 27 ff SGB V nur durch die Überschreitung der GVD im Klinikum der Klägerin möglich war. Die stationäre Krankenhausbehandlung war somit aus medizinischen Gründen notwendig (s.a. BSG, a.a.O., juris Rn. 27 ff).

Zu Recht verweist die Klägerin hierbei auf ein treuwidriges Verhalten der Beklagten. Die Klägerin hat für den Versicherten frühzeitig am 30. Dezember 2009 per Fax den Antrag auf eine AHB-Maßnahme gestellt. Eine Mitteilung von der Beklagten an die Klägerin erging erst am 7. Januar 2010; mit Fax erst vom 19. Januar 2010, also bereits nach Ablauf der GVD, erging die Mitteilung über eine mögliche Aufnahme in der Fachklinik im A. ab 27. Januar 2010 – also erst nach 20 Tagen. Die Aufnahme erst am 27. Januar 2010 (28 Tage später) lag im Verantwortungsbereich bzw. im Verhalten der Beklagten begründet. Dabei liegt es im Übrigen auch nahe, dass der Jahreswechsel mit zu der Verzögerung beigetragen hat. Es ist treuwidrig (§ 242 BGB analog), nun der Klägerin, die sich frühzeitig bereits am 30. Dezember 2009 um eine AHB bemüht hat, den Vergütungsanspruch vorzuenthalten mit der Begründung, dass die GVD ab 17. Januar 2010 überschritten sei. Dabei war die Lungenfachklinik P-Stadt über den Sozialdienst der Klägerin als geeignete Einrichtung empfohlen worden – dies ist jedoch für die Beklagte nicht bindend. Ihr hätte es offen gestanden bzw. es wäre sogar eine Obliegenheit der Beklagten gewesen, bei Belegungsproblemen zeitnah eine andere vergleichbar geeignete Einrichtung für die AHB auszuwählen.

Hinsichtlich des Zinsanspruchs wird ebenfalls gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die Ausführungen des Sozialgerichts verwiesen.

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg war somit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a SGG in Verbindung mit §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Der Streitwert ist mit der streitigen Forderung in Höhe von 10.483,32 EUR anzusetzen (§ 197 a SGG i.V.m. § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz – GKG).

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).