Bundessozialgericht B 1 KR 24/02 R

Bundessozialgericht

Urteil vom 18.05.2004

  • Sozialgericht Köln S 9 KR 108/96
  • Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 16 KR 117/98
  • Bundessozialgericht B 1 KR 24/02 R

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 25. April 2002 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I

Der klagende Sozialhilfeträger begehrt von der beklagten Krankenkasse die Erstattung von Kosten, die durch eine psychiatrische Krankenhausbehandlung der Beigeladenen entstanden sind; die Beklagte bestreitet die Familienversicherung der Beigeladenen und die rechtzeitige Anmeldung des Erstattungsanspruchs.

Die Beklagte hatte der 1968 geborenen Beigeladenen bis zur Vollendung des 23. Lebensjahres im Juli 1991 die bis dahin notwendig gewordene psychiatrische Behandlung aus der beim Vater bestehenden Familienversicherung gewährt. Für eine erneute stationäre Behandlung vom 5. Februar bis 18. Juli 1994 sowie vom 21. Juli 1994 bis zum 28. Februar 1995 in einer Klinik für Psychiatrie und Psychosomatik kam demgegenüber zunächst der Kläger auf. Am 28. April 1994 setzte er die Beklagte mit Formularschreiben vom 25. April davon in Kenntnis, dass er für die Beigeladene seit dem 5. Februar 1994 „Krankenhilfe“ mit Aufwendungen von monatlich etwa 8.000 DM erbringe und meldete einen materiell-rechtlich aus der Familienversicherung abgeleiteten Erstattungsanspruch an; beigefügt war die Kopie eines an den Kläger gerichteten Antrags der Klinik vom 7. Februar 1994 auf Übernahme der Kosten einer stationären Behandlung für eine „voraussichtliche Dauer“ von 60 Tagen. Nachdem die Beklagte im Mai 1994 den Erstattungsanspruch mangels Versicherungsschutzes der Beigeladenen abgelehnt hatte, zeigte der Kläger im August 1994 unter Hinweis auf erneute „Krankenhilfe“ für die Beigeladene ab dem 21. Juli 1994 und die dadurch entstehenden Kosten in Höhe von etwa 8.000 DM im Monat einen weiteren Erstattungsanspruch an. Im Zuge des folgenden Schriftwechsels der Beteiligten stellte der Kläger dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Behandlungsunterlagen zur Verfügung, aus denen dieser schloss, dass die Beigeladene nicht unfähig zum eigenen Unterhalt und daher nicht mehr familienversichert gewesen sei; sie habe nämlich 1993 mit einem Zuhälter zusammengelebt und nach Abschluss der stationären Behandlung im Februar 1995 in eine eigene Wohnung entlassen werden können. Diese Auffassung machte sich die Beklagte in einem weiteren Ablehnungsschreiben vom Juni 1995 zu Eigen und verneinte erneut die Voraussetzungen der Familienversicherung.

Das Sozialgericht hat die im August 1996 erhobene, auf Erstattung von Behandlungskosten in Höhe von 138.774,12 DM = 70.954,08 ¤ gerichtete Klage mit Urteil vom 30. Juni 1998 abgewiesen, weil die Beigeladene nicht familienversichert gewesen sei. Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) dieses Urteil aufgehoben und die Beklagte zur Erstattung des Betrags zuzüglich Zinsen in Höhe von 4 vH seit dem 1. August 1996 verurteilt. Die Beigeladene sei über das 23. Lebensjahr hinaus nach § 10 Abs 2 Nr 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) familienversichert gewesen, weil sie seit einer Anfang Mai 1991 beendeten stationären psychiatrischen Behandlung und somit vor Vollendung des 23. Lebensjahres bis zur erneuten Krankenhausaufnahme im Februar 1994 wegen seelischer Behinderung außer Stande gewesen sei, sich selbst zu unterhalten. Von dieser Tatsache sei das Gericht auf Grund des Gesamtergebnisses der Ermittlungen, insbesondere des im Berufungsverfahren eingeholten neurologisch-psychiatrischen Gutachtens überzeugt. Danach müsse davon ausgegangen werden, dass die Beigeladene auf Grund ihrer massiven Persönlichkeitspathologie im fraglichen Zeitraum jede Form von Tätigkeit, in welcher Stetigkeit, Belastbarkeit, Umstellungsfähigkeit und auch Konfliktfähigkeit gefordert werde, nach kurzer Zeit infolge des neuen Auftretens von massiven Symptomen hätte abbrechen müssen. Der tatsächliche Lebenswandel der Beigeladenen mit einer nicht als versicherungspflichtig gemeldeten Tätigkeit in einer Diskothek, die in eine Beziehung zu einem Zuhälter gemündet sei, widerspreche dieser Beurteilung entgegen der Auffassung der Beklagten ebenso wenig wie eine von der AOK Hamburg bescheinigte versicherungspflichtige Beschäftigung vom 15. August bis 10. Oktober 1992, die schon wegen ihrer kurzen Dauer die damalige fehlende Stabilität der Beigeladenen bestätige. Diese Beschäftigung habe die Familienversicherung nicht erlöschen lassen, sondern lediglich unterbrochen. Da die Beschäftigung nicht Ausdruck einer relevanten Erwerbsfähigkeit gewesen sei und somit die Voraussetzungen des § 10 Abs 2 Nr 4 SGB V dauerhaft vorgelegen hätten, sei die Familienversicherung mit Wegfall des Ausschlusstatbestandes der versicherungspflichtigen Beschäftigung wieder in Kraft getreten.

Der Kläger habe den Erstattungsanspruch rechtzeitig angemeldet, sodass er damit nicht wegen § 111 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ausgeschlossen sei. Sein Schreiben vom 25. April 1994 habe die unmissverständliche Erklärung der Erstattungsforderung sowie die Gründe für die Einstandspflicht der Beklagten enthalten und im Wesentlichen die Leistungen umschrieben, die als nachrangige Sozialleistung erbracht worden seien. Das Fehlen weiterer Angaben sei unschädlich, da an die Anzeige iS des § 111 SGB X keine überspannten Anforderungen zu stellen seien. Damit liege jedenfalls eine ausreichende Geltendmachung für die darin als voraussichtliche Dauer genannten ersten 60 Tage der stationären Behandlung vor. Mangels ausdrücklicher Beschränkung auf diesen Zeitraum müsse es für die fristgerechte Anmeldung des weiteren Anspruchs ausreichen, dass der Beklagten innerhalb eines Jahres die Fortsetzung der Krankenhausbehandlung bekannt geworden sei, weil ihr der MDK am 15. März 1995 eine Mitteilung des Klägers über den bisherigen Behandlungsverlauf zugeleitet habe (Urteil vom 25. April 2002).

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung von § 10 Abs 2 Nr 4 SGB V und von § 111 SGB X. Selbst wenn angenommen werde, dass die Familienversicherung der Beigeladenen über deren 23. Lebensjahr hinaus fortbestanden habe, könne sie nach dem Ende der versicherungspflichtigen Beschäftigung im Jahre 1992 nicht wieder aufgelebt sein. Die gegenteilige Auffassung des LSG komme einem Ruhen der Familienversicherung gleich, für das es keine gesetzliche Grundlage gebe. Unabhängig davon sei der Erstattungsanspruch für Behandlungszeiträume ab dem 7. April 1994 insgesamt ausgeschlossen, weil der Kläger ihn nicht ordnungsgemäß angemeldet habe. Die Anmeldung vom 25. April 1994 beziehe sich ausdrücklich nur auf die ersten sechzig Tage der Krankenhausbehandlung und somit lediglich auf die Zeit bis 6. April 1994. Die weitere Anmeldung vom 19. August 1994 lasse weder Leistungsart noch Leistungsdauer erkennen; ein Zusammenhang mit der ersten Anmeldung sei für sie (die Beklagte) nicht erkennbar gewesen. Dieser Mangel werde nicht dadurch geheilt, dass sie lediglich mittelbar und gewissermaßen zufällig über den MDK von den maßgeblichen Leistungsdaten für einen möglichen weiteren Erstattungsanspruch erfahren habe. Das entsprechende Schreiben des Klägers habe überdies gar nicht der Anmeldung des Erstattungsanspruchs, sondern der Klärung der medizinischen Voraussetzungen der Familienversicherung der Beigeladenen dienen sollen.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 25. April 2002 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 30. Juni 1998 zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

II

Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet.

Wie die Vorinstanzen zutreffend angenommen haben, ist die Klage zulässig. Streitgegenstand ist nicht der Status der Beigeladenen als Familienversicherte, den ein Sozialhilfeträger nicht feststellen lassen könnte (vgl BSG SozR 3-5910 § 91a Nr 6). Vielmehr ist die Familienversicherung der Beigeladenen und der daraus abzuleitende konkrete Leistungsanspruch lediglich Vorfrage für die umstrittene Erstattungspflicht der Beklagten.

Das LSG ist zu Recht zum Ergebnis gekommen, dass die Beklagte nach § 104 Abs 1 Satz 1 SGB X erstattungspflichtig ist. Nach dieser Regelung ist dann, wenn ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs 1 SGB X vorliegen, derjenige Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Hier hatte die Beklagte als vorrangig verpflichteter Leistungsträger für die Krankenhausaufenthalte der Beigeladenen aufzukommen, weil diese jedenfalls bis Ende Februar 1995 bei ihr familienversichert war. Die Voraussetzungen des § 10 Abs 2 Nr 4 SGB V für eine Familienversicherung ohne Altersgrenze sind bei der Beigeladenen erfüllt. Denn den unangefochtenen Feststellungen des Berufungsurteils ist zu entnehmen, dass die Beigeladene – wie vom Gesetz gefordert – über ihr 23. Lebensjahr hinaus wegen einer vorher eingetretenen Behinderung außer Stande war, sich selbst zu unterhalten (zur insoweit gleichen Rechtslage bis zum 31. Dezember 1989 allgemein vgl BSGE 49, 159 = SozR 2200 § 205 Nr 30; BSG USK 82100; BSG USK 9042; vgl auch BSG SozR 3-7140 § 90 Nr 1).

Diese Bewertung des LSG beruht in tatsächlicher Hinsicht auf eingehenden Ermittlungen und auf einer ausführlichen Würdigung der gesamten bekannten Lebensumstände der Beigeladenen einschließlich der von ihr vorübergehend ausgeübten Beschäftigungen. Die Beklagte hat im Revisionsverfahren erklärt, dass sie die daraus vom LSG gezogene Schlussfolgerung akzeptiert. Die Einwendungen der Beklagten gegen ihre Leistungszuständigkeit und Leistungspflicht nach § 10 Abs 2 Nr 4 SGB V beziehen sich ausschließlich auf eine vom 15. August bis zum 10. Oktober 1992 bei der AOK Hamburg gemeldete versicherungspflichtige Beschäftigung der Beigeladenen; das LSG habe verkannt, dass der dadurch herbeigeführte Ausschluss der Familienversicherung diese endgültig beendet habe. Ein Ruhen der Familienversicherung mit der Möglichkeit des späteren Wiederauflebens sei im Gesetz nicht vorgesehen. Dem folgt der Senat nicht.

Richtig ist an den Ausführungen der Beklagten nur, dass die Familienversicherung nach § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V nicht eingreift, wenn der betroffene Familienangehörige nach anderen Regelungen versichert ist. Die Versicherungspflicht auf Grund einer abhängigen Beschäftigung schließt die Familienversicherung demnach aus. Das gilt entgegen einer möglichen Vorstellung der Beklagten allerdings nicht nur, wenn die Beschäftigung der zuständigen Krankenkasse als versicherungspflichtig gemeldet war, denn die Versicherungspflicht entsteht nach § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V unabhängig von einer formellen Meldung bereits kraft Gesetzes. Der Ausschluss der Familienversicherung durch eine Beschäftigtenversicherung gilt für alle Tatbestände der Familienversicherung und nicht nur bei Kindern, die – wie die Beigeladene – wegen einer Behinderung außer Stande sind, sich selbst zu unterhalten; bei diesen ist die Aufnahme einer Beschäftigung jedoch zusätzlich zum rechtlichen Ausschlussgrund regelmäßig ein tatsächliches Indiz dafür, dass sie nicht (mehr) gehindert sind, für den eigenen Unterhalt aufzukommen. Unter diesem Blickwinkel kann eine Beschäftigung aus tatsächlichen Gründen durchaus zum dauerhaften Ausschluss der Familienversicherung eines behinderten Kindes führen. Diese Erwägung kann der Revision im vorliegenden Fall jedoch nicht zum Erfolg verhelfen; denn die unangefochtenen tatsächlichen Feststellungen des LSG haben – wie bereits ausgeführt – ergeben, dass die Beigeladene trotz der zwischenzeitlichen Beschäftigungen im hier maßgeblichen Zeitraum selbst nicht in der Lage war, für ihren Unterhalt zu sorgen.

Der daher allein unter rechtlichen Aspekten zu betrachtende Einwand der Beklagten steht dem Erstattungsanspruch des Klägers nicht entgegen. Die einmal begründete Familienversicherung ohne Altersgrenze wird durch eine vorübergehende Beschäftigtenversicherung nur überlagert und nicht auf Dauer beseitigt. Darauf weist der Wortlaut des § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V hin, indem die verwendete Gegenwartsform („&8230; versichert sind“) nahe legt, dass die Ausschlussnorm nur eingreift, wenn ein anderer Versicherungstatbestand und die Familienversicherung zeitlich zusammentreffen. Da das Gesetz nur einen einheitlichen Ausschlusstatbestand der anderweitigen Versicherung kennt und insofern nicht zwischen der Familienversicherung eines behinderten Kindes und anderen Fällen der Familienversicherung unterscheidet, müsste beispielsweise die Aufnahme einer Beschäftigung durch den familienversicherten Ehegatten eines Versicherten dieselbe Rechtsfolge nach sich ziehen, wie sie die Beklagte bei der Beigeladenen annehmen will: Gäbe der Ehegatte seine Beschäftigung wieder auf, dürfte dies nach Auffassung der Beklagten konsequenterweise nichts am endgültigen Ausschluss der Familienversicherung ändern. Dass dies aber dem Sinn der Vorschriften über die Familienversicherung widerspricht, bedarf keiner näheren Ausführungen.

Ein systematischer Gesichtspunkt bestätigt dieses Ergebnis. Das Gesetz regelt verschiedentlich, dass ein Versicherungstatbestand einen anderen ausschließt (neben § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 2 insbesondere § 5 Abs 6, 7 und 8 sowie § 189 Satz 2 SGB V). Mit derartigen Regelungen wird regelmäßig eine Rangfolge festgelegt. In diesem Sinne hat der Senat auch den hier betroffenen § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V interpretiert (so auch Peters in Kasseler Kommentar, Stand März 2004, § 10 RdNr 9) und daraus auf einen Aufschub, aber keinen endgültigen Ausschluss der Familienversicherung durch einen nachgehenden Anspruch nach § 19 Abs 2 SGB V geschlossen (BSGE 89, 254, 255 f = SozR 3-2500 § 19 Nr 5 S 23 f). Bereits in diesem Zusammenhang hat der Senat auf die seit langem bestehende Rechtsprechung zum Rangverhältnis zwischen der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) einerseits und der Beschäftigtenversicherung bzw dem daraus abgeleiteten nachgehenden Versicherungsschutz andererseits hingewiesen; in den dazu ergangenen Entscheidungen hat das Bundessozialgericht (BSG) die Beschäftigtenversicherung gegenüber der KVdR und diese gegenüber dem nachgehenden Versicherungsschutz als vorrangig angesehen (so BSGE 14, 278 = SozR Nr 4 zu § 182 RVO; BSG DOK 1966, 469; BSG SozR Nr 4 zu § 214 RVO). Selbstverständliche Grundlage war dabei das Wiederaufleben der nachrangigen Versicherung, sobald der vorrangige Versicherungstatbestand endete, wie es beispielsweise für die vorübergehende Verdrängung der KVdR durch eine versicherungspflichtige Beschäftigung angenommen wurde (BSGE 14, 278, 279 = SozR Nr 4 zu § 182 RVO Bl Aa2; so auch Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Stand September 1989, 448l f). Es spricht nichts dafür, das Verhältnis von Beschäftigtenversicherung und Familienversicherung anders zu beurteilen.

Anders als die Beklagte meint, steht dem Erstattungsanspruch des Klägers auch § 111 SGB X nicht entgegen. Nach Satz 1 dieser Bestimmung ist der Anspruch auf Erstattung ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Die Leistungszeiträume, die dem Streit der Beteiligten zu Grunde liegen, haben am 18. Juli 1994 bzw am 28. Februar 1995 geendet, sodass die Fristen für die Geltendmachung am 18. Juli 1995 bzw am 28. Februar 1996 endeten. Nach den unangefochtenen Feststellungen des LSG hat der Kläger diese Fristen gewahrt.

In rechtlicher Hinsicht ist durch höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt, dass der Begriff des „Geltendmachens“ im Zusammenhang mit § 111 Satz 1 SGB X keine gerichtliche Geltendmachung und keine Darlegung in allen Einzelheiten, sondern das Behaupten oder Vorbringen meint. Allerdings muss der Wille erkennbar werden, zumindest rechtssichernd tätig zu werden. Eine bloß vorsorgliche Anmeldung reicht dagegen nicht aus. Unter Berücksichtigung des Zwecks der Ausschlussfrist, möglichst rasch klare Verhältnisse darüber zu schaffen, ob eine Erstattungspflicht besteht, muss der in Anspruch genommene Leistungsträger bereits beim Zugang der Anmeldung des Erstattungsanspruches ohne weitere Nachforschungen beurteilen können, ob die erhobene Forderung ausgeschlossen ist. Dazu ist er im Rahmen von § 111 Satz 1 SGB X ohne Kenntnis des Forderungsbetrages in der Lage, wenn der Zeitraum hinreichend konkret mitgeteilt wird, für den die Sozialleistungen erbracht wurden. Da der Erstattungsanspruch iS des § 111 Satz 1 SGB X bereits geltend gemacht werden kann, bevor die Ausschlussfrist zu laufen begonnen hat, können allgemeine Angaben genügen, die sich auf die im Zeitpunkt des Geltendmachens vorhandene Kenntnisse über Art und Umfang künftiger Leistungen beschränken (zum Ganzen BSG SozR 3-1300 § 111 Nr 9 S 37 f mwN). Dieser Auslegung schließt sich der Senat an.

Nach den aufgezeigten Kriterien hat der Kläger den Erstattungsanspruch für den am 18. Juli 1994 endenden Zeitraum am 28. April 1994 wirksam geltend gemacht. Diese Anmeldung durfte die Beklagte nicht deshalb als zeitlich begrenzt ansehen, weil in dem beigefügten Kostenübernahmeantrag des Krankenhauses vom 7. Februar 1994 von einer voraussichtlichen Aufenthaltsdauer von 60 Tagen ab dem 5. Februar 1994 die Rede war. Da der letztgenannte Zeitraum am 28. April 1994 bereits vollständig in der Vergangenheit lag, hätte die Beklagte das Formularschreiben des Klägers allenfalls mit einem ausdrücklichen Hinweis auf das bereits eingetretene Ende der stationären Behandlung in dem von ihr gewünschten Sinne verstehen können. Zu einem Hinweis auf das Ende des Leistungszeitraums hatte der Kläger allerdings keinen Anlass. Denn die Antwortschreiben der Beklagten vom Mai 1994 ließen für den Kläger nicht erkennen, dass die Beklagte der Kenntnis des End-Datums Bedeutung beilegen würde; sie bestritt ihre Leistungspflicht nämlich ausschließlich wegen der angeblich fehlenden Familienversicherung der Beigeladenen, für die der Endzeitpunkt der Behandlung ersichtlich keine Rolle spielen konnte.

Mit Rücksicht auf den Schriftwechsel bezüglich des ersten Leistungszeitraums genügt auch die Anmeldung des Folgeanspruchs für die stationäre Behandlung vom 21. Juli 1994 bis 28. Februar 1995 mit Formularschreiben vom 19. August 1994 den Anforderungen an eine fristwahrende Geltendmachung. Nachdem sich die Auseinandersetzung der Beteiligten in der Vorkorrespondenz auf die Frage der Familienversicherung der Beigeladenen beschränkt hatte, bedeutet es keinen wesentlichen Mangel der Folgeanmeldung, dass der Kläger nicht nochmals die Art der Leistung (= stationäre psychiatrische Behandlung) präzisierte und diese lediglich pauschal als „Krankenhilfe“ bezeichnete. Außerdem enthält das Schreiben vom 19. August 1994 diesbezüglich zumindest insoweit einen Hinweis, als die ungefähren monatlichen Kosten ebenso wie in der ersten Anmeldung mit 8.000 DM angegeben wurden und so ohne Weiteres den Schluss nahe legten, es handele sich um die gleichen Leistungen, wie sie der Kläger der Beigeladenen bereits zuvor gewährt hatte. Überdies hat die Beklagte die weiteren Informationen über die dem Erstattungsbegehren zu Grunde liegende Behandlung am 15. März 1995 – also weniger als einen Monat nach Entlassung der Beigeladenen – dadurch erhalten, dass ihr der MDK Behandlungsunterlagen weiterleitete, die der Kläger diesem auf ausdrückliche Bitte der Beklagten selbst zur Verfügung gestellt hatte. In dieser Situation hätte es der Beklagten oblegen, den Kläger darauf aufmerksam zu machen, dass sie seine Anmeldung für unvollständig hielt; hierzu hätte spätestens im Schreiben vom 19. Juni 1995 Anlass bestanden, mit dem sie den Erstattungsanspruch indessen wiederum nur unter Hinweis auf die fehlende Familienversicherung der Beigeladenen ablehnte. Den ausschließlich sachlichen Einwand musste der Kläger so verstehen, dass der Erstattung aus Sicht der Beklagten keine aus dem Erstattungsrecht des SGB X abgeleiteten Hindernisse entgegenstanden. Eventuelle Mängel bei der Geltendmachung des Erstattungsanspruches hätte die Beklagte entsprechend dem Grundsatz des § 86 SGB X mitteilen müssen. Die in § 86 SGB X festgelegte Pflicht der Leistungsträger, bei der Erfüllung ihrer Aufgaben eng zusammenzuarbeiten, wird zwar für den Fall der sich gegenseitig beeinflussenden Leistungspflichten im Gesetz nicht durch Einzelvorschriften näher konkretisiert. Sie umfasst jedoch zumindest die Verpflichtung, bei widerstreitenden gegenseitigen Interessen auch die Belange des anderen Versicherungsträgers angemessen zu berücksichtigen (in diesem Sinne bereits BSG SozR 3-1300 § 111 Nr 9 S 39 f unter Bezugnahme auf BSGE 57, 146, 150 = SozR 1300 § 103 Nr 2).

Der Zinsanspruch des Klägers ergibt sich aus § 108 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB X. Der vom LSG ermittelte Beginn der Verzinsung mit dem In-Kraft-Treten dieser Bestimmung am 1. August 1996 (Gesetz vom 23. Juli 1996, BGBl I 1088) steht im Einklang mit der Entscheidung des Senats vom 23. Februar 1999 (BSG SozR 3-1300 § 111 Nr 7 S 24).

Da somit die Einwände der Revision gegen das Berufungsurteil weder hinsichtlich der Familienversicherung der Beigeladenen noch hinsichtlich der erstattungsrechtlichen Ausschlussfrist durchgreifen, musste der Senat die Revision zurückweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden und hier noch anzuwendenden Fassung (vgl BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 24).

 

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen

Urteil vom 25.04.2002 (nicht rechtskräftig)

  • Sozialgericht Köln S 9 KR 108/96
  • Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 16 KR 117/98
  • Bundessozialgericht B 1 KR 24/02 R

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 30. Juni 1998 geändert. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger 138.774,12 DM = 70.954,08 EURO zuzüglich 4 % Zinsen seit dem 01. August 1996 zu zahlen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten Erstattung von Kosten, die er anläßlich einer stationären Behandlung der Beigeladenen getragen hat.

Die am 05.07.19 … geborene Beigeladene begann nach dem 1985 erworbenen Hauptschulabschluss mehrere Berufsausbildungen, die sie aber nach kurzer Zeit jeweils abbrach. 1989 begab sie sich erstmals wegen psychovegetativer Symptome in ambulante Behandlung. Vom 14.05.1990 bis zum 11.01.1991 und vom 13.04.1991 bis zum 03.05.1991 war sie in stationärer Behandlung in der Klinik für Psychiatrie und Psychosomatik der Städtischen Kliniken D … – …-Krankenhaus -, Leitender Arzt Prof. Dr. D …, wegen einer Angstneurose bei hysterischer Persönlichkeitsstörung. Die Kosten dieser Behandlung übernahm die Beklagte im Rahmen einer über den Vater der Beigeladenen bestehenden Familienversicherung (§ 10 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – SGB V -). Zwischen 1991 und 1994 hatte die Beigeladene Beziehungen zu einem Mann aus dem Zuhälter-Milieu und arbeitete u.a. vorübergehend in Bars und als Prostituierte. Sie kehrte schließlich in den Haushalt des Vaters zurück.

Am 05.02.1994 wurde sie erneut in der genannten Klinik wegen Angstneurose mit psychovegetativer Symptomatik aufgenommen. An die bis zum 18.07.1994 dauernde Behandlung schloß sich eine weitere Behandlung im selben Krankenhaus vom 21.07.1994 bis 28.02.1995 wegen derselben Symptomatik an. Die Kosten dieser beiden stationären Behandlungen trug der Kläger als zuständiger Sozialhilfeträger.

Im April 1994 meldete der Kläger bei der Beklagten einen Erstattungsanspruch an, weil die Beigeladene familienversichert sei. Beigefügt war ein Kostenübernahmeantrag des …-Krankenhauses vom 07.02.1994, in dem die voraussichtliche Behandlungsdauer mit 60 Tagen angegeben worden ist. Mit Schreiben vom 03. und 30.05.1994 lehnte die Beklagte eine Kostenerstattung ab, weil die Beigeladene am 05.07.1993 das 25. Lebensjahr vollendet habe und keine Anhaltspunkte dafür vorlägen, daß sie wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande sei, sich selbst zu unterhalten, zumal sie seit 1991 nicht in ständiger ambulanter Behandlung gestanden habe.

Unter dem 19.08.1994 meldete der Kläger erneut einen Erstattungsanspruch ab dem 21.07.1994 – Aufwendungen monatlich ca. 8.000,– DM – an. Die Beklagte veranlaßte eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenkasse – MDK Nordrhein -, der unter dem 12.05.1995 die Voraussetzungen einer Familienversicherung verneinte, weil die Beigeladene nach dem Bericht des B …-Krankenhauses 1993 mit einem Partner, der Zuhälter gewesen sei, in Hamburg gelebt habe und nach Abschluß der Behandlung im B …-Krankenhaus in eine eigene Wohnung habe entlassen werden können; diese Fakten sprächen gegen eine so starke Behinderung, dass sie einen Selbstunterhalt ausgeschlossen habe.

Der Kläger hat am 29.08.1996 vor dem Sozialgericht – SG – Köln Klage auf Erstattung der Kosten für die stationäre Behandlung der Beigeladenen in der Zeit vom 05.02.1994 bis 18.07.1994 und 21.07.1994 bis 28.02.1995 erhoben, die er auf 138.774,02 DM beziffert hat. Er hat geltend gemacht, die Beigeladene sei seelisch wesentlich behindert. Diese Behinderung habe mit Sicherheit seit 1990 bestanden. Die Beigeladene sei nicht erwerbstätig gewesen und sei auch wegen der Behinderung außerstande, sich selbst zu unterhalten. In Krisen- und Streßsituationen sei es immer wieder zu Symptomen gekommen, die sie unfähig machten, für sich selbst zu sorgen. Hierfür sprächen die langen stationären Behandlungen. Die zeitweise Symptomfreiheit bedeute nicht, dass in diesen Intervallen die Fähigkeit bestanden habe, für den eigenen Lebensunterhalt zu arbeiten. Der Kläger hat den Entlassungsbericht des …-Krankenhauses … vom 22.03.1991 – Prof. Dr. D … – vorgelegt. Darin ist abschließend ausgeführt, die mangelnde Introspektionsfähigkeit der Patientin mache eine analytisch orientierte Therapie kaum möglich und sie sei am 11.01.1991 in einem relativ stabilen Zustand aus der stationären Behandlung entlassen worden. Die Beklagte hat ferner eine Stellungnahme der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie T … vom Gesundheitsamt der Stadt D … vorgelegt. Die se hat unter dem 18.08.1994 festgestellt, dass bei der Beigeladenen eine psychische Fehlentwicklung mit erheblichen Lebenskonflikten vorliege. Diese Krankheit bestehe mit Sicherheit seit 1990 und sei nach wie vor behandlungs bedürftig. Die Erkrankung gehe mit einer wesentlichen seelischen Behinderung einher, die nicht nur vorübergehend vorhanden sei, sondern langfristig bestehen werde. Eine Gesundung könne nur dann eintreten, wenn die Beigeladene dazu in der Lage sei, ihre Persönlichkeitskonflikte zu bearbeiten. In einer weiteren Stellungnahme vom 02.08.1995 hat Dr. T … vermutet, dass die Beigeladene zwischen den Klinikaufenthalten 1991 und 1994 arbeitsfähig gewesen sei, weil sie nach eigenen Angaben zwischenzeitlich mit einem Freund zusammengelebt und sich aufgrund dieser Beziehung ihren allgemeinen Lebensängsten weniger ausgesetzt gefühlt habe. In dieser Zeit sei auch keine Behandlung in Anspruch genommen worden, auch wenn von einer echten Gesundung nicht gesprochen werden könne. Nach Zerstörung der Beziehung sei erneut eine angstneurotische Symptomatik aufgetreten.

Der Kläger hat weitere Berichte von Prof. Dr. D … vom 22.11.1994, 24.02. und 20.04.1995 vorgelegt.

Das SG hat Berichte der die Beigeladene behandelnden Ärzte Dr. R …, Internist in D …, und M …, Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie, eingeholt. Letzterer hat unter dem 17.06.1997 Behandlungen am 13.03.1991, 03.02.1994, 01.03.1995, 14.05. und 11.06.1996 sowie 17.01.1997 bescheinigt und die Ansicht vertreten, im Verlauf der letzten zwei Jahre habe sich gezeigt, dass die Beigeladene zunehmend soziale Phobien ausgebildet habe und daher weder in der Lage sei, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen noch die alltäglichen Verrichtungen regulär zu bewältigen.

Das SG hat sodann den Entlassungsbericht der …klinik … beigezogen, wo die Klägerin vom 22.10. bis 03.12.1996 im Rahmen einer medizinischen Rehabilitation aufgenommen worden war; darauf wird Bezug genommen.

Mit Urteil vom 30.06.1998 hat das SG die Klage abgewiesen.

Auf die Entscheidungsgründe wird verwiesen.

Gegen das ihm am 18.08.1998 zugestellte Urteil hat der Kläger am 27.08.1998 Berufung eingelegt. Er macht geltend, die Angaben der Beigeladenen über eine „längere Tätigkeit als Saisonarbeiterin im Gastgewerbe“ müsse sich auf einen Zeitpunkt vor der ersten achtmonatigen Klinikbehandlung bezogen haben. Bei der Beklagten sei die Beigeladene jedenfalls (selbständig) nur im Zeitraum vom 21.09. bis 25.11.1988 versichert gewesen. Für ein eigenständiges Erwerbsleben über mehr als zwei Monate hinaus fehlten jegliche Anhaltspunkte. Auch die halbjährige Tätigkeit als „Hotelsekretärin“ datiere auf die Zeit von Januar bis Juni 1996 und liege damit deutlich nach dem maßgeblichen Stichtag des 04.07.1991. Auch insoweit zeige sich, dass sich die Beigeladene nur mühsam durch die Probezeit gequält und diese letztlich auch nicht überstanden habe. Spätestens ihre fünfwöchige Arbeitsunfähigkeit vom 13.05. bis 21.06.1996 wegen „Panikstörungen“ verdeutlichten das ganze Ausmaß der beruflichen Perspektivlosigkeit. Auch wenn die Beigeladene seit dem 22.06.1996 Arbeitslosenhilfe beziehe, bedeute dies nur, dass sie lediglich formal „dem Arbeitsmarkt zur Verfügung“ stehe. Die Beigeladene hat des Weiteren ein Gutachten des Dr. O …, Landesarzt für geistig und seelisch Behinderte, vom 27.11.1998 vorgelegt, auf welche Bezug genommen wird.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 30.06.1998 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 138.774,12 DM zuzüglich 4 % Zinsen seit dem 01.08.1996 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, der Kläger lasse die abgeschlossene Ausbildung der Beigeladenen zur Hotelsekretärin zu Unrecht außer Betracht. Es bleibe festzuhalten, dass letztere nicht nur als Saisonarbeiterin im Gastgewerbe und als Hotelsekretärin, sondern auch als Auszubildende eine vollständige Ausbildung absolviert habe. Es sei unerheblich, dass während der Ausbildungszeiten Angstneurosen bestanden hätten. Nach alledem sei die Beigeladene jedenfalls bis Juli 1996 in der Lage gewesen, sich selbst zu unterhalten.

Der Senat hat vom Klinikum D … – …-Krankenhaus – die Krankenakte der Beigeladenen beigezogen und letztere schriftlich und mündlich gehört.

Der Senat hat sodann ein Gutachten von Dr. D …, Ärztlicher Leiter der Klinikum am … – Klinik … – Fachbereich Neurologie -, eingeholt. In seinem Gutachten vom 30.10.2001 hat Dr. D … dargelegt, die Beigeladene habe seit Beginn 1990 an einer bedeutsamen geistig-seelischen Behinderung gelitten, welche im Sinne einer „ich-strukturellen-Persönlichkeitsstörung“ zu interpretieren sei und zu verschiedensten seelischen wie körperlichen Auffälligkeiten geführt und sie außerstande gesetzt habe, längerfristig einer Erwerbstätigkeit nachzugehen und sich selbst zu unterhalten. Es könne mit Sicherheit gesagt werden, dass die stationär-psychiatrischen Behandlungen vom 14.05.1990 bis 11.01.1991 sowie vom 13.04. bis 03.05.1991 nicht geeignet gewesen seien, den seelischen Zustand der Beigeladenen zu stabilisieren und hierdurch Arbeits- und Erwerbsfähigkeit wiederherzustellen. Es müsse davon ausgegangen werden, dass der seelische Zustand der Beigeladenen in der Zeit vom 05.07.1991 bis 05.02.1994 in wechselnder Intensität schwer beeinträchtigt gewesen sei. Dies begründe sich durch die Art ihrer Krankheit und die hiermit verbundenen ich-strukturellen-Defizite, die Störungen der Konflikt- und Beziehungsfähigkeit. Auch die Tatsache vorübergehender kurzfristiger Tätigkeiten oder einer Tätigkeit im Rotlicht-Milieu sprächen nicht gegen diese Einschätzung. Kurzfristige, über mehrere Wochen oder wenige Monate andauernde Stabilisierungen bedingten nicht, dass die Beigeladene in der Lage gewesen sei, dauerhaft oder mehr als sechs Monate, ihren Lebensunterhalt selbständig zu bestreiten. Aufgrund der massiven Persönlichkeitspathologie wäre es in jeder Form von Tätigkeit, in welcher Stetigkeit, Belastbarkeit, Umstellungsfähigkeit und auch Konfliktfähigkeit gefordert gewesen wäre, nach kurzer Zeit zum neuerlichen Auftreten von massiven Symptomen gekommen, die zum Abbruch der Tätigkeit gezwungen hätten. Die Tätigkeiten im Rotlicht-Milieu hätten der Persönlichkeitspathologie entsprochen. Sie seien nicht Ausdruck der Fähigkeit, einer Erwerbstätigkeit zwecks Erzielung ausreichenden Lebensunterhaltes nachzugehen. Diese Tätigkeiten seien im Wesentlichen gekennzeichnet durch die krankhaften Beziehungsstrukturen, welche geprägt sind durch Ohnmacht, Unterordnung, Gewalt, Abhängigkeit und Aufgabe sämtlicher selbstwertstabilisierender Verhaltensformen. Die Beziehung zum Zuhälter, der gewissermaßen entscheide, was an dem Anderen gut oder böse sei, der das Recht habe, zu geben, zu belohnen oder zu strafen, sei Ausdruck des schweren Persönlichkeitsdefizits. Es sei anzumerken, dass nach dieser Beziehungsphase seit dem 05.02.1994 fast durchgängig stationäre psychiatrische Behandlung erforderlich gewesen sei mit zum Teil ausgeprägten schwersten Krankheitssymptomen, mit Suizidalität und streckenweise der Notwendigkeit von geschlossener- stationär-psychiatrischer Betreuung. Von dieser Betreuung habe die Beigeladene offensichtlich profitiert, so dass sie 1995/1996 wieder kurzfristig tätig gewesen sei und später ihre Fernausbildung absolviert habe.

Die Beklagte hält das Gutachten nicht für überzeugend, weil der berufliche Werdegang der Beigeladenen nicht hinreichend berücksichtigt werde und das Fehlen einer durchgängigen psychiatrischen Behandlung bzw. die Feststellungen des Dr. M … keine hinreichende Berücksichtigung gefunden hätten, der anläßlich der ersten Untersuchung 1991 keinen abnormalen seelischen Befund erhoben habe.

Die Beklagte ist des weiteren der Auffassung, dass entsprechend der von ihr vorgelegten Bescheinigung der AOK Hamburg über eine versicherungspflichtige Beschäftigung im Zeitraum vom 15.08. bis 10.10.1992 die Familienversicherung der Beigeladenen erloschen sei und nicht wieder habe aufleben können.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakten des Klägers und der Beklagten sowie der Krankenhausakte des …-Krankenhauses und der Akte des Arbeitsamtes D … Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte in Abwesenheit der Beigeladenen verhandeln und entscheiden, da diese mit der ordnungsgemässen Ladung auf diese Möglichkeit, deren Zulässigkeit aus den Bestimmungen der §§ 110 Abs. 1, 126, 127 i.V.m. § 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) folgt, hingewiesen worden ist.

Die zulässige Berufung ist begründet.

Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen, denn dem Kläger steht der geltend gemachte Erstattungsanspruch zu.

Nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdaten schutz) ist, wenn ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs. 1 vorliegen, der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Nachrangig verpflichtet ist gemäss § 104 Abs. 1 Satz 2 SGB X ein Leistungsträger, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Beigeladene hatte infolge ihrer Familienversicherung nach § 10 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 4 SGB V gegen die Beklagte Anspruch auf Gewährung der in der Zeit vom 05.02. bis 18.07.1994 und vom 21.07.1994 bis zum 28.02.1995 durchgeführten stationären Behandlung (§ 39 SGB V), über deren Notwendigkeit zwischen den Beteiligten kein Streit und woran zu zweifeln auch für den Senat aufgrund der beigezogenen Krankenunterlagen sowie Feststellungen des Sachverständigen kein Anlass besteht. Der daneben gegebene Anspruch der Beigeladenen gegen den Kläger auf Sozialhilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) ist nach § 2 Abs. 1 BSHG subsidiär, so dass der Kläger als nachrangiger Träger Sozialleistungen im Sinne des § 104 Abs. 1 Satz 2 SGB X erbracht hat (sogenannte Systemsubsidiarität, vgl. BSG, Urt. vom 23.02.1999 – B 1 KR 14/97 R -).

Familienversichert ist ein Kind ohne Altersgrenze, sofern es die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 SGB V erfüllt und wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten (§ 10 Abs. 2 Nr. 4 SGB X in der hier maßgeblichen, bis zum 30.06.2001 geltenden Fassung). Weitere Voraussetzung ist, dass die Behinderung zu einem Zeitpunkt vorlag, in dem das Kind nach Nrn. 1, 2 oder 3 versichert war (§ 10 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 SGB V). Diese Voraussetzungen sind bis zum Ende der hier maßgeblichen stationären Behandlung im Februar 1995 bei der Beigeladenen erfüllt gewesen.

Die Beigeladene war bis zur Vollendung des 23. Lebensjahres im Juli 1991 über ihren Vater bei der Beklagten familienversichert, da sie bis zu diesem Zeitpunkt im Wesentlichen bei ihren Eltern im Inland ihren Wohnsitz hatte (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 SGB V) und bis auf geringfügige Ausnahmen zwischen 1986 und 1988 nicht erwerbstätig gewesen ist (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 SGB V), was die Beklagte u.a. durch die Übernahme der Kosten der stationären Behandlung in den Jahren 1990/91 anerkannt hat. Seit letzterer Behandlung und damit vor Vollendung des 23. Lebensjahres war die Beigeladene aufgrund seelischer Behinderung außerstande, sich selbst zu unterhalten.

Der seelische Gesundheitszustand der Beigeladenen wich seit diesem Zeitpunkt für einen Zeitraum von mehr als 6 Monaten bis zur erneuten stationären Aufnahme im Jahr 1994 von der für ihr Lebensalter normalen Konstitution erheblich ab, so dass sie an einer Behinderung im Sinne des § 10 Abs. 2 Nr. 4 SGB V litt (vgl. dazu Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Rdn. 135 zu § 10; Krauskopf, Kommentar zur gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung, Rdnr. 56 zu § 10 SGB V; siehe ferner BSG SozR 2200 § 1237b Nr. 3; s. jetzt auch Legaldefinition in § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen -, auf welchen § 10 Abs. 2 Nr. 4 in der seit dem 01.07.2001 geltenden Fassung Bezug nimmt). Dies steht zur Überzeugung des Senats aufgrund des gesamten Ermittlungsergebnisses unter besonderer Berücksichtigung der Darlegungen des Sachverständigen Dr. D … fest. Nach dessen Feststellungen, die insbesondere unter Auswertung der in der Krankenakte des …-Krankenhauses dokumentierten Krankengeschichte der Beigeladenen getroffen worden sind, bestand bei der Beigeladenen eine geistig-seelische Behinderung im Sinne einer ich-strukturellen-Persönlichkeitsstörung, die zu verschiedensten seelischen, wie körperlichen Auffälligkeiten führte. Dies deckt sich mit den Erkenntnissen der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie T …, wonach die Beigeladene an einer erheblichen Persönlichkeitsleistungsstörung litt, die sich in einer angstneurotischen Symptomatik mit psychovegetativen Sensationen zeigte. Zu den gleichen Feststellungen sind die behandelnden Ärzte des …-Krankenhauses gelangt. Entgegen der Kritik der Beklagten am Gutachten des Sachverständigen hat auch der behandelnde Psychotherapeut M … in seinem vom SG eingeholten Befundbericht schon anläßlich der Erstuntersuchung am 13.03.1991 Regressionstendenzen, einen Ambivalenzkonflikt sowie eine depressive Stimmung diagnostiziert und zusammenfassend anläßlich der Gesamtbehandlung eine schwere Angsterkrankung mit ausgeprägten sozialen Phobien und eine ebenso stark ausgeprägte psychosomatische Erkrankung bescheinigt. Auch der Entlassungsbericht des …-Krankenhauses vom 22.03.1991 widerspricht diesem Ergebnis nicht, denn dort ist ausdrücklich vermerkt, dass die mangelnde Introspektionsfähigkeit der Beigeladenen eine Therapie kaum zulasse. Die Entlassung in einem „relativ stabilen Zustand“ besagt daher nichts über das Ausmaß der Behinderung.

Dagegen ist die Stellungnahme des MDK – Dr. K … – vom 12.05.1995 unergiebig, da dieser allein aus der Tatsache des Zusammenlebens mit einem Zuhälter im Jahre 1993 und der Entlassung aus dem …-Krankenhaus in eine eigene Wohnung eine schwerwiegende Behinderung ausschliessen will, ohne die Behandlung und die tatsächlichen Lebensumstände der Beigeladen zu würdigen.

Diese seelische Behinderung hinderte die Beigeladene seit der Entlassung aus der stationären Behandlung im Mai 1991 bis zur erneuten stationären Aufnahme 1994, sich selbst zu unterhalten. Sie war nach den Feststellungen des Sachverständigen, die sich mit dem von der Beklagten eingeholten Gutachten des Dr. O …, das der Senat als Parteivorbringen gewürdigt hat, nicht in der Lage, eine Erwerbstätigkeit von gewisser Regelmäßigkeit auszuüben und einen Verdienst oder sonstiges Einkommen zu erzielen, das dem Bestreiten ihres Lebensunterhaltes diente (vgl. zu diesen Erfordernissen Krauskopf a.a.O., Rdn. 58 zu § 10 SGB V; Hauck/Haines, Kommentar zum SGB V, Rdn. 52 zu § 10). Der Sachverständige hat in überzeugender Weise dargelegt, dass die Beigeladene aufgrund ihrer massiven Persönlichkeitspathologie jede Form von Tätigkeit, in welcher Stetigkeit, Belastbarkeit, Umstellungsfähigkeit und auch Konflikt fähigkeit gefordert gewesen wäre, nach kurzer Zeit infolge des neuen Auftretens von massiven Symptomen hätten abbrechen müssen. Da jedenfalls das Erfordernis der Stetigkeit für jegliche, auch einfachste Beschäftigung, wie auch für jegliche selbständige Erwerbstätigkeit unverzichtbare Voraussetzung ist, war die Beigeladene demzufolge gehindert, ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Dieser Beurteilung widersprechen entgegen der Auffassung der Beklagten weder die Erklärungen der Beigeladenen noch ihr tatsächlicher Lebenswandel. Danach hat sie bis zur ersten stationären Behandlung zwei Lehren begonnen, diese aber jeweils nach relativ kurzer Zeit wegen Depressionen, verbunden mit dem Auftreten körperlicher Symptome abgebrochen. Die nach der Entlassung aus der ersten stationären Behandlung 1991 von der Beigeladenen beschriebene Tätigkeit im Service einer Diskothek, die offensichtlich nicht als beitragspflichtige Beschäftigung gemeldet worden ist, mündete dann bereits in die Beziehung zu ihrem Zuhälter. Dass gerade die in dieser Beziehung ausgeübten Tätigkeiten nicht Ausdruck einer ausreichenden Erwerbsfähigkeit gewesen sind, hat der Sachverständige plausibel unter Hinweis auf das problematische Verhältnis der Beigeladenen zu ihrem Zuhälter, das diese im übrigen entsprechend in einem Selbsterfahrungsbericht während ihres stationären Aufenthalts 1994 dargestellt hat, belegt. Dem steht auch nicht die Bescheinigung der AOK Hamburg über eine versicherungspflichtige Beschäftigung vom 15.08. bis 10.10.1992 entgegen, denn diese Tätigkeit hat nicht einmal zwei Monate gedauert und belegt daher gerade die mangelnde Stetigkeit und Unfähigkeit der Beigeladenen zur dauerhaften Arbeit. Soweit dagegen Dr. T … in ihrer zweiten Stellungnahme vom 02.08.1995 die Vermutung geäußert hat, aufgrund der zwischen 1991 und 1994 eingegangenen Beziehung habe aufgrund des hieraus resultierenden Rückgangs der allgemeinen Lebensängste Arbeitsfähigkeit der Beigeladenen bestanden, beruht dies offensichtlich auf der Unkenntnis der Art der Beziehung, da Dr. T … von einer normalen Freundschaft ausgegangen ist.

Schließlich steht dieser Beurteilung nicht der Umstand entgegen, dass die Beigeladene nach der hier maßgeblichen stationären Behandlung von Dezember 1995 bis Mai 1996 einer Erwerbstätigkeit nachgegangen ist, denn – abgesehen davon, dass auch diese Tätigkeit nicht mehr als sechs Monate gedauert hat -, hat der Sachverständige zum einen darauf verwiesen, dass die längerfristige stationäre Behandlung zwischen Februar 1994 und Februr 1995 insoweit eine gewisse Stabilisierung bewirkt haben kann und zum anderen hat sich die Beigeladene auch nach 1995 wiederholt in stationäre Behandlung mit den bekannten Symptomen begeben müssen.

Durch die kurzfristige Aufnahme einer beitragspflichtigen Beschäftigung im Jahr 1992 ist die Familienversicherung entgegen der Auffassung der Beklagten nicht erloschen. Zwar führt dieser Umstand für die Dauer der versicherungspflichtigen Tätigkeit nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 SGB V zum Fortfall der Familienversicherung, da die Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V insoweit vorrangig ist; da jedoch die Voraussetzungen des § 10 Abs. 2 Nr. 4 SGB V dauerhaft vorgelegen haben, weil erstere Beschäftigung wie bereits dargelegt, kein Ausdruck einer relevanten Erwerbsfähigkeit gewesen ist, trat mit Wegfall des Ausschlusstatbestandes des § 10 Abs. 1 Nr. 2 SGB V die Familienversicherung wieder in Kraft (vgl. dazu auch Peters, Kasseler Kommentar, Rdnr. 28 zu § 10 SGB V; Krauskopf, a.a.O., Rdn. 50/51 zu § 10 SGB V).

Da die übrigen Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 SGB V in der Person der Beigeladenen und Ausschlussgründe bei ihrem stammversicherten Vater nicht vorgelegen haben, war die Beklagte gegenüber der bei ihr familienversicherten Beigeladenen vorrangig leistungspflichtig bezüglich der am 05.02.1994 begonnenen stationären Krankenhausbehandlung.

Der Erstattungsanspruch ist auch nicht gemäss § 111 Satz 1 SGB X ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift ist der Anspruch ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Nach der durch das 4. EURO-Einführungsgesetz vom 21.12.2000 (BGBl. I 1983) geänderten und hier aufgrund der Übergangsregelung des § 120 Abs. 2 SGB X anzuwendenden Fassung des § 111 Satz 2 SGB X beginnt der Lauf der Frist frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat. Es kann dahinstehen, inwieweit § 111 Satz 2 SGB X den Fristbeginn auch für den hier vorliegenden und vom Gesetzgeber nach der Begründung der Neuregelung durch das 4. EURO-Einführungsgesetz (vgl. BT-Drucks. 14/4375 S. 60) offensichtlich nicht bedachten Fall einer fehlenden Entscheidung des zuständigen Versicherungsträgers gegenüber dem Versicherten bei formloser Mitteilung an den Erstattungsberechtigten über die Ablehnung dessen Ansprüche hinausschiebt. Ebenso auf sich beruhen kann die Frage, ob die Leistung im Sinne des § 111 Satz 1 SGB X schon mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten, die Kostenzusage gegenüber dem Krankenhaus durch den Erstattungsberechtigten – hier erstmals erfolgt am 29.03.1994 – oder erst mit der Bezahlung des Krankenhausrechnungen durch den Erstattungsgläubiger erbracht wurde (zu den unterschiedlichen Auffassungen vgl. BSG SozR 3-1300 § 111 Nr. 7 S. 23; Kater, Kasseler Kommentar, Rdnr. 27 ff. zu § 111 SGB X). Denn auch wenn man hier auf den frühestmöglichen Zeitpunkt der stationären Aufnahme der Beigeladenen im B …-Krankenhaus am 05.02.1994 abstellt, ist der Anspruch innerhalb der Jahresfrist des § 111 Satz 1 SGB X angemeldet worden.

Der Kläger hat seinen Erstattungsanspruch erstmals durch Schreiben vom 25.04.1994, bei der Beklagten am 28.04.1994 eingegangen, angemeldet. Diese Anmeldung enthielt die Angaben, das Krankenhilfe in Höhe von monatlich ca. 8.000,– DM für die Beigeladene seit dem 05.02.1994 übernommen wurde, welche bei der Beklagten über ihren Vater, H …, geboren 20.07.1931, familienversichert sei. Beigefügt war ein Kostenübernahmeantrag des …-Krankenhauses unter Nennung der Diagnose einer psychovegetativen Dekompensation bei Angstneurose. Dieser Antrag genügte einer formwirksamen Anmeldung des Erstattungsanspruchs im Sinne des § 111 SGB X. Diese setzt das unbedingte Einfordern der Erstattungsleistung voraus, welches auch mit Wirkung für die Zukunft erfolgen kann (vgl. BSG SozR 1300 § 111 Nr. 3; SozR 3-1300 § 111 Nr. 9 S. 37; Kater a.a.O. Rdnr. 22 zu § 111 SGB X), sowie die hinreichend konkrete Mitteilung der Umstände, die im Einzelfall für die Entstehung des Erstattungsanspruchs maßgeblich sind, sowie den Zeitraum, für den die Sozialleistung erbracht worden ist (BSG SozR 3-1300 § 111 Nr. 9 S. 37). Die Anmeldung der Beklagten im April 1994 enthielt die unmissverständliche Erklärung der Erstattungsforderung, sie nannte die Gründe der Einstandspflicht der Beklagten (Familienversicherung) und sie umschrieb im Wesentlichen die Leistungen, die als nachrangige Sozialleistung durch Übernahme der Krankenhausbehandlungskosten erbracht wurden. Aufgrund dieser Angaben konnte die Beklagte ohne weitere Umstände ihre Einstandspflicht prüfen und war, da ihr auch die allgemeinen Pflegesätze der Krankenhäuser bekannt sein mußten, ohne weiteres in der Lage, sich einen Überblick über die Erstattungsforderung zu verschaffen.

Allerdings enthielt das Anmeldungsschreiben noch keine Angaben über den gesamten Behandlungszeitraum. Jedoch war der Beginn der stationären Behandlung vermerkt und der beigefügte Kostenübernahmeantrag des …-Krankenhauses enthielt die Angabe, dass die Behandlung voraussichtlich 60 Tage dauere. Da keine überspannten Anforderungen an die Anzeige zu stellen sind, für die das Gesetz formelle Besonderheiten nicht vorgesehen hat (vgl. BSG wie vor, S. 38), und die Versicherungsträger ohnehin zur engen Zusammenarbeit verpflichtet sind (§ 86 SGB X), war damit die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs jedenfalls für den Zeitraum dieser ersten 60 Tage der Behandlung und damit bis Anfang April (06.04.1994) ordnungsgemäss erfolgt.

Da der Antrag keine ausdrückliche Beschränkung auf diesen Zeitraum enthielt und die Dauer der Behandlung auch zu diesem Zeitpunkt noch nicht angegeben werden konnte, muss es für die fristgerechte Anmeldung des weiteren Anspruchs ausreichend sein, dass der nachfolgende Zeitraum noch innerhalb eines Jahres nach Inanspruchnahme der Krankenhausbehandlung durch die Versicherte der Beklagten entsprechend bekanntgegeben wurde. Dies ist aber innerhalb der Jahresfrist am 15.03.1995 dadurch geschehen, dass der Beklagten der durch den Kläger dem von der Beklagten zur Prüfung der Voraussetzungen der Familienversicherung eingeschalteten MDK im Februar 1995 übersandten Mitteilung bezüglich des Behandlungsverlaufs zugegangen ist. Dieses Schreiben des Klägers enthielt die Angaben, dass die Beigeladene seit dem 05.02.1994 mit Ausnahme einer kurzfristigen Unterbrechung in stationärer Behandlung sei und diese auch noch andauere, so dass der Beklagten auch für die Folgezeit ab dem 07.04.1994 hinreichend konkret vor Augen geführt worden ist, für welche weiteren Zeiten der stationären Behandlung der Kläger Erstattung begehrte, zumal im Juli 1994 die erneute nmeldung der Erstattungsofrderung zugegangen war.

Unter diesen Umständen brauchte der Senat dem Hilfsantrag der Beklagten nicht nachzugehen, da es unerheblich ist, wann die einzelnen Zahlungen der Krankenhauskosten durch den Kläger erfolgt sind.

Die Beklagte war daher zur Erstattung dieser Kosten, deren Höhe zwischen den Beteiligten nicht im Streit steht und die nach der zum 01.08.1996 in Kraft getretenen Bestimmung des § 108 SGB X mit 4 v.H. seit diesem Zeitpunkt zu verzinsen sind, zu verurteilen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Rechtsstreits die Revision zugelassen (§ 160 Abs. 2 SGG).