Hessisches Landessozialgericht L 1 Kr 586/89

Hessisches Landessozialgericht

Urteil vom 16.12.1993 (rechtskräftig)

  • Sozialgericht Gießen S 9 Kr 1228/86
  • Hessisches Landessozialgericht L 1 Kr 586/89

I. Auf die Berufungen der Klägerin werden die Urteile des Sozialgerichts Gießen vom 10. März 1989 sowie die Bescheide der Beklagten vom 27. August 1985 und 30. Juli 1985 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 16. Mai 1986 und 2. Juli 1986 aufgehoben und festgestellt, daß die Beklagten dem Grunde nach seit 1. Juli 1985 verpflichtet sind, der Klägerin Leistungen für den stationären Aufenthalt von Wöchnerinnen nach der Geburt im Rahmen der leistungsrechtlichen Vorschriften für Versicherte zu vergüten.

II. Die Beklagten haben die der Klägerin entstandenen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Annahme einer Bereiterklärung über die Leistung von Krankenhauspflege.

Die Klägerin ist Hebamme und betreibt seit 1. Juli 1985 das private Entbindungsheim ” ” mit fünf Betten in G.-R. Nach der gemäß § 30 Gewerbeordnung (GewO) erteilten Erlaubnis des Regierungspräsidenten in G. vom 1. Juli 1985 ist die Klägerin zur Durchführung von Entbindungen außer Kaiserschnittentbindungen und stationäre Versorgung der Neugeborenen, Wöchnerinnenheimpflege sowie CTG-Kontrollen bei Schwangeren befugt. Eingriffe, die eine chirurgische oder sonstige besondere Einrichtung voraussetzen, dürfen nicht vorgenommen werden. Die ärztliche Versorgung wird im Wechsel durch verschiedene Gynäkologen sichergestellt.

Mit Schreiben vom 28. Mai 1985 beantragte die Klägerin bei der AOK G. und der Geschäftsstelle der Barmer Ersatzkasse G. die Zusage für eine Übernahme des Pflegesatzes bei stationärem Aufenthalt in ihrem Entbindungsheim. Mit weiterem Schreiben vom 5. Juli 1985 erklärte sie sich gegenüber den Beklagten bereit, Kassenmitgliedern Krankenhauspflege zu gewähren.

Die Beklagten lehnten die Annahme der Bereiterklärung mit Bescheiden vom 27. August 1985 und 30. Juli 1985 (Beklagte zu 2)) sowie mit Zustimmung der Beigeladenen (Schreiben vom 17. September 1985 und 6. August 1985) jeweils ohne Rechtsmittelbelehrung ab. Ein zusätzliches Bettenangebot werde unter bedarfsplanerischen Aspekten nicht für erforderlich gehalten. Im Raum G. seien 12 Krankenhäuser mit gynäkologischen und geburtshilflichen Abteilungen vorhanden. Schwangere hätten deshalb ausreichend Gelegenheit, zwischen mehreren Häusern zu wählen.

Hiergegen legte die Klägerin am 2. Januar 1986 und am 30. Dezember 1985 (Beklagte zu 2)) jeweils Widerspruch ein. Sofern die gesetzlichen Ablehnungsgründe nicht vorlägen, bestehe für die Krankenkassen ein Kontrahierungszwang. Sie leiste ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Entbindungspflege im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen, verfüge über die notwendige technische Ausrüstung für Mutter und Kind, gewährleiste eine ständige ärztliche Rufbereitschaft und erfülle insbesondere durch eine individuelle Betreuung alle Anforderungen, die an eine optimale Geburtshilfe zu stellen seien. Im Vergleich zu anderen Krankenhäusern sei der von ihr geforderte allgemeine Pflegesatz von 120,00 DM zuzüglich 30,00 DM für das Neugeborene, erheblich günstiger. Durch ihre Einrichtung könne auch die bestehende Krankenhausbedarfsplanung nicht gefährdet werden, denn selbst bei zahlenmäßig ausreichend vorhandenen Betten im Bereich der Gynäkologie werde der qualitative Bedarf nicht gedeckt. Die von ihr entwickelte Konzeption eines den Bedürfnissen der Schwangeren bzw. der Wöchnerin entsprechenden Angebots, erfasse der hessische Krankenhausbedarfsplan nicht. Frauen, die sich für eine Entbindung in ihrer Einrichtung entscheiden würden, gingen ohnehin nicht in ein Krankenhaus, so daß diesem bei einer Bereiterklärung der Beklagten auch kein nennenswerter wirtschaftlicher Schaden entstehen könne.

Die Beklagten wiesen die Widersprüche mit Widerspruchsbescheiden vom 16. Mai 1986 und 2. Juli 1986 (Beklagte zu 2)) zurück. Zweck der gesetzlichen Bestimmungen sei es nicht, neben den im Krankenhausbedarfsplan aufgenommenen und damit öffentlich geförderten Entbindungs- und Krankenanstalten ein zusätzliches Angebot weiterer Einrichtungen zu ermöglichen. Diese blieben vielmehr grundsätzlich von der stationären Versorgung sozialleistungsberechtigter Versicherter ausgeschlossen. Da ein Überhang an geburtshilflichen Betten bestehe, würden die Ziele der Krankenhausbedarfsplanung in Hessen durch ein weiteres Bettenangebot gefährdet. Die Behauptung der Klägerin, daß der von ihr betreute Personenkreis tatsächlich keine anderen Einrichtungen in Anspruch nehmen würde, könne nicht nachgewiesen werden.

Mit ihren am 20. Juli 1986 und am 30. Juli 1986 beim Sozialgericht Gießen erhobenen Klagen hat die Klägerin ihr Begehren weiterverfolgt und ausgeführt, daß die angenommene Gefährdung der Krankenhausbedarfsplanung nicht dem zugrundegelegten Plan entnommen werden könne, da Entbindungspflege für Wöchnerinnen an keiner Stelle erwähnt sei und es insoweit an jeder Bedarfsfeststellung fehle. Im übrigen sei ihre Einrichtung kein Krankenhaus im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen, so daß auch insoweit eine Gefährdung von Zielen der Krankenhausbedarfsplanung von vornherein nicht vorliegen könne. Die Behauptung, Frauen würden bei einer Entbindung in ihrer Einrichtung mit zusätzlichen Risiken belastet, sei unzutreffend, da die ärztliche Versorgung der Wöchnerinnen in Anlehnung an das Belegarztsystem – wie etwa auch im Evangelischen Krankenhaus in G. – gewährleistet sei.

Die Beklagte zu 1) hat die Auffassung vertreten, daß es sich bei der Einrichtung der Klägerin um ein Krankenhaus handele und darauf verwiesen, daß die Bedarfsplanung in Hessen auch Entbindungsanstalten sowie gynäkologische/geburtshilfliche Abteilungen der Krankenhäuser erfasse. Der Verweis auf höhere Pflegesätze von Krankenhäusern gehe fehl, da diese auch Kosten teurerer Abteilungen, wie zum Beispiel der Chirurgie, erfaßten.

Der Beklagte zu 2) hat ergänzend ausgeführt, daß für die zu treffende Entscheidung die ab 1. Januar 1989 geltende Rechtslage maßgebend sei. Danach bestünde aber kein Anspruch auf Abschluß eines Versorgungsvertrages.

Das beigeladene Land hat eine statistische Übersicht zur Auslastung der Abteilung Gynäkologie und Geburtshilfe der Kliniken in G. und Umgebung vorgelegt und die Auffassung vertreten, daß ein Versorgungsangebot existiere, das mehr als bedarfsgerecht sei.

Das Sozialgericht hat das Land Hessen und die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesversicherungsamt, zum Rechtsstreit beigeladen (Beschlüsse vom 9. Dezember 1986), die Bevölkerungs- und Geburtenentwicklung im Stadt- und Landkreis G. zwischen 1983 und 1987 ermittelt und die Klagen durch Urteile vom 10. März 1989 abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, daß zur Entscheidung des Rechtsstreits das zum Zeitpunkt der Verwaltungsentscheidung geltende Recht anzuwenden sei. Die Einrichtung der Klägerin sei als Krankenhaus anzusehen, das die Ziele des Krankenhausbedarfsplanes des Landes Hessen bei Annahme der Bereiterklärung gefährdete. Hauptziel des Planes vom 25. April 1983 sei nämlich im Hinblick auf die Bevölkerungsentwicklung ein Abbau von Planbetten gewesen. Zwar sei es für die ablehnende Entscheidung der Beklagten nicht allein ausreichend, daß das Entbindungsheim der Klägerin nicht im Krankenhausbedarfsplan aufgenommen worden sei. Jedoch habe eine weitere Zulassung eines – wenn auch kleinen – Bettenangebots dem beabsichtigten Planziel widersprochen. Auch das angestrebte Ziel, sozial tragbare Pflegesätze in den Plankrankenhäusern zu sichern, werde gefährdet, denn die hinzukommenden Betten gingen den Plankrankenhäusern verloren. Zumindest ließe sich dies nicht ausschließen, Dies habe wiederum insoweit auf die Wirtschaftlichkeit der Plankrankenhäuser Auswirkungen, als den Plankrankenhäusern die kostenintensiveren Risikogeburten verblieben, die die Klägerin nicht durchführen dürfe. Die für die Pflegesatzberechnung maßgeblichen Selbstkosten des Krankenhauses erhöhten sich demgegenüber für jeden Patienten und bewirkten automatisch eine Anhebung der Pflegesätze. Ferner habe nach Auswertung des der Kammer vorliegenden statistischen Materials im Raum G. kein quantitativer Bedarf für ein weiteres gynäkologisch-geburtshilflich ausgerichtetes Krankenhaus bestanden. Daß die Klägerin mit ihrer Einrichtung eine qualitative Bedarfslücke getroffen habe, sei ein bei der Entscheidung zu berücksichtigendes Argument. Jedoch obliege es dem Planungsermessen des beigeladenen Landes, darüber zu befinden, inwieweit geburtshilfliche Abteilungen in Plankrankenhäusern gegenüber einer Einrichtung wie der der Klägerin vorrangig berücksichtigt würden. Insgesamt sei das öffentliche Interesse, die Ziele des Krankenhausbedarfsplanes nicht zu gefährden und den Schutz der Plankrankenhäuser zu gewährleisten, stärker zu gewichten, als das Interesse der Klägerin nach möglichst uneingeschränkter Berufsausübung.

Gegen diese den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin gegen Empfangsbekenntnis am 21. April 1989 zugestellten Urteile richtet sich die mit Schriftsatz vom 18. Mai 1989 – eingegangen beim Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt am 19. Mai 1989 – eingelegten Berufungen, mit denen sich die Klägerin gegen die getroffenen Entscheidungen des Sozialgerichts wendet. Das Sozialgericht sei zwar zu Recht davon ausgegangen, daß sich das Klagebegehren auf die Annahme einer Bereiterklärung zum 1. Juli 1985, also nach den inzwischen außer Kraft getretenen Vorschriften der Reichsversicherungsordnung, richte, denn seit 1. Januar 1989 bestehe kein Anspruch mehr auf Abschluß eines Versorgungsvertrages. Unrichtig sei jedoch die Annahme, daß es sich bei ihrem Entbindungsheim um ein Krankenhaus handele. Der Gesetzgeber habe hierunter nur solche Einrichtungen verstanden, in denen Geburtshilfe durch ärztliche und pflegerische Hilfeleistung, nicht aber durch Betreuung einer Hebamme gewährleistet werde. Die Ziele des Krankenhausbedarfsplanes würden durch die Annahme ihrer Bereiterklärung nicht gefährdet. Das Land Hessen habe auch bisher in seiner Krankenhausbedarfsplanung der geänderten Vorgabe des Krankenhausfinanzierungsgesetzes nicht Rechnung getragen, wonach die Vielfalt der Krankenhausträger zu beachten und insbesondere die wirtschaftliche Sicherung gemeinnütziger und privater Krankenhäuser zu gewährleisten sei. Der Grundsatz der Trägervielfalt müsse auch nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts Beachtung finden. Im übrigen besage das landesweite Ziel eines zahlenmäßig festgelegten Planbettenabbaus nichts über die konkrete Situation der einzelnen Regionen. Im übrigen werde im Krankenhausbedarfsplan nicht zwischen dem Nutzungsgrad der Betten im Bereich der Gynäkologie und der Geburtshilfe unterschieden. Über die Möglichkeit, durch niedrige Pflegesätze im Entbindungshaus höhere Pflegesätze in den Plankrankenhäusern auszugleichen, habe das Sozialgericht nicht nachgedacht. Von einem Planungsermessen sei insgesamt kein Gebrauch gemacht worden. Vielmehr habe man sich darauf beschränkt, zu bestreiten, daß ein von ihr in Anspruch genommener Bedarf bestehe.

Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Sozialgerichts Gießen vom 10. März 1989 sowie die Bescheide der Beklagten vom 27. August 1985 und 30. Juli 1985 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 16. Mai 1986 und 2. Juli 1986 aufzuheben und festzustellen, daß die Beklagten dem Grunde nach seit Antragstellung verpflichtet sind, ihr Leistungen für den stationären Aufenthalt von Wöchnerinnen nach der Geburt im Rahmen der leistungsrechtlichen Vorschriften für Versicherte zu vergüten,
hilfsweise,
die Beklagten zu verurteilen, ihre Bereiterklärung zur Gewährung von Krankenhauspflege ab 1. Juli 1985 anzunehmen.

Die Beklagten stellen keinen Antrag.

Die Beklagte zu 1) hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Selbst wenn – wovon ausgegangen werde – das Entbindungsheim kein Krankenhaus im Sinne des Krankenhausfinanzierungsgesetzes sei, könne dieses die Ziele des Krankenhausbedarfsplanes gefährden. Trägervielfalt könne nur dort berücksichtigt werden, wo eine Auswahl zwischen gleichgeeigneten Krankenhäusern zu treffen sei. Ein Rechtsanspruch erwachse dem Einzelnen aus diesem gesetzgeberischen Ziel aber nicht.

Der Beklagte zu 2) geht nunmehr ebenfalls davon aus, daß für die Entscheidung des Rechtsstreits die inzwischen außer Kraft getretene Vorschrift des § 371 Reichsversicherungsordnung (RVO) maßgeblich sei. Wenn die Klägerin nunmehr selbst davon ausgehe, daß sie kein Krankenhaus betreibe, könne ein Anspruch auf Bereiterklärung nicht in Betracht kommen, da das Gesetz nicht zwischen Krankenhäusern im Sinne des Krankenhausfinanzierungsgesetzes und im Sinne der RVO unterscheide.

Das beigeladene Land stellt keinen Antrag.

Es hält das Urteil des Sozialgerichts ebenfalls für zutreffend. Im Laufe des Berufungsverfahrens hat es den allgemeinen Teil der dritten Fortschreibung des Krankenhausplanes des Landes Hessen vorgelegt, in dem unter anderem ausgeführt wird, daß von Hebammen geleitete geburtshilfliche Einrichtungen eine im Interesse der Frauen notwendige Ergänzung der stationären Geburtshilfe in Krankenhäusern darstellten. Es sei notwendig, auch für Geburtseinrichtungen außerhalb des Krankenhauses seitens der Krankenversicherungsträger kostendeckende Vergütungssätze zu vereinbaren.

Die beigeladene Bundesrepublik Deutschland hat sich im Berufungsverfahren nicht geäußert. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 16. Dezember 1993 war sie weder erschienen noch vertreten.

Durch Beschluss vom 15. Dezember 1993 hat der Senat die Verfahren L – 1/Kr – 586/89 und L – 1/Kr – 587/89 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung miteinander verbunden.

Hinsichtlich des Vorbringens der Beteiligten im übrigen wird auf den weiteren Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten und der Beigeladenen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte über die Berufungen der Klägerin auch in Abwesenheit der beigeladenen Bundesrepublik Deutschland aufgrund mündlicher Verhandlung entscheiden, da sie auf diese Möglichkeit in der schriftlichen Terminsladung hingewiesen worden ist (§§ 110 Abs. 1 Satz 2, 124 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz –SGG–).

Die Berufungen sind zulässig, denn sie sind form- und fristgerecht eingelegt sowie an sich statthaft (§§ 143, 151 SGG). Ungeachtet der Rechtsnatur der Streitigkeit sind nach der ausdrücklichen Zuweisung in § 51 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGG die Sozialgerichte für die Entscheidung über den erhobenen Anspruch zuständig. Nach dieser durch Art. 32 Nr. 3 des Gesundheitsreformgesetzes (GRG) vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I, S. 2477) ab 1. Januar 1989 in das SGG eingefügten Vorschrift entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit auch über Streitigkeiten in Angelegenheiten nach dem SGB V, die aufgrund von Entscheidungen oder Verträgen der Krankenkassen oder ihrer Verbände entstehen. Dies gilt auch, soweit Verfahren – wie vorliegend – schon vor Inkrafttreten dieser neuen prozessualen Vorschrift anhängig geworden sind (BSG, Urteil vom 9. Februar 1989 – 3 RK 7/88; Urteil vom 30. März 1993 – 3 RK 1/93 m.w.N.; Meyer-Ladewig, SGG, Kommentar, 5. Aufl. 1993 § 51 Rdnr. 37).

Die Berufungen sind auch sachlich begründet. Die Urteile des Sozialgerichts Gießen mußten aufgehoben werden, denn die Ablehnung vertraglicher Beziehungen über die Vergütung von Leistungen der stationären Entbindungspflege nach den inzwischen außer Kraft getretenen Vorschriften über die sogenannte “Bereiterklärung” zur Erbringung von Krankenhauspflege ist rechtswidrig. Dem Grunde nach kann die Klägerin von den Beklagten verlangen, daß ihr Aufwendungen vergütet werden, die in ihrer Einrichtung anläßlich des stationären Aufenthalts krankenversicherter Frauen nach der Entbindung entstehen.

Nach § 371 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO in der bis zum 31. Dezember 1988 geltenden Fassung – a.F.) haben die Krankenkassen Krankenhauspflege durch die Hochschulkliniken sowie die Krankenhäuser zu gewähren, die in den Krankenhausbedarfsplan aufgenommen sind oder die sich gegenüber den Krankenkassen hierzu bereit erklärt haben. Die Landesverbände sind nach Abs. 2 berechtigt, die Erklärung binnen drei Monaten abzulehnen, wenn eine Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit des Krankenhauses wirtschaftliche Krankenhauspflege nicht gegeben ist oder die Ziele des Krankenhausbedarfsplanes gefährdet werden.

Die Ablehnung oder die Annahme der Bereiterklärung eines Krankenhauses und die Kündigung des Vertrages bedürfen der Zustimmung der zuständigen Aufsichtsbehörden.

Grundvoraussetzung für die Anwendbarkeit der Vorschrift ist die Gewährung von Krankenhauspflege durch ein Krankenhaus. Zwar verzichtet die Reichsversicherungsordnung auf eine Definition des Begriffs “Krankenhaus”. Bereits aus dem allgemeinen Wortsinn ergibt sich aber, daß es sich hierbei in erster Linie um eine Einrichtung handeln muß, die einer Krankheit, also einem regelwidrigen Körperzustand, entgegenwirken will. Zwar ist durch den Verweis auf die Krankenhausbedarfsplanung als Prüfungsmaßstab die Begriffsbestimmung des Krankenhauses in § 2 Nr. 1 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) zur Auslegung heranzuziehen, die auch die Leistung von Geburtshilfe mit einschließt. Danach sind Krankenhäuser Einrichtungen, in denen durch ärztliche und pflegerische Hilfeleistung Krankheiten, Leiden oder Körperschäden festgestellt, geheilt oder gelindert werden sollen oder Geburtshilfe geleistet wird und in denen die zu versorgenden Personen untergebracht und verpflegt werden können. Die Rechtsprechung (BVerwG NJW 89, 2963, 2964), der der Senat folgt, hat diese Vorschrift so ausgelegt, daß nur solche Einrichtungen gemeint sind, die Hilfe unter ärztlicher Letztverantwortung und nachgeordneter pflegerischer Assistenz leisten. Reine Pflegeeinrichtungen werden hingegen nicht erfaßt und sind deshalb auch nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 a KHG nicht förderungsfähig. Auch das BSG hat in ständiger Rechtsprechung (vgl. Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Stand: Mai 1988, § 184 Anm. 4 m.w.N.) im Zusammenhang mit dem Anspruch des Versicherten auf Krankenhauspflege (§ 184 RVO a.F.) die Notwendigkeit der ärztlichen Präsenz in den Vordergrund der Begriffsabgrenzung gestellt. In diesem Sinne beschreibt das ab 1. Januar 1989 geltende Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) nunmehr ausdrücklich in § 107 Abs. 1 Nr. 2 Krankenhäuser unter anderem als Einrichtungen, die fachlich medizinisch unter ständiger ärztlicher Leitung stehen. Diese Voraussetzungen liegen aber bei dem von der Klägerin betriebenen Entbindungshaus gerade nicht vor. Im übrigen ist nach dem Willen des Gesetzgebers (vgl. § 4 Hebammengesetz) die ärztliche Betreuung im Bereich der Geburtshilfe nur nachrangig gegenüber derjenigen von Hebammen. Die von einer Hebamme geleitete Einrichtung zur Betreuung von Wöchnerinnen kann demnach insgesamt kein Krankenhaus sein.

Für die zwischen den Verfahrensbeteiligten schriftsätzlich diskutierte Möglichkeit einer Unterscheidung von Krankenhäusern im Sinne des KHG und der RVO gibt es nach Wortlaut und Gesetzesmaterialien keinen Anhaltspunkt. Im Gegenteil folgt aus § 199 Abs. 1 RVO a.F., der den Anspruch der Versicherten auf stationäre Pflege regelte, daß der Gesetzgeber im Unterschied zum Krankenhaus eine “Entbindungsanstalt” für den Aufenthalt nach der Entbindung vorgesehen hatte. Wenn somit insgesamt das Entbindungshaus der Klägerin nicht als Krankenhaus angesehen werden kann, ist auch § 371 RVO a.F. zur Beschränkung der Berufsausübung der Klägerin nicht einschlägig. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten mußten deshalb aufgehoben werden.

Andere Vorschriften, die die Zulassung von Entbindungseinrichtungen regelten, gibt es nicht. Daraus folgt aber nicht, daß stationäre Entbindungspflege außerhalb von Krankenhäusern nicht vom Leistungskatalog der RVO erfaßt wird und es bereits deshalb keiner Vorschriften über Rechtsbeziehungen zwischen Krankenkassen und Betreibern entsprechender Einrichtungen bedarf. Nach § 199 Abs. 1 RVO a.F. (i.V.m. § 195 Nr. 4 RVO a.F.) hat die Kasse der Versicherten Pflege in einer Entbindungs- oder Krankenanstalt, jedoch für die Zeit nach der Entbindung für längstens sechs Tage zu gewähren. Für diese Zeit wird Krankenhauspflege nicht gewährt. § 184 Abs. 2 gilt entsprechend.

Als Entbindungsanstalt ist nach dieser Vorschrift jede Einrichtung anzusehen, die nach ihrer personellen und apparativen Einrichtung und Ausstattung zur Aufnahme weiblicher Personen zum Zwecke der Entbindung und Wochenpflege zu dienen bestimmt und geeignet ist (Krauskopf, a.a.O., § 199 Anm. 1.1 m.w.N.). Nicht erforderlich ist, daß sie darauf eingerichtet sind, Frauen aufzunehmen, die operativ entbunden werden müssen (Krauskopf, a.a.O.). Daß jedenfalls eine Einrichtung vom Gesetzgeber gemeint ist, bei der im Unterschied zum Krankenhaus die Pflege und Verpflegung der Wöchnerin sowie die Versorgung des Kindes bezweckt ist, ergibt sich ausdrücklich aus Satz 2. Wenn aber die Versicherte sich als Pflichtleistung der Kasse bis zu sechs Tage nach der Entbindung in einer ihren Bedürfnissen entsprechenden Pflegeeinrichtung aufhalten darf, müssen die Verbände der Krankenkassen auch mit dieser Regelungen über die zu zahlende Vergütung treffen. Eine Verweisung der Versicherten und der Klägerin auf die zugelassenen Plankrankenhäuser und einen dort bestehenden Überhang an geburtshilflichen Betten ist deshalb unzulässig.

Eine entsprechende Anwendung des § 371 RVO a.F. verbietet sich wegen des Eingriffs in Grundrechte der Klägerin von vornherein. Die in § 199 Abs. 1 Satz 3 angeordnete entsprechende Anwendung des § 184 Abs. 5 bzw. 2 RVO a.F. ist nur so zu verstehen, daß die dort normierte Wahlfreiheit unter den zugelassenen Krankenhäusern entsprechend auch für Entbindungsanstalten gilt.

An dieser Rechtslage hat sich auch durch das ab 1. Januar 1989 in Kraft getretene Gesundheitsreformgesetz nichts geändert. Regelungen über Leistungsansprüche wegen Schwangerschaft und Mutterschaft befinden sich – systematisch zutreffend – zwar nicht mehr im SGB V. Der Gesetzgeber hat vielmehr §§ 195 ff RVO novelliert und auf deren Weitergeltung in § 15 Mutterschutzgesetz verwiesen (vgl. Art. 52 Nr. 4 GRG, a.a.O.). Nunmehr ist in § 197 RVO bestimmt, daß die Versicherte für sich und das Neugeborene Anspruch auf Unterkunft, Pflege und Verpflegung für die Zeit nach der Entbindung für längstens sechs Tage hat, wenn sie zur Entbindung in ein Krankenhaus oder eine andere Einrichtung aufgenommen wird. Zulassungsbestimmungen für derartige Einrichtungen gibt es – wie nach altem Recht – ebenfalls nicht. Offenbar hat der Gesetzgeber für Einrichtungen, wie sie die Klägerin betreibt, keine Zulassungsbestimmungen für erforderlich gehalten. Auch wenn nunmehr im SGB V die Rechtsbeziehungen zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern in den §§ 69 ff weitgehend gesetzlich geregelt sind, ist auszuschließen, daß das Gesetz in Bezug auf Entbindungseinrichtungen planwidrig lückenhaft ist. Das folgt bereits aus der vom Gesetzgeber vorgenommenen Präzisierung und Anpassung der leistungsrechtlichen Vorschriften an den heutigen Sprachgebrauch, fehlenden Hinweisen in den Materialien und dem Umstand, daß Leistungserbringer nach den neuen Vorschriften des SGB V nicht ausnahmslos einer Zulassung bedürfen. Für Krankenpflegedienste und Krankentransporte gelten vielmehr §§ 132, 133 SGB V. Danach hat die Krankenkasse die Erbringung entsprechender Leistungen durch Verträge nach Maßgabe der in diesen Vorschriften geltenden Voraussetzungen sicherzustellen. Ein Zulassungsverfahren zur Angebotssteuerung ist nicht vorgesehen. Für den Gebührenanspruch der Hebammen und Entbindungspfleger ist schließlich weder eine Zulassung noch eine vertragliche Vereinbarung erforderlich. Allein die staatliche Anerkennung und die eigene Entscheidung zur freiberuflichen Tätigkeit berechtigt diese zur Teilnahme an der Versorgung von Versicherten. Insgesamt läßt all dies nur den Schluß zu, daß der Gesetzgeber – anders als bei Krankenhäusern, Ärzten und bestimmten anderen Leistungserbringern – keine Notwendigkeit für gesetzliche Zulassungsbeschränkungen gesehen hat. Da aber auch die Hebammengebührenordnung die hier von der Klägerin angebotenen Leistungen der stationären Wochenbettpflege nicht erfaßt, bleibt nur die Möglichkeit einer vertraglichen Vereinbarung zwischen der Klägerin und den Krankenkassenverbänden über die Höhe der zu zahlenden Vergütung. Hierüber hatte der Senat jedoch nicht zu befinden, denn Streitgegenstand dieses Rechtsstreits war allein die Feststellung eines Vergütungsanspruchs der Klägerin gegenüber den Krankenkassen dem Grunde nach.

Die Kostenerstattung beruht auf § 193 SGG. Die übrigen Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).