Hessisches Landessozialgericht L 8 KR 252/07

Hessisches Landessozialgericht

Urteil vom 29.10.2009 (nicht rechtskräftig)

  • Sozialgericht Frankfurt S 8 U 134/05
  • Hessisches Landessozialgericht L 8 KR 252/07
  • Bundessozialgericht B 2 U 2/10 B

Auf die Berufung der Beklagten wird die Klage unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 26. Juni 2007 abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Verfahren beider Instanzen zu tragen.

Der Streitwert wird für beide Instanzen auf 27.712,63 EUR festgesetzt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Erstattung von Krankenhausbehandlungskosten, Transportkosten und Sterbegeld für ihren ehemaligen Versicherten A. (im Folgenden: der Versicherte) in Höhe von insgesamt 27.712,63 Euro.

Der 1940 geborene Versicherte, der bei der Klägerin Pflichtmitglied zur gesetzlichen Krankenversicherung war, hatte von 1960 bis Ende 1980 während seiner Berufstätigkeit im Mauerwerksbau unter anderem Asbestzement-Wellplatten verarbeitet und war dadurch asbestexponiert. Laut den Ermittlungen des Technischen Aufsichtsdienstes (TAD), festgehalten im Bericht vom 18. Juli 2003 errechnet sich für diese Berufstätigkeit eine Faserjahrbelastung von 8,6 Faserjahren.

Die Beklagte führte als Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung für den Bereich des Bauwesens ein Berufskrankheiten-Feststellungsverfahren durch, nach dem die Klinik B., Fachklinik für Lungen- und Bronchialheilkunde, C-Stadt, unter dem Datum vom 11. Juni 2003 eine ärztliche Anzeige wegen Verdachts auf eine Berufskrankheit (BK) gemacht hatte. Sie informierte hierüber die Klägerin mit Schreiben vom 23. Juni 2003 und gab Gelegenheit, einen evtl. Erstattungsanspruch geltend zu machen. Die Klägerin meldete hierauf mit Schreiben vom 7. Juli 2003 bei der Beklagten Erstattungsansprüche an.

Aus den von der Beklagten beigezogenen medizinischen Unterlagen zur Behandlung des Versicherten geht hervor, dass dieser seit Februar 2003 unter rezidivierendem Husten litt. Eine ambulant durchgeführte Röntgenaufnahme des Thorax zeigte eine „deutliche bronchopneumonische Verdichtung rechts basal“, eine „vermehrte Strahlentransparenz der Lungen“ und einen kleinen „Winkelerguss rechts“ (Befund des Radiologen Dr. MM. vom 14. April 2003) und wurde als Lungenemphysem sowie ausgedehnte Pleurapneumonie rechts basal gedeutet. Die Kontrolluntersuchung vom 28. April 2003 durch Dr. MM. zeigte keine Befundänderung, trotz zwischenzeitlicher Antibiotikagabe. Am 5. Mai 2003 erfolgte daher die stationäre Aufnahme des Versicherten in die PR.Kliniken, Kreiskrankenhaus D-Stadt (Entlassungsbericht vom 20. Mai 2003). Die dort durchgeführte Bronchoskopie ergab eine Rötung und eine erhöhte Vulnerabilität der Bronchialschleimhaut, insbesondere im Lungenmittellappen. Der zytologische Befund zeigte eine geringgradige Pleuritis. Die Computertomographie des Thorax vom 13. Mai 2003 zeigte nahezu seitensymmetrische, ausgedehnte Pleuraergüsse ohne Anhalt für einen Tumor. Eine erneute Pleurapunktion ergab zytologisch keinen neuen Hinweis für die Ursache des Ergusses. Der Versicherte wurde sodann zur videoassistierten Thorakoskopie in die Klinik B., Fachklinik für Lungenerkrankungen, verlegt. Die dort durchgeführte Thorakoskopie der rechten Thoraxhälfte zeigte pleurale Adhäsionen der Lungen, eine vermehre Gefäßinjektion der Pleura parietalis und an der Lappenunterkante weißliche Verdickungen. Es erfolgten mehrere Probeexcisionen aus der Pleura und eine Keilexcision vom Unterlappen der rechten Lunge. Das Ergebnis der in der Gemeinschaftspraxis der Fachärzte für Pathologie Prof. Dr. IM., Dr. XY., Prof. Dr. IF., E Stadt, durchgeführten histologische Begutachtung des Gewebes ist in dem Arztbrief vom 23. Mai 2003 (Bl. 12 Beklagtenakte) dahin beschrieben worden, dass es sich um eine leichte unspezifische Pleuritis visceralis et parietalis sowie ein kleines Lungeninfiltrat eines mäßig differenzierten, offenbar pulmonalen Adenokarzinoms handele (pathologischer Bericht vom 27. Mai 2003 über die zusätzlich immunhistochemischen Untersuchungen (Bl. 13 Beklagtenakte). In dem pathologischen Zusatzbericht vom 30. Mai 2003 zu diesen Präparaten (Bl. 14 Beklagtenakte) wird ausgeführt, auf den Hinweis, dass der Patient einer Exposition mit asbesthaltigem Material ausgesetzt gewesen sei, seien die Präparate noch einmal intensiv angesehen worden. Dabei habe sich ergeben, dass sich eine Asbestablagerung nicht darstellen lasse und ein Mesotheliom nicht vorliege. Am 30. Mai 2003 wurde in der Klinik B. eine ergänzende transbronchiale Biopsie bei dem Versicherten vorgenommen. Die histologische Begutachtung durch die Pathologen Prof. Dr. IF. und Kollegen in deren Arztbrief vom 2. Juni 2003 (Bl. 15 der Beklagtenakte) führte zu der Beurteilung, es handele sich um eine Lymphangiosis carcinomatosa durch ein mäßig differenziertes Adenokarzinom. In dem Entlassungsbericht der Klinik B. vom 26. Juni 2003 ist dementsprechend als Hauptdiagnose „Pleuritis carcinomatosa visceralis et parietalis durch ein mäßig differenziertes pulmonales Adenokarzinom“ ausgewiesen (Bl. 6 Beklagtenakte). Bei dem Versicherten wurde sodann der erste Zyklus einer Chemotherapie eingeleitet. Der zweite Zyklus der Chemotherapie wurde vom 3. Juli 2003 bis zum 12. Juli 2003 wiederum in der Klinik B. (Entlassungsbericht ohne Datum, Bl. 56 Beklagtenakte) durchgeführt. Die radiologischen Untersuchungen ergaben keine Befundänderung der Lunge. Es erfolgten weitere stationäre Krankenhausbehandlungen des Versicherten zur Fortführung der first line Chemotherapie vom 24. Juli bis 2. August 2003 und vom 13. August 2003 bis 28. August 2003. Wegen Tumorprogress mit erneuten Pleuraergüssen wurde die Chemotherapie auf eine second line mit Gemcar / Carboplat während der stationären Behandlung vom 7. Oktober 2003 bis 30. Oktober 2003 umgestellt. Der Versicherte verstarb am 28. November 2003 in der Klinik B. Laut dem vom Senat noch beigezogenem Schlussbericht der Klinik B. vom 19. Januar 2004, gerichtet an den Hausarzt Dr. RB., war am 10. November 2003 die stationäre Aufnahme des Versicherten zur geplanten Fortführung des 2. Zyklus der secondline Chemotherapie erfolgt. Wegen des deutlich reduzierten Allgemeinzustandes bei weiterem Tumorprogress wurde eine Fortsetzung der Chemotherapie für nicht mehr möglich angesehen und symptomatisch behandelt. Bei insgesamt infaustem Krankheitsverlauf sei der Versicherte am 28. November 2003 an den Folgen des seit Juni 2003 bekannten pulmonalen Adenocarcinoms im Kreis seiner Familie verstorben.

Von dem Ableben des Versicherten erlangte die Beklagte laut einem Telefonvermerk erst am 16. Januar 2004 im Rahmen eines Telefongespräches mit einer Mitarbeiterin der Klägerin Kenntnis (Gesprächsnotiz vom 16. Januar 2004). In ihren im Rahmen der medizinischen Ermittlungen an die den Versicherten behandelnden Kliniken und Ärzten gerichteten Schreiben mit der Bitte um Übersendung der Behandlungsunterlagen hatte die Beklagte folgenden Passus am Ende der jeweiligen Anforderungsschreiben verwandt: „Möglicherweise kann die Frage, ob eine Berufskrankheit vorliegt, erst nach einer Sektion geklärt werden. Wir bitten Sie daher, uns umgehend telefonisch zu benachrichtigen, wenn Sie vom Ableben des Versicherten Kenntnis erhalten.“ Ein solches Schreiben war auch unter dem Datum vom 23. Juni 2003 an die Klinik B. gerichtet worden.

Nach Befragung des Versicherten in der Klinik B. zu seinem Arbeitsleben und seiner Erkrankung sowie Einholung der Stellungnahme des TAD hatte die Beklagte zu den beigezogenen medizinischen Unterlagen eine Stellungnahme ihres beratenden Arztes EX., Arzt für Arbeitsmedizin vom 4. September 2003 eingeholt. Dieser führte in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 4. September 2003 aus, die in dem Entlassungsbericht der Klinik B. vom 26. Juni 2003 im Diagnosenteil enthaltene Feststellung, das Adenokarzinom sei in der Lunge lokalisiert, sei objektiv beweislos. Es handele sich um eine nicht belegte Behauptung. Radiologisch sei ein Adenokarzinom in der Lunge nicht zur Darstellung gekommen, wie die Röntgenbefunde und der CT-Befund belegten. Histologisch hätten sich keine Asbest- oder Eisenkörper nachweisen lassen, so dass eine Minimalasbestose als Brückensymptom auszuschließen sei. Weiterhin ergäben weder der intraoperative noch der histologische oder der radiologische Befund Hinweise auf Brückensymptome, so dass wegen der ermittelten Exposition von nur 8,6 Faserjahren nur eine Ablehnung der Anerkennung einer asbest-assoziierten Lungenerkrankung empfohlen werden könne. Es fehle am Vollbeweis eines Krankheitsbildes i.S.d. Ziff. 4104 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV). Weitere Ermittlungen oder eine Obduktion seien nicht erforderlich.

Mit Schreiben vom 4. September 2003 unterrichtete die Beklagte den Landesgewerbearzt von der beabsichtigen Entscheidung unter Mitübersendung einer Durchschrift der Akte, mit der Aufforderung, eine Stellungnahme innerhalb von 3 Wochen vorzulegen. Eine solche blieb zunächst aus. Mit Bescheid vom 1. Oktober 2003 lehnte die Beklagte sodann gegenüber dem Versicherten Entschädigungsleistungen ab, da eine Berufskrankheit nach Ziff. 4104 der Anlage 1 zur BKV nicht vorliege. Während der beruflichen Tätigkeit als Maurer habe zwar eine Asbeststaubeinwirkung bestanden. Der Vollbeweis, dass ein primärer Lungentumor vorliege, sei aber nicht erbracht. Mit gleicher Post unterrichtete die Beklagte die Klägerin davon, dass sie bei dem Versicherten eine Berufskrankheit nach Ziff. 4104 abgelehnt habe.

Gegen den Bescheid vom 1. Oktober 2003 erhob der Versicherte am 8. Oktober 2003 Widerspruch und teilte mit, dass eine schriftliche Begründung durch den VdK, Geschäftsstelle FO., nachgereicht werde.

Mit Schreiben vom 12. November 2003 nahm der Landesgewerbearzt, Prof. Dr. BF., Facharzt für Arbeitsmedizin, Umweltmedizin, dem auch die vorliegenden Röntgenaufnahmen übermittelt worden waren, zu dem Vorgang Stellung. Er führte aus, dass er sich der Beurteilung des beratenden Arztes EX. inhaltlich nicht anschließen könne, weil die Lungenfachklinik B. ein pulmonales Adenokarzinom diagnostiziert habe. Ferner sei der histologischen Untersuchung der transbronchialen Lungenbiopsie vom 2. Juni 2003 eindeutig zu entnehmen, dass das Adenokarzinom in der Bronchialschleimhaut nachweisbar sei. Er bat um Veranlassung eines pathologischen Gutachtens bei Prof. LR., Universität U-Stadt, zum Vorliegen einer Berufskrankheit 4104.

Hierauf erwiderte der beratende Arzt EX. in seiner Stellungnahme vom 20. November 2003 und lehnte die Durchführung weiterer Ermittlungen ab. Aus dem vom Landesgewerbearzt zitierten histologischen Befund ergäbe sich eindeutig, dass sich die karzinomatösen Zellen in den Lymphspalten und eben nicht in der Bronchialschleimhaut befänden. Somit liege der Befund einer lymphogenen Metastasierung vor und nicht der eines primären Bronchialkarzinoms. Letztlich sei die vom Landesgewerbearzt anders interpretierte Lokalisation des Primärtumors wegen des Fehlens von Brückensymptomen unerheblich. Von dieser Stellungnahme des beratenden Arztes vom 20. November 2003 setzte die Beklagte den Gewerbearzt mit Schreiben vom 25. November 2003 in Kenntnis. Mit Schreiben vom 25. November 2003 forderte die Beklagte den Versicherten auf, eine Widerspruchsbegründung innerhalb der nächsten 4 Wochen zu übersenden, da der VdK, entgegen seiner Ankündigung, eine solche nicht übermittelt habe.

Unter dem Datum vom 15. Januar 2004 versandte die Beklagte einen an den Versicherten gerichteten Widerspruchsbescheid, mit dem sie seinen Widerspruch gegen den Bescheid vom 1. Oktober 2003 als unbegründet zurückwies. Davon, dass der Versicherte bereits am 28. November 2003 verstorben war, hatte die Beklagte zu jener Zeit keine Kenntnis. Dies änderte sich erst am 16. Januar 2004, nachdem im Rahmen eines Telefongespräches eine Mitarbeiterin der Klägerin mitteilte, dass der Versicherte am 28. November 2003 in der Klinik B. verstorben sei. Der über dieses Gespräch erstellte Vermerk des Mitarbeiters LG. der Beklagten vom 16. Januar 2004 hat folgenden letzten Satz: „Laut Stellungnahme von BK-AM ist eine Obduktion im vorliegenden Fall nicht notwendig, da keine Brückensymptome vorliegen“.

Der VdK, der noch mit Schreiben vom 15. Januar 2004 die Vertretung des Versicherten für das Widerspruchsverfahren angezeigt hatte, teilte mit Schriftsatz vom 4. Februar 2004 mit, dass der Versicherte am 28. November 2003 verstorben sei und deshalb das Mandat niedergelegt werde.

Unter dem Datum vom 12. Februar 2004 richtete die Beklagte sodann an die Ehefrau des Versicherten einen Widerspruchsbescheid im Wege der Sonderrechtsnachfolge. Sie führte darin aus, der an den Versicherten gerichtete Widerspruchsbescheid vom 15. Januar 2004 könne angesichts des bereits am 28. November 2003 eingetretenen Todes keine Rechtswirkung entfalten. Aus diesem Grund ergehe dieser Widerspruchsbescheid an sie als Sonderrechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemannes. Der Widerspruch werde als unbegründet zurückgewiesen. Eine BK der Ziffer 4104 setze u.a. voraus, dass ein primärer Lungentumor i.S. eines Vollbeweises (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit) festgestellt ist und ein sog. Brückensymptom vorliege. Ein Brückensymptom liege vor, wenn alternativ asbestbedingte Veränderungen im Bereich der Lunge oder der Pleura (Brustfell) oder die Einwirkung einer kummulativen Asbestfaserstaub-Dosis von mindestens 25 Jahren nachgewiesen werden könne. Das diagnostizierte Adenokarzinom sei weder auf den radiologischen Thoraxaufnahmen zur Darstellung gekommen, noch habe bei den histologischen Untersuchungen des entnommenen Lungengewebes ein Adenokarzinom nachgewiesen werden können. Danach sei ein primärer Lungentumor nicht im Sinne eines Vollbeweises gesichert. Außerdem fehle es an einem Brückensymptom, da nach den radiologischen und histologischen Befunden weder im Bereich der Lunge noch der Pleura asbestbedingte Veränderungen festzustellen seien und die berufliche Asbestbelastung nach den Ermittlungen des Technischen Aufsichtsdienstes lediglich 8,6 Faserjahre betrage. Eine Durchschrift dieses Widerspruchsbescheides übermittelte die Beklagte der Klägerin sowie dem Landesgewerbearzt.

Mit Schreiben vom 9. Juli 2004 bat die Klägerin die Beklagte um Übersendung der BK Akten und der vorliegenden Röntgenbilder. Die Beklagte übersandte hierauf die angeforderte Akte mit Schreiben vom 20. Juli 2004 und teilte mit, dass das bildgebende Material wieder an die Ersteller zurückgesandt worden sei.

Mit Schreiben vom 30. Dezember 2004 teilte die Klägerin mit, sie halte ihren Erstattungsanspruch weiterhin aufrecht. Der an die Ehefrau des Versicherten gerichtete Bescheid mit der Ablehnung der Anerkennung einer Berufskrankheit habe für sie als gesetzliche Krankenkasse keine bindende Wirkung. Als Anlage übersandte die Klägerin eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung in Hessen (MDK) vom 8. Oktober/9. Oktober 2004, erstellt von dem beim MDK tätigen Facharzt für Arbeitsmedizin, Umweltmedizin, Sozialmedizin Dr. PI. und bat um Neuüberprüfung des Sachverhaltes. Dr. PI. führte darin aus, das Lungengewebe des Versicherten sei der einzige Ort gewesen, an dem neben dem Rippenfellsaum bösartiges Gewebe im Körper des Versicherten nachweisbar gewesen sei. Zur eindeutigen Klärung der Frage, ob bei dem Versicherten ein primäres Adenokarzinom der Lunge vorgelegen habe oder ob eine andere Primärtumorlokalisation in Betracht zu ziehen sei, hätte die Beklagte weitere Ermittlungen (Neuentnahme von Gewebe bzw. Durchführung einer Obduktion nach Ableben des Versicherten) einleiten müssen. Damit hätte auch eine Klärung hinsichtlich der Brückensymptome erfolgen können, für deren Vorliegen sehr wohl Hinweise bestanden hätten.

Hierzu äußerte sich der beratende Arzt EX. unter dem Datum vom 10. Januar 2005 wie folgt: Es sei nicht möglich, aus den im Rahmen der Therapie des Versicherten erhobenen Befunden einen Primärtumor der Lunge und Brückensymptome im Vollbeweis herzuleiten. Im Entlassungsbericht der Lungenfachklinik sei ausgeführt, dass sich das Adenokarzinom „offenbar“ in der Lunge befunden habe, da es radiologisch nicht zur Darstellung kam, wie die Röntgenbefunde und der CT-Befund belegten. Daher könne der fehlende Nachweis eines Primärtumors im Bauchraum nicht dazu dienen, um auf eine Primärlokalisation des Tumors in der Lunge zu schließen.

Mit Schreiben vom 11. Januar 2005 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie halte an der Bindungswirkung des Bescheides vom 1. Oktober 2003 (Widerspruchsbescheid vom 12. Februar 2004) über die Ablehnung einer Berufskrankheit fest.

Die Klägerin erhob am 15. Juni 2005 beim Sozialgericht Frankfurt am Main Klage mit dem Antrag, die Beklagte kostenpflichtig zur Zahlung von 27.712,63 Euro zu verurteilen.

Die Ehefrau des verstorbenen Versicherten stellte über den VdK einen Antrag auf Rücknahme des Bescheides vom 1. Oktober 2003 in Form des Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 2004 gem. § 44 Sozialgesetzbuch – Zehntes Buch – Verwaltungsverfahren (SGB X). Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 13. Juli 2005 ab.

In dem gegen die Beklagte gerichteten Klageverfahren holte das Sozialgericht eine Stellungnahme des Landesgewerbearztes Prof. Dr. BF. ein. Dieser führte in seiner schriftlichen Äußerung vom 30. November 2005 aus, die Verneinung eines Lungentumors durch den beratenden Arzt der Beklagten sei nicht überzeugend, weil dieser keine eigene Kompetenz für die Bewertung komplexer pathologischer Fragestellungen besitze. Auch hätten dem beratenden Arzt bei seiner Stellungnahme vom 20. November 2003 nicht die histologischen Präparate vorgelegen, die zu der pathologischen Diagnose eines offenbar pulmonalen Adenokarzinoms geführt hätten. Auch habe die Beklagte, indem sie seinem gewerbeärztlichen Ermittlungsvorschlag, ein pathologisches Gutachten zu veranlassen, nicht gefolgt sei, gegen § 4 Abs. 3 BKV verstoßen. Im Übrigen gelte, dass die bei dem Versicherten festgestellte Asbestdosis von 8,6 Faserjahren aus arbeitsmedizinischer Sicht geeignet sei, eine Lungen- oder Pleura-Asbestose zu verursachen. Der Versicherte sei nahezu ausschließlich einer Einwirkung durch Weißasbest (Chrysotil) ausgesetzt gewesen. Das von dem Pathologen Prof. IF. und Kollegen angewandte Verfahren mit Zählung der Asbestkörper sei zum Ausschluss einer Asbestose ungeeignet gewesen. Auch werde in dem pathologischen Bericht nicht referiert, mit welcher Methode die Asbestkörper bestimmt worden seien. Weißasbest bilde nur in geringem Umfang Asbestkörper.

Das Sozialgericht hat weiter Beweis erhoben durch Einholung eines fachpathologischen Gutachtens nach Aktenlage. In dem von Prof. Dr. AB. unter Mitarbeit des Arztes KS., beide tätig am Medizinischen Zentrum für Pathologie am Klinikum der LH.Universität A Stadt, unter dem Datum vom 6. Februar 2007 erstellten schriftlichen Gutachten wird in der Beurteilung ausgeführt, bei dem Versicherten habe eine pleurale Lymphangiosis carcinomatosa durch ein Adenokarzinom vorgelegen. Ein primäres Adenokarzinom der Lunge sei möglich, könne aber durch das vorliegende Material nicht bewiesen werden, so dass auch ein Primärtumor anderer Organlokalisation mit Metastasierung in die Lungenperipherie und Pleura in Betracht komme. Insoweit wird in dem Gutachten Bezug genommen auf zwei in Paraffin eingebettete Blöcke und Schnittpräparate mit Gewebe des Versicherten, welches aus der pathologischen Gemeinschaftspraxis Prof. Dr. IM. und Kollegen von Prof. Dr. AB. beigezogen wurde. Zur Diagnose einer Pleuraasbestose (hyaline Pleuraplaques) oder einer Lungenasbestose (interstitielle Lungenfibrose) sei das zur Verfügung stehende Körpermaterial des Versicherten nicht ausreichend. Dementsprechend seien eine Zählung von Asbestkörperchen, eine Kaltveraschung des minimalen Restgewebes sowie eine elektronenmikroskopische Auswertung nicht Erfolg versprechend. Zur Klärung der Primärtumorlokalisation wäre eine Obduktion notwendig gewesen.

Das Sozialgericht gab der Klage mit Urteil vom 26. Juni 2007 statt und verurteilte die Beklagte zur Zahlung des eingeklagten Betrages. Zur Begründung führte das Sozialgericht aus: Die Klägerin habe einen Erstattungsanspruch gem. § 105 Abs. 1 SGB X, da die Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK nach Ziffer 4104 BKV bei dem Versicherten vorgelegen hätten und die Beklagte deshalb für die der Klägerin entstandenen Behandlungskosten aufzukommen habe. Für die Anerkennung einer BK sei Voraussetzung, dass die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen i.S.d. Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, der nach der sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, die hinreichende Wahrscheinlichkeit – nicht allerdings die bloße Möglichkeit – ausreiche.

Das Vorliegen eines primären Bronchialkarzinoms, an dessen Folgen der Versicherte verstorben ist, sei im Vollbeweis bewiesen. Das Sozialgericht sei auch davon überzeugt, dass der Lungenkrebs in Verbindung mit einer Asbestose gestanden habe. Zwar sei aufgrund der vorliegenden Befunde nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erwiesen, dass bei dem Versicherten ein primäres Adenokarzinom der Lunge sowie Brückensymptome vorlagen. Laut dem eingeholten fachpathologischen Sachverständigengutachten von Prof. Dr. AB./Assistenzarzt KS. hätte eine endgültige Klärung jedoch durch eine Obduktion, ggf. nach Exhumierung des Leichnams, erbracht werden können. Diese Obduktion habe die Beklagte schuldhaft nicht veranlasst. Sie hätte bei sorgfältiger Prüfung aufgrund der Stellungnahme des Landesgewerbearztes vom 12. November 2003 und der ihr vorliegenden fachärztlichen Befundberichte zu dem Ergebnis gelangen müssen, dass nur durch eine Obduktion geklärt werden hätte können, wo der Primärtumor lokalisiert war und ob eine Lungen- oder Pleuraasbestose vorlag. Eine Klärung dieser Frage könne anhand des heute noch vorliegenden Körpermaterials aufgrund dessen geringer Menge nicht festgestellt werden. Das Absehen von einer Obduktion des Versicherten seitens der Beklagten sei bei dem vorliegenden Sachverhalt ermessensfehlerhaft gewesen, da der Ermessensspielraum der Beklagten angesichts des sich aufgrund der Befundlage aufdrängenden Verdachtes einer BK der Ziffer 4104 insoweit auf 0 reduziert gewesen sei. Die Beklagte wäre auch in der Lage gewesen, dieser Amtsermittlungspflicht nachzukommen, nachdem sie spätestens am 16. Januar 2004 vom Tode des Versicherten Kenntnis erlangt hatte. Der Nachweis einer (Minimal )Asbestose könne auch noch einige Monate nach dem Tode des Betroffenen – zumal wenn dieser im Winter eingetreten sei – erbracht werden. Das Sozialgericht sei weiter davon überzeugt, dass bei dem Versicherten eine Asbestose vorgelegen habe. Den Tatsachengerichten bleibe es im Rahmen ihrer freien richterlichen Beweiswürdigung überlassen, je nach der Besonderheit des maßgebenden Einzelfalls schon einzelne Beweisanzeichen, im Extremfall sogar ein Indiz ausreichen zu lassen für die Feststellung einer Tatsache oder der daraus abgeleiteten Bejahung der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs (Hinweis auf BSG, Urteil vom 27. Mai 1997, SozR 3 1500 § 128 Nr. 11; Bay. LSG, Urteil vom 13. April 2005 – L 2 U 336/03; LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 25. März 1998 – L 8 U 93/97). Ein solcher Fall liege hier vor, da die Beweisnot der Klägerin durch die Beklagte schuldhaft verursacht worden sei. Fest stehe, dass der Versicherte in seinem Arbeitsleben in erheblichem Ausmaße gegenüber Asbeststaub exponiert war, nämlich nach den Berechnungen des TAD in einem Umfang von 8,6 Faserjahren. Dies reiche aus, um eine – für eine Anerkennung der BK Ziffer 4104 ausreichende – Minimalasbestose zu verursachen. Durch die Asbestose sei es bei dem Versicherten zum Lungenkrebs gekommen. Liege im Übrigen eine Asbestose – und sei es auch nur eine Minimalasbestose – vor, so werde nach dem Wortlaut der BK Ziffer 4104 der Anlage zur BKV der Kausalzusammenhang zwischen Asbeststaubexposition und dem Lungenkrebs unterstellt (Hinweis auf das Merkblatt zu dieser BK-Ziffer).

Dem Erstattungsanspruch der Klägerin stehe schließlich auch nicht der gegenüber dem Versicherten ergangene ablehnende Bescheid der Beklagten vom 10. Oktober 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 2004 entgegen. Dabei könne dahinstehen, ob der ablehnende Bescheid der Beklagten gegenüber dem Versicherten eine Tatbestandswirkung im Verhältnis zur Klägerin entfalte oder es sich bei den Erstattungsansprüchen der §§ 102 ff. SGB X um eigenständige, originäre Ansprüche handele, die nicht von der Rechtsposition des Leistungsberechtigten abhängig seien, so dass selbst die bindende Ablehnung des Begehrens des Sozialleistungsberechtigten durch den auf Erstattung in Anspruch genommenen Leistungsträger dem späteren Erstattungsbegehren des vorleistenden Leistungsträgers nicht entgegenstehe. Denn im Verhältnis der Versicherungsträger untereinander gelte jedenfalls auch, dass sie im Hinblick auf die vielfältige gegenseitige Abhängigkeit von Sozialleistungen zu enger Zusammenarbeit (§ 86 SGB X) und auch Rücksichtnahme auf die Belange des anderen Leistungsträgers verpflichtet seien. Hieraus folge eine allgemeine, der Kooperationsbeziehung immanente Verpflichtung, eine Entscheidung zu korrigieren, die offensichtlich fehlerhaft sei oder einem anderen Leistungsträger zum Nachteil gereiche, oder zumindest ihn so zu stellen, als wenn von Anfang an richtig entschieden worden wäre. Diesbezüglich sei zu prüfen, ob die getroffene Entscheidung objektiv unter Berücksichtigung der verfügbaren Entscheidungsgrundlagen dem materiellen Recht deutlich widerspreche (Hinweis auf BSG, Urteil vom 17. Juni 1993, SozR 3 – 1300 § 103 Nr. 4 und Urteil vom 30. Mai 2006, SozR 4 – 3100 § 18 c Nr. 2). Ein solcher deutlicher Widerspruch liege nicht bereits dann vor, wenn verschiedene Gutachter zu einer unterschiedlichen Einschätzung medizinischer Fragen gelangten. Sei jedoch aufgrund der Beweislage mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass ein positiver Bescheid ergehen hätte müssen, so sei aufgrund der gesetzlich normierten Kooperationsbeziehung zwischen den Leistungsträgern ein Verweis auf die Tatbestandswirkung eines bestandskräftigen Bescheides nicht zu rechtfertigen. Eine solche Sachlage sei hier aufgrund der fachärztlichen Befundberichte und der Stellungnahme des Gewerbearztes anzunehmen. Die Beklagte könne sich mithin nicht auf eine Tatbestandswirkung des bestandskräftig gewordenen Bescheides gegenüber dem Versicherten berufen.

Gegen das ihr am 12. Juli 2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 20. Juli 2007 Berufung eingelegt.

Der Senat hat eine ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. AB./Dr. KS zu dem von diesem im erstinstanzlichen Verfahren erstellten Gutachten eingeholt. In dieser Gutachtensergänzung in schriftlicher Form vom 27. November 2008 wird ausgeführt, auch 7 Wochen nach dem Tode des Versicherten hätte in Abhängigkeit von der Bodenbeschaffenheit des Erdgrabes des Versicherten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit im Rahmen eines Vollbeweises eine Unterscheidung zwischen einem primären Adenokarzinom der Lunge und andererseits pulmonalen Absiedlungen eines Primärtumors anderer Lokalisation getroffen werden können. Zudem wäre auch zur Frage, ob ein Asbestose-assoziiertes Tumorleiden bestanden habe, mit hinreichender Sicherheit eine Aussage möglich gewesen.

Die Beklagte und Berufungsklägerin trägt nunmehr vor, das Sozialgericht habe rechtsfehlerhaft die festgestellte berufliche Asbestexposition von 8,6 Faserjahren als Indiz für das Vorliegen einer Minimalasbestose bewertet. Nach der medizinisch-wissenschaftlichen Fachliteratur könne nämlich eine Minimalasbestose erst bei einer beruflichen Asbestexposition von mindestens 25 Faserjahren als nachgewiesen gelten. Aus arbeitsmedizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen heraus sei es jedoch stattdessen so, dass eine berufliche Asbeststaubeinwirkung von 8,6 Faserjahren nicht geeignet sei, eine Minimalasbestose zu verursachen, mithin also ein Indiz gegen das Vorliegen einer Minimalasbestose bei dem verstorbenen Versicherten sei. Zur weiteren Begründung verweist die Beklagte auf eine von ihr vorgelegte Stellungnahme ihres beratenden Arztes EX. vom 6. Februar 2009, ergänzt unter dem 8. Juli 2009. Darin wird ausgeführt, bei der histologischen Untersuchung der dem Versicherten entnommenen Gewebe sei nicht einmal ein einziger Asbestkörper gefunden worden, was gegen das Vorliegen einer Minimalasbestose spreche. Die von der Klägerin unter Verweis auf die Ausführungen des MDK-Arztes Dr. PI. vertretene Position verkenne die für eine geeignete Einwirkung zur Herbeiführung einer Asbestose anerkannte Dosis-Wirkung-Beziehung. Auch könnten hyaline Pleuraplaques im CT eindeutig zur Darstellung gebracht werden, weshalb für den Nachweis eine Obduktion nicht erforderlich sei.

Weiter führt die Beklagte aus, es sei zu klären, ob die Angehörigen des Versicherten eine Obduktion ohnehin abgelehnt hatten oder bei Befragung abgelehnt hätten. Auch trügen an dem Beweisnotstand die Ärzte und Krankenhäuser sowie die Klägerin Schuld, da sie alle die Beklagte nicht frühzeitig vom Tode des Versicherten informiert hätten.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 26. Juni 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Ergänzend führt sie unter Bezugnahme auf weitere Stellungnahmen des Dr. PI. vom MDK vom 5. März 2009 und 29. Juli 2009 aus, auch unterhalb der Dosis von 25 Faserjahren könnten im Einzelfall durchaus entweder radiologische Brückensymptome in Form von Pleuraasbestosen vorkommen und andererseits im Einzelfall auch histopathologisch Minimalasbestosen festgestellt werden. Gerade für die Fälle mit einer Asbestexposition zwischen einem und 25 Faserjahren sei die Obduktion ein gängiges und notwendiges Beweismittel, um dem Betroffenen noch die Beweisführung einer BK 4104 zu ermöglichen. Bei dem Versicherten hätten sich zudem in der durchgeführten Torakoskopie pleural auffällige Herde gezeigt, nämlich weißliche Auflagerungen, welche an eine Pleuraasbestose haben denken lassen. Durch eine Obduktion wäre insoweit eine weitere Klärung möglich gewesen. Soweit der Beratungsarzt EX. anführte, bei der zu Lebzeiten des Versicherten durchgeführten histologischen Untersuchung sei nicht mal ein einziger Asbestkörper gefunden worden, gelte, dass das untersuchte Gewebestück angesichts seiner geringen Größe und dem geringen Anteil an Lungengewebe gar nicht geeignet gewesen sei, zur Klärung des Vorliegens einer Minimalasbestose beizutragen. Auch der vorgebrachte Einwand, im CT vom Thorax des Versicherten seien keine Pleuraplaques gefunden worden, greife nicht. Bei dem Versicherten hätte zum Zeitpunkt der CT-Untersuchung ein Pleuraerguss und eine Pleuritis bestanden. Bei einer solchen Befundlage komme die computertomographische Technik an ihre Grenzen.

Der Senat hat noch weitere Entlassungsberichte der Klinik B. und den Schlussbericht dieser Lungenfachklinik vom 19. Januar 2004 beigezogen. Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg.

Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten ist für den geltend gemachten Erstattungsanspruch eröffnet. Dieser richtet sich gemäß § 114 SGB X im Grundsatz nach der Rechtswegzuständigkeit für den zugrundeliegenden Sozialleistungsanspruchs gegen den erstattungspflichtigen Leistungsträger. Auch wurde der Erstattungsanspruch zutreffend durch reine Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz – SGG -) geltend gemacht.

Auf die im Übrigen form- und fristgerecht erhobene und damit zulässige Berufung war das angefochtene erstinstanzliche Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen, da der Klägerin der geltend gemachte Erstattungsanspruch nicht zusteht.

Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Erstattungsanspruch der Klägerin ist § 105 SGB X. Diese Norm begründet einen Erstattungsanspruch des unzuständigen Leistungsträgers, der ohne Kenntnis von der kongruenten Verpflichtung des zuständigen Trägers in der irrigen Annahme seiner Leistungskompetenz und in der Absicht endgültig (und nicht vorläufig, vgl. § 102 SGB X) zu leisten, Sozialleistungen erbracht haben. Die Regelung bezweckt durch einen nachträglichen Ausgleich zwischen den Leistungsträgern im Interesse der Vermeidung von Leistungskumulationen den Zustand herzustellen, wie er bei einer von Anfang an der gesetzlichen Zuständigkeit entsprechenden Leistungserbringung bestanden hätte. Der Anspruch richtet sich gegen den Leistungsträger, der für die Sozialleistung sachlich-rechtlich zuständig ist. Dies ist der Träger, der hinsichtlich der begehrten Leistung nach materiellem und formellen Recht richtigerweise von dem Leistungsberechtigten, hier dem Versicherten, auf Leistung in Anspruch nehmen ist. Für die Erstattung nach § 105 SGB X ist somit charakteristisch, dass die erbrachten Sozialleistungen – im Gegensatz zu den von den §§ 102 bis 104 SGB X erfassten Fällen – nicht rechtmäßig, sondern wegen Unzuständigkeit des Leistungsträgers aufgrund einer rechtswidrigen Bewilligungsentscheidung des Leistungsträgers erbracht worden sind. Unzuständigkeit bedeutet in diesem Zusammenhang, dass für den Leistungsträger, der Erstattung fordert, von Anfang an weder eine eigene Leistungspflicht noch eine Leistungspflicht im Auftrag eines anderen vorgelegen haben darf; maßgebend ist demnach die rechtliche Sachbefugnis im Sinne der Passivlegitimation im Verhältnis zu dem Leistungsempfänger, hier dem Versicherten, dem von der Klägerin im wesentlichen Krankenhausbehandlung als Sachleistung gewährt worden war. Dagegen muss ein einziger (anderer) Leistungsträger zuständig und dem Leistungsempfänger gegenüber zur Leistungserbringung verpflichtet sein.

Hier steht im Raum, ob für die von der Klägerin erbrachten Leistungen die Beklagte sachlich zuständig gewesen wäre, wobei sich aus der sachlichen Zuständigkeit ergibt, welcher Sozialleistungsbereich und damit welche Art von Leistungsträger zuständig ist. Einer der Hauptanwendungsfälle des § 105 SGB X ist der Fall der Erbringung von Leistungen aus der Gesetzlichen Krankenversicherung, wenn die zur Leistungspflicht führende Erkrankung erst später als Berufskrankheit (§ 9 SGB XII) anerkannt wird und damit zur grundsätzlich ausschließenden Leistungszuständigkeit der Gesetzlichen Unfallversicherung führt. Nach § 11 Abs. 4 Sozialgesetzbuch – Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) in der hier maßgeblichen und bis zum 31.03.2007 geltenden Fassung (durch Art. 1 Nr. 7 GKV-WSG vom 26.03.2007, BGBl. I, 378 ist der bisherige Abs. 4 dieser Norm zu Abs. 5 geworden) besteht aus der Gesetzlichen Krankenversicherung kein Anspruch auf Leistungen, wenn diese als Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit im Sinne der Gesetzlichen Unfallversicherung zu erbringen sind. Diese Vorschrift schließt somit bei Berufskrankheiten einen Anspruch aus der Gesetzlichen Krankenversicherung zugunsten der Zuständigkeit des Unfallversicherungsträgers aus, das heißt, wenn der gesundheitliche Schaden durch einen unfallversicherungsrechtlichen Tatbestand verursacht worden ist.

Nach § 105 Abs. 2 SGB X sind für den Umfang des Erstattungsanspruches die für den zuständigen – erstattungspflichtigen – Leistungsträger im Zeitpunkt der Entstehung der Kosten geltenden Vorschriften maßgeblich. Das bedeutet, dass zu erstatten ist, was der zuständige Leistungsträger nach den von ihm anzuwendenden Vorschriften zu leisten gehabt hätte.

Den Erstattungsansprüchen des Zweiten Abschnittes des Dritten Kapitels des SGB X ist gemeinsam, dass sie Ausgleichslagen im Mehr-Personen-Verhältnis unter Beteiligung von (wenigstens) zwei Leistungsträgern und dem Leistungsberechtigten regeln. An die Stelle der Leistungsverpflichtung gegenüber dem Bürger, die aufgrund von § 107 SGB X erlischt, tritt eine neue und eigenständige Verpflichtung des letztverantwortlichen Leistungsträgers zum Ausgleich gegenüber dem erstattungsberechtigten Leistungsträger. Dabei soll allerdings der erstattungspflichtige Träger nicht mehr erstatten müssen, als er selbst nach dem für ihn maßgebendem Recht zu leisten gehabt hätte. Bei der Abwicklung des Ausgleichsverhältnisses haben die Leistungsträger die Rechtspflicht, wegen der Interdependenzen zwischen den Sozialleistungen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben eng zusammenzuarbeiten und bei widerstreitenden Interessen die Belange des anderen Leistungsträgers angemessen zu berücksichtigen (vgl. Bundessozialgericht, SozR 1300, § 103 Nr. 2 und 3; BSG, SozR 3-1300, § 111 Nr. 9). Dies folgt allgemein aus § 86 SGB X (so Bundessozialgericht, SozR 3-2600, § 99 Nr. 2; Bundessozialgericht, SozR 4100, § 105b Nr. 6). Vor dem Hintergrund des Kooperationsgebotes stellt sich somit die Grundfrage, ob und inwieweit ein Leistungsträger Entscheidungen eines anderen Leistungsträgers, die dieser im Sozialrechtsverhältnis zum Bürger getroffen hat, hinnehmen muss (vgl. hierzu Klattenhoff, in: Hauck/Noftz, Vorbemerkungen zu §§ 102 bis 114, Rdnr. 13, Loseblattausgabe Stand 2/05) bzw. inwieweit er Einwendungen aus dem Sozialleistungsverhältnis zu dem Versicherten geltend machen kann. Sie kann nur beantwortet werden unter Einbeziehung der Grundsätze und Normen zur Tatbestandswirkung bestandskräftiger Verwaltungsakte, zu den eigenständigen Verfahrensrechten systemsubsidiärer Leistungsträger sowie des Sachverhalts der Zuweisung jeweils eigenständiger Aufgaben an die Versicherungsträger in dem gegliederten System der sozialen Sicherung. Es bedarf einer rechtsdogmatischen Harmonisierung der aus diesen Prinzipien folgenden unterschiedlichen Interessenlagen unter Einbeziehung pragmatischer Gesichtspunkte zur Handhabbarkeit der Erstattungsbeziehungen und Beschränkung von Erstattungsstreitigkeiten auf ein angemessenes Maß.

Gegen eine Einbeziehung der gegenüber dem Versicherten ergangenen Entscheidung über dessen Leistungsanspruch in das Erstattungsverfahren spricht zunächst, dass durch die Regelungen der §§ 102 bis 114 SGB X – anders als beim Forderungsübergang – eigenständige, originäre Ansprüche auf Erstattung begründet werden (BSG, SozR 3 5670, § 3 Nr. 4; BVerwGE 89, 39, 46). Ein Leistungsträger ist nicht befugt, an der Entscheidung eines anderen Leistungsträgers mitzuwirken oder dessen Leistungsbescheid anzufechten, es sei denn, es besteht hierfür eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung, wie etwa in § 51 Abs. 1 und 2 SGB V. Daraus wurde früher abgeleitet, der Leistungsbescheid des einen Leistungsträgers entfalte keine Bindungswirkung gegenüber dem anderen nach §§ 39, 77 SGG und habe keine Tatbestandswirkung in dem Sinn, dass sein Inhalt vom anderen Träger als gegeben hinzunehmen wäre (Kater in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Band 2, § 103 SGB X, Rn. 45, 54). Die frühere Rechtsprechung des BSG zu § 1531 RVO und anfänglich auch zu den §§ 102 bis 105 SGB X ist deshalb davon ausgegangen, dass verwaltungsverfahrensrechtliche Einwendungen aus dem Sozialleistungsverhältnis, insbesondere die im Sinne des § 77 SGG bindende Versagung der Leistung, dem Erstattungsbegehren nicht entgegengesetzt werden könne (vgl. Kater in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Band 2, § 103 SGB X, Rn. 55 m. w. N.). Sie ist aber zu Recht nicht konsequent fortgeführt worden, wenn auch das Bundessozialgericht vereinzelt weiterhin hierauf zurückgreift (so BSG, Urteil vom 28.September 1999, B 2 U 36/98 R, SozR 3 – 5670 § 3 Nr. 4 unter Hinweis auf Urteil vom 30. April 1991, 2 RU 78/90).

Die Eigenständigkeit des Erstattungsanspruches hebt nämlich die inhaltliche Abhängigkeit und untrennbare Verknüpfung vom und mit dem Anspruch des (vermeintlich) Leistungsberechtigten nicht auf (vgl. BSG, SozR 1300, § 104 Nr. 7; BVerwGE 60, 236). In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Urteil vom 13. September 1984, Az.: 4 RJ 37/83, BSGE 57, 146; Urteil vom 22. Mai 1985, 1 RA 33/84, BSGE 58, 119; s. aber auch noch Urteil vom 27. August 1987, Az.: 2 RU 49/86, BSGE 62, 118; vgl. Kater in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, § 103 SGB X Rdnr. 44 ff. und § 104 SGB X Rdnr. 38) und des Bundesfinanzhofs (Urteil vom 14.05.2002, Az.: VIII R 88/01) ist dieser Gesichtspunkt zunehmend in den Vordergrund gegenüber der formalen Eigenständigkeit der Erstattungsansprüche nach den §§ 105 ff. SGB X gerückt worden. Deshalb führe die (formale) Selbständigkeit der Erstattungsansprüche nicht dazu, dass der Leistungsbescheid des vorrangig leistungspflichtigen Trägers für die Erstattung unbeachtlich wäre; vielmehr bestehe eine wechselseitige Abhängigkeit und Verknüpfung hinsichtlich Grund und Höhe mit der Folge, dass der auf Erstattung in Anspruch genommene Leistungsträger grundsätzlich diejenigen Einwendungen, die ihm gegenüber dem Leistungsberechtigten zustünden, auch gegenüber dem Erstattungsanspruch erheben könne (Kater in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Band 2, § 103 SGB X, Rn. 46; BSG, Urteil vom 06.02.1992 – Az.: 12 RK 15/90 – juris; BSG, Urteil vom 01.09.1999 – Az.: B 13 RJ 49/98 R – juris; BSG, Urteil vom 23.06.1993 – Az.: 9/9a RV 35/91 – juris). Darf der auf Erstattung in Anspruch genommene Leistungsträger diejenigen Einwendungen, die ihm gegen den Sozialleistungsanspruch zustehen, auch gegen den Erstattungsanspruch erheben, so ist es nur folgerichtig, dies auch hinsichtlich des Einwandes anzunehmen, dass über den Sozialleistungsanspruch des (vermeintlich) Berechtigten bereits rechtskräftig ablehnend entschieden ist. Die Einwendung beruht dabei nicht auf der Rechtskraft des im Verfahren des Leistungsberechtigten ergangenen Urteils; das Geltendmachen der Einwendung hat vielmehr zur Folge, dass aus sachlichrechtlichen Gründen kein Erstattungsanspruch gegeben ist. Wie auf die rechtskräftige Entscheidung kann sich der Träger auf die bindende Entscheidung (§ 39, § 77 SGG) einschließlich ihrer Tatbestandwirkung berufen (Kater in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Band 2, § 103 SGB X, Rn. 56 m. w. N. zur Rechtsprechung des BSG). Die Bindungswirkung gilt insbesondere auch für den Rückerstattungsstreit (vgl. BSG, Urteil vom 23.06.1993 – Az.: 9/9a RV 35/91 – juris). Nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kann somit der auf Erstattung in Anspruch genommene Leistungsträger nicht nur einwenden, über den Sozialleistungsanspruch sei bereits rechtskräftig ablehnend entschieden worden (BSGE 58, 119), sondern auch geltend machen, eine beantragte Leistung sei bestandskräftig abgelehnt worden (Bundessozialgericht, Urteil vom 12. Mai 1999, Az.: B 7 AL 74/98 R, BSGE 84, 80) oder es sei entschieden worden, dass diese erst ab einem bestimmten Zeitpunkt zu gewähren sei (Bundessozialgericht, Urteil vom 1. September 1999, Az.: B 13 RJ 49/98 R, SozR 3-1300 § 86 SGB X Nr. 3).

Damit ist aber noch nicht geklärt, ob dies auch dann gilt, wenn der die Leistung bewilligende oder versagende Bescheid fehlerhaft ist bzw. in welchem Umfang eine Überprüfung eines Verwaltungsaktes auf eine eventuelle von dem Erstattungsberechtigten geltend gemachte Fehlerhaftigkeit geboten ist. Hierfür ist von folgenden Gesichtspunkten auszugehen:

Liegt bereits im Sozialleistungsverhältnis eine Entscheidung des Leistungsträgers vor, soll über Grund und Höhe der Leistung zum Zwecke der Erstattung nicht noch einmal entschieden werden (BSG, SozR 3-2600, § 99 Nr. 2; BSG, SozR 3-1300, § 112 Nr. 2). Die Entscheidung des letztverantwortlichen Leistungsträgers hat der nachrangige oder unzuständige Leistungsträger unterhalb der Schwelle der Nichtigkeit dieser Entscheidung im Interesse der Funktionsfähigkeit des gegliederten Systems sozialer Sicherheit grundsätzlich hinzunehmen (BSG, SozR 3-1200, § 48 Nr. 1; BSG, SozR 3-2200, § 310 Nr. 1; BSG, SozR 1300, § 103 Nr. 2 und 3; BSG, SozR 1300, § 104 Nr. 7; BSG, SozR 3 2200, § 183 Nr. 6; BSG, SozR 3-1300, § 104 Nr. 15). Dies bedeutet, dass sich der auf Erstattung in Anspruch genommene Leistungsträger in der Regel auf die bindende Entscheidung einschließlich ihrer Tatbestandswirkung berufen kann, und zwar grundsätzlich auch dann, wenn der die Leistung bewilligende oder ablehnende Verwaltungsakt fehlerhaft ist. Allerdings ist es dem in Anspruch genommenen Leistungsträger aufgrund der Pflicht zur engen Zusammenarbeit nach § 86 SGB X dann versagt, auf der getroffenen Entscheidung zu beharren, wenn sich diese als offensichtlich fehlerhaft erweist und sich dies zum Nachteil des anderen Leistungsträgers auswirkt. Hierbei ist zu prüfen, ob die getroffene Entscheidung objektiv unter Berücksichtigung der verfügbaren Entscheidungsgrundlagen dem materiellen Recht deutlich widerspricht (vgl. BSG, SozR 3-1300, § 86 Nr. 3; BSG, SozR 1300, § 103 Nr. 2 und 3; BSG, SozR 3-1300, § 103 Nr. 4). Liegen diese Voraussetzungen vor, so hat der erstattungspflichtige Leistungsträger die Fehlentscheidung im Erstattungsstreit zu korrigieren bzw. kann sie der Erstattungsforderung nicht entgegenhalten (BSG, SozR 3-1300, § 103 Nr. 4; BSG, SozR 3-2600, § 99). Offensichtlich ist eine Fehlerhaftigkeit in der Regel nur dann, wenn sie sozusagen „auf der Hand“ liegt, die Rechtsanwendung des die Leistung bewilligenden oder versagenden Leistungsträgers aufgrund der gegebenen Sach- und Rechtslage mithin offenkundig nicht vertretbar ist. In der Regel wird daher bei Streitfragen, die nicht eindeutig durch Gesetz oder Rechtsprechung geklärt sind und für die beide Seiten gute Argumente haben, nicht von einer offensichtlichen Fehlerhaftigkeit ausgegangen werden können, wenn der auf Erstattung in Anspruch genommene Leistungsträger gegenüber dem Versicherten anders entscheidet als es der Erstattung beanspruchende Leistungsträger für richtig erachtet.

Im Rahmen eines Erstattungsverfahrens – wie vorliegend – ist bei der Prüfung der offensichtlichen Fehlerhaftigkeit eines Bescheides lediglich auf bereits vorhandene tatsächliche Feststellungen abzustellen. Diese sind unter Zugrundelegung objektiver Gesichtspunkte zu beurteilen. Weitere Ermittlungen sind nicht durchzuführen (Bundessozialgericht, Urteil vom 16.06.2008, Az.: B 12 R 37/07 R; Urteil vom 13.09.1984, SozR 1300 § 103 Nr. 3 Seite 12; Urteil vom 28.11.1985, USK 85142; Urteil vom 01.09.1999, SozR 3-1300 § 86 Nr. 3 Seite 8f. und Urteil vom 26.07.2007, SozR 4-2600 § 116 Nr. 1 Rdnr. 18).

Der anzulegende Maßstab der „offensichtlichen Fehlerhaftigkeit“ in diesem Sinne ist nicht gleichbedeutend mit der Nichtigkeit eines Bescheides (§ 40 SGB X), die einen „besonders schwerwiegenden Fehler“ des Verwaltungsakts voraussetzt und „bei verständiger Würdigung der in Betracht kommenden Umständen offensichtlich ist“. Denn der nichtige Verwaltungsakt ist von vornherein unwirksam (§ 39 Abs 3 SGB X), während sich die Problematik der Bindungswirkung eines offensichtlich fehlerhaften Bescheides im Erstattungsverfahren stellt, da dieser grundsätzlich wirksam ist.

Ziel der Beschränkung der Durchbrechung der Bindungswirkung auf Fälle offensichtlicher Fehlerhaftigkeit ist es zu verhindern, dass der einen Erstattungsanspruch geltend machende Leistungsträger schon dann eine Überprüfung erzwingen kann, wenn er lediglich eine andere Rechtsauffassung vertritt. Insofern muss und soll die Rechtsanwendungsprärogative weiterhin bei dem für das jeweilige Leistungsrecht zuständigen Leistungsträger verbleiben – nicht zuletzt um Erstattungsstreitigkeiten zwischen Leistungsträgern auf ein angemessenes Maß zu begrenzen (Bundessozialgericht, Urteil vom 01.09.1999, Az.: B 13 RJ 49/98 R – juris). Dies entspricht auch der grundsätzlichen Eigenständigkeit der Erstattungsansprüche und der allgemeinen Zielsetzung der §§ 102 ff: SGB X, die Erstattungsbeziehungen möglichst einfach zu regeln.

Diesen Grundsätzen folgend ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass der Klägerin ein Erstattungsanspruch nur dann zusteht, wenn die Beklagte mit ihrem bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 01. Oktober 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 2004, gerichtet an die Ehefrau des Versicherten als Sonderrechtsnachfolgerin, gegenüber dem Versicherten und seiner Sonderrechtsnachfolgerin offensichtlich fehlerhaft im obigen Sinne die Feststellung einer BK nach Nr. 2108 der Anlage 1 zu BKV abgelehnt hatte. Dies ist aber entgegen der Auffassung des Sozialgerichts nicht der Fall.

Eine offensichtliche Unrichtigkeit der ablehnenden Entscheidungen der Beklagten kann der Senat nicht erkennen. Dabei hätte es der vom Sozialgericht durch Einholung eines gerichtlichen fachpathologischen Sachverständigengutachtens von Prof. Dr. AB. durchgeführten medizinischen Sachermittlung nicht zwingend bedurft, da nach den oben dargelegten Grundsätzen im Rahmen eines Erstattungsverfahrens bei der Prüfung der offensichtlichen Fehlerhaftigkeit eines Bescheides vorrangig die bereits vorhandenen tatsächlichen Feststellungen die Erkenntnisgrundlage bilden. Somit sind die im Verwaltungsverfahren zur Frage des Vorliegens einer Berufserkrankung oder eines beruflich bedingten Unfallschadens gewonnenen Ermittlungsergebnisse primärer Bezugspunkt der in inhaltlicher Hinsicht wegen des Maßstabes der offensichtlichen Fehlerhaftigkeit deutlich reduzierten Prüfung.

Zwischen den Beteiligten ist zum einen die genaue Diagnose des Krebsleidens des verstorbenen Versicherten streitig, insbesondere von welchem Organ das Karzinom ausging, genauer ob es sich um einen primären bösartigen Tumor der Atemwege oder um einen in Lunge bzw. Brochialsystem streuenden Tumor mit Sitz außerhalb der Atmungsorgane handelte. Zum anderen geht die Auseinandersetzung darum, ob bei dem Versicherten eine (Minimal-)Asbestose vorlag, mit der Folge dass ein gesicherter Lungenkrebs dann als BK der Ziff. 4104 einzustufen und die Beklagten für die Tragung der Kosten der medizinischen Behandlung des Versicherten einzustehen hätte. Der Text der BKV Ziff. 4104 definiert die unter diese Ziffer fallende BK wie folgt: „Lungenkrebs oder Kehlkopfkrebs
– in Verbindung mit Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose)
– in Verbindung mit durch Asbeststaub verursachter Erkrankung der Pleura oder
– bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Asbestfaserstaub-Dosis am Arbeitsplatz von mindestens 25 Faserjahren „. Dass zu diesen Fragenkreisen die medizinischen Beurteilungen des beratenden Arztes der Beklagten vom 04. September und 20. November 2003, auf der die Ablehnung der Anerkennung einer BK und auch die Vorgehensweise der Beklagten in Bezug auf eine Obduktion des Versicherten beruhte, nach objektiven Gesichtspunkten als offensichtlich fehlerhaft zu beurteilen sind, steht zur Überzeugung des Senats nicht fest. Dabei ist für den Senat ausschlaggebend, dass es angesichts der seinerzeit bekannten medizinischen Befunde und der vom TAD nachvollziehbar ermittelten Asbestexposition von 8,6 Faserjahren, ein Wert der nicht ausgesprochen hoch liegt, jedenfalls diskutabel war, das Vorliegen einer Minimalasbestose als nicht erwiesen anzusehen und daher auch keine weiteren Ermittlungen zum Sitz des Primärtumors mehr anzustellen. Allein der Umstand, dass der Landesgewerbearzt in seiner Stellungnahme vom 12. November 2003, wenn auch mit durchaus gewichtigen Gründen eine andere medizinische Bewertung traf und die Einholung eines pathologischen Gutachtens forderte, macht die Beurteilung des Vorgangs durch den beratenden Arzt EX. der Beklagten nicht unvertretbar.

Dabei musste die Beklagte nicht aus zwingenden verfahrensrechtlichen Gründen dem Verlangen des Landesgewerbearztes im Hinblick auf die Durchführung weiterer Ermittlungen Folge leisten. Zwar bestimmt § 4 Abs. 3 S. 2 letzter Halbsatz BKV, dass die Unfallversicherungsträger den Vorschlägen der für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen – in Hessen dem Landesgewerbearzt – zu für notwendig erachteten ergänzenden Beweiserhebungen zu folgen haben. Diese Vorschrift wird aber im rechtswissenschaftlichen Schrifttum für nicht bindend erachtet, weil sie über die in § 9 Abs. 6 Nr. 2 SGB VII enthaltene gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für die Regelung der Mitwirkungsrechte der für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen per Rechtsverordnung hinausgehe (vgl. Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, Loseblattkommentar, G § 4 Rz. 4 m.w.N). Soweit die Berufsgenossenschaften die Praxis pflegen, entgegen dieser rechtlichen Wertung zu verfahren, liegt bei Nichteinhaltung dieser Praxis jedenfalls noch kein offensichtlicher schwerer Rechtsverstoß vor.

Der in den Ziff. 4103 und 4104 der Anlage 1 zur BKV verwandte Begriff Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) als Listenkrankheit meint das Vorliegen (den Befund) eines regelwidrigen Körperzustandes, der die Krankheitsmerkmale dieser Listennummern erfüllt. Liegt das Tatbestandsmerkmal Listenkrankheit nicht vor, kann eine BK abgelehnt werden, ohne dass es der Prüfung der weiteren Voraussetzungen bedarf, es sei denn, es wird – wie bei der BK Nr. 4104 – eine Kausalität bei einer bestimmten Exposition (hier 25 Faserjahre, die aber bei dem Versicherten unstreitig nicht vorlagen) vermutet. Das Vorliegen einer Listenkrankheit bedarf des Vollbeweises, auch wenn die Listenkrankheit wie bei der Nr. 4104 einen medizinischen Brückenbefund für das Auftreten eines primären Lungenkrebses darstellt. Für die hier bei dem Versicherten zu erwägende Minimalasbestose von Lunge oder Pleura gibt es zwar keine allgemeinverbindliche Definition. Es ist jedoch anerkannt, dass die Diagnose einer Asbestose vor allem auf dem röntgenologischen Befund beruht. Kennzeichnend ist eine diffuse Fibrose der Mittel- und Lungenunterfelder. Die darstellbaren Veränderungen weisen wabenähnliche oder grob netzförmige, unregelmäßig streifige, bandartig verflochtene oder auch maschenartige Strukturen auf. Sie nehmen in der Lunge von oben nach unten zu. Pleuraveränderungen treten gelegentlich in Form typischer Pleura-Plaques auf. Die Computertomographie, vor allem in Hochauflösungstechnik (HRCT), ebnet den Weg für eine frühe und exakte Erfassung reaktiver asbeststaubinduzierter Befunde an Lungenparenchym und Pleura. Differentialdiagnostisch sind Lungenveränderungen anderer Ätiologie zu erwägen, wie idiopathische Lungenfibrose oder andere entzündliche an den Alveolen angreifende Umbauvorgänge. Als richtungsweisend für die Diagnose „Asbestose“ gelten Pleuraverschwielungen und kalkhaltige bilaterale Pleurplaques. Techniken der präparativen Gewinnung und Anreicherung von Asbestkörperchen aus Lungengewebe erschließen den Nachweis beruflich bedingter Faserbelastungen auch bei negativem Röntgenbefund. Die Lehrmeinung im Fachgebiet Pathologie definiert die Minimalasbestose wie folgt: Es bedarf des lichtmikroskopischen Nachweises minimaler Fibrosierungsherde im Bereich der Bronchioli respiratori und der begleitenden Gefäße mit Einstrahlung bis maximal in die direkt angrenzenden Alveolarsepten sowie in diesen Arealen eingelagerter Asbestkörper (vgl. Mehrtens/Valentin/Schönberger, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage, 2003, Kapitel 17.65, S. 1093 ff.; Mehrtens/Brandenburg, aa0, M 4104, Rz. 5 ff). Ob bei Weißasbestexposition für den Brückenbefund „Minimalasbestose“ auch der Nachweis von Asbestfasern/-faserteilchen in Beziehung zu fibrosiertem Lungengewebe unter Anwendung von rasterelektronen-mikroskopischen Lungenfaseranalysen (REM) genügen soll, ist umstritten. Unterschiedliche Positionen gibt es auch zu der Frage, welche Schlussfolgerung aus einem fehlenden Nachweis einer größeren Anzahl von Asbestfasern und Asbestkörperchen in fibrotischen Arealen im Falle einer Einwirkung von Weißasbest zu ziehen ist, insbesondere ob ein solcher fehlender Nachweis ein hinreichendes Ausschlusskriterium für das Vorliegen einer Minimalasbestose ist. Das BSG tendiert in älteren Entscheidungen vom 6. April 1989 (Urteil im Verfahren 2 RU 55/88) und vom 29. September 1992 (Beschluss im Verfahren 2 BU 65/92) zu der Auffassung, dass dann wenn weder in der lichtmikroskopischen Lungenstaubanalyse noch in histologischen Schnittpräparaten Asbestkörperchen nachweisbar sind, die Asbestexposition nicht ausgereicht habe, um krankhafte Veränderungen im Sinne einer (Minimal-)Asbestose hervorzurufen. Der 17. Senat des LSG Nordrhein-Westfalen hat in seinen Urteilen vom 7. Februar 2007 (L 17 U 132/05) und 25. April 2007 (L 17 U 154/03) vor allem auf den röntgenologischen Befund als Nachweismittel für das Vorliegen einer Asbestose abgestellt, während der 15. Senat dieses Landessozialgerichts in seinem Urteil vom 11. Dezember 2001 (L 15 U 274/97) die Auffassung vertrat, der Nachweis von Asbestkörperchen in den fibrotischen Arealen gehöre weder rechtlich zu den unabdingbaren Merkmalen der Asbestose noch sei er in tatsächlicher Hinsicht unverzichtbar.

Der beratende Arzt der Beklagten konnte für seine Beurteilung vor allem daran anknüpfen, dass die umfangreichen radiologischen Untersuchungen des Versicherten keine Befunde geliefert hatten, die für das Vorliegen einer Asbestose sprachen. Dies gilt um so mehr als bei dem Versicherten in dem Kreiskrankenhaus D-Stadt auch eine Thorax-CT-Untersuchung durchgeführt worden war, die weder Hinweise auf das Vorliegen einer Asbestose noch auf das Vorhandensein eines Tumors ergab. Auch die in dem ersten Entlassungsbericht der Klinik B. wiedergegebenen Untersuchungsergebnisse von Bronchoskopie, transbronchialer Biopsie und videoassistierter Thorakoskopie belegten nicht das Bestehen einer Asbestose. Zu diesem Ergebnis ist auch Prof. Dr. AB. in seinem vom Sozialgericht eingeholtem Gutachten gelangt.

Bei dieser Befundlage kann es noch als vertretbar gewertet werden, dass die Beklagten entsprechend der Stellungnahme ihres beratenden Arztes aktiv keine weiteren medizinischen Ermittlungen in Bezug auf die Erkrankung ihres Versicherten durchführte. Immerhin hatte sie die behandelnden Ärzte und Kliniken darauf hingewiesen, dass möglicherweise die Frage, ob eine BK vorliege, erst nach einer Sektion geklärt werden könne und um umgehende telefonische Unterrichtung im Falle des Versterbens des Versicherten ersucht. Dass die Beklagte trotz dieser Hinweise erst ca. 7 Wochen nach dem Ableben des Versicherten von dessen Tod Kenntnis erlangte, ist ihr nicht zuzurechnen. Sie war nach Überzeugung des Senats auch nicht zwingend gehalten, zu diesem Zeitpunkt auf eine Exhumierung des erdbestatteten Versicherten zum Zweck der Obduktion hinzuwirken. Angesichts des Umstandes, dass die Witwe des Verstorbenen trotz der Unterrichtung der behandelnden Kliniken und Ärzte von der Wichtigkeit einer Autopsie des Versicherten eine solche offenbar nicht in die Wege geleitet hatte, durfte die Beklagte davon ausgehen, dass eine Exhumierung des Versicherten mehrere Wochen nach Beisetzung dem Pietätsempfinden der für die Totensorge zuständigen nächsten Angehörigen des Versicherten zuwiderlaufen würde. Auch hatte die Ehefrau des Versicherten auf den von der Beklagten – nachdem diese vom Tode des Versicherten Kenntnis erlangte hatte – an sie als Rechtsnachfolgerin gerichteten Widerspruchsbescheid vom 12. Februar 2004 nicht reagiert. Es kommt hinzu, dass der VdK mit Schreiben vom 4. Februar 2004 unter Hinweis auf den Tod des Versicherten sein Mandat niedergelegt hatte. Angesichts dieses Geschehensablaufs und der vorliegenden medizinischen Informationen war es nicht offensichtlich fehlerhaft, dass die Beklagte von der Veranlassung einer Exhumierung des Versicherten zur nachfolgenden Obduktion Abstand nahm. Damit mangelt es an einer massiven offensichtlichen Verletzung von Ermittlungspflichten seitens der Beklagten als Anknüpfungspunkt für die von dem Sozialgericht angenommene Beweiserleichterung wegen Herbeiführens einer Beweisnot der Klägerin.

Es war somit zu entscheiden wie geschehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 VwGO, da die Berufung am 16. Dezember 2008 und damit nach in Kraft treten des Sechsten Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes (6. SGGÄndG zum 02. Januar 2002 bzw. nach in Kraft treten des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts (KostRMoG zum 01. Juli 2004) eingelegt worden ist.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Gerichtskostengesetz (GKG).

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.