Landessozialgericht Baden-Württemberg L 11 KR 1905/04

Landessozialgericht Baden-Württemberg

Urteil vom 07.12.2004 (nicht rechtskräftig)

  • Sozialgericht Reutlingen S 4 KR 1508/02
  • Landessozialgericht Baden-Württemberg L 11 KR 1905/04

 

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 23. März 2004 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Beklagte dem Kläger die Kosten einer durchgeführten Gastric-Banding-Operation (Operation zur Anlage eines Bandes zur Verkleinerung des Magenvolumens) in Höhe von 4.185,49 EUR zu erstatten hat.

Der 1946 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Im Mai 2001 beantragte er bei der Beklagten die Gewährung eines stationären Aufenthaltes zur Durchführung einer Gastric-Banding-Operation. Nach dem an die Beklagte gerichteten Schreiben des Facharztes für Allgemeinmedizin und Diplomernährungswissenschaftlers Dr. de L. bestand beim Kläger eine Adipositas per magna mit einem Körpergewicht von 130 kg bei 173 cm, was einem Body-Maß-Index (BMI) von 44 entsprach, ferner eine Bauchwandhernie. Dr. de L. führte aus, 1988 habe das Gewicht 100 kg und 1992 107 kg betragen. Der Kläger sei verschiedentlich diätetisch beraten worden und habe individuelle Diätpläne erhalten. Aufgrund einer Ausnahmesituation sei die gewünschte Operation angezeigt.

Auf Veranlassung der Beklagten erstattete Dr. W. vom medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) ein Gutachten nach Aktenlage. Dieser verneinte eine Operationsindikation. Am Magen selbst liege kein regelwidriger Zustand vor. Die gewünschte Maßnahme setze nicht unmittelbar an der eigentlichen Krankheit an, auch sei der Erfolg durch das Gastric-Banding fraglich, da es dem Kläger offenkundig bislang nicht gelungen sei, mit Diäten, Ernährungsberatung oder einer stationären Maßnahme seine extreme Adipositas auf Dauer unter Kontrolle zu bekommen. Auch nach Durchführung einer Gastric-Banding-Operation wäre eine Umstellung der Lebensweise und der Lebensgewohnheiten erforderlich. Der Gutachter empfahl eine erneute Diätberatung, eine konsequente Gewichtsreduktion durch Umstellung der Lebens- und Ernährungsgewohnheiten, eine psychagogische Führung und ggf. psychotherapeutische Maßnahmen.

Mit Bescheid vom 08.06.2001 (ohne Rechtsmittelbelehrung) lehnte die Beklagte hierauf den Antrag ab.

Mit seinem dagegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, alle konservativen Behandlungsversuche hätten keinen Erfolg gebracht. Wegen bereits eingetretener Folgeschäden sei eine Gewichtsreduktion dringend erforderlich.

Am 06.12.2001 erfolgte in der Ermstalklinik B. U. im Rahmen eines stationären Aufenthaltes (05.12. bis 13.12.2001) die laparoskopische Implantation eines steuerbaren Magenbandes.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28.05.2002 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.

Deswegen erhob der Kläger Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG). Er machte unter Hinweis auf eine Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 19.02.2003 im wesentlichen geltend, eine chirurgische Behandlung der extremen Adipositas durch Einbringung eines Magenbandes scheide nicht von vornherein als Kassenleistung aus. Er habe vor der Operation alle Möglichkeiten ausgeschöpft. In der Adipositas-Sprechstunde der chirurgischen Universitätsklinik Tübingen sei ihm vom Prof. Dr. M. die Operation als letztes Mittel empfohlen worden. Auch sein Hausarzt Dr. de L., bei dem er seit 1985 in Behandlung sei, habe eine Ausnahmesituation befürwortet. 1987 sei eine Kur in der Federseeklinik durchgeführt worden. Seit der Operation im Dezember 2001 habe er eine bleibende Gewichtsabnahme erzielt (12 kg bis April 2003 und 19 kg bis Juli 2003 nach Engerstellung des eingesetzten Magenbandes). Er habe seine Ernährung völlig umgestellt entsprechend dem AOK-Ernährungsprogramm. Der Kläger hat Rechnungen über die Kosten der Operation vom Januar 2002 über insgesamt 4.185,49 EUR sowie den Entlassungsbericht der Ermstalklinik (Dr. H. und Dr. G.) vom Dezember 2001 vorgelegt.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Beim Kläger müsse eine Bereitschaft zur Umstellung der Ess-, Ernährungs- und Lebensgewohnheiten als wichtigste Konsequenz und Voraussetzung zur Gewichtsabnahme bezweifelt werden. Er habe zwar ambulante ganzheitliche Programme zur Gewichtsreduktion gestartet, aus verschiedenen Gründen, insbesondere auch wegen mangelnder Mitarbeit, jedoch nicht konsequent durchgeführt. Im übrigen sei der Gewichtsverlust seit der Operation als durchaus gering zu bewerten, gemessen an dem Ziel, Übergewicht zu reduzieren. Auch ohne das Magenband habe der Kläger bereits in früheren Jahren Gewichtsverluste erreichen können.

Das SG hörte Dr. de L. als sachverständigen Zeugen. Dieser teilte mit, er habe die Praxis seit Januar 1988 übernommen und könne erst ab diesem Behandlungszeitraum berichten. In den Jahren seit 1991 seien mehrfach Gespräche über Adipositas geführt und eine Gewichtsreduktion erörtert worden. Nach Verordnung eines Appetitzüglers im April 1997 sei bis August 1997 eine Gewichtsabnahme um 5 kg erzielt worden. Im Juni 1998 habe sich kein weiterer Gewichtserfolg feststellen lassen. Im Juli 1999 sei wegen der Gewichtproblematik ein Serotoninagonist, der als Nebeneffekt den Appetit zügeln könne, verordnet worden. Im August 1999 habe sich eine Gewichtsabnahme von 2 kg ergeben. Im November 2000 sei eine Behandlung mit Xenical zur Gewichtsreduktion begonnen worden, da die andere nicht erfolgreich verlaufen sei. Im April 2001 sei der Gewichtsverlauf erörtert worden, wegen des massiven Übergewichts sei von einer Operation der zunehmenden Bauchdeckendehiszenz Abstand genommen worden. Im Mai 2001 sei der Gewichtsverlauf erneut erörtert worden, der Kläger habe dann innerhalb von sechs Wochen 6 kg abgenommen (Ausgangsgewicht 130 Kilogramm). Im August 2001 habe der Kläger seine Diät wieder nicht eingehalten. Im Oktober 2001 sei der Kläger erneut zur Chirurgie nach B. U. überwiesen worden. Das Magenband sei seit dem letzten Besuch in B. U. enger gestellt worden. Im Juni 2002 habe das Gewicht 117 kg betragen. In der Folgezeit sei keine weitere Gewichtsabnahme erfolgt, vielmehr im April 2003 wieder eine Gewichtszunahme feststellbar gewesen. Die Compliance des Klägers sei als schlecht zu bezeichnen und lasse sich aus dem Gewichtsverlauf entnehmen. Die Behandlungen in der Praxis seien fehlgeschlagen, üblicherweise könnten bei anderen Patienten sehr gute Ergebnisse vorgewiesen werden, da die Praxis und er selbst als Diplomernährungswissenschaftler für solche Patienten spezialisiert seien. Für eine anderswo stattfindende Maßnahme habe der Kläger auch immer angegeben, wegen seiner ständigen Montagearbeiten auswärts sei er dazu unter der Woche nicht in der Lage. Selbstverständlich gebe es im Gesundheitssystem ausreichend Alternativen (Adipositassprechstunden, Weight-Watchers, verhaltenstherapeutische Maßnahmen), die das therapeutische Ziel erreichen könnten. Sie seien jedoch nicht besonders vielversprechend, auch müssten die Vorstellungen der Patienten mit der Therapie übereinstimmen. Dies sei bei Alternativtherapien beim Kläger nicht möglich gewesen. Der Kläger habe daher alle Anforderungen für die Indikation eines Gastric-Bandings erfüllt. Dringend sei die Maßnahme deswegen gewesen, da wegen des Bauchwandbruchs eine schnelle Gewichtsreduktion habe erzielt werden müssen.

Mit Urteil vom 23.03.2004, den Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 16.04.2004, wies das SG die Klage ab. Auf die Entscheidungsgründe wird inhaltlich verwiesen.

Hiergegen richtet sich die am 03.05.2004 eingelegte Berufung des Klägers. Er trägt zur Begründung vor, bei Durchführung der Operation im Dezember 2001 habe er 135 kg bei einer Größe von 173 cm gewogen. Nach dem Eingriff wiege er nunmehr 115 kg. Die durch die Adipositas per magna verursachten Folgeerkrankungen am Skelettsystem seien gebessert mit der Folge, dass er nunmehr seinen Beruf mit Tätigkeiten im Außendienst auf der Montage einer Fertighausfirma und der Notwendigkeit des Besteigens von Leitern usw. mit weniger Arbeitsunfähigkeitszeiten ausüben könne. Sein stressbeladener Beruf mit tagelanger Abwesenheit von zu Hause und der Problematik, ein Diätkonzept sowie Bewegungstherapie dauerhaft durchhalten zu können, sei auch der Grund gewesen, warum vorausgegangene diätetische Maßnahmen und Konzepte gescheitert seien. Dr. de L. habe insoweit seine jahrelangen Versuche, eine Gewichtsreduktion zu erreichen, bestätigt. Er habe an einem langfristig und interdisziplinär angelegten Therapiekonzept mit dem Ziel der Änderung der Ernährungsgewohnheiten mitgewirkt. Dieses sei letztendlich an seiner beruflichen Belastung gescheitert. Als einzig möglicher Ausweg sei die Magenoperation geblieben. Die Ernährungsumstellung auf Obst, Gemüse und andere kalorienarme Lebensmittel sei erst nach Einsatz des Bandes und der weiteren Verengung gelungen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 23. März 2004 sowie den Bescheid vom 8. Juni 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Mai 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Kosten der von Dr. H. in B. U. im Dezember 2001 durchgeführten Operation (Gastric-Banding) zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erachtet das angefochtene Urteil für zutreffend. Allein die berufliche Situation des Klägers habe ihn nicht von seiner Pflicht zu einer gesundheitsbewussten Lebensführung befreien können. Erst wenn nach einer Umstellung der Ernährungs- und Essgewohnheiten in einem interdisziplinären Behandlungskonzept keine Gewichtsreduzierung hätte erzielt werden können, würde die Verringerung des Magenvolumens die letzte Möglichkeit zur Gewichtsverminderung darstellen. Dies sei beim Kläger aber nicht geschehen. Vielmehr sei zunächst die Operation durchgeführt worden und erst dann seien Bemühungen unternommen worden, die Ernährungs- und Essgewohnheiten umzustellen. Die durchgeführte Operation könne mithin nicht als ultima ratio im Sinne der BSG-Rechtsprechung angesehen werden.

Auf Anfrage des Senats hat Dr. de L. über Behandlungen des Klägers seit Mai 2003 berichtet und die erhobenen Krankheitsäußerungen und Befunde mitgeteilt. Die gehäuften Infekte mit allergischer Komponente seien seit der Gewichtsreduktion deutlich besser beherrschbar. Die Rückenbeschwerden hätten sich dagegen nicht wesentlich gebessert, das gleiche gelte für die Kniegelenksbeschwerden. Die Arbeitsunfähigkeitszeiten seien allerdings geringer geworden. Nach anfänglich gutem Gewichtsverlust nach der Operation sei es zu einer Stagnation des Gewichtsverlustes gekommen, weshalb bei einer Wiedervorstellung im Mai 2003 das Band enger gestellt worden sei. Der Kläger könne nur noch kleine Portionen zu sich nehmen, insofern sei die Ernährungsumstellung für ihn zwangsweise. Der Erfolg sei als durchaus gut zu bezeichnen. Im Juni 2003 habe der Kläger 119 kg, im September 2003 113 kg und im Juli 2004 104 kg gewogen. Bei einem Ausgangsgewicht von ca. 135 kg entspreche die Gewichtsreduktion von 31 kg der zu erwartenden durchschnittlichen Gewichtsabnahme nach Gastric-Banding. Der Kläger sei weiter motiviert, sein Gewicht unter 100 kg zu bekommen. Dr. de L. hat seiner Auskunft Befundberichte der E.-klinik B. U. vom 14.04. und 28.04.2003 sowie des Radiologen Kaufmann vom September 2003 beigefügt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das Urteil des SG ist nicht zu beanstanden, denn die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die am 06.12.2001 durchgeführte Gastric-Banding-Operation.

Als Anspruchsgrundlage für das geltend gemachte Begehren kommt vorliegend, da der Kläger die Operation bereits durchführen ließ, allein § 13 Abs. 3 2. Alternative SGB V in Betracht. Nach dieser Vorschrift sind von der Krankenkasse die entstandenen Kosten zu erstatten, wenn sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dem Versicherten dadurch Kosten für die selbstbeschaffte Leistung entstanden sind. Da die Kostenerstattung nach § 13 Abs. 1 SGB V anstelle der geschuldeten Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2 SGB V) tritt, sind Kosten nur zu erstatten, soweit das SGB V oder das 9. Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) es vorsehen. Vorliegend sind die Voraussetzungen für einen Erstattungsanspruch jedoch nicht gegeben, da die Beklagte die streitige Leistung nicht zu Unrecht abgelehnt hat.

Gemäß § 11 Abs. 1 und § 27 Abs. 1 SGB V haben Versicherte wie der Kläger Anspruch auf Behandlung einer Krankheit. Gemäß § 12 Abs. 1 SGB V muss die Behandlung ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und darf das Maß des notwendigen nicht überschreiten. Der Anspruch umfasst u. a. die notwendige ärztliche Behandlung und die Krankenbehandlung. Krankheit im Sinne des SGB V ist ein regelwidriger Körper- und Geisteszustand, der die Notwendigkeit einer ärztlichen Behandlung des Versicherten oder sogleich oder allein Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. Eine Krankheit wird dann zu einer Leistungsverpflichtung der Kasse, wenn Behandlungsbedürftigkeit oder Arbeitsunfähigkeit vorliegt (vgl. Zipperer in Maaßen-Schermer-Wiegand, Kommentar zum SGB V, Rdnr. 12 zu § 27 m. w. N.). Hierbei kommt es nicht darauf an, ob die Krankheit im Augenblick behandlungsbedürftig ist. Die Behandlungsbedürftigkeit ist schon dann anzunehmen, wenn der gegenwärtige Zustand zwar noch keine Schmerzen oder Beschwerden bereitet, durch ärztliche Behandlung im Frühstadium eine wesentliche Besserung oder gar Beseitigung des Leidens und damit eine günstige Wirkung auf die spätere Erwerbsfähigkeit erreicht werden kann (a. a. O. Rdnr. 13). Regelwidrig ist ein Zustand, der von der Norm vom Leitbild des gesunden Menschen abweicht (a. a. O. Rdnr. 14).

Vorliegend ist schon nicht unumstritten, ob bereits der Adipositas als solcher Krankheitswert zukommt. Einigkeit besteht in der Medizin aber darüber, dass bei starkem Übergewicht (im allgemeinen ab einem BMI ) 30) eine Behandlung mit dem Ziel der Gewichtsreduktion erforderlich ist, weil andernfalls ein erhöhtes Risiko für das Auftreten von Begleit- und Folgeerkrankungen wie Stoffwechselkrankheiten, Herz- und Kreislauferkrankungen, Atemwegserkrankungen, gastrointestinale Erkrankungen, Krankheiten des Bewegungsapparates und bösartige Neubildungen besteht (vgl. Leitlinien der Deutschen Adipositas-Gesellschaft und Evidenzbasierte Leitlinie chirurgische Therapie der extremen Adipositas, herausgegeben von der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie der Adipositas und Deutschen Adipositasgesellschaft). Erfordert die Adipositas mithin eine ärztliche Behandlung, so belegt dies zugleich die Regelwidrigkeit des bestehenden Zustandes und damit das Vorliegen einer Krankheit im krankenversicherungsrechtlichen Sinne. Nach der Rechtssprechung des Bundessozialgerichts – BSG – (vgl. Urteile vom 19.02.2003 – B 1 KR 14/02 R und B 1 KR 1/2 R), der der Senat folgt, kann die Leistungspflicht für eine chirurgische Therapie dieser Krankheit nicht mit der Erwägung verneint werden, dass für das Übergewicht das krankhafte Essverhalten des Patienten und nicht eine Funktionsstörung des Magens verantwortlich ist. Zwar stellt die operative Verkleinerung bzw. Veränderung des Magens keine kausale Behandlung dar, vielmehr soll damit die Verhaltensstörung des Klägers durch eine zwangsweise Begrenzung der Nahrungsmenge lediglich indirekt beeinflusst werden. Eine solche mittelbare Therapie wird jedoch vom Leistungsanspruch grundsätzlich mitumfasst, wenn sie ansonsten die in § 2 Abs. 1 Satz 3 und § 12 Abs. 1 SGB V aufgestellten Anforderungen erfüllt, also ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist sowie dem allgemein anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entspricht. Für chirurgische Eingriffe hat das BSG diesen Grundsatz jedoch eingeschränkt, wenn durch eine solche Operation in ein funktionell intaktes Organ eingegriffen und dieses regelwidrig verändert wird, wie das bei der Applikation eines Magenbandes geschieht. In diesem Fall bedarf die mittelbare Behandlung einer speziellen Rechtfertigung, wobei die Art und Schwere der Erkrankung, die Dringlichkeit der Intervention, die Risiken und der zu erwartende Nutzen der Therapie sowie etwaige Folgekosten für die Krankenversicherung gegeneinander abzuwägen sind (BSG a. a. O.; BSGE 85, 56, 60 = SozR 3 – 2500 § 28 Nr. 4 S. 18). Nachdem ein operativer Eingriff stets mit einem erheblichen Risiko (Narkose, Operationsfolgen z. B. Entzündung, Thrombose bzw. Lungenembolie, operationsspezifische Komplikationen wie Pouchdilatation, Portinfektionen und Stomastenose) verbunden ist, darf eine chirurgische Behandlung wie das Gastric-Banding stets nur die ultima ratio sein. Sie kommt nur bei Erfüllung einer Reihe von Bedingungen für eine erfolgreiche Behandlung (BMI ) 40 oder ) 35 mit erheblichen Begleiterkrankungen; Erschöpfung konservativer Behandlungsmethoden; tolerables Operationsrisiko; ausreichende Motivation, keine manifeste psychiatrische Erkrankung; Möglichkeit einer lebenslangen medizinischen Nachbetreuung u. a.) in Betracht. Dies bedeutet, dass vor einer Operation zunächst sämtliche konservativen Behandlungsalternativen durchzuführen sind. Im Anschluss an Dr. Wagner boten sich beim Kläger vor allem eine erneute Diätberatung, eine konsequente Gewichtsreduktion durch Umstellung der Lebens- und Ernährungsgewohnheiten, eine psychagogische Führung und ggf. psychotherapeutische Maßnahmen an, ferner sind als Zusatzmaßnahmen auch Bewegungstherapien und pharmakologische Maßnahmen empfehlenswert. Nach Expertenmeinung sollte ein ärztlich geleitetes Gesamtkonzept, welches die einzelnen Maßnahmen umfasst, erarbeitet und konsequent als Langzeitbehandlung durchgeführt werden. Im Falle des Klägers waren diese konservativen Behandlungsmöglichkeiten indes keineswegs erschöpft. Nach der Aussage von Dr. de L. im erstinstanzlichen Verfahren fanden zwar diätetische Beratungen statt, auch wurden 1996/1997 ein Diät- und Bewegungsprogramm ausgearbeitet sowie in der Folgezeit verschiedene Pharmakotherapien durchgeführt; eine konsequente langfristige Adipositastherapie im Sinne eines Gesamtkonzeptes unter ärztlicher Führung und Betreuung vermag der Senat darin jedoch nicht zu erkennen. Vielmehr wird aus den Angaben von Dr. de L. deutlich, dass für die nicht länger anhaltenden bzw. fehlenden Behandlungserfolge im wesentlichen Complianceprobleme beim Kläger und mangelnde Einhaltung der Diät verantwortlich waren. Dem Kläger fehlte auch im Hinblick auf seine berufliche Montagetätigkeit die innere Einstellung und Motivation, so dass er eine langfristig und interdisziplinär angelegte Therapie mit dem Ziel der Änderung der Ernährungsgewohnheiten gar nicht in Angriff nahm. Angesichts dessen vermochte sich der Senat nicht davon zu überzeugen, dass die vom Kläger dann angestrebte und bereits im Dezember 2001 durchgeführte chirurgische Intervention zur Behandlung seines Übergewichts sich als ultima ratio im Sinne der BSG-Urteile vom 19.02.2003 darstellt. Wenn der Kläger wohl zwischenzeitlich – zwangsweise nach Engerstellung des Magenbandes – auch über 30 Kilogramm abgenommen hat, zeigt doch sein Fall deutlich die Problematik des Gastric-Banding auf. Denn auch nach Durchführung dieser Operation ist eine Umstellung der Lebensweise und der Lebensgewohnheiten erforderlich, um das Übergewicht auf Dauer zu reduzieren. Dies ist dem Kläger nach der Operation zunächst nicht gelungen, langfristig bleibt der Erfolg ohnehin abzuwarten. Dies ändert jedoch nichts daran, dass der Kläger jedenfalls vor der Operation keine hinreichenden Anstrengungen unternommen hat, seine Ernährungs- und Essgewohnheiten in einem interdisziplinären Behandlungskonzept umzustellen, und damit die Voraussetzungen für einen operativen Eingriff nicht gegeben waren.

Die Berufung des Klägers konnte hiernach keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.