Landessozialgericht Baden-Württemberg L 4 KR 1005/02

Landessozialgericht Baden-Württemberg

Urteil vom 13.12.2002 (rechtskräftig)

  • Sozialgericht Ulm S 1 KR 1404/01
  • Landessozialgericht Baden-Württemberg L 4 KR 1005/02

 

Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten die Kostenerstattung in Höhe von 14.832,48 EUR für eine Laserinduzierte Thermotherapie (LITT).

Die Klägerin ist die Rechtsnachfolgerin des am 1941 geborenen und am 2001 verstorbenen E. M. (E.M.), der bei der Beklagten pflichtversichert war.

Bei E.M. wurde wegen einer multiplen Lebermetastasierung am 13. Juli 1998 eine Resektion des Sigma und des oberen Rektums durchgeführt. Danach erfolgte eine Chemotherapie. Es kam dann im Jahre 2000 zu einer minimalen Progression der Lebermetastasierung. Nach dem Bericht des Prof. Dr. E., Chefarzt der Allgemeinchirurgischen Klinik der Klinik a. E. in G., vom 06. Juni 2000 sollte wegen des Verdachts auf eine minimale Progression von drei Lebermetastasen im Juli 2000 abgeklärt werden, ob eventuell ein lokales Therapieverfahren, beispielsweise LITT, bei E.M. in Frage komme. In dem der Beklagten vorgelegten Bericht des Prof. Dr. E. vom 13. Juli 2000 wurde darauf hingewiesen, dass zum damaligen Zeitpunkt die Metastasierung der Leber zugenommen habe. Es lägen zwei größere und drei kleinere Metastasen vor, die nach Rücksprache mit Prof. Dr. V. vom Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie des Universitätsklinikums F. (Klinikum) einer LITT zugänglich seien. Deswegen hatte Prof. Dr. E. E.M. schon vorher an das Klinikum überwiesen. Dort wurde er am 09. Juli 2000 untersucht; Prof. Dr. V. empfahl die Abtragung der fünf intrahepatischen Raumforderungen mittels LITT. E.M. wurde über die Behandlung aufgeklärt und gab seine Einwilligung (vgl. Arztbrief des Prof. Dr. V. vom 11. Juli 2000). Mit Schreiben vom 10. Juli 2000 beantragte das Klinikum bei der Beklagten für den Kläger die Übernahme der Kosten, die insgesamt mit 53.102,06 DM angegeben wurden. Ferner ging bei der Beklagten die Erklärung des Dr. M. vom Klinikum vom 13. Juli 2000 ein, wonach die Anwendung der LITT außerhalb einer klinischen Erprobung erfolgen solle. Tatsächlich wurde die LITT bei E.M. dann am 18. Juli, 10. August und 28. September 2000 jeweils ambulant durchgeführt. Das Klinikum stellte E.M. dafür mit den Rechnungen vom 18. Juli, 10. August und 29. September 2000 insgesamt 38.002,44 DM (= 19.430,34 EUR) in Rechnung. Davon bezahlten E.M. bzw. die Klägerin insgesamt 29.009,81 DM (= 14.832,48 EUR). Der Restbetrag wurde vom Klinikum erlassen. Die bei E.M. bestehende private Zusatzversicherung übernahm keinerlei Kosten für die Behandlung, weil diese lediglich ambulant durchgeführt wurde. Bei einer Untersuchung im Dezember 2000 wurden dann bei E.M. erneut zwei Metastasen festgestellt, weshalb wieder Chemotherapie, und zwar mit der Kombination Oxaliplatin und Irinotecan durchgeführt wurde (vgl. Schreiben des Arztes für Chirurgie Dr. B. vom Klinikum a. E. an die Beklagte vom 20. Januar 2001). Aufgrund des Kostenerstattungsantrags für die LITT erhob die Beklagte zunächst den Bericht des Dr. B. vom 08. August 2001 insbesondere zu den vor der Durchführung der LITT angewendeten Behandlungen und dem damals bestehenden Befund. Daraufhin erhob die Beklagte ein sozialmedizinisches Gutachten der Ärztin für innere Medizin – Sozialmedizin Dr. R., Fachgebietsleiterin Innere Medizin des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Baden-Württemberg, vom 11. August 2000, die zu dem Ergebnis gelangte, eine Empfehlung des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen (BA) für die Aufnahme der LITT in die vertragsärztliche Versorgung liege bisher nicht vor, deren Einsatz im ambulanten Rahmen sei somit aus sozialmedizinischen Aspekten gegenwärtig ausgeschlossen. Sie wies gleichzeitig darauf hin, dass zur Beurteilung der klinischen Wertigkeit der LITT in der Behandlung von Lebermetastasen randomisierte Studien notwendig seien, die nach ihrer Kenntnis auch geplant seien bzw. gegenwärtig bereits liefen. Darauf gestützt sowie auch unter Berücksichtigung der zuvor eingeholten Stellungnahme des Dr. Bi. vom MDK vom 17. Juli 2000, wonach Prof. Dr. V. derzeit eine Entscheidung des BA nicht angestrebt habe, lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 15. August 2000 die Kostenübernahme ab, da es sich bei LITT gegenwärtig nicht um eine Behandlungsmethode handle, die dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspreche. Dagegen legte E.M. am 24. August 2000 Widerspruch ein. Er reichte dazu zahlreiche Unterlagen ein, darunter eine Beschreibung der LITT von Prof. Dr. V. und Dr. M. vom 25. Juli 2000, eine Bescheinigung des Prof. Dr. V. sowie des Wissenschaftlichen Assistenten W. vom 06. September 2000, ein Schreiben des Dr. B. vom 18. August 2000 zu den Kosten einer Chemotherapie und eine Aufstellung über “Kostenübernahmen für die LITT durch die GKV für Behandlungen im Jahr 2000” des Klinikums. E. M. machte geltend, aus den vorgelegten Unterlagen ergebe sich eindeutig, wie lebenswichtig die LITT für ihn sei. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass im Jahre 2000 die Kosten für ambulant durchgeführte LITT von zahlreichen Krankenkassen übernommen worden seien. Mithin könne er die in seinem Fall ausgesprochene Ablehnung der Kostenübernahme nicht akzeptieren. Daraufhin erhob die Beklagte ein weiteres sozialmedizinisches Gutachten des Dr. L. vom MDK vom 13. Oktober 2000. Der Arzt wies darauf hin, die LITT sei immer noch als experimentell einzustufen bzw. als sich in der klinischen Erprobung befindend. Hinsichtlich der Methode sei nach wie vor die Qualität und die Wirksamkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) nicht hinreichend belegt. Den vorliegenden Unterlagen sei nicht zu entnehmen, ob bei E.M. aufgrund zwischenzeitlich durchgeführter Untersuchungen weitere Tumormanifestationen ausgeschlossen worden seien. Bei der Beklagten ging dann noch das Schreiben des Dr. B. vom 10. Januar 2001 über die erneute Chemotherapie im Hinblick auf zwei im Dezember 2000 festgestellte neue Metastasen ein. Dazu wies Dr. L. vom MDK in der von der Beklagten eingeholten weiteren Stellungnahme vom 26. März 2001 u.a. darauf hin, dass aufgrund des Schreibens des Dr. B. vom 10. Januar 2001 eine mögliche Behandlungsalternative für den Einzelfall aufgezeigt sei. Der Widerspruch des E.M. blieb daraufhin erfolglos (Widerspruchsbescheid des bei der Beklagten gebildeten Widerspruchsausschusses vom 15. Mai 2001).

Dagegen erhob E.M. am 07. Juni 2001 Klage beim Sozialgericht (SG) Ulm. Die Klage wurde nach dem Tod des E.M. durch die Klägerin als dessen Alleinerbin fortgeführt. Die Klägerin machte geltend, es bestehe ein Erstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 SGB V. Angesichts des Fortschreitens der Erkrankung habe E.M. keine andere Behandlungsmöglichkeit als die LITT gesehen; er habe die Behandlung in Kenntnis des Kostenrisikos begonnen. Nach dieser Behandlung sei auch die Erkrankung über mehrere Monate hinweg zum Stillstand gekommen. Es müsse berücksichtigt werden, dass nach Aussage des Klinikums auch Geschäftsstellen der Beklagten, nämlich in A., B., L. und O., Kostenübernahmen hinsichtlich LITT erklärt hätten. Die Beklagte müsse alle Mitglieder gleich behandeln. Es müssten die entsprechenden ärztlichen Stellungnahmen beigezogen werden, die in anderen Fällen die Beklagte zur Kostenübernahme veranlasst hätten. Die Beklagte habe im Fall ihres verstorbenen Ehemannes keine konkrete Einzelfallentscheidung vorgenommen. Es treffe nicht zu, wenn angenommen werde, dass Kosten für eine Außenseitermethode in keinem Fall übernommen werden könnten. Es müssten die Stellungnahmen des Klinikums berücksichtigt werden. Jedenfalls sei die Behandlungsmethode zweckmäßig gewesen; denn ihre Wirksamkeit sei im Rahmen der vom Klinikum erwähnten Untersuchungen wissenschaftlich nachgewiesen. Die Anerkennung der therapeutischen Zweckmäßigkeit ergebe sich auch daraus, dass einer großen Anzahl von Versicherten eine Kostenübernahme bei LITT zuerkannt worden sei. Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage ihrer Verwaltungsakten entgegen. Sie wies darauf hin, dass die LITT, die lediglich in zwei Kliniken angewandt werde, bisher nur unter statistischer Betreuung des Koordinierungszentrums für Klinische Studien der Medizinischen Fakultät H. durchgeführt werde. Damit sei im Herbst 2000 begonnen worden. Der Rekrutierungszeitraum betrage vier Jahre, gefolgt von einem dreijährigen Beobachtungszeitraum. Mit einem Abschlussbericht und einer Vorlage beim BA sei frühestens im Jahre 2007 zu rechnen. Im Hinblick darauf könne noch nicht davon gesprochen werden, dass die LITT schon jetzt eine zweckmäßige Behandlungsmethode sei, die den Versicherten zur Verfügung gestellt werden müsse. Das SG verwies auf sein in anderer Sache ergangenes Urteil vom 22. Mai 2001 (S 1 KR 2023/00) und wies mit Urteil vom 26. Februar 2002 die Klage ab. Auf die Entscheidungsgründe des den Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen Empfangsbekenntnis am 01. März 2002 zugestellten Urteils wird Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin am 20. März 2002 schriftlich Berufung beim Landessozialgericht eingelegt. Sie hat verschiedene Unterlagen eingereicht und vorgetragen, sie begehre noch die Zahlung von 14.832,48EUR. Den Rest der in Rechnung gestellten Behandlungskosten habe das Klinikum erlassen. Zu Unrecht verneine das SG eine unaufschiebbare Maßnahme. E.M. sei es nicht zuzumuten gewesen, vor Beginn der LITT eine Entscheidung der Beklagten, die sich über mehrere Wochen hätte hinziehen können, abzuwarten. Als ihr Ehemann im Klinikum untersucht worden sei, sei ihm erklärt worden, dass im Hinblick auf die Größe der Tumore sofort mit der LITT begonnen werden müsse. Im Übrigen habe der behandelnde Arzt des Klinikums E.M. eine Liste gezeigt, aus der sich ergeben habe, dass andere Geschäftsstellen der Beklagten die Kosten für die entsprechende Therapie übernommen hätten. Es treffe auch nicht zu, dass die LITT nur von zwei Kliniken angewandt werde. Sie wisse, dass neben dem Klinikum auch noch die Universitätsklinik T. sowie die Klinik eine K. die LITT im Rahmen einer Studie durchführten. Darauf, dass die Behandlung nur für einen relativ kurzen Zeitraum Erfolg gehabt habe, könne es nicht ankommen. Es stelle einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz dar, wenn im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung Einzelfälle bei der Kostenerstattung ungleich behandelt würden. Auch bei ihrem verstorbenen Ehemann müsse eine Einzellfallprüfung vorgenommen werden. Dazu müssten die Akten der Beklagten über solche Fälle beigezogen werden, in denen bei im Klinikum durchgeführten Behandlungen mittels LITT Erstattungen vorgenommen worden seien.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 26. Februar 2002 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 15. August 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Mai 2001 zu verurteilen, ihr 14.832,48 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angegriffene Urteil und die streitbefangenen Bescheide für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 15. August 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. Mai 2001 ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin daher nicht in ihren Rechten. E.M. hatte schon keinen nach § 13 Abs. 3 SGB V durchsetzbaren Anspruch auf Zahlung von 14.832,48 EUR für die am 18. Juli, 10. August und 28. September 2000 im Klinikum ambulant durchgeführte LITT. Mithin kann auch die Klägerin als Rechtsnachfolgerin eine solche Zahlung nicht verlangen. Dies hat das SG zutreffend auf S. 4 der Entscheidungsgründe dargelegt, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen nach § 153 Abs. 2 SGG verwiesen wird.

Ergänzend ist noch Folgendes auszuführen: Darauf, ob es sich bei der bereits am 18. Juli 2000 begonnenen LITT um eine unaufschiebbare Leistung gehandelt hat, weshalb es E.M. nicht zuzumuten gewesen ist, vor Beginn der ambulanten Behandlung zunächst den ablehnenden Bescheid der Beklagten abzuwarten, kommt es nicht an. Der Senat lässt dies dahingestellt. Dass die LITT nach dem Vorbringen der Klägerin neben dem Klinikum auch noch von zwei weiteren Kliniken im Rahmen einer Studie durchgeführt wird, rechtfertigt deren Inanspruchnahme zu Lasten der Beklagten nicht. Denn es muss berücksichtigt werden, dass auch der Stellungnahme zur LITT von Prof. Dr. V. und Dr. M. vom 25. Juli 2000 entnommen werden kann, dass derzeit die LITT noch im Rahmen einer multizentrischen randomisierten Studie bei Patienten mit Lebermetastasen eingesetzt wird. Diese Studie ist noch nicht abgeschlossen. Abgesehen davon liegt dem BA derzeit noch kein Prüfantrag oder eine Anregung zur Prüfung, insbesondere durch das Klinikum, vor. Wie auch die Bescheinigung von Prof. Dr. V. und dem Wissenschaftlichen Assistenten W. vom 06. September 2000 belegt, verlangen diese Ärzte des Klinikums lediglich eine Einzelfallentscheidung. Im Hinblick auf die bei E.M. dann ab Dezember 2000 erneut durchgeführte systemische Chemotherapie mit der Kombination Oxaliplatin und Irinotecan vermag der Senat auch nicht zu bejahen, dass dem Versicherten ab 13. Juli 2000 keine andere Behandlungsmethode als die LITT zur Verfügung gestanden hat. Die zutreffenden und in Bezug genommenen Darlegungen des SG stehen im Übrigen auch in Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung des Senats, wonach LITT nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung in Anspruch genommen werden kann (vgl. Beschluss des Senats vom 21. August 2001 [L 4 KR 1023/01] sowie Urteile vom 25. Januar 2002 [L 4 KR 1428/01] und vom 19. April 2002 [ L KR 4766/01]). Danach war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für eine Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung.