Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 1 KR 397/16

Kernpunkt:

  • Eine Biopsie an der Lippe darf nicht als Exzision (5-273.5) kodiert werden.

 

 

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg

 

Urteil vom 19.10.2017 (nicht rechtskräftig)

Sozialgericht Potsdam S 35 KR 368/14
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 1 KR 397/16

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 6. Juli 2016 wird zurückgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand:

 

Im Streit sind weitere Kosten einer Krankenhausbehandlung.

Die Klägerin ist ein zur Behandlung von Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen zugelassenes Krankenhaus. In der Zeit vom 2. Juni 2010 bis zum 12. Juni 2010 behandelte sie die 1941 geborene Versicherte der Beklagten. Die stationäre Aufnahme der Versicherten erfolgte bei bekannter arterieller Hypertonie, zur differenzialdiagnostischen Abklärung einer seit mindestens drei Jahren bestehenden deutlichen Mund- und Augentrockenheit. Im Rahmen eines Eingriffs am 4. Juni 2010 wurde im Bereich der Lippe der Versicherten Gewebe entnommen, um dieses histologisch zu untersuchen. Im OP-Bericht des Assistenzarztes R. S vom 4.Juni 2010 heißt es dazu:

“OP-Bericht Diagnose: Verdacht auf Sjögren-Syndrom Therapie: Biopsie an der Lippe durch Inzision

Patientin in Rückenlage, Lokalanästhesie. Umklappen der Lippe und Umspritzen eines zirka 2,5 x 2,5 cm großen Areals mit Xylonest 1%-ig. Nach Eintreten der Anästhesie Umschneidung der Lippendrüse wetzsteinförmig ziurka 1 x 1 cm mit dem Skalpell. Exzision der umschnittenen Drüse. Subtile Blutstillung und Verschluss durch resorbierbares Nahtmaterial mit MARLIN rapid 4.0 (selbstauflösend).”

Nach der histologischen Befunderhebung wurde bei der Klägerin ein Sjögren-Syndrom diagnostiziert.

Mit Rechnung vom 16. Juni 2010 verlangte die Klägerin von der Beklagten für die stationäre Behandlung der Versicherten 6.094,19 Euro. Grundlage dieser Forderung war im Wesentlichen die Fallpauschale (DRG) 901D (ausgedehnte OR-Prozedur ohne Bezug zur Hauptdiagnose ohne komplizierende Konstellation, ohne Strahlentherapie, ohne komplexe OR-Prozedur, ohne andere Eingriffe an Kopf und Wirbelsäule, Alter ) 0 Jahre, außer bei Para-/ Tetraplegie). Die Beklagte glich die Rechnung zu-nächst am 1. Juli 2010 vollständig aus.

Mit Schreiben vom 28. Juni 2010 zeigte der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) der Klägerin an, dass die Beklagte sie mit der Überprüfung der Rechnung beauftragt habe. In dem Gutachten vom 27. Juni 2011 kam der MDK zu dem Ergebnis, dass die DRG 901D medizinisch nicht sachgerecht sei. Die Prozedur 5-273.5 (Exzision, lokal, Lippe) sei nicht zutreffend. Es sei kein operativer Eingriff im Mundbereich, sondern eine Biopsie in diagnostischer Absicht durchgeführt wurden. Diagnostische Maßnahmen seien im Kapitel 1 des OPS Version 2010 gelistet. Zutreffend hätte die Prozedur 1-420.0 (Biopsie an der Lippe ohne Inzision) codiert werden müssen. Abzurechnen sei damit die DRG I66D (andere Erkrankungen des Bindegewebes, mehr als ein Belegungstag, ohne hochkomplexe Diagnose, ohne mehrere komplexe Diagnosen, ohne komplexe Diagnose oder ohne Dialyse, ohne äußerst schweren CC ohne Frakturen an Becken und Schenkelhals).

Die Beklagte teilte dies der Klägerin mit und verrechnete daraufhin am 6. Oktober 2011 den vollständigen bereits gezahlten Betrag für den stationären Aufenthalt der Versicherten mit anderen unstreitigen Forderungen der Klägerin gegenüber der Beklagten. Sie zahlte am 10. Oktober 2011 an die Klägerin auf die hier strittige Forderung einen Betrag in Höhe von 2.539,07 Euro.

Mit ihrer am 20. November 2014 beim Sozialgericht Potsdam erhobenen Klage hat die Klägerin die Restsumme in Höhe von 3.555,12 Euro aus ihrer ursprünglichen Forderung nebst Zinsen geltend gemacht. Sie hat vorgetragen, dass die Lippenbiopsie mit der Prozedur 5-273.5 zu codieren sei. Bei der Lippenbiopsie handele es sich um einen operativen Eingriff mit Ausschneiden eines Lippenstückes von einer Größe von 1 x 1 cm und damit um eine Exzision. Mit dem Wegfall des OPS-Codes 1-540 mit Wirkung zum 1. Januar 2010 aufgrund zuvor bestehender anhaltender Streitigkeiten zwischen der Krankenversicherung und den Krankenkassen sei dieser Code für eine Lippenbiopsie heranzuziehen. Sie nehme insoweit Bezug auf das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 17. Dezember 2014 (L 9 KR 303/12). Danach sei der OPS-Code 1-420.0 nicht zutreffend für die hier streitbefangene Behandlung. Dies treffe auch für die OPS Version 2010 zu.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 6. Juli 2016 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass es zwar dem zitierten Urteil des Landessozialgerichts folge, dass bei der Lippenbiopsie eine Inzision vorgenommen werde. Jedoch sei mit der Neufassung des OPS-Kataloges mit Wirkung zum 1. Januar 2010 der frühere Code 1-540 (Biopsie an der Lippe durch Inzision) weggefallen, deren Codierung das Landessozialgericht in dieser Entscheidung angenommen habe. Eine speziellere Verschlüsselungsnummer wie sie der 1-540 hergegeben habe, sei für den hier strei-tigen Zeitraum nicht mehr gegeben. Die Kammer schließe sich aber nicht der Ansicht der Klägerin an, dass nunmehr die hier vorgenommene Lippenbiospie unter dem OPS 5-273.5 zu codieren sei. Allein für eine Exzision sei dieser OPS-Code spezieller. Die Inzision an der Lippe werde schon nach dem Wortlaut dieses Codes nicht erfasst. Eine Exzision sei hier gerade nicht vorgenommen worden. Der Begriff der Exzision beschreibe in der Medizin die Entfernung von krankem Gewebe. Hier habe der Eingriff aber zur Abstrahierung einer Gewebeprobe gedient, nicht jedoch um krankhaftes Gewebe bzw. Organe zu entfernen. Der OPS-Code für die Exzision an der Lippe erfasse schon nach dem Wortlaut deshalb nicht die hier durchgeführte Lip-penbiopsie. Fehle es deshalb wie hier an einer eindeutig am Wortlaut zuzuordnenden spezielleren Schlüsselnummer, könne nur auf die allgemeine Schlüsselnummer für Biopsien an der Lippe zurückgegriffen werden. Zu codieren sei deshalb der OPS-Code 1-420.0 Dies passe auch von der Systematik besser, weil die durchgeführte Maßnahme eine rein diagnostische gewesen sei. Diese seien in dem Kapitel 1 des OPS Version 2010 aufgeführt.

Gegen das ihr am 20. Juli 2016 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin vom 12. August 2016. Sie wiederholt und vertieft im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen. Ergänzend führt sie aus, dass das Sozialgericht insoweit fehlgehe, als es die Klage mit der Begründung abgewiesen habe, dass eine Exzision, wie es der OPS-Code 5.273.5 fordere, nicht vorliegen würde, weil dieser in der Medizin lediglich die Entfernung von krankem Gewebe beschreibe. Diese Auffassung sei unzu-treffend, weil eine Exzision eine Ausscheidung von Gewebeteilen ohne Rücksicht auf Organgrenzen oder Gewebestrukturen bezeichne. Auch sei die Schlussfolgerung des Sozialgerichts, dass der zuvor geltende OPS-Code 1-540 “ganz bewusst zum Jahre 2010 ersatzlos gestrichen worden sei und damit nicht der Rückgriff auf 5-273.5, sondern auf die Leistung unter allgemeinen Normen der 1-420.0 ermöglicht werden soll(t)e, reine Spekulation des Gerichts. Eine Begründung hierfür (lasse) das Sozialgericht insoweit auch offen.”

 

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 6. Juli 2016 aufzu-heben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin weitere 3.555,12 Euro nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozent über den jeweiligen Basiszinssatz aus einem Betrag in Höhe von 6.094,19 Euro für den Zeitraum vom 7. Oktober 2011 bis zum 9. November 2011 sowie aus einem Betrag in Höhe von 3.555,12 Euro seit dem 10. Oktober 2011 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie schließe sich dem angefochtenen Urteil an.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, verwiesen.

 

Entscheidungsgründe:

 

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine weitere Vergütung für die stationäre Behandlung der Versicherten der Beklagten in der Zeit vom 2. Juni 2010 bis zum 12. Juni 2010.

Der Zahlungsanspruch eine Krankenhauses für die Behandlung der Versicherten der Beklagten entsteht dem Grunde nach durch die in Übereinstimmung mit dem Leistungs- und Leistungserbringerrecht des Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) erfolgte Inanspruchnahme von Krankenhausbehandlung (vgl. Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30. Juni 2009 – B 1 KR 24/08 R – juris RdNr. 15). Zwischen den Beteiligten steht außer Streit, dass die Versicherte in der genannten Zeit einer Behandlung im Krankenhaus bedurfte.

Der Höhe nach bestimmt sich der Anspruch der Klägerin nach § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i. V. m. § 7 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und § 17b Krankenhausfi-nanzierungsgesetz (KHG). Gemäß § 7 Satz 1 KHEntgG werden die Leistungen der Krankenhäuser (u.a.) durch die Abrechnung von Fallpauschalen nach dem auf Bundesebene vereinbarten Entgeltkatalog abgerechnet. Diese Entgelte vergüten nach § 7 Satz 2 KHEntgG alle allgemeinen Krankenhausleistungen. Die Spitzenverbände der Krankenkassen bzw. seit dem 1. Januar 2008 der Spitzenverband Bund der Krankenkassen haben dazu nach §§ 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KHEntgG, 17b Abs. 2 KHG Fallpauschalen und ein Vergütungssystem zu vereinbaren, das sich an einem international bereits eingesetzten Vergütungssystem auf der Grundlage der Diagnosis Related Groups (DRG) orientiert und jährlich weiterzuentwickeln und anzupassen ist. Das Vergütungssystem der allgemeinen Krankenhausleistungen soll nach § 17 b Abs. 1 Satz 1 KHG durchgängig, leistungsorientiert und pauschalierend sein. Dieses auf Vereinbarungen zwischen dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der der Deutschen Krankenhausgesellschaft beruhende Vergütungssystem wurde nach § 17b Abs. 6 Satz 1 KHG verbindlich für alle Krankenhäuser zum 1. Januar 2004 eingeführt.

Der in Ausführung dieser gesetzlichen Verpflichtung vereinbarte Fallpauschalenkata-log einschließlich der Operation- und Prozedurenschlüssel sowie der Kodierrichtlinien ist für die Vertragsparteien bindend und streng nach dem Wortlaut auszulegen ist (Urteil des BSG vom vom 22. November 2012 – B 3 KR 1/12 R – RdNr. 11 mit Be-zugnahme auf Urteil vom 18. September 2008 – B 3 KR 15/07 R–). Eine Vergütungsregelung, die für routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen lässt.

Die Zuordnung eines bestimmten Behandlungsfalls zu einer DRG hat in zwei zu erfolgen: Zunächst ist die durchgeführte Behandlung nach Gegenstand und prägenden Merkmalen nach den vorgenannten Regelungen zu verschlüsseln. Der sich erge-bende Kode ist in zu diesen Zwecken entwickelte Computerprogramme (sog. Grou-per) einzugeben, die dann nach bestimmten vorgegebenen, vom Krankenhaus nicht zu beeinflussenden Kriterien die Zuordnung zu einer bestimmten DRG vornehmen. Aus dieser wird dann nach Maßgabe des Fallpauschalenkatalogs und der Pflegesatzvereinbarung die von dem Krankenhaus zu zahlende Vergütung berechnet (vgl. Urteil des BSG vom 8. November 2011 – B 1 KR 8/11 R – juris RdNr.17-21, Urt. v. 18. September 2008 – B 3 KR 15/07 R – juris RdNr.16).

Streitig ist zwischen den Beteiligten ausschließlich, ob für die Behandlung der Versi-cherten der Beklagten in der Zeit vom 2. Juni 2010 bis zum 12. Juni 2010 der OPS-Code 1-420.0 (Biopsie ohne Inzision an Mund und Mundhöhle, Lippe) zu codieren war oder der OPS-Code 5-273.5 (Exzision, lokal, Lippe). Zwischen den Beteiligten besteht Einigkeit, dass nur, wenn der OPS-Code 5-273.5 zu codieren war, der Be-handlungsfall nach der DRG 901D abzurechnen war und die Klägerin damit einen Anspruch auf die geltend gemachte weitere Vergütung hat.

An den vorgenannten Grundsätzen bemessen, war im vorliegenden Behandlungsfall nicht der OPS-Code 5.273.5 zu codieren, sondern der OPS-Code 1-420.0.

Nach dem OPS-Code 1-420.0 wird eine Biopsie ohne Inzision an Mund und Mund-höhle, Lippe vergütet. Bereits nach dem Wortlaut ist die hier erfolgte Lippenbiopsie nach diesem Code zu kodieren. Die Biopsie ist ein Fachausdruck aus der Medizin. Er umschreibt die Entnahme einer Gewebeprobe am Lebenden mit einer Hohlnadel, unter Anwendung spezieller Instrumente (Zangen, Stanzinstrumente, Biopsiesonden, Bürsten, Schlingen u. a.) oder operativ mit dem Skalpell mit einer anschließenden (histologischen) Untersuchung dieses Materials. Eine derartige Biopsie ist bei der Versicherten am 4. Juni 2010 durchgeführt worden. Ausweislich des Operationsbe-richtes vom 4. Juni 2010 erfolgte eine Biopsie an der Lippe. Das entnommene Material wurde anschließend histologisch untersucht. Im Ergebnis konnte ein Sjögren-Syndrom diagnostiziert werden. Das Vorliegen einer Biopsie ist zwischen den Betei-ligten auch nicht im Streit.

Zur Überzeugung des Senats erfolgte die am 4. Juni 2010 durchgeführte Biopsie auch ohne eine Inzision. Der Senat vermag sich der insoweit anderen Auffassung des Sozialgerichts nicht anzuschließen. Das Sozialgericht begründet seine Auffassung unter Bezugnahme auf das Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 17. Dezember 2014 (L 9 KR 303/12) mit einer “schlichten Wortlautinterpretation”. “Inzision” bedeute “operativer Eingriff”. Das Wort stamme aus dem lateinischen und gehe auf das Verb “incidere” zurück, das “einschneiden, Einschnitte in etwas machen” bedeute.

Dies ist zunächst zutreffend. Indes geht es nicht um eine “schlichte Wortlautinterpretation”, sondern um die Bedeutung des Wortes Inzision im medizinischen Sprachgebrauch. Danach bedeutet Inzision “Einschnitt (chirurgisch), Durchtrennung körpereigenen Gewebes oder Eröffnung eines pathologisch entstandenen Hohlraums (z. B. Abszess)” (Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch, 266. Auflage, 2014, S 1037). Der Begriff umschreibt weitergehend den Verlauf von chirurgischen Schnitten (die Schnittführung) zur Durchtrennung von Haut und Weichteilen um das Operationsgebiet übersichtlich darzustellen. Die Schnittführung soll eine intraoperative Erweite-rungsmöglichkeit bieten (Pschyrembel, a. a. O., S. 1916).

Eine Inzision in diesem Sinne ist hier nicht vorgenommen worden. Nach dem Opera-tionsbericht wurde nach dem Umklappen der Lippe und Umspritzen eines ca. 2,5 x 2,5 cm großen Areals und nach Eintreten der Anästhesie eine Lippendrüse direkt mit dem Skalpell entfernt. Die Biopsie selbst erfolgte also mittels eines Schnitts, ausweislich des Operationsberichtes mittels einer “Umschneidung der Lippendrüse wetzsteinförmig zirka 1 x 1 cm mit dem Skalpell.” Das Operationsgebiet selbst wurde nach dem Operationsbericht nicht vorab mittels einer Inzision freigelegt oder vorbereitet, um die Voraussetzungen für eine Biopsie zu schaffen. Eine Freilegung des Operationsgebietes durch Durchtrennen von Haut- und Weichgewebe, welches selbst nicht biopsiert werden sollte, bedurfte es nicht. In dem Operationsbericht heißt zwar dementsprechend unter dem Stichwort “Therapie”, dass eine ” Biopsie an der Lippe durch Inzision” erfolgt sei. Es heißt dann aber weiter, dass eine “Exzision der umschnittenen Drüse” erfolgt sei. Dies belegt zunächst, dass der Klägerin offensichtlich nicht bekannt war, wie der von ihr durchgeführte Eingriff rechtlich zu qualifizieren ist.

Jedenfalls unterscheidet die OPS Version 2010 im Kapitel 1 (Diagnostische Maß-nahmen) zwischen einer Biopsie, die “ohne Inzision” (1-40 1-49) erfolgt und einer Biopsie, die “durch Inzision” (1-50 1-58) durchgeführt wird. Bereits dieser Wortlaut zeigt, dass in dem einen Fall ausschließlich eine Biopsie vergütet werden soll, also eine, die ohne eine Inzision erfolgt ist, und in dem anderen Fall eine Biopsie, die durch eine Inzision erfolgt ist. Bei Letzterer muss demnach die erfolgte Biopsie zusätzlich durch eine Inzision erfolgt sein.

Im Inkl. zum Kapitel 1 (Diagnostische Maßnahmen) “Biopsien ohne Inzision” (1-40 1-49) ist bereits beschrieben, dass Perkutane (Fein-)Nadelbiopsien, Stanzbiopsien, oder Saugbiopsien zu dieser Gruppe gehören. Beschrieben ist hier die Art des Zugangsweges, um eine Biopsie durchzuführen. Das Biopsat wird in diesen Fällen direkt, ohne einen weiteren, zusätzlichen (operativen) Aufwand entnommen, wie beispielsweise bei der Biopsie eines Hauttumors oder bei der Abtragung eins Darmpolypen. In diesen Fällen muss nicht neben der Biopsie zusätzlich ein Zugangsweg (eine Inzision) geschaffen werden, um das Biopsat entnehmen zu können, wie beispielsweise bei der zunächst notwendigen Freilegung eines bestimmten Organs oder eines bestimmten Muskelbereiches. In diesen Fällen kann erst nach erfolgter operativer Freilegung des zu biopsierenden Gewebes das Biopsat entnommen werden.

Eine derartige, der Biopsie vorgeschaltete Freilegung des Operationsgebietes ist im vorliegenden Fall unstreitig nicht erfolgt. Die Biopsie selbst konnte mit dem Skalpell durchgeführt werden, ohne dass es weiterer operativer Maßnahmen, wie einer Freilegung des Operationsgebietes bedurfte.

Soweit die Klägerin den OPS 5-273.5 (Exzision, lokal, Lippe) für einschlägig hält, erschließt sich dies dem Senat nicht. Eine Exzision in diesem Sinne erfolgte im vorliegenden Fall nicht. Denn bei den im 5. Kapitel des OPS Version 2010 aufgeführten Operationen handelt es regelmäßig sich um kurative operative Eingriffe. Ein derartiger Eingriff erfolgte hier nicht. Die Biopsie an der Lippe erfolgte zur Abklärung der Diagnose “Verdacht auf Sjögren-Syndrom”. Die histologische Untersuchung des Präparats bestätigte diese Verdachtsdiagnose. Diagnostische Maßnahmen dieser Art sind im 1. Kapitel des OPS aufgeführt.

Jedenfalls ist im vorliegenden Fall eine Biopsie durchgeführt worden. Eine Biopsie ist bereits nach dem Wortlaut nicht mit dem OPS-Codes 5-273.5 zu codieren. Nach den amtlichen Klassifikationen in der jeweiligen gültigen Version ist so spezifisch wie möglich zu codieren, unabhängig vom Ergebnis der Codierung. Der spezifische Code für eine Biopsie an der Lippe ist der OPS-Code 1-420.0.

Die Kostenentscheidung folgt auf § 197 a SGG i. V. m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsge-richtsordnung.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGG liegen nicht vor.