Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 1 KR 475/07

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg

Urteil vom 09.01.2009 (nicht rechtskräftig)

Sozialgericht Berlin S 86 KR 2658/04
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 1 KR 475/07

Das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. Juli 2007 wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Freistellung von Kosten, die anlässlich einer LDL-Apherese-Behandlung (Blutwäsche), entstanden sind, welche die Beigeladenen beim Kläger durchführten. Konkret handelt es sich um zwölf Dialysen zwischen dem 19. Juli 2000 und dem 31. Januar 2001.

Der 1944 geborene Kläger leidet an Hypercholesterinanämie. Die Beigeladenen betreiben eine Praxis für Nierenkrankheiten und Dialyse. Dort führten sie beim Kläger seit April 1998 eine LDL-Elimination als extrakorporales Hämotherapieverfahren durch, also eine Dialyse zur Entfernung des LDL-Cholesterins. Die ärztlichen Leistungen wurden und werden dabei direkt durch die Kassenärztliche Vereinigung Berlin (KV) erstattet. Eine entsprechende Abrechnung auch der Sachleistungen für die LDL-Apharese über die KV war hingegen zunächst nur bis 30. Juni 2000 und erst wieder ab 1. Oktober 2001 auf der Grundlage einer Abrechnungsvereinbarung mit den gesetzlichen Krankenkassen möglich.

Die KV teilte dem Beigeladenen zu 1) mit Schreiben vom 30. April 1998 mit, dass die Voraussetzungen für eine ambulante Durchführung der LDL-Elimination als extrakorporales Hämotherapieverfahren gemäß den NUB-Richtlinien zur Zeit nicht indiziert sei, da zwar eine höhergradige KHK vorliege, aber die lipidsenkende Therapien noch nicht ausgeschöpft seien. Gemäß Nr. 1.5 der NUB-Richtlinien habe dieses Ergebnis der Fachkommission der Kassenärztlichen Vereinigung aber nur beratenden Charakter, die abschließende Entscheidung obliege dem Arzt.

Mit Schreiben vom 19. oder 21. März 2000 stellten die Beigeladenen einen Antrag auf Fortführung der ambulanten LDL-Apherese.

Mit Schreiben vom 13. April 2000 teilte die KV dem Beigeladenen zu 1) mit, dass die Dialyse-Kommission der KV am 7. April 2000 beschlossen habe, den Antrag vorerst zurück zu stellen. Die Indikationserstellung zur LDL-Elimination gemäß § 3 der Richtlinien über die Bewertung ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmethoden vom 22. März 2000 (BUB-Richtlinien) sei nicht ausreichend. Gemäß § 7 der Richtlinien sei bei Fortbestehen einer Behandlungsindikation gemäß § 3 BUB-Richtlinien zugleich mit einer erneuten, ergänzenden medizinischen Beurteilung gemäß § 4 BUB-Richtlinien nach Ablauf eines Jahres eine erneute Beratung durch die Kommission einzuleiten. Es müsse eine kardiologische bzw. angiologische und lipidologische Beurteilung des Patienten der Indikationsstellung zur LDL-Elimination vorangehen. Die Beurteilung dürfe nicht durch den Arzt erfolgen, an den der Patient bei bestätigter Indikation zur Durchführung der Dialyse überwiesen werde. Mit Schreiben vom 30. April 1998 sei eine Therapieempfehlung gegeben worden, da die lipidsenkende Therapie medikamentös und diätisch noch nicht ausgeschöpft gewesen sei. Bis heute liege kein Nachweis über eine mindestens sechs Monate dauernde dokumentierte maximale diätische und medikamentöse Therapie zur Senkung des LDL-Cholesterins vor. Es werde gebeten, binnen vier Wochen die fehlenden Unterlagen sowie den beigefügten Vordruck vollständig ausgefüllt zuzusenden, da andernfalls auf der Grundlage der bislang eingereichten Unterlagen beraten werde. Es werde darauf hingewiesen, dass gemäß § 7 der BUB-Richtlinien die Fortführung der Abrechnung der LDL-Elimination in jedem Einzelfall erst dann zulässig sei, wenn die leistungspflichtige Krankenkasse dem Versicherten einen Leistungsbescheid erteilt habe.

Die Beklagte teilte den Beigeladenen mit Schreiben vom 11. September 2000 mit, dass u. a. für den Kläger weder Anträge für die LDL-Elimination noch die Begutachtungsunterlagen der Dialysekommission der KV vorlägen. Ohne diese Unterlagen könne eine Zahlung nicht erfolgen.

Die KV schrieb unter dem Datum 30. November 2000 an die Beigeladenen, diese seien mehrfach schriftlich und mündlich auf die Einreichung der gemäß § 4 BUB-Richtlinien erforderlichen Unterlagen bzw. Angaben und Nachweise zur Beurteilung der Indikationsstellungen gemäß § 3 BUB-Richtlinien hingewiesen worden. Auch in der Sitzung der Dialyse-Kommission, welcher der Beigeladene zu 1) als stellvertretendes Mitglied angehöre, seien sie am 30. Mai 2000 auf die Einhaltung der Bestimmungen hingewiesen und gebeten worden – auch im Interesse der Patienten – die zur Beratung erforderlichen Nachweise umgehend einzureichen. Bis zum 6. Juli 2000 sei kein weiterer Eingang festgestellt worden, woraufhin mit Schreiben vom 6. Juli 2000 um nochmalige Mitteilung gebeten worden sei, ob die Anträge aufrecht erhalten blieben. Die Beigeladenen hätten mit Schreiben vom 7. Juli 2000 geantwortet, dass sie sich der Dringlichkeit der Bearbeitung bewusst seien und die angeforderten kardiologischen und lipidologischen Gutachten umgehend nach Erhalt zur Verfügung stellen würden. Die KV fordere die Beigeladene letztmalig auf, bis 31. Dezember 2000 die zum jeweiligen Patientenantrag nachgeforderten Unterlagen einzureichen.

Mit Schreiben vom 5. Februar 2001 teilte die KV mit, dass die zuständige Dialysekommission aufgrund der Schreiben sowie eingereichten Unterlagen der Beigeladenen vom 21. März 2000, 11. Dezember 2000, 25. Januar 2001 und 26. Januar 2001 zum Ergebnis gelangt sei, dass die Indikation zur ambulanten Durchführung der LDL-Elimination als extrakorporales Hämotherapieverfahren gemäß § 3 der BUB-Richtlinien vorliege. Eine Vergütung über die KV für bereits vor Genehmigungserteilung durchgeführte Behandlungen sei nicht möglich. Die Beklagte teilte daraufhin dem Kläger mit, ab heute für ein Jahr die Kosten für die LDL-Elimination zu übernehmen.

Mit Liquidation vom 9. März 2001 (VV Blatt 10) stellten die Beigeladenen der Beklagten 20.350,00 DM für 13 einzeln aufgelistete ambulante LDL-Apheresen zwischen dem 19. Juli 2000 und dem 22. Februar 2001, in Rechnung, also 13 x 1.950,00 DM. Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 15. März 2001 (VV Blatt 11), eine Erstattung nur für die Behandlung am 22. Februar 2001 vornehmen zu können. Die Bewilligung gelte nämlich für den Zeitraum ab 11. Februar 2001 bis 12. Februar 2002.

Die Beigeladenen schrieben unter dem Datum 25. Juli 2001 u. a. an die KV, aufgrund deren Schreibens vom 30. April 2000 sei beim Kläger ein Therapieversuch durchgeführt worden. Dieser habe keine Besserung gebracht. Daraufhin sei entsprechend der Bestätigung der KV, dass die Entscheidung zur Durchführung der Elimination ihnen als den Ärzten obliege, mit der LDL-Apherese begonnen worden. Weiter schrieben sie am 12. September 2001 an die Beklagte, die Behandlungsrichtlinien hätten sich seit 1996 mehrfach geändert. Eine ausdrückliche Kostenzusage durch die Krankenkasse sei nach den damals geltenden NUB-Richtlinien nicht erforderlich gewesen. Es sei therapeutisch nicht möglich gewesen, die Apherese-Behandlung zu unterbrechen, auch wenn zwischenzeitlich administrative Vorgänge das zeitliche Beantragungsprozedere nach der BUB-Richtlinie verzögert hätten.

Sie erhoben nach vergeblicher Anmahnung durch ihren Bevollmächtigten – den jetzigen Bevollmächtigten des Klägers – am 22. Dezember 2001 Zahlungsklage gegen die Beklagte (GA S 81 Blatt 1ff). Zur Begründung führten sie u. a. aus, sowohl nach § 3 der alten NUB-Richtlinien wie nach den Kriterien der Nr. 7 der nunmehr geltenden BUB-Richtlinien sei die Indikation einer LDL-Apherese beim Kläger ständig gegeben gewesen. Beigefügt war das lipidologische Gutachten der Ärztin für Innere Medizin Dr. K vom 8. Januar 2001, wonach beim Kläger eine therapieresistente Hyperlipoproteinämie mit schwersten kardialen Veränderungen vorliege (VV Blatt 74), ferner das Gutachten des Facharztes für Innere Medizin – Kardiologie – Dr. P vom 19. Januar 2001 (VV Blatt 75). Danach leide der Kläger an einer choronaren Mehrgefäßerkrankung, die eine Indikation für eine aoroto-choronare Beipassoperation darstelle. Wegen der unzureichenden antilipämischen Wirkung der CSE-Hemmer-Therapie sei die LDL-Apherese die einzige Möglichkeit, die lipidologische Lage zu verbessern.

Mit Schreiben vom 15. August 2002 genehmigte die Beklagte dem Kläger die Fortführung der LDL-Elimination für die Zeit vom 15. August 2002 bis 14. August 2003.

Die zum Verfahren beigeladene KV führte im Schriftsatz vom 27. Januar 2003 aus, es müsse bei der Durchführung von ambulanten LDL-Eliminationen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung nach den BUB-Richtlinien unterschieden werden zwischen der generellen Abrechungsgenehmigung, welche sie dem Beigeladenen zu 1) am 16. Dezember 1998 erteilt habe und der seit der Änderung der BUB-Richtlinien zum 26. Juli 1998 zusätzlich erforderlichen Genehmigung im Einzelfall, die durch einen Bescheid der Krankenkasse an den Versicherten zu erfolgen habe. Zudem sei bei der LDL-Elimination zu differenzieren zwischen den ärztlichen Leistungen, die nach der EBM-Nummer 792 bzw. ab 1. Juli 2002 nach EBM-Nummer 796 berechnungsfähig gewesen seien, und den Kosten für die Sach- und Dienstleistungen, die in den nach dem EBM berechnungsfähigen ärztlichen Leistungen nicht enthalten seien. Gegenstand der Klage sei die Vergütung von Sach- und Dienstleistungen bei der Durchführung von LDL-Eliminationen. Insoweit habe in der Zeit vom 1. Juli 2000 bis zum 30. September 2001 keine Vereinbarung bestanden, so dass die Vertragsärzte (trotz) genereller Genehmigung zur Durchführung der LDL-Elimination diese Kosten nicht über die KV hätten abrechnen können. Nach der derzeit geltenden Vereinbarung könnten die Vertragsärzte bei der KV eine Kostenpauschale von 997,00 Euro (= 1.950,00 DM) abrechnen, die von den Krankenkassen außerhalb der Gesamtvergütung getragen werde.

Mit Vertrag vom 23. Juli 2001 trat der Kläger seinen Erstattungsanspruch gegenüber der Beklagten in Höhe von 23.400,00 DM unwiderruflich an die Beigeladenen ab. Nach Hinweis des SG, dass nicht erkennbar sei, dass die Voraussetzungen des § 53 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) erfüllt seien, nahmen die Beigeladenen ihre Klage am 21. November 2003 zurück. Am 1. Dezember 2003 schlossen der Kläger und die Beigeladenen einen weiteren Abtretungsvertrag, wonach diese den Kostenerstattungsanspruch an den Kläger zurück übertrugen.

Der Kläger bat die Beklagte mit Schreiben vom 3. Februar 2004, an die Beigeladenen 11.964,23 Euro entsprechend 23.400,00 DM zu zahlen. Diese seien an ihn herangetreten und forderten von ihm diesen Betrag. Beigefügt war eine Kopie der Liquidation vom 23. Juli 2001 über 23.400,00 DM, auf die ergänzend verwiesen wird. Die Beklagte antwortete, eine Kostenerstattung sei nicht möglich, weil der Kläger (nur) Sach- und Dienstleistungen erhalten könne. Daraufhin beantragte der Kläger die Übernahme der Behandlungskosten für die LDL-Elimination im Zeitraum 19. Juli 2000 bis 31. Januar 2001 (Schreiben vom 26. Februar 2004). Die Beklagte bat um Übersendung des Privatarztbehandlungsvertrages und die eine Zahlungsfälligkeit begründenden Unterlagen. Seien die Rechnungen noch nicht bezahlt, solle auch mitgeteilt werden, welche Zahlungsvereinbarung für die privatärztliche Behandlung vereinbart worden sei. Der Kläger antwortete mit Schreiben vom 26. März 2004, ein privater Behandlungsvertrag liege in schriftlicher Form nicht vor. Vor dem Hintergrund des so genannten vertragslosen Zustandes im Zeitraum Juli 2000 bis Januar 2001 habe sich der Kläger entschlossen, die bei ihm dringend notwendige LDL-Apherese durch seine behandelnden Nephrologen durchführen zu lassen. Bei der Abrechnung vom 23. Juli 2001 hätten die Beigeladenen sich von den seinerzeitigen Vergütungsregelungen leiten lassen. Ursprünglich habe er mit den Abrechnungsmodalitäten nichts zu tun haben wollen. Er habe deshalb seine Ansprüche auf Kostenerstattung an die behandelnden Ärzte abgetreten. Nach Rücknahme deren Klage und Rückabtretung mache er die Ansprüche wieder selbst geltend. Die Beigeladenen hätten die Behandlungskosten bislang gestundet. Im Gegenzug habe der Kläger auf die Einrede der Verjährung bis zum Ausgang des Hauptsacheverfahrens verzichtet.

Die Beklagte lehnte den Antrag vom 26. Februar 2004 mit Bescheid vom 11. Mai 2004 ab. Gegenstand sei die Geltendmachung des Zahlungsrückstandes in Höhe von 23.000,00 DM für die durchgeführten ambulanten LDL-Apheresen an einzelnen Behandlungstagen zwischen dem 9. Juli 2000 und dem 31. Januar 2001. Insoweit sei eine Klage anhängig gemacht und zurück genommen worden. Es habe sich der Rechtsstreit erledigt. Eine Wiederaufnahme sei auch durch den Wechsel des Antragstellers nicht mehr möglich.

Dieser Rechtsauffassung widersprach der Kläger in seinem Widerspruch.

Die Beklagte verwarf den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 3. August 2004 als unzulässig. Ihm fehle ein Rechtsschutzbedürfnis. Der Kläger habe nicht dargelegt, aus welchem Grund er auch nur möglicherweise in einem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt sein könne.

Am 19. August 2004 hat der Kläger hiergegen Klage vor dem SG erhoben.

Die Beigeladenen haben mit Schriftsatz vom 28. Januar 2005 u. a. erklärt, dass die Zahlung der streitigen Summe des Klägers an sie ausgesetzt sei.

Die Beklagte hat am 14. April 2005 einen Bescheid erlassen in welchem sie eine Abänderung der bislang ergangenen Bescheide abgelehnt hat. U. a. seien mögliche Leistungsansprüche aus dem Kalenderjahr 2000 verjährt.

Sie hat vorgetragen, dass der Kläger Zahlungsverpflichtungen den Beigeladenen gegenüber nicht ausgesetzt sei. Er habe nämlich zum Zeitpunkt der Behandlung davon ausgehen können, die Leistung als Kassenpatient zu den Bedingungen der gesetzlichen Krankenversicherungen zu erhalten.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem SG am 13. Juli 2005 hat der Beigeladene zu 2) erklärt, dass die Behandlung des Klägers aus medizinischer Sicht unaufschiebbar gewesen sei. Der Kläger sei wie andere Patienten bei ungeklärter Kostenübernahme als Privatpatient behandelt worden.

Das SG hat mit Urteil vom selben Tag unter Aufhebung der Bescheide vom 20. Februar 2004 und vom 11. Mai 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. August 2004 die Beklagte verpflichtet, den Kläger von den Kosten der LDL-Apherese-Behandlung für den Zeitraum vom 19. Juli 2000 bis zum 31. Januar 2001 freizustellen. Die Klage sei zulässig, nachdem die Beklagte mit den angefochtenen Bescheiden über den streitigen Anspruch erstmals rechtsmittelfähig entschieden habe. Anspruchsgrundlage sei § 13 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Danach seien einem Versicherten Kosten für eine selbstbeschaffte Leistung dann zu erstatten, wenn sie dadurch entstanden seien, dass die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistungen nicht rechtzeitig habe erbringen können oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt habe. Die LDL-Apherese-Behandlung sei unaufschiebbar gewesen. Die Kammer sei überzeugt, dass den behandelnden Ärzten und dem Kläger als schwerkrankem Risikopatienten keine andere Wahl als die Behandlung geblieben sei. Zwar sei eine Freistellung von den Kosten einer Behandlung nur dann möglich, wenn es sich um eine Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung gehandelt habe. Die LDL-Apherese-Behandlung sei nur dann eine Leistung der gesetzlichen Krankenkasse, wenn sie zuvor genehmigt worden sei (Anlage 1 Nr. 1 § 6 der fortgeltenden NUB-Richtlinien). Der verfassungsrechtliche Schutz des Leben und der körperlichen Unversehrtheit des Klägers gebiete es jedoch, diese unauflösbare Situation zu durchbrechen und die Kosten ohne Genehmigung der Beklagten aufzuerlegen. Der Kläger habe auch wissen müssen, dass er sich einer Privatbehandlung unterziehe mit ungewissem Kostenrisiko, so dass sich die Behandlung auch nicht als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung darstelle.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Es bestehe keine Verbindlichkeit des Klägers gegenüber den Beigeladenen, die einen Freistellungsanspruch begründen könnte. Zum Zeitpunkt der Behandlung habe der Kläger davon ausgehen können, als gesetzlich Krankenversicherter behandelt zu werden. Die Beigeladenen hätten demgemäß auch zunächst gegenüber ihr abgerechnet. Dem Kläger sei die Behandlung erst mit Datum vom 23. Juli 2001 in Rechnung gestellt worden, nachdem die Beklagte eine Zahlung abgelehnt habe (Bezugnahme auf Bundessozialgericht (BSG) Urteil vom 9. Oktober 2001 – B 1 KR 6/01 R – und vom 18. Juli 2006 – B 1 KR 24/05 R -). Ausweislich des Schriftwechsels zwischen der KV und dem Beigeladenen könne auch nicht von einem lebensbedrohlichen Zustand ausgegangen werden. Einer privatrechtlichen Vereinbarung zwischen Kläger und den Beigeladenen stehe weiter auch § 18 Abs. 3 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) in damaliger Fassung entgegen. Auch eine nachträgliche schriftliche Bestätigung nach § 18 Abs. 1 BMV-Ä liege nicht vor, weil eine solche nur vor Behandlungsbeginn erfolgen dürfe. Auch die Beigeladenen wären überdies zunächst davon ausgegangen, Ansprüche gegen die Beklagte zu haben. Schließlich bestehe auch keine wirksame GOÄ-Abrechnung.

Sie beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. Juli 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, die Behandlung sei erforderlich gewesen um sein Leben und seine Gesundheit zu schützen bzw. um eine deutliche Verschlimmerung seines Leidens zu vermeiden. Es dürfe nicht formal auf das Vorhandensein einer Genehmigung abgestellt werden. Die Beigeladenen hätten im Frühjahr 2000 auch nicht die Antragstellung verzögert. Vielmehr hätten sowohl der Kardiologe als auch der Lipidologe ihre Gutachten nicht erstellt. Die Gutachter hätten dies mit Arbeitüberlastung begründet. Insofern liege ein Systemversagen vor.

Auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze wird ergänzend Bezug genommen. Die Gerichtsakte Sozialgericht Berlin S 81 KR 1391/01 W 03 sowie der Verwaltungsvorgang der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte, von den Kosten der LDL-Apherese-Behandlungen im Zeitraum vom 9. Juli 2000 bis 31. Januar 2001 freigestellt zu werden.

Als Anspruchsgrundlage kommt allein § 13 Abs. 3 SGB V in Betracht. Nach dieser Vorschrift sind dem Versicherten Kosten einer selbst beschafften Leistung in der entstandenen Höhe zu erstatten, wenn die Leistung unaufschiebbar war und die Krankenkasse sie nicht rechtzeitig erbringen konnte oder wenn die Krankenkasse die Leistung zu Unrecht abgelehnt hatte. Die Erstattung von Kosten setzt sowohl begrifflich als auch nach Wortlaut und Zweck der Norm voraus, dass dem Versicherten Kosten entstanden sind. Da der Anspruch nicht von einer tatsächlich geleisteten Zahlung abhängen kann, reicht es jedoch aus, wenn der Versicherte einer Honorarforderung des Leistungserbringers ausgesetzt ist. Insoweit umfasst § 13 Abs. 3 SGB V auch einen Freistellungsanspruch (vgl. Urteil des BSG vom 28.03.2000 – B 1 KR 11/98 R – = SozR 3 – 2500 § 135 Nr. 14 Seite 61 m.w.N.).

Der Kläger hier ist in diesem Sinne einer ernstlichen Forderung durch die Beigeladenen nicht ausgesetzt: Zur Überzeugung des Senats ist bereits nach dem klägerischen Vortrag und dem der Beigeladenen zwischen ihm und diesen kein wirksamer privatrechtlicher Vertrag zu Stande gekommen, aufgrund dessen er spätestens am heutigen Tage fälligen Forderungen der Beigeladenen ausgesetzt ist:

Es ist ausgeschlossen, dass sich der Kläger als reiner Privatpatient ausschließlich auf bürgerlich-rechtlicher Rechtsgrundlage von den Beigeladenen hat behandeln lassen. Deren ärztliche Bemühungen hat nämlich die KV bezahlt, also auf Grundlage des SGB V. Der Kläger hat die ärztlichen Leistungen insoweit als Dienstleistungen der Beklagten erhalten. Nach der von der Beklagten zutreffend angeführten Rechtssprechung des BSG (Urteil vom 18. Juli 2006 – B 1 KR 24/05 R – und Urteil vom 18. Juli 2006 – B 1 KR 9/05 R -) sind Vereinbarungen, die vom Prinzip der kostenfreien Dienst- und Sachleistung außerhalb des Kostenerstattungsverfahren nach § 13 Abs. 2 oder 4 SGB V abweichen, regelmäßig gemäß § 32 SGB I nichtig. Es widerspricht nämlich auch nach Auffassung des hier entscheidenden Senats dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Ausgestaltung des Naturalleistungsprinzips, das dahin geht, den Versicherten grundsätzlich kostenfreie Leistungen zu verschaffen, wenn diese hiervon abweichende Honorarvereinbarungen treffen könnten. Nach der Rechtsprechung des BSG, welcher der Senat aus eigener Überzeugung zustimmt, ist an Ausnahmen hiervon – also wirksamen privatrechtlichen Honorarvereinbarungen – allenfalls zu denken, wenn ein Versicherter vollständig über die Risiken aufgeklärt wurde und in dem Bewusstsein den Vertrag eingeht, dass er hier eine entsprechende Leistung gleicher Qualität auch ohne eigene Kosten bei einem zugelassenen behandelnden Vertragsarzt in Anspruch nehmen könnte (BSG, Urteil vom 18. Juli 2006 – B 1 KR 24/05 R – RdNr. 27). Eine vertragliche Ausgestaltung unter dieser Prämisse tragen weder der Kläger noch die Beigeladenen vor. Da diese eine mündliche Absprache getroffen haben wollen, stehen dem Gericht mangels substantiierten Vortrags, wer wann was konkret vereinbart hat, auch keine Aufklärungsmöglichkeiten mehr zur Verfügung.

Im Übrigen hätte hier eine vertragliche Honorarvereinbarung eine Freistellung der Beigeladenen von deren Pflicht zur Einhaltung des Verfahrens nach den BUB-Richtlinien bedeutet. Eine solche Vereinbarung verstieße aber gegen § 32 SGB I. Ob ein gleichzeitiger Verstoß der Beigeladenen als Vertragsärzte gegen § 18 des Bundesmantelvertrages der Ärzte (BMV-Ä) gleichfalls oder zusätzlich zur Nichtigkeit der privatrechtlichen Regelung geführt hätte, kann dahin gestellt bleiben. Die Beigeladenen haben es nämlich versäumt, aus dem Umstand, dass ab 1998 die allgemeine Erlaubnis zur Durchführung der LDL-Apherese nach den Richtlinien nicht mehr alleine ausreichte, sondern für jeden Einzelfall zusätzlich eine Prüfung durch die Kommission der KV und eine anschließende Leistungsgenehmigung der Krankenkasse zu erfolgen hat, die gebotene Konsequenz zu ziehen, rechtzeitig dafür Sorge zu tragen, dass alle Voraussetzungen erfüllt sein können. Die Beigeladenen haben nicht rechtzeitig das ihnen Mögliche und Zumutbare unternommen, um die Anforderungen der BUB-Richtlinien zu erfüllen. Von einem Systemversagen oder ähnlichem kann nicht ausgegangen werden:

Die KV hatte den Beigeladenen bereits im April 1998 mitgeteilt, dass die Voraussetzungen für eine LDL-Apherese nach den Richtlinien nicht vorlägen, weil die Beigeladenen nicht nachgewiesen hätten, dass die lipidsenkenden Therapien nicht ausreichten. Einen solchen Therapieansatz verfolgten die Beigeladenen jedoch erst, nachdem die KV sie mit Schreiben vom 7. April 2000 auf das Fehlen der Voraussetzungen für eine Genehmigung eines Folgeantrages hingewiesen hatte. Von der Richtigkeit dieser Angaben durch die Beigeladenen selbst in ihrem Schreiben an die KV vom 25. Juli 2001 ist der Senat überzeugt. Dass der Nachweis, dass Diät und medikamentöse Lipidsenker alleine nicht das gewünschte therapeutische Ergebnis gebracht hätten, verzögert erbracht werden konnte, liegt an der Vorgehensweise der Beigeladenen. Dass es (anschließend) weitere Verzögerungen gegeben habe, weil die Gutachter nicht rechtzeitig tätig geworden seien, behaupten die Beigeladenen ins Blaue hinein. Von einem Systemversagen könnte insoweit nur ausgegangen werden, wenn diese ihre entsprechenden Bemühungen und Mahnungen dokumentiert hätten. So sind die Vorwürfe viel zu vage, um Anhaltspunkte für Ermittlungen von Amts wegen zu veranlassen. Schließlich haben die Beigeladenen selbst mit Schreiben vom 25. Juli 2001 eingeräumt, die Behandlung in eigener ärztlicher Verantwortung ohne die erforderliche Genehmigung fortgesetzt zu haben. Daran müssen sie sich festhalten lassen.

Im Übrigen fehlt es auch rein bürgerlich-rechtlich an den Voraussetzungen einer fälligen Arzthonorarforderung:

Die eingereichte Rechnung entspricht nicht den Erfordernissen des § 12 Gebührenordnung der Ärzte (GOÄ), weil es eine GOÄ-Ziffer 9071 nicht gibt, § 10 Abs. 1 GOÄ (Sach-) Auslagenersatz grundsätzlich ausschließt und eine für die Abweichung von der GOÄ erforderliche schriftliche Vereinbarung nach § 2 Abs. 2 GOÄ nicht vorliegt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil ein Zulassungsgrund nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegt.