Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 9 KR 1214/05

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg

Urteil vom 08.10.2008 (nicht rechtskräftig)

Sozialgericht Berlin S 87 KR 1245/05
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 9 KR 1214/05

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 2. November 2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Kostenerstattung für eine interstitielle Brachytherapie mit implantierten Permanent Seeds in Höhe von 8.275,00 EUR. Bei dieser Behandlungsmethode werden radioaktive Jod-Teilchen in den Körper eingebracht und verbleiben dort lebenslang, um einen Tumor vor Ort zu bestrahlen.

Mit Schreiben vom 14. Februar 2005, bei der Beklagten am folgenden Tag eingegangen, beantragten die ihn behandelnden Urologen Dr. H und Dr. K die Kostenübernahme für eine interstitielle Brachytherapie des 1932 geborenen Klägers in Höhe von 8.275,00 EUR. Nach Angaben dieser Ärzte litt der Kläger damals an Prostatakrebs im Anfangsstadium ohne nachweisbare Metastasen, Hypertonie, koronare Herzkrankheit, Angina pectoris und Asthma; auch ein Lungenlappen sei ihm bereits entfernt worden. Aufgrund dieser Erkrankungen sei eine radikale Prostatektomie nicht möglich; darüber hinaus lehne der Kläger diese Behandlungsmethode aufgrund der hiermit verbundenen (näher beschriebenen) Komplikationen ab. Im Vergleich zur ebenfalls möglichen externen Bestrahlung der Prostata sei die Monotherapie des Prostatakarzinoms mit Seeds zwingend die Therapie der Wahl für den Kläger. Nachdem die Beklagte eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung – MDK – veranlasst hatte, lehnte sie den Antrag des Klägers „auf Kostenübernahme/Kostenerstattung für die gewünschte privatärztliche Behandlung“ ab (Bescheid vom 28. Februar 2005). Den Widerspruch des Klägers wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 3. Mai 2005 zurück, da die vom Kläger gewünschte Behandlung nicht zu den Methoden gehöre, die vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) in die für die Beklagten verbindlichen Richtlinien über die Bewertung ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmethode (BUB-Richtlinien) aufgenommen worden seien. Weder ein Systemversagen noch eine unaufschiebbare Leistung lägen vor. Im Übrigen fehle es an einer vertragsärztlichen Verordnung.

Unter dem 13. Mai 2005 trafen der Kläger einerseits und Dres. H und K andererseits folgende Honorarvereinbarung:

„nach Aufklärung und Beratung wünsche ich die Vorbereitung der Permanent Seed Implantation, den operativen Eingriff und die Nachbetreuung durch die Dres. Henkel und Kahrmann als Privatpatient (Selbstzahler). Damit verpflichte ich mich, den lt. Kostenvoranschlag anfallenden Betrag von ca. 8.275,00 EUR (nach der Gebührenordnung für Ärzte GOÄ) in voller Höhe zu begleichen, unabhängig von der Höhe der Erstattung oder Bezuschussung durch den Kostenträger.“

Für die am 17. Mai 2005 durchgeführte Behandlung stellten Dres. H und K dem Kläger unter dem 23. Mai 2005 einen Betrag von 8.275,00 EUR in Rechnung; wegen der Einzelheiten dieser Rechnung wird auf Blatt 14 – 16 der Gerichtsakte verwiesen. Bis zum 2. August 2005 hatte der Kläger die Rechnung teilweise beglichen.

Mit seiner Klage brachte der Kläger vor, bei der interstitiellen Brachytherapie mit permanenter Seed-Implantation handele es sich um eine Vertragsleistung, die gemäß Ziffer 7046 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung zu erbringen gewesen sei. Im Vergleich zur radikalen Prostatektomie sei diese Behandlungsmethode kostengünstiger; Nebenwirkungen wie Impotenz oder Inkontinenz träten erheblich seltener auf. Die Behandlung durch externe Bestrahlung ziehe sich über 6 bis 8 Wochen hin und sei somit gegenüber der interstitiellen Brachytherapie kaum günstiger. Nachdem der Antrag auf Anerkennung der Behandlungsmethode dem Bundesausschuss seit dem 24. April 2002 vorliege und dieser bis zur Behandlung am 17. März 2005 keine Entscheidung getroffen habe, könne nicht von einer zeitnahen Durchführung des Verfahrens gesprochen werden. Insofern liege ein Systemmangel vor, denn die angewandte Methode habe in der medizinischen Fachwelt eine breite Resonanz gefunden und werde von einer erheblichen Anzahl von Ärzten bereits angewandt.

Nach Anhörung der Beteiligten wies das Sozialgericht Berlin mit Gerichtsbescheid vom 2. November 2005, dem Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 15. November 2005, die Klage ab, wobei es im Wesentlichen auf die Begründung des Widerspruchsbescheides verwies. Ein Systemmangel sei zu verneinen, weil das Gericht nicht davon überzeugt sei, dass die Behandlungsmethode dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspreche. Denn mit Beschluss vom 18. Oktober 2005 habe der GBA die laserinduzierte interstitielle Thermotherapie als nicht anerkannte Behandlungsmethode eingestuft.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner am 13. Dezember 2005 eingelegten und sein erstinstanzliches Vorbringen teilweise aufgreifenden Berufung. Ergänzend weist er darauf hin, dass die interstitielle Brachytherapie mit Permanent Seeds bereits seit Oktober 2003 in den Fallpauschalenkatalog der Krankenhäuser aufgenommen worden sei (DRG-Katalog, M 07 Z). Der Verweis des Sozialgerichts auf die laserinduzierte interstitielle Thermotherapie (LITT) sei nicht nachvollziehbar. Bezüglich der vom Senat eingeholten Stellungnahme der Charité (Campus-Mitte, Klinik für Urologie, Prof. Dr. L, Dr. W) vom 9. März 2006 sei darauf hinzuweisen, dass die Charité im Zeitraum von 2000 bis 2004 nur einen Patienten mit einer Brachytherapie mit Seeds behandelt habe. Zwischen der zweiten Hälfte des Jahres 2004 und dem Zeitpunkt der Therapieentscheidung des Klägers seien ca. 30 Patienten in der Charité behandelt worden; man gehe jedoch von einer Lernkurve von mindestens 50 Patienten aus, bis die OP beherrscht werde. Ein Systemversagen bestehe auch in der fehlenden Aufklärung des Klägers über Möglichkeiten der Kostenübernahme, da er trotz des eingereichten Kostenvoranschlages nicht ausschließlich an einer ambulanten Behandlungsform interessiert gewesen sei. In rechtswidriger Weise habe die Beklagte den zumindest konkludent gestellten Antrag des Klägers auf Gewährung einer stationären Brachytherapie abgelehnt. Der Kläger behauptet, er sei schon seit Jahren in der Praxis der Dres. H und K in urologischer Behandlung. Nachdem das Prostatakarzinom festgestellt worden sei, hätten mehrere Gespräche über eine sinnvolle Behandlung stattgefunden. Der Zeuge H habe ihn darauf hingewiesen, dass es drei Behandlungsalternativen gebe, die schonendste hiervon sei für ihn die Brachytherapie. Über die Möglichkeit einer Behandlung in einem zugelassenen Vertragskrankenhaus habe ihn keiner der Zeugen informiert. Er habe vor der Durchführung der Behandlung auch mehrere Gespräche mit der Beklagten geführt, die ihm gesagt habe, er solle sich „mal weiter erkundigen“. Sie habe ihm aber auch gesagt, er solle die Behandlung „mal durchführen, was die Kosten anbeträfe, werde man dann hinterher sehen“.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 2. November 2005 und den Bescheid der Beklagten vom 28. Februar 2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Mai 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm 8.275,00 EUR zu zahlen,
hilfsweise, zum Nachweis, dass die Erkrankung des Klägers so schwerwiegend war, dass die Behandlung mit einer Brachytherapie stationär hätte durchgeführt werden müssen, den zur Behandlung am 17. Mai 2005 hinzugezogenen Anästhesisten als Zeugen zu vernehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf den o.g. Widerspruchsbescheid sowie auf die Möglichkeit, die Brachytherapie mit Permanent Seeds sowohl im Rahmen stationärer Behandlung als auch durch ambulante Behandlung in einem Krankenhaus gemäß § 116 b Sozialgesetzbuch/Fünftes Buch (SGB V) durchzuführen.

Der Senat hat eine Stellungnahme des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 17. Februar 2006 veranlasst und in der mündlichen Verhandlung vom 7. Oktober 2008 Dr. K als Zeugen vernommen; wegen seiner Aussage wird auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift verwiesen.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogene Verwaltungsakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Denn die angegriffenen Bescheide erweisen sich als rechtmäßig, da dem Kläger kein Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 8.275,00- EUR zusteht.

I. Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war (§ 13 Abs. 3 Satz 1, Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – SGB V). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Dass die Durchführung der Brachytherapie unaufschiebbar i.S.v. § 13 Abs. 3 Satz 1, 1. Alt. SGB V war, ist weder ersichtlich noch vorgetragen. Auch ein Fall der unrechtmäßigen Leistungsablehnung (§ 13 Abs. 3 Satz 1, 2. Alt. SGB V) liegt nicht vor. Weder zählt die vom Kläger durchgeführte Brachytherapie in der ambulanten ärztlichen Versorgung zum Leistungsumfang in der gesetzlichen Krankenversicherung (hierzu 1.), noch liegt ein Systemversagen vor (hierzu 2.). Schließlich kann der Anspruch auf Kostenerstattung auch nicht darauf gestützt werden, dass die Beklagte den Kläger nicht über die Möglichkeit informiert hat, die Behandlung als stationäre Leistung zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu bekommen.

1. Der Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbstbeschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (BSG, Urteil vom 4. April 2006, Az.: B 1 KR 12/05 R – „interstitielle Brachytherapie“ -, veröffentlicht unter www.bundessozialgericht.de).

Die Beklagte war zwar nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V zur Gewährung ärztlicher Behandlung des bei ihr versicherten Klägers verpflichtet. Der Behandlungs- und Versorgungsanspruch eines Versicherten unterliegt allerdings den sich aus § 2 Abs. 1 und § 12 Abs. 1 SGB V ergebenden Einschränkungen. Er umfasst folglich nur solche Leistungen, die zweckmäßig und wirtschaftlich sind und deren Qualität und Wirksamkeit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht. Hieran fehlte es im Falle des Klägers, denn Krankenkassen sind nicht bereits dann leistungspflichtig, wenn die streitige Therapie im konkreten Fall nach Einschätzung des Versicherten oder seiner behandelnden Ärzte positiv verlaufen ist bzw. wenn einzelne Ärzte die Therapie befürwortet haben (BSG a.a.O.). Die betreffende Therapie ist bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden gemäß § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V vielmehr nur dann von der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst, wenn der GBA in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V bereits eine positive Empfehlung über den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der Methode abgegeben hat. Durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 i.V.m. § 135 Abs. 1 SGB V wird nicht nur geregelt, unter welchen Voraussetzungen die zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Leistungserbringer neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu Lasten der Krankenkassen erbringen und abrechnen dürfen. Vielmehr legen diese Richtlinien auch den Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich fest (BSG a.a.O.).

a. Die interstitielle Brachytherapie mit Permanent Seeds ist eine „neue“ Behandlungsmethode, für die es zu dem für die Beurteilung der Leistungsansprüche des Klägers maßgeblichen Zeitpunkt an der erforderlichen positiven Empfehlung des Bundesausschusses fehlte.

Die interstitielle Brachytherapie mit Permanent Seeds als „neue“ Behandlungsmethode unterliegt dem Erlaubnisvorbehalt des § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Eine Behandlungsmethode ist „neu“, wenn sie (bisher) nicht als abrechnungsfähige ärztliche Leistung im EBM-Ä enthalten ist (BSGE 81, 54; 81, 73; 94, 221). Zwar wird schon in der am 1. Januar 1996 in Kraft getretenen Neufassung des EBM-Ä unter Nr. 7046 die „interstitielle Brachytherapie“ als abrechnungsfähige ärztliche Leistung der Strahlentherapie genannt und dort mit 2.200 Punkten bewertet. Gleichwohl kann nicht angenommen werden, dass die beim Kläger angewandte Therapieform von eben dieser Regelung des Bewertungsausschusses der Partner der Bundesmantelverträge (§ 87 SGB V) erfasst ist. Als „neue“ Untersuchungs- und Behandlungsmethoden gelten nicht nur Leistungen, die noch nicht als abrechnungsfähige ärztliche Leistungen im EBM-Ä enthalten sind, sondern auch solche, die zwar als ärztliche Leistungen im EBM-Ä aufgeführt sind, deren Indikation aber wesentliche Änderungen oder Erweiterungen erfahren hat (BSGE 81, 54). Darum geht es hier. Nach der insoweit maßgeblichen Auffassung des Bewertungsausschusses hat die interstitielle Brachytherapie nach Nr. 7046 EBM-Ä nur eine „kurzzeitige“ Anwendung von radioaktivem Material im Körpergewebe zum Gegenstand, nicht aber auch eine solche, bei der die Stoffe lebenslang im Körper des Patienten verbleiben. Erst nach Schaffung der Nr. 7046 EBM-Ä hat sich eine neue, „teilweise rasante Entwicklung“ ergeben und sind neue Behandlungsverfahren entwickelt worden, die bewirkten, dass schon die Kosten für die Radionuklide die Vergütung nach der genannten EBM-Ä-Nr. 7046 exorbitant überstiegen (BSG, Urteil vom 4. April 2006, a.a.O.). Hieraus kann nur gefolgert werden, dass die interstitielle Brachytherapie mit Permanent Seeds nicht von Nr. 7046 EBM-Ä erfasst ist, sondern als „neue“, bei Schaffung der Regelung vom Normgeber noch gar nicht mit in Erwägung gezogene Behandlungsmethode angesehen werden muss.

Da mithin für die interstitielle Brachytherapie mit Permanent Seeds als neue Behandlungsmethode eine befürwortende Entscheidung des Bundesausschusses erforderlich war, bevor sie in der vertragsärztlichen Versorgung auf Kosten der Krankenkassen erbracht werden konnte, diese aber fehlte, kann der Kläger mit seinem Begehren keinen Erfolg haben.

b. Dass – wie der Kläger geltend gemacht hat – die interstitielle Brachytherapie mit Permanent Seeds in der stationären Versorgung zu den von einer Krankenkasse geschuldeten Leistungen gehören kann, führt ebenfalls nicht zur Leistungspflicht für eine entsprechende ambulant oder belegärztlich (durch Vertragsärzte) vorgenommene Therapie.

Die Klägerseite verkennt die grundsätzlichen rechtlichen Unterschiede einer Leistungserbringung im ambulanten und stationären Bereich: Während nämlich für den Bereich der ambulanten Versorgung bezüglich neuer Behandlungsmethoden gemäß § 135 SGB V ein Verbot mit Erlaubnisvorbehalt gilt, ist die rechtliche Konstruktion für den stationären Bereich durch § 137 c SGB V so ausgestaltet, dass neuartige Behandlungsverfahren im Rahmen einer Krankenhausbehandlung umgekehrt keiner besonderen Zulassung bedürfen und nur dann ausgeschlossen sind, wenn der Ausschuss Krankenhaus des GBA dazu eine negative Stellungnahme abgegeben hatte (BSGE 90, 289). Der sachliche Grund für diese unterschiedliche rechtliche Behandlung liegt darin begründet, dass der Gesetzgeber die Gefahr des Einsatzes zweifelhafter oder unwirksamer Maßnahmen wegen der internen Kontrollmechanismen und der anderen Vergütungsstrukturen im Krankenhausbereich geringer eingestuft hat als bei der Behandlung durch einzelne niedergelassene Ärzte (BSG a.a.O.).

2. Ein Kostenerstattungsanspruch des Klägers lässt sich auch nicht über die Grundsätze des so genannten Systemversagens herleiten.

Ungeachtet des in § 135 Abs. 1 SGB V statuierten Verbots mit Erlaubnisvorbehalt kann eine Leistungspflicht der Krankenkasse ausnahmsweise dann bestehen, wenn die fehlende Anerkennung einer neuen Behandlungsmethode darauf zurückzuführen ist, dass das Verfahren vor dem GBA trotz Erfüllung der für eine Überprüfung notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde („Systemversagen“). Diese Durchbrechung beruht darauf, dass in solchen Fällen die in § 135 Abs. 1 SGB V vorausgesetzte Aktualisierung der Richtlinien rechtswidrig unterblieben ist und deshalb die Möglichkeit bestehen muss, das Anwendungsverbot erforderlichenfalls auf andere Weise zu überwinden (BSGE 81, 54; BSG SozR 3-2500 § 92 Nr. 12). Ein derartiger Systemmangel liegt vor, wenn das Verfahren vor dem GBA von den antragsberechtigten Stellen bzw. dem Bundesausschuss selbst überhaupt nicht, nicht zeitgerecht oder nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Zur Feststellung einer durch Untätigkeit hervorgerufenen Versorgungslücke sind die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zuständig.

Mit seinem Vorbringen zum Vorliegen eines Systemversagens kann der Kläger nicht durchdringen. Er meint sinngemäß, ein solches liege vor, weil der GBA auch über 3 Jahre nach Antragstellung noch keine Entscheidung getroffen habe.

Hinweise auf eine Verzögerung bei der Entscheidungsfindung sind nicht erkennbar. Bis zum September 2003 lag ein umfangreiches MDK-Gutachten vor, welches zum Ergebnis gelangte, dass dieses neue radiotherapeutische Verfahren bis zum Vorliegen von Langzeitdaten als „Methode der zweiten Wahl“ einzuschätzen sei (BSG, Urteil vom 4. April 2006). Denn für die interstitielle Brachytherapie hätten zum 10-Jahres-Überleben ohne Fortschreiten der Erkrankung nur Ergebnisse eines einzigen Behandlungszentrums mit geringer Patientenzahl vorgelegen. Gleichwohl hat der GBA mit Beschluss vom 2. September 2003 das Beratungsthema „Permanente interstitielle Brachytherapie mit der Implantation zugelassener Isotope bei lokal begrenztem Prostatakarzinom“ als „prioritäres Thema“ eingestuft und der Fachöffentlichkeit zunächst Gelegenheit zur Äußerung gegeben (DÄBl 2003, A-2750 ). Mit Auftrag vom 21. Dezember 2004 hat der GBA schließlich das gemäß § 139 a SGB V gegründete Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) damit beauftragt, insoweit den Nutzen und die medizinische Notwendigkeit der Therapie zu bewerten. Dass insoweit abschließende Ergebnisse selbst bis heute noch nicht vorliegen, muss angesichts der erforderlichen umfangreichen Recherchen und der in sorgfältiger Weise vorzunehmenden Bewertungen hingenommen werden.

Diese Einschätzung wird dadurch bestätigt, dass die von den Vorständen der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung am 26. April 2002 mit der Evaluation des Standes der wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Nutzen der permanenten interstitiellen Brachytherapie bei lokal begrenztem Prostatakarzinom beauftragte, aus mehreren Autoren bestehende gemeinsame HTA-Arbeitsgruppe ihre Ergebnisse erst nach mehr als 3 1/2 Jahren in einem 415 Seiten umfassenden Gutachten vom 29. Oktober 2005 veröffentlichten konnte (www. bundesaerztekammer.de/downloads/70b.pdf, im Internet recherchiert am 2. Oktober 2008). Hieran wird der in etwa nötige zeitliche Aufwand deutlich, der mit einem derartigen wissenschaftlichen Projekt verbunden sein kann. Es ist daher grundsätzlich nicht gerechtfertigt, bei komplexen Leistungen allein wegen einer Verfahrensdauer von mehr als 3 Jahren den Schluss auf eine unsachgemäße Verfahrensweise zu ziehen (BSG SozR 4-2500 § 116b Nr. 1 ‹speziell zur Verfahrensdauer beim GBA bezüglich der interstitiellen Brachytherapie› m.w.N.).

3. Der Senat musste auch den hilfsweise beantragten Beweis nicht erheben. Selbst wenn der im Beweisantrag genannte Zeuge bekundet hätte, dass die streitige Brachytherapie stationär hätte durchgeführt werden müssen, käme keine Kostenerstattung in Betracht. Diese könnte nämlich in diesem Fall nur auf einen Beratungsfehler der Beklagten gestützt werden, der voraussetzte, dass der Kläger die Brachytherapie ambulant oder stationär erhalten wollte. Dies ist aber nicht der Fall. Denn dem Antrag seiner behandelnden Ärzte ist zu entnehmen, dass die Behandlung des Prostatakarzinoms ausschließlich ambulant durchgeführt werden sollte. Dies lässt sich dem Inhalt des den Antrag enthaltenden Vordrucks entnehmen, der weder einen Hinweis auf eine stationäre Behandlungsnotwendigkeit noch eine Verordnung von Krankenhausbehandlung erkennen lässt. Der vom Senat als Zeuge gehörte Dr. K hat i. Ü. ausgesagt, dass die Brachytherapie praktisch in allen Fällen ambulant durchgeführt werden könne und er und sein Praxispartner in Ausnahmefällen Krankenhausbehandlung verordnen. Die Behandlung des Klägers ist hier also als der „Regelfall“ angesehen worden, in dem eine ambulante Behandlung ausreicht, und der Antrag in diesem Sinne gestellt worden. Darüber hinaus würde aus der Notwendigkeit einer stationär durchzuführenden Brachytherapie folgen, dass der Zeuge K den Kläger pflichtwidrig ambulant behandelt hätte. Dann aber könnte der Kläger dem Vergütungsanspruch der Dres. H und K einen Schadensersatzanspruch in gleicher Höhe entgegenhalten mit der Folge, dass er selbst keiner wirksamen zivilrechtlichen Zahlungsverpflichtung ausgesetzt und ein Kostenerstattungsanspruch aus § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V schon deswegen ausgeschlossen wäre (vgl. hierzu BSGE 97, 6; 86, 66; 93, 94).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreites.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.