Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 9 KR 17/08

Kernpunkte:

  • Eine Belastungserprobung am Wochenende in der häuslichen Umgebung widerspricht nicht die stationäre Behandlungsnotwendigkeit.

 

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Landessozialgericht Berlin-Brandenburg

 

Urteil vom 12.11.2009
(nicht rechtskräftig)

Sozialgericht Cottbus S 10 KR 349/04
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 9 KR 17/08

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 19. September 2006 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand:

 

Die Beteiligten streiten um die Vergütung der stationären Behandlung der bei der Beklagten krankenversicherten F K im Zeitraum vom 22. Juni 2002 bis 29. Juli 2002.

Die 1987 geborene Versicherte lebte in einer Wohngruppe. Sie leidet unter einem Diabetes Mellitus Typ I, einer Lernbehinderung sowie einer schweren Störung des Sozialverhaltens und befand sich vom 13. bis 14. April 2002 sowie vom 28. bis 30. April 2002 wegen einer Stoffwechselentgleisung im C-T-K Cottbus in stationärer Behandlung. Mit Beschluss vom 29. April 2002 () genehmigte das Amtsgericht Fürstenwalde für die Dauer von sechs Wochen die Unterbringung der Versicherten in einer geschlossenen Einrichtung, da sie nicht bereit sei, den Diabetes Mellitus weiter zu behandeln. Ohne Behandlung drohten schwere gesundheitliche Schäden, möglicherweise sogar mit Todesfolge. Unter Vorlage einer Verordnung von Krankenhausbehandlung der behandelnden Ärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie Dipl.-Med. F erfolgte am 3. Mai 2002 die stationäre Aufnahme der Versicherten in die ehemalige Landesklinik L, die nunmehr als Fachklinikum L in der Trägerschaft der Klägerin steht. Die Beklagte erklärte die Übernahme der Kosten der Krankenhausbehandlung bis zum 21. Juni 2002.

Mit Beschlüssen vom 17. Juni 2002 und 24. Juni 2002 genehmigte das Amtsgericht Fürstenwalde die Unterbringung für weitere sechs Wochen. Unter dem 14./20. Juni 2002 beantragte die Landesklinik die Verlängerung der Kostenübernahme bis zum 28. Juli 2002. Zur Begründung führte sie aus:

“Weiterhin eine richterliche Unterbringung notwendig, psychisch-emotionale Stabilisierung ist eingetreten, dadurch auch größerer Anteil an Selbstverantwortung in der Durchführung ihres Diabetesregimes. Suche nach einer geeigneten Einrichtung des Jugendamtes, die diese Betreuung der Patientin fortführt – Übergabe an die Einrichtung und Unterweisung im Umgang mit der schwer gestörten Patientin, um längerfristig einen geeigneten Entwicklungsrahmen zu schaffen. Enge Zusammenarbeit mit Jugendamt/Mutter/Gericht.”

Nachdem der Medizinische Dienst der Krankenversicherung Berlin-Brandenburg e.V. (MDK) am 25. Juni 2002 hierzu Stellung genommen hatte, teilte die Beklagte der Klägerin unter dem 26. Juni 2002 mit, dass sie die Kosten ab dem 22. Juni 2002 nicht mehr übernehmen könne, da das Suchen einer geeigneten Einrichtung des Jugendamtes nicht die weitere Gewährung von Krankenhauspflege im Sinne des § 39 des Sozialgesetzbuchs/Fünftes Buch (SGB V) rechtfertige.

Die Klägerin behandelte die Versicherte, die vom 13. Juli bis 21. Juli 2002 Urlaub erhielt und darüber hinaus Wochenenden bei der Mutter verbrachte, weiter stationär. Am 29. Juli 2002 erfolgte die Entlassung in die Jugendhilfeeinrichtung “H am See”, J.

Der MDK führte am 4. Juni 2003 eine Krankenhausbegehung durch und erstellte ein sozialmedizinisches Gutachten vom 12. Juni 2003 (MR H. Volkmann). Hierin wird ausgeführt, die Versicherte habe wegen ihrer ungenügenden Steuerungsfähigkeiten einen strukturierten Tagesablauf benötigt und zur Verhinderung von Stoffwechselentgleisungen trotz zunehmender Eigenverantwortung bei der Einhaltung der Diät und der Blutzuckerkontrollen sowie der Injektionen einer ständigen Steuerung bedurft, so dass ihre Unterbringung in einer Einrichtung notwendig gewesen sei. Eine Entlassung nach Hause sei von vornherein nicht in Frage gekommen. Jedoch ließen sich konkrete Therapiemaßnahmen oder ergänzene Diagnostik, die nur mit den Mitteln des Krankenhauses zu realisieren wären, nicht erkennen. Ein weiteres konkretes Behandlungsziel habe sich nicht dargestellt, sei auch bis zum Entlassungszeitpunkt nicht mehr erreicht worden.

Unter dem 1. Dezember 2003 stellte die Klägerin der Beklagten für die stationäre Behandlung im Zeitraum vom 22. Juni 2002 bis 29. Juli 2002 9.323,63 EUR in Rechnung.

Mit der am 2. November 2004 erhobenen Zahlungsklage hat sie unter Bezugnahme auf ärztliche Stellungnahmen des Chefarztes Dr. K und der Oberärztin Dipl.-Med. N ausgeführt, die Beklagte berufe sich zu Unrecht darauf, der einzige Grund für die Weiterbehandlung sei gewesen, dass man noch keine geeignete Unterbringungseinrichtung gefunden habe. Die Versicherte sei zwar stabiler geworden, jedoch habe sie, nachdem sie von der weiteren vormundschaftlichen Genehmigung der Unterbringung erfahren habe, am 24. und 25. Juni 2002 einen Zusammenbruch erlitten. Sie habe sich erneut über die Vorschriften auf der Station hinweggesetzt, die Mitwirkung bei der Blutzuckerkontrolle verweigert und Selbstmordgedanken geäußert. Nur durch intensive Betreuung habe eine völlige Dekompensation vermieden werden können. Ende Juni sei sie bei weitem noch nicht so stabil gewesen, dass sie bis zu ihrer Aufnahme in eine betreute Einrichtung in ein ambulantes Setting hätte entlassen werden können. Es sei zu befürchten gewesen, dass sämtliche Behandlungsfortschritte zunichte gemacht würden. Insbesondere im Hinblick auf die mangelnde Compliance bei der Diabetesbehandlung in der Vergangenheit sei anzunehmen, dass sie bei einem ambulanten Setting erneut mit Verweigerunghandlungen reagiert hätte, was lebensbedrohliche Folgen gehabt hätte.

Das Sozialgericht Cottbus hat zu der Frage der Notwendigkeit der stationären Behandlung der Versicherten ein psychiatrisch-psychotherapeutisches Gutachten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie sowie für Psychotherapeutische Medizin Dr. F vom 27. März 2006 einschließlich einer ergänzenden Stellungnahme vom 29. Juni 2006 eingeholt. Es hat mit Urteil vom 19. September 2006 die Beklagte verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 9.323,63 EUR zu zahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Klägerin habe gegen die Beklagte einen Anspruch auf Vergütung, da die Versicherte einen entsprechenden Anspruch auf Krankenhausbehandlung gehabt habe. Die stationäre Behandlung sei notwendig gewesen, da im Einzelfall ambulante Behandlungsalternativen konkret nicht zur Verfügung gestanden hätten. Nach der Rechtsprechung des 3. Senats des Bundessozialgerichts – BSG – (Urteil vom 13. Mai 2004, B 3 KR 18/03 R) müsse die Krankenkasse konkret und nachprüfbar die ambulanten Behandlungsalternativen aufzeigen. Es sei nicht ausreichend, wenn der MDK in seinem Gutachten vom 12. Juni 2003 ausgeführt habe, dass zwar eine Unterbringung notwendig gewesen, nicht aber die Voraussetzungen für eine Krankenhausbehandlung gegeben gewesen seien. Es bliebe offen, wie die weitere medizinische Versorgung über den 21. Juni 2002 hinaus hätte sichergestellt werden sollen. Eine geeignete Unterbringungsmöglichkeit habe es nicht gegeben. Der Sachverständige Dr. F habe schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass in dem streitgegenständlichen Zeitraum eine stationäre Krankenhausbehandlung erforderlich gewesen sei, um die Versicherte auf den beabsichtigten Aufenthalt in der Jugendhilfeeinrichtung “H am See” vorzubereiten. Es sei nicht eine möglichst große Therapiedichte erforderlich gewesen, sondern es sei um die Aufrechterhaltung der Bezugspersonen und der weiteren Stabilisierung der Patientin zur Vorbereitung des Wechsels in die neue Einrichtung gegangen.

Gegen das ihr am 16. Oktober 2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 16. November 2006 Berufung eingelegt. Sie bringt u. a. unter Bezugnahme auf Stellungnahmen des MDK vor, der Sachverständige sei in keiner Weise konkret auf die einzelnen Behandlungsabschnitte in der streitigen Zeit eingegangen. Ebensowenig habe er Untersuchungs- oder Therapieleistungen angegeben, die notwendig gewesen und erbracht worden seien. Er selbst räume ein, es sei nicht mehr um eine intensive Therapie gegangen, sondern nur noch um die Aufrechterhaltung der Bezugspersonen und die Vorbereitung des Wechsels in eine geeignete Einrichtung. Dass sich die Suche nach einem Betreuungsplatz schwierig gestaltet habe und längere Zeit in Anspruch genommen habe, rechtfertige keine Krankenhausbehandlung, da es hier nicht um medizinische Versorgung gegangen sei, sondern um soziale und pädagogische Aspekte. Es seien weder eine ergänzende Diagnostik noch konkrete Therapiemaßnahmen durchgeführt worden; auch habe es kein konkretes Behandlungsziel mehr gegeben. Es seien zwar vereinzelt Krisensituationen zu erwarten gewesen, jedoch seien keine Notfallsituationen mit akuter Fremd- oder Selbstgefährdung mit der Notwendigkeit einer Sofort- und Intensivbehandlung erfasst worden. Der Diabetes Mellitus habe ebenfalls keine Krankenhausbehandlung mehr gerechtfertigt. Am 24. Juni 2002 sei die Versicherte in der Lage gewesen, sich selbst mit Insulin zu versorgen.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 19. September 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Der Sachverständige habe überzeugend die medizinische Notwendigkeit der stationären Behandlung dargelegt. Der Diabetes Mellitus sei nur deshalb gut eingestellt gewesen, weil die Versicherte sich in ständiger ärztlicher Behandlung und Bewachung befunden habe. In einem ambulanten Setting wäre sie schnell in eine lebensbedrohliche Protesthaltung zurückgefallen. Die ab dem 29. Juli 2002 erfolgte Betreuung in der Einrichtung “H am See” zeige, dass sie noch intensiver Betreuung bedurft habe. Selbst der MDK habe zugestanden, dass eine ambulante Betreuung nicht möglich gewesen wäre. Eine frühere Entlassung in das “H am See” sei wegen fehlender psychischer Stabilität nicht möglich gewesen. Dies zeige auch die am 24. Juni 2002 eingetretene Dekompensation nach Kenntnisnahme der vormundschaftsgerichtlichen Anordnung. Im Urlaub bei der Mutter sei zu testen gewesen, ob die erforderliche Compliance vorliege.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf das vom Sozialgericht eingeholte Sachverständigengutachten des Dr. F, die Gerichts- sowie die Verwaltungsakte der Beklagten und die bei der Klägerin geführte, die Versicherte betreffende Patientenakte verwiesen, die beigezogen wurden und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren. Der Senat hat weiterhin in der mündlichen Verhandlung den die Versicherte behandelnden Leitenden Oberarzt im Fachklinikum L, Herrn S, angehört. Wegen des Ergebnisses wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.

 

Entscheidungsgründe:

 

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Beklagte zur Zahlung von 9.323,63 EUR verurteilt. Denn die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Vergütungsanspruch für die stationäre Behandlung der Versicherten im Zeitraum vom 22. Juni 2002 bis 29. Juli 2002, da diese medizinisch notwendig war.

I. Die Klägerin ist aktiv legitimiert. Denn sie ist – ausweislich einer Auskunft des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie vom 19. Mai 2008, die der Senat im Rechtsstreit L 9 KR 630/07 eingeholt hat – durch den Kauf- und Übertragungsvertrag mit dem Land Brandenburg (UR-Nr. vom 16. Dezember 2005 des Notars D R) Inhaberin der zunächst dem Land Brandenburg als Trägerin der (damaligen) Landesklinik L zustehenden Vergütungsforderungen geworden. Aufgrund der Bezeichnung “Kauf- und Übertragungsvertrag” ist davon auszugehen, dass das neben dem Kaufvertrag als Verpflichtungsgeschäft erforderliche Verfügungsgeschäft in Form der Abtretung gleichfalls Gegenstand der vertraglichen Regelungen wurde. Möglichen Formvorschriften für die Abtretung (vgl. Rohe, in: Beck’scher Online-Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Stand: 01. Februar 2009, § 398 Rd. 53) ist damit Genüge getan.

II. Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs der Klägerin ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i.V.m. dem Vertrag über Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung vom 8. Oktober/ 6. November 1996 für das Land Brandenburg (ABK-Vertrag).

1.) Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und i.S. von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich ist. Der Behandlungspflicht zugelassener Krankenhäuser i.S. des § 109 Abs. 4 Satz 2 SGB V steht ein Vergütungsanspruch gegenüber, dessen Höhe auf der Grundlage der gesetzlichen Ermächtigung in §§ 16, 17 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) nach Maßgabe der Bundespflegesatzverordnung, jeweils in der im Jahre 2002 geltenden Fassung, in der Pflegesatzvereinbarung zwischen Krankenkasse und Krankenhausträger festgelegt wird (BSG, Urteile vom 16. Dezember 2008, Az.: B 1 KN 1/07 KR R und B 1 KN 3/08 KR R, veröffentlicht in Juris). Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht insoweit unabhängig von einer schriftlichen Kostenzusage, die nur als deklaratorisches Schuldanerkenntnis anzusehen ist (BSGE 86, 166), unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten, wenn die Versorgung in einem – wie hier – zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und i.S.v. § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich ist.

2.) Der Zahlungsanspruch des Krankenhauses korrespondiert in aller Regel mit dem Anspruch des Versicherten auf Krankenhausbehandlung. Demgemäß müssen beim Versicherten bei der Aufnahme in das Krankenhaus grundsätzlich alle allgemeinen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sowie speziell von Krankenhausbehandlung, insbesondere deren Erforderlichkeit, vorliegen. Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Ein Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus (§ 108 SGB V) besteht, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann (§ 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V).

3.) Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit ist ein Krankheitszustand, dessen Behandlung den Einsatz der besonderen Mittel eines Krankenhauses erforderlich macht. Maßnahmen dürfen daher z.B. nicht lediglich dem Zweck dienen, einem Zustand der Hilflosigkeit zu begegnen; ebenso unterfallen rein pflegerische Maßnahmen nicht der Leistungspflicht der Krankenkassen, vielmehr müssen diese als Teil einer ärztlichen Behandlung dieser Behandlung untergeordnet sein (BSG a.a.O.). Besondere Mittel des Krankenhauses sind eine apparative Mindestausstattung, geschultes Pflegepersonal und ein jederzeit präsenter oder rufbereiter Arzt (BSG a.a.O.). Dabei erfordert die Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung weder den Einsatz aller dieser Mittel noch ist er stets ausreichend. Es ist vielmehr eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, bei der den mit Aussicht auf Erfolg angestrebten Behandlungszielen und den vorhandenen Möglichkeiten einer vorrangigen ambulanten Behandlung entscheidende Bedeutung zukommen.

4.) Ob einem Versicherten vollstationäre Krankenhausbehandlung zu gewähren ist, richtet sich dabei allein nach den medizinischen Erfordernissen. Wenn das medizinische Behandlungsziel ambulant erreicht werden kann, jedoch aus anderen als aus medizinischen Gründen eine Unterbringung erforderlich ist, ist ein Anspruch auf Krankenhausbehandlung nicht gegeben; das Risiko, dass aus anderen als aus medizinischen Gründen die weitere Unterbringung erforderlich ist, trägt nicht die GKV (Beschluss des Großen Senats vom 25. September 2007, GS 1/06, zitiert nach juris, Rn. 18 und 24; Urteil vom 10. April 2008, B 3 KR 19/05, zitiert nach juris, Rn. 36 und B 3 KR 20/07 R, zitiert nach juris, Rn. 34). Die Kosten der medizinisch nicht indizierten Unterbringung im Krankenhaus hat ggf. der Sozialhilfeträger oder der Träger der Jugendhilfe zu tragen. Dies gilt auch dann, wenn eine spezielle Unterbringung oder Betreuung benötigt wird, die in der konkreten Situation außerhalb des Krankenhauses nicht gewährleistet ist, jedoch eine ambulante medizinische Therapie der Erkrankung ausreichend wäre (BSG, a.a.O.). Der vom Sozialgericht herangezogenen Rechtsprechung des BSG in dem Urteil vom 13. Mai 2004 (B 3 KR 18/03 R), nach der unter bestimmten Voraussetzungen die Krankenkassen die Entscheidung der Krankenhausärzte als vertretbar hinzunehmen haben, wenn nicht andere Behandlungsalternativen konkret nachprüfbar aufgezeigt werden, ist insoweit durch den genannten Beschluss des Großen Senats der Boden entzogen.

5.) Für die Beurteilung der Erforderlichkeit einer stationären Krankenhausbehandlung kommt es auf die medizinischen Erfordernisse im Einzelfall und nicht auf eine abstrakte Betrachtung an. Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit haben hierbei im Streitfall uneingeschränkt zu überprüfen, ob eine stationäre Krankenhausbehandlung aus medizinischen Gründen notwendig ist. Dabei haben sie zwar von dem im Behandlungszeitpunkt verfügbaren Wissens- und Kenntnisstand des verantwortlichen Krankenhausarztes auszugehen. Für eine Einschränkung der Kontrollbefugnisse der Krankenkasse und des Gerichts in der Weise, dass von der Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung auszugehen ist, wenn der Krankenhausarzt sie bejaht und seine Einschätzung fachlich vertretbar ist, bietet das Gesetz jedoch keine Grundlage. Auch Vereinbarungen in den Normsetzungsverträgen auf Landesebene können daher nicht bewirken, dass die Entscheidung über die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung entgegen dem Gesetz nicht nach objektiven Maßstäben getroffen wird, sondern im Ergebnis der subjektiven Einschätzung des Krankenhausarztes überlassen bleibt (BSG a.a.O.).

6.) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der Senat nach Anhörung des Leitenden Oberarztes S in der mündlichen Verhandlung zu der Überzeugung gelangt, dass eine medizinische Notwendigkeit für eine vollstationäre Krankenhausbehandlung der Versicherten im Zeitraum vom 22. Juni 2002 bis 29. Juli 2002 gegeben war. Entgegen der Auffassung der Beklagten war die Unterbringung in einer stationären Einrichtung mit einer umfassenden pädagogischen Betreuung nicht ausreichend, sondern es waren gerade die besonderen Mittel und Einrichtungen eines Krankenhauses erforderlich. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass bei einer psychiatrischen Erkrankung der Einsatz von krankenhausspezifischen Geräten in den Hintergrund treten und allein der notwendige Einsatz von Ärzten, therapeutischen Hilfskräften und Pflegepersonal sowie die Art der Medikation die Notwendigkeit einer stationären Behandlung begründen kann (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008, a.a.O.).

Die Notwendigkeit der weiteren stationären Behandlung ergab sich nach den überzeugenden Ausführungen des behandelnden Leitenden Oberarztes S zum einen aus der über den 21. Juni 2002 hinaus bestehenden latenten Suizidalität der Versicherten und damit auf Grund der Notwendigkeit der ständigen ärztlichen Überwachung, die in einer Betreuungsseinrichtung nicht gewährleistet gewesen wäre. Die Suizidalität habe sich u.a. am 24. Juni 2002 gezeigt, als die Versicherte dekompensierte und Selbstmordabsichten äußerte. Nach den Leitlinien der Kinder- und Jugendpsychiatrie bestehe bei Äußerung von Selbstmordabsichten in jedem Fall eine akutstationäre Behandlungsbedürftigkeit. Insoweit hat der Oberarzt auch dargelegt, dass selbst bei im Vorfeld mehrfach geäußerten Selbstmordabsichten nicht auf eine fehlende Ernsthaftigkeit geschlossen werden könne. Bei Jugendlichen könne die Begehung eines Selbstmordversuchs impulsiv und nicht vorhersehbar erfolgen. Dabei sei mit fortschreitendem Alter mit größerer Wahrscheinlichkeit mit einem ernsthaften Selbstmordversuch zu rechnen. Dies gelte bei der Versicherten insbesondere im Hinblick auf ihre biographische Vorgeschichte. Auch der Sachverständige Dr. F wies sowohl in seinem Gutachten (Seite 3, 3. Absatz) als auch in der ergänzenden Stellungnahme auf die noch bestehende Eigengefährdung hin. Dabei betonte er auch, dass eine ausreichende Stabilisierung noch nicht eingetreten gewesen sei.

Für den Senat ist mit damit überzeugend begründet, dass das Krankheitsbild die Anwesenheit eines jederzeit rufbereiten Arztes erforderte, um bei einer möglichen Zuspitzung der Situation psychiatrisch eingreifen zu können, ergänzt durch pädagogische und psychotherapeutische Ansätze. Das Pflegepersonal konnte das Verhalten der Versicherten auf der Station überwachen und die behandelnden Ärzte informieren, die dann die Möglichkeit hatten unverzüglich zu reagieren. Die Notwendigkeit ständiger ärztlicher Kontrolle wird durch die täglichen ärztlichen Kontakte belegt. Die Reaktionen auf das schwankende Verhalten der Versicherten, die jeweils angepasst werden mussten, gehörten nach den Ausführungen des Oberarztes S zu den auf jeden Fall ärztlich zu treffenden Entscheidungen. Insoweit kann auch die Aussage des Sachverständigen Dr. F (Seite 4 unten und Seite 3 oben des Gutachtens) nachvollzogen werden, eine nichtärztlich geleitete Einrichtung wäre der Versicherten gegenüber hilflos gewesen, da sie den Diabetes Mellitus als Machtinstrument und Druckmittel eingesetzt habe.

Überzeugend konnte der Oberarzt zum anderen darlegen, dass neben der Intervention bei bestehender Suizidalität vorrangiges Ziel der Behandlung die Entwicklung einer Zukunftsperspektive gewesen sei, die zum damaligen Zeitpunkt nur im Rahmen eines stationären Aufenthaltes und unter jugendpsychiatrischer Leitung möglich gewesen sei, weil nur innerhalb der Klinik zu der Versicherten ein ausreichendes Vertrauensverhältnis aufgebaut gewesen sei. Auch hierdurch erschließt sich wiederum die Ausführung des Sachverständigen Dr. F, dass eine Zwischenlösung auf jeden Fall eine destabilisierende Wirkung gehabt hätte und es wichtig gewesen sei, dass nicht erneut als Zwischenlösung ein Wechsel des Betreuungspersonals stattfinde. Es ist insoweit nachvollziehbar, dass das Behandlungsziel nur durch das Zusammenspiel des bereits vertrauten Pflege- und ärztlichen Personals erreicht werden konnte.

Der Notwendigkeit der stationären Behandlung steht nicht entgegen, dass die Versicherte an Wochenenden und in der Zeit vom 13. bis 21. Juli 2002 beurlaubt war und sich bei ihrer Mutter aufhielt. Denn eine Belastungserprobung, die ggf. bei Komplikationen hätte beendet werden können, gehörte nach den schlüssigen Ausführungen des Oberarztes zu dem Therapiekonzept. Trotz der örtlichen Abwesenheit der Versicherten habe weiterhin sowohl für die Versicherte als auch für die Mutter die Möglichkeit bestanden, Kontakt mit den Ärzten auf der Station aufzunehmen. Hiervon sei auch Gebrauch gemacht worden; so hätte die Mutter von der Verletzung des vereinbarten Aufenthaltes und der Nahrungsaufnahme bzw. Insulingabe berichtet. Hierauf sei ärztlicherseits u.a. im Rahmen des angewandten Belohnungssystems sowie im Rahmen ärztlicher Einzelgespräche reagiert worden. Es ist nachvollziehbar, dass wegen der ärztlichen Begleitung der Abwesenheitszeiten, der intensiven psychiatrischen Nachbearbeitung und der Möglichkeit eines jederzeitigen Abbruchs der Belastungserprobung weiterhin eine stationäre Behandlungsbedürftigkeit vorgelegen hat und zwar in der Form der durch das Krankenhaus begleiteten und ärztlich verantworteten Belastungserprobung.

Die Beklagte kann dagegen nicht einwenden, es seien in dem streitgegenständlichen Zeitraum weder eine ergänzende Diagnostik noch konkrete Therapiemaßnahmen durchgeführt worden und es habe auch kein konkretes Behandlungsziel mehr bestanden. Der Aspekt der Diagnostik tritt hier bei bereits länger durchgeführter stationärer Behandlung in den Hintergrund. Bei bekannter Diagnose ging es um die Behandlung der Suizidalität und um die Entwicklung einer Zukunftsperspektive (siehe oben). Insoweit ist die Argumentation der Beklagten, es habe kein konkretes Behandlungsziel mehr vorgelegen, unzutreffend. Gleiches gilt nach obigen Ausführungen für das in der Stellungnahme des MDK zu dem Sachverständigengutachten des Dr. F angeführte Argument, es habe keine Notwendigkeit der Verhaltensbeobachtung im klinischen Setting gegeben. Auch ist durch die Anhörung des Oberarztes S die in derselben Stellungsnahme vertretene Argumentation widerlegt, dass zwar vereinzelte Krisensituationen zu erwarten gewesen seien, jedoch keine Notfallsituationen mit akuter Selbst- und Fremdgefährdung mit Notwendigkeit einer Sofort- und Intensivbehandlung.

Zwar kann der Senat die von der Beklagten vorgebrachte Kritik an dem Sachverständigengutachten des Dr. F nachvollziehen. Insoweit sieht auch er, dass der Sachverständige keine konkret zugeordneten Angaben über Behandlungsziele, konkrete Befunde, diagnostische Maßnahmen, Eigen- und Fremdgefährungsaspekte, Komorbidität, Therapiedichte und soziales Umfeld im Einzelnen aufgenommen hat. Das Gutachten belegt deshalb allein nicht die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung im streitigen Zeitraum. Jedoch erhellen sich die Ergebnisse des Sachverständigen unter Berücksichtigung der Erläuterungen des Oberarztes S in der mündlichen Verhandlung. Dieser konnte den Senat von der Notwendigkeit der weiteren stationären Behandlung im Zeitraum vom 22. Juni bis 29. Juli 2002 überzeugen. Danach standen im Ergebnis nicht, wie der unter dem 14. Juni 2002 gestellte Verlängerungsantrag zunächst vermuten ließ, die Unterbringung der Versicherten und die Suche nach einer geeigneten Einrichtung im Vordergrund, sondern vielmehr die Behandlung der Erkrankung, die die besonderen Mittel und Einrichtungen eines jugendpsychiatrischen Krankenhauses erforderte.

III. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 18 Abs. 5 ABK-Vertrag.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1, 2. Hs. SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.

V. Die Revision wird nicht zugelassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.