Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 9 KR 241/06
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Urteil vom 27.08.2009 (nicht rechtskräftig)
- Sozialgericht Cottbus S 10 KR 377/04
- Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 9 KR 241/06
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 28. März 2006 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Kosten für eine in München ambulant durchgeführte Gamma- Knife- Behandlung (7.542,38 Euro) nebst Fahrt- und Unter-kunftskosten (zusammen 838,80 Euro).
Der im Jahre 1951 geborene Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Er erlitt im August 2003 einen Hirninfarkt und leidet unter einem linksseitigen Acusticusneuri-nom. Seine behandelnde Neurologin Dr. A beantragte mit Schreiben vom 7. Juni 2004 für ihn bei der Beklagten die Übernahme der Kosten einer Gamma-Knife-Behandlung des Neurinoms. Mit diesem nur in München oder Aachen durchführbaren radiochirurgischen Verfahren könne ein operativer Eingriff in Vollnarkose vermieden werden, der angesichts von neurologischen Ausfallerscheinungen beim Kläger prob-lematisch sei.
Auf Veranlassung der Beklagten hat der Medizinische Dienst der Krankenkassen Ber-lin-Brandenburg (MDK, C. ) am 16. Juni 2004 erklärt, die Standardtherapie eines A-custicusneurinoms bestehe in seiner chirurgischen Entfernung; das radiochirurgische Verfahren sei nur zweite Wahl. Eine Kontraindikation für den offenen chirurgischen Eingriff sei nicht dokumentiert. Im Fall einer Kontraindikation könne eine radiochirurgi-sche Behandlung aber in Berlin in der Charité an zwei Standorten durchgeführt wer-den.
Dem Kläger teilte die Beklagte daraufhin am 28. Juni 2004 mit, die Kosten für eine radiochirurgische Behandlung im Linearbeschleuniger im B Krankenhaus übernehmen zu können, eine Übernahme der Kosten für eine Gamma-Knife-Behandlung könne dagegen nicht erfolgen. Letztere sei nicht von der vertragsärztlichen Versorgung um-fasst, weil der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen diese neue Behand-lungsmethode noch nicht anerkannt habe.
Hiergegen wandte der Kläger sich in einem Schreiben vom 13. Juli 2004 und brachte vor, sich im B Krankenhaus vorgestellt zu haben; dort werde eine 14tägige stationäre Aufnahme für erforderlich gehalten; die ihm vorgeschlagene Strahlentherapie in Form
einer stereotaktischen Bestrahlung könne das Neurinom auch bestenfalls nur zum Wachstumsstopp bringen. Die strahlenchirurgische Gamma-Knife-Behandlung sei demgegenüber weniger aufwändig und führe zudem zu einer Verkleinerung des Neu-rinoms.
Am 9. August 2004 ließ der Kläger in München eine Voruntersuchung für die Gamma-Knife-Behandlung durchführen.
Mit Bescheid vom 1. Oktober 2004 lehnte die Beklagte die beantragte Kostenüber-nahme ab. Zur Begründung wurde auf den Inhalt des Schreibens vom 28. Juni 2004 Bezug genommen und erklärt, nicht finanzielle, sondern rechtliche Gründe seien aus-schlaggebend für die Entscheidung.
Zur Begründung seines hiergegen eingelegten Widerspruchs legte der Kläger ein Schreiben des Münchener Neurochirurgen Dr. B W vom 11. Oktober 2004 vor. Da-nach sei die Gamma-Knife-Behandlung als radiochirurgische Maßnahme der größer-volumigen stereotaktischen Schädelbestrahlung vorzuziehen. Als Gefäßpatient (Schlaganfall, Hypertonie) müsse der Kläger im Falle der Bestrahlung gegebenenfalls mit ungünstigen Krankheitsfolgen rechnen. Zuzugestehen sei aber, dass die Gamma-Knife-Behandlung im ambulanten Sektor in Deutschland „gebührenrechtlich bislang nicht erfasst“ sei.
Auf Veranlassung der Beklagten nahm am 21. Oktober 2004 Dr. Rfür den MDK zu dem Widerspruch Stellung. Zu unterscheiden sei zwischen Mikrochirurgie einerseits und stereotaktischer Bestrahlung andererseits. Letztere könne entweder als Einzeit-bestrahlung (Radiochirurgie, Gamma-Knife) oder als fraktionierte Bestrahlung durch-geführt werden. Ausreichende Studien zum Vergleich dieser Verfahren lägen nicht vor. Ziel aller radiotherapeutischen Verfahren sei die Tumorkontrolle, nicht aber die Entfernung des Tumors. Die strahlentherapeutische Abteilung der C führe sowohl ein-zeitige radiochirurgische als auch hypofraktionierte stereotaktische Bestrahlungen bei Acusticusneurinomen durch; im Klinikum B erfolge die Bestrahlung immer hypofrakti-oniert. Für das Ergebnis der radiochirurgischen Behandlung sei es unerheblich, ob sie mit einem Gamma-Knife oder mit einem adaptierten Linearbeschleuniger durchgeführt werde. In der C erfolgten radiochirurgische Behandlungen während eines zwei- bis dreitägigen stationären Aufenthalts; die hypofraktionierte Behandlung könne ambulant erfolgen. Dem Kläger wurde diese MDK-Stellungnahme am 26. Oktober 2004 ausge-händigt.
Unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme des Neurochirurgen Dr. B W vom 29. Ok-tober 2004, in der dieser der MDK-Stellungnahme vom 21. Oktober 2004 entgegen trat und die Vorzüge der Gamma-Knife-Behandlung gegenüber anderen radiothera-peutischen Verfahren beschrieb, hielt der Kläger seinen Widerspruch aufrecht.
Mit Bescheid vom 19. November 2004 wies die Beklagte den Widerspruch des Klä-gers zurück und wies erneut darauf hin, dass neue Untersuchungs- und Behand-lungsmethoden nur dann zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht werden dürften, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss eine entsprechende Richt-linie beschlossen habe, an der es hier indessen fehle.
Am 17. Dezember 2004 hat der Kläger Klage erhoben. Die Gamma-Knife-Behandlung hat er am 24. Januar 2005 in München von Dr. Berndt W ambulant durchführen las-sen. Hierfür ist eine Rechnung nach der Gebührenordnung für Ärzte über 7.542,38 Euro erstellt worden. Außerdem sind dem Kläger nach seinem Vorbringen Übernach-tungs- und Fahrtkosten in Höhe von insgesamt 838,80 Euro entstanden. Die Erstat-tung dieser Beträge begehrt er im vorliegenden Verfahren.
Zur Begründung seiner Klage hat er im Wesentlichen vorgebracht: Aus medizinischen und sozialen Gründen sei die Beklagte zur Kostenerstattung verpflichtet. Auf die Be-handlung mit dem Linearbeschleuniger in Verbindung mit einem längeren stationären Aufenthalt habe er nicht verwiesen werden dürfen. Die Gamma-Knife-Behandlung sei die wesentlich mildere.
Die Beklagte hat Bezug genommen auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide. Dem Vorschlag des MDK, sich in der C wegen einer radiochirurgischen Behandlung bei Dr. W vorzustellen, sei der Kläger nicht gefolgt. Die Behandlung mit dem Linear-beschleuniger sei gegenüber der Gamma-Knife-Behandlung gleichwertig. Erstere sei zudem kostengünstiger, denn nach der entsprechenden DRG fielen nur insgesamt 3.230,60 Euro an. Für den MDK hat Dr. R am 22. März 2005 im Klageverfahren ergänzend Stellung ge-nommen. Wissenschaftliche Daten zum Beleg eines Vorteils der Gamma-Knife-Behandlung gegenüber der Behandlung mit einem Linearbeschleuniger seien nicht vorhanden.
Mit Urteil vom 28. März 2006 hat das Sozialgericht Cottbus die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte habe die Kostenübernah-me bzw. –erstattung nicht zu Unrecht abgelehnt. Die Gamma-Knife-Behandlung sei keine vertragsärztliche Leistung, insoweit fehle es an einer Empfehlung des Gemein-samen Bundesausschusses nach § 135 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V). Damit sei die Gesetzliche Krankenversicherung nicht verpflichtet, die Sachleistung zu erbringen. Ein Systemversagen liege nicht vor, denn rechtzeitig sei dem Kläger eine alternative Behandlungsmethode benannt worden; insbesondere sei der Kläger im Oktober 2004 auf die Behandlungsmöglichkeit bei Dr. W in der C hingewiesen worden. Nichts anderes ergebe sich aus dem Beschluss des Bundesverfassungsge-richts vom 6. Dezember 2005 (1 BvR 347/98), denn der Kläger leide nicht an einer lebensbedrohlichen, regelmäßig tödlich verlaufenden Krankheit.
Gegen das ihm am 21. April 2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 22. Mai 2006 (Montag) Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt er vor, einen Kostenerstattungs-anspruch zu haben, weil er von der Beklagten nicht rechtzeitig auf die Möglichkeit ei-ner stationären Behandlung hingewiesen worden sei (Hinweis auf Bundessozialge-richt, Urteil vom 4. April 2006, B 1 KR 5/05 R). Die Gamma-Knife-Behandlung werde auch stationär durchgeführt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Cottbus vom 28. März 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 1. Oktober 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbeschei-des vom 19. November 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm die Kosten für die durchgeführte Gamma-Knife-Behandlung in Höhe von 7.542,38 Euro sowie Fahrt- und Unterkunftskosten in Höhe von insgesamt 838,80 Euro zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und weist darauf hin, den Kläger schon mit Aushändigung des MDK-Gutachtens vom 21. Oktober 2004 auf die Möglichkeit der stationären Behandlung hingewiesen zu haben.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genom-men, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhand-lung und der Entscheidungsfindung war.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig, hat aber keinen Erfolg.
Zu Recht hat das Sozialgericht entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten der beantragten Behandlung mit dem Gamma-Knife hat (§ 13 Abs. 3 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch, SGB V). Danach setzt der Anspruch auf Kos-tenerstattung voraus, dass die Krankenkasse entweder eine unaufschiebbare Leis-tung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Beide Voraussetzungen liegen nicht vor.
Eine unaufschiebbare Leistung im Sinne der ersten Tatbestandsvariante lag nicht vor. Mit dem Unvermögen der Krankenkasse zur rechtzeitigen Erbringung einer unauf-schiebbaren Leistung kann der Kostenerstattungsanspruch nur begründet werden, wenn es dem Versicherten aus medizinischen oder anderen Gründen nicht möglich oder nicht zuzumuten war, vor der Beschaffung die Krankenkasse einzuschalten (Bundessozialgericht, Urteil vom 25. September 2000, B 1 KR 5/99 R, zitiert nach ju-ris, dort Rdnr. 16). So lag es hier nicht, denn der Kläger konnte den schließlich im Ja-nuar 2005 vorgenommenen Eingriff über einige Monate hinweg planen und wandte sich in diesem Rahmen auch an die Beklagte, die unter Zuhilfenahme des MDK spä-testens im Oktober 2004 ausführlich Stellung nahm zur beabsichtigten Behandlung mit dem Gamma-Knife. Die Beklagte hat eine Kostenübernahme der streitigen Behandlung auch nicht zu Un-recht abgelehnt.
Maßstab für die Leistungsverpflichtung der Beklagten sind § 27 Abs. 1 Satz 2 SGB V, wonach die Krankenbehandlung die ärztliche Behandlung umfasst, und §§ 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 SGB V. Danach haben die Krankenkassen den Versicherten die Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12 SGB V) zur Verfügung zu stellen, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherung zugerechnet werden. Behandlungsmethoden der besonderen Therapierichtungen sind nicht aus-geschlossen. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein aner-kannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizini-schen Fortschritt zu berücksichtigen (§ 2 Abs. 2 SGB V). Die Leistungen müssen aus-reichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein, sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, kön-nen Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen (§ 12 Abs. 1 SGB V). Ergänzend hierzu regelte § 135 Abs.1 SGB V in der im Januar 2005 geltenden, hier maßgeblichen Fassung als Erlaubnisvorbehalt, dass neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der ver-tragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden dürfen, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss auf Antrag einer Kassenärztlichen Bundes-vereinigung, einer Kassenärztlichen Vereinigung oder eines Spitzenverbandes der Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V Empfehlungen abgegeben hat über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nut-zens der neuen Methode sowie deren medizinischen Notwendigkeit und Wirtschaft-lichkeit – auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachten Me-thoden – nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jewei-ligen Therapierichtung.
Die Gamma-Knife-Behandlung ist trotz ihrer langjährigen Anwendung in der Medizin eine neue Behandlungsmethode in diesem Sinne. Nach § 2 der im Januar 2005 gel-tenden, hier anzuwendenden BUB-Richtlinien (Richtlinien über die Bewertung ärztli-cher Untersuchungs- und Behandlungsmethoden gemäß § 135 Abs.1 SGB V vom 1. Dezember 2003, B Anz. 2004 Nr. 57 S. 5678) können als neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden nur Leistungen gelten, die noch nicht als abrechnungsfähige Leistungen im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) enthalten sind oder die als ärztliche Leistungen im EBM aufgeführt sind, deren Indikationen aber wesentliche Än-derungen oder Erweiterungen erfahren. Demgemäß hat der behandelnde Arzt, Privat-dozent Dr. W, die Abrechnung für den Kläger (nur) privatärztlich nach GOÄ Nr. 5860 bis 5863 erstellt und zuvor in seiner Stellungnahme vom 11. Oktober 2004 einge-räumt, dass die Behandlung mit dem Gamma-Knife im ambulanten Sektor in Deutsch-land (zu Lasten der Gesetzlichen Krankenversicherung) gebührenrechtlich „nicht er-fasst“ sei.
Die gesetzlichen Krankenkassen waren danach bei einer neuen Behandlungsmetho-de, die in den BUB-Richtlinien in der Anlage A (anerkannte Untersuchungs- oder Be-handlungsmethoden) nicht aufgeführt war, zu einer Leistung nicht verpflichtet; die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts hat dies untermauert (vgl. nur Urteil vom 16. Dezember 2008, B 1 KR 11/08 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 14). Ei-nem Anspruch auf Kostenerstattung gemäß § 13 Abs. 3 SGB V steht daher vorliegend entgegen, dass der Gemeinsame Bundesausschuss dieses Verfahren in den Richtli-nien gemäß § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V nicht als therapeutisch zweckmäßige Be-handlungsmethode empfohlen hat.
Ausnahmefälle, in denen es keiner Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschus-ses bedarf, liegen im Falle des Klägers nicht vor. Für einen Seltenheitsfall, bei dem eine Ausnahme von diesem Erfordernis erwogen werden könnte (vgl. dazu BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 1, jeweils RdNr. 21 ff – Visudyne),ist nichts vorgetragen, ebenso wenig für ein Systemversagen (vgl. dazu BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 12, jeweils RdNr. 17 m.w.N. – LITT; vgl. auch Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 11. September 2003, L 4 KR 93/02, zur Gamma-Knife-Behandlung, zitiert nach juris, dort Rdnr. 25 bis 31) Auch Anhaltspunkte für eine hier gebotene grund-rechtsorientierte Auslegung (vgl. z.B. im Anschluss an BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 5: BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 12, jeweils RdNr. 20 ff m.w.N. – LITT) sind weder vorgebracht worden noch sonst ersichtlich. Die verfassungskon-forme Auslegung setzt u.a. voraus, dass eine lebensbedrohliche oder regelmäßig töd-lich verlaufende (vgl.BSGE 96, 170 = SozR 4-2500 § 31 Nr. 4,jeweils RdNr. 21 und 30 m.w.N. – Tomudex) oder eine zumindest wertungsmäßig damit vergleichbare Erkran-kung vorliegt (vgl. BSGE 96, 153 = SozR 4-2500 § 27 Nr. 7, jeweils RdNr. 31 – D-Ribose).Daran fehlt es. Mit dem Kriterium einer Krankheit, die zumindest mit einer le-bensbedrohlichen oder regelmäßig tödlich verlaufenden Erkrankung in der Bewertung vergleichbar ist, ist eine strengere Voraussetzung umschrieben, als sie etwa mit dem Erfordernis einer „schwerwiegenden“ Erkrankung für die Eröffnung des so genannten Off-Label-Use (vgl. dazu BSGE 89, 184 ff = SozR 3-2500 § 31 Nr. 8 – Sandoglobu-lin)formuliert ist (vgl. BSG, SozR 4-2500 § 31 Nr. 8 RdNr. 17 – Mnesis; SozR 4-2500 § 27 Nr. 10 RdNr. 34 – Neuropsychologische Therapie). Einen solchen Schweregrad erreicht das Acusticusneurinom des Klägers nicht.
Ein Kostenerstattungsanspruch ergibt sich auch nicht aus dem Herstellungsanspruch aufgrund eines Beratungs- oder Auskunftsfehlers (vgl. BSG vom 30. 03.1995, BSGE 76, 84; BSG vom 05. 04. 2000, SozR 3-1200 § 14 Nr. 29). Denn es ist nicht ersicht-lich, dass die Beklagte den Kläger unzutreffend oder unvollständig beraten (§ 14 SGB I) oder ihre Auskunftspflicht verletzt hätte (§ 15 SGB I). Umgekehrt ist festzustellen, dass die Beklagte mit Unterstützung durch den MDK alles in ihrer Macht stehende unternommen hat, um den Kläger sachgerecht zu beraten. Im Zentrum der Betrach-tung steht hier das Gutachten von Dr. R vom 21. Oktober 2004, in dem der Kläger auf einen zwei- bis dreitägigen Aufenthalt in der C verwiesen wurde, um sich dort einer radiochirurgischen Behandlung mit dem Linearbeschleuniger zu unterziehen. Dieses Gutachten, das den Kläger zu einer Kontaktaufnahme mit dem benannten Oberarzt in der C hätte bewegen sollen, wurde dem Kläger auch ausgehändigt.
Der Hinweis des Klägers auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 4. April 2006 (B 1 KR 5/05 R) und die Alternative der stationären Gamma-Knife-Behandlung verfängt nicht. Der Antrag des Klägers, gestellt durch seine behandelnde Neurologin Dr. Amb-rosius am 7. Juni 2004, zielte nämlich ausschließlich auf eine ambulante Behandlung, die für den Einsatz des Gamma-Knife typisch sein dürfte; die gesamte Behandlung dauert nach den in dem Verwaltungsvorgang der Beklagten enthaltenen Materialien nämlich nur insgesamt fünf Stunden. Hierauf hat der Kläger auch ausdrücklich in der Klagebegründung vom 14. Januar 2005 hingewiesen, wo er den Abschluss der Be-handlung nach fünf bis sechs Stunden als entscheidenden Vorteil gegenüber der län-gerwierigen Behandlung im Linearbeschleuniger schilderte. Zudem hat die Beklagte den Kläger dezidiert auf Behandlungsalternativen hingewiesen, nämlich auf die Be-handlung mit dem Linearbeschleuniger an der C Berlin, verbunden mit einem zwei- bis dreitägigen stationären Aufenthalt. Der Fall des Klägers ist insoweit nicht vergleichbar mit dem vom Bundessozialgericht entschiedenen Fall, in dem es um die Erstattung der Kosten einer Uterus-Arterien-Embolisation zur Behandlung eines Myoms ging, die üblicher Weise ebenso ambulant wie stationär vorgenommen werden kann.
Auch das vom Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung überreichte Urteil des Bundessozialgerichts vom 16. Dezember 2008 (B 1 KR 11/08 R) führt nicht entscheidend weiter. Die Kernaussage jener Entscheidung besteht näm-lich nur darin, dass Krankenhausbehandlung nicht schon deshalb im medizinischen Sinne „erforderlich“ ist, weil eine bestimmte Leistung zwar ambulant erbracht werden kann, vertragsärztlich aber mangels positiver Empfehlung des Gemeinsamen Bun-desausschusses nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erbracht wer-den darf. Es ist nicht ersichtlich, inwieweit dieser Gedanke hier zugunsten des Klägers fruchtbar gemacht werden könnte, da im Rahmen der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung keine Leistungspflicht der Beklagten besteht und eine stationäre Behand-lung gerade nicht erfolgte, so dass sich die Frage nach deren Notwendigkeit nicht stellt.
Ebenso wenig zwingt die Therapiefreiheit der vom Kläger konsultierten Ärzte die Be-klagte zur Kostenübernahme (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 25. September 2000, B 1 KR 24/99 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 17). Eine Therapiefreiheit in dem Sinne, dass Untersuchungs- oder Behandlungsmaßnahmen beliebig eingesetzt wer-den könnten, kennt nämlich weder das einfache Recht noch das Verfassungsrecht. Die in der Bundesärzteordnung in § 1 Abs. 2 enthaltene Therapiefreiheit ist schon be-rufsrechtlich durch die Bindung an den medizinischen Standard und die Regeln der ärztlichen Kunst eingeschränkt und wird in der gesetzlichen Krankenversicherung durch die Erfordernisse einer beitragsfinanzierten, solidarischen Krankenversicherung ebenfalls faktisch begrenzt. Dies bedeutet, dass der Kläger die beantragte Behand-lung zwar erbringen lassen konnte, aber die Beklagte zu einer Kostenübernahme nicht verpflichtet ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr.1 und 2 SGG).