Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 9 KR 34/05
Landessozialgericht Berlin-Brandenburg
Urteil vom 30.04.2009 (nicht rechtskräftig)
- Sozialgericht Berlin S 36 KR 2334/03*89
- Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 9 KR 34/05
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 8. Dezember 2004 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Vergütung der Klägerin für die Zeit vom 13. Dezember bis zum 17. Dezember 2000.
Die Klägerin betreibt als Plankrankenhaus das D H B (DHZB), in das in der Zeit vom 13. Dezember bis zum 24. Dezember 2000 der bei der Beklagten versicherte Patient D W (im Folgenden: der Versicherte) stationär aufgenommen war. Die zunächst für den 14. Dezember 2000 vorgesehene Operation (OP) – das Legen eines koronaren Dreifachbypass unter Verwendung eines Biocompound-Grafts – führte sie erst am 19. Dezember 2000 durch. Für die Behandlung des Versicherten stellte sie der Beklagten mit Rechnung vom 28. Dezember 2000 unter Zugrundelegung vereinbarter Pflegesätze 28.524,80 DM (14.584,50 EUR) in Rechnung. Hierauf zahlte die Beklagte im Jahr 2001 nur einen Betrag von 16.240,80 DM (8.303,79 EUR), weil sie der Auffassung war, der stationäre Aufenthalt des Versicherten in der Zeit vom 13. Dezember bis zum 17. Dezember 2000 sei medizinisch nicht erforderlich gewesen.
Mit ihrer am 18. Dezember 2003 erhobenen Klage hat die Klägerin vorgebracht, das DHZB stelle die Notfallversorgung für Organentnahmen in den Ländern Berlin und Brandenburg 24 Stunden am Tag und an 365 Tagen im Jahr sicher und sei in dieser Pflichtenstellung allein stehend. Dies betreffe sowohl Organentnahmen und Transplantationen des Herzens als auch von Herz und Lunge oder Lunge. Am 15. und 16. Dezember 2000 habe der für den Versicherten vorgesehene Eingriff nur deshalb nicht vorgenommen werden können, weil die Dienst habenden Chirurgen sich für zwei Organentnahmen bei möglicher Transplantation hätten bereithalten müssen. Auch ein OP-Saal habe freigehalten werden müssen, um die geplante Transplantation schnellstmöglich durchführen zu können. Montag, den 18. Dezember 2000, sei ebenfalls eine unangemeldete Organentnahme zu verzeichnen gewesen, die dann auch zur Organtransplantation geführt habe. Zu den Abläufen bei Anmeldungen von Organentnahmen sei Folgendes hervorzuheben: Es könne immer wieder vorkommen, dass ein Operateur Nachts zu einer Organentnahme gerufen werde und diese sogleich durchführen müsse, mit der Folge, dass die Operationen, die für den nächsten Tag für ihn auf dem Operationsplan stünden, verschoben werden müssten. Wenn die Organentnahme, wie es häufig sei, sich zur frühen Morgenstunde ereigne, müsse ein Operationssaal für die geplante Transplantation freigehalten werden, bis fest stehe, ob im Hause die Transplantation durchgeführt werden könne. Zudem könnten Patienten, die für die Transplantation vorgesehen seien, nicht erst dann in den Operationssaal geführt werden, wenn das Organ akzeptiert werde. Dies müsse im Gegenteil viel früher geschehen, damit zum Zeitpunkt der Akzeptanz des Organs auch unverzüglich mit der langwierigen Operation begonnen werden könne und die Ischämiezeit des zu transplantierenden Herzens nicht unnötig verlängert werde. Die unfreiwillige Verzögerung der OP des Versicherten sei daher medizinisch begründet.
Antragsgemäß hat das Sozialgericht mit Urteil vom 08. Dezember 2004 die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 6.280,71 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 2 % über dem Basiszinssatz seit dem 28. August 2003 zu zahlen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, über die Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung entscheide zunächst der Krankenhausarzt. Auf Grund der von der Klägerin geschilderten Notfälle seien Ärzte und Operationsräume gebunden worden, so dass die Entscheidung des Krankenhausarztes nach seinen jeweiligen Erkenntnismöglichkeiten vertretbar sei und eine Zahlungspflicht der Krankenkasse bestehe.
Gegen dieses ihr am 17. Januar 2005 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten vom 09. Februar 2005. Zur Begründung trägt sie vor, die Verzögerung bei der Behandlung des Versicherten habe sich ausschließlich aufgrund organisatorischer Umstände bzw. Probleme im DHZB ergeben. Die von der Klägerin im Berufungsverfahren eingereichten OP-Pläne seien nicht geeignet, Organisationsmängel im DHZB auszuschließen. Es sei nicht erkennbar, dass der Versicherte überhaupt zu irgendeinem Zeitpunkt im streitgegenständlichen Zeitraum zur OP vorgesehen gewesen sei, warum der Versicherte nicht nach dem OP-Programm des jeweiligen Tages nachgeschoben oder nach der Absage einer zunächst kurzfristig angesetzten Trans¬plantation operiert worden sei. Da die Operation des Versicherten von der Klägerin oftmals verschoben worden sei, sei diese OP offensichtlich nicht als vorrangig angesehen worden, so dass der Versicherte bis zu einem gesicherten Termin hätte entlassen werden können und müssen. Dass im DHZB am Sonntag mit reduziertem Personal gearbeitet werde, bedeute nicht, dass keine Operationen durchgeführt werden könnten. Die Operation des Versicherten hätte daher für den Sonntag geplant und durchgeführt werden müssen, notfalls hätten geplante andere Operationen verschoben werden müssen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 08. Dezember 2004 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie weist auf die von ihr eingereichten Operationspläne für den 14., 15., 16. und 18. Dezember 2000 hin und beruft sich auf insgesamt neun Organspendeangebote, die sie in der Zeit vom 14. Dezember bis zum 18. Dezember 2000 – mit einer Ausnahme jeweils erst nach 17.00 Uhr – erhalten habe. Den eingereichten OP-Plänen ließen sich jedoch die einzelnen Entscheidungsprozesse nicht entnehmen. Die letzte Druckversion des OP-Planes werde häufig zwischen 14.00 und 15.00 Uhr des Tages fertig gestellt, sich danach ergebende Änderungen würden nur noch handschriftlich auf der letzten Druckfassung eingetragen, so dass sich der OP-Plan permanent in Überarbeitung befinde und sich die tatsächliche Reihenfolge nachträglich nicht mehr entnehmen lasse.
Bei der Praxis der OP-Terminvergabe müsse sie sich an unterschiedlichen Kriterien orientieren: elektive Operationen – wie die des Klägers – beträfen nicht akut vital gefährdete Patienten und könnten daher längerfristig geplant werden. Dringliche Operationen beträfen Patienten, bei denen von einer akut lebensbedrohlichen Herzerkrankung auszugehen sei, wenn diese nicht binnen weniger Tage operiert würden. Diese Patienten befänden sich in stationärer Behandlung in den zuweisenden Kliniken und würden schnellstmöglich direkt von dort in das DHZB verlegt. In Abhängigkeit von der Anzahl der dringlich zu operierenden Patienten könne es zu Verschiebungen in der Einbestellungsliste der elektiven Patienten kommen, wenn die Bettenkapazität unzureichend sei. Außerdem befänden sich einige dieser Patienten schon vor der Operation in Betten auf den Intensivstationen, z. B. wenn die Patienten vor der Operation noch spezielle Untersuchungen benötigten, die nur im DHZB vorgenommen werden könnten, und der Gesundheitszustand der Patienten eine Intensivtherapie erfordere. Notfallmäßige Operationen seien demgegenüber Eingriffe, die binnen kürzester Zeit durchgeführt werden müssten, um Gefahren für die Patienten abzuwenden. Diese Patienten müssten sofort oder binnen weniger Stunden aufgenommen und operiert werden. Da die Bettenkapazität der Intensivstationen normalerweise vollständig verplant sei, führe dies fast automatisch zu Veränderungen der Versorgung elektiver oder dringlicher Patienten. Zu den Notfällen zählten auch alle Transplantationen. Die Definition „Notfall“ ergebe sich hier aus folgenden Kriterien: Ein Transplantat werde erst dann angeboten, wenn der Spender definitiv hirntot sei. Bei einem Hirntoten müsse die Organentnahme so schnell wie möglich erfolgen, da mit Eintritt des Hirntodes in kurzer Zeit erhebliche pathophysiologische Prozesse einträten, die mit einer Schädigung der Spendeorgane einhergingen. Transplantationen bänden für erhebliche Zeit Operations- und Personalkapazitäten, sodass es ständig zur Änderung der Zeitpläne komme, ein Operationssaal freigehalten werden müsse, der Patient während der Wartezeit einer Betreuung bedürfe und der verantwortliche Chirurg ständig in Kontakt mit dem Entnahmeteam stehe, um aktuelle Informationen über den Zustand des Spenders zu erhalten. Selbst für den Fall, dass die Transplantation abgesagt werden müsse, vergingen bis dahin viele Stunden. Dies könne auch dazu führen, dass der für die Transplantation vorgesehene Chirurg in der nachfolgenden Zeit aus arbeitsrechtlichen Gründen für andere Operationen nicht mehr zur Verfügung stehe. Sonntags gebe es keine geplanten „Operationen“, da das dann zur Verfügung stehende reduzierte Personal nur der Versorgung von dringlichen Patienten und Notfällen diene.
Die Beklagte habe die Klägerin erstmals nach dem Erörterungstermin vor dem Landessozialgericht am 06. Oktober 2006 aufgefordert, für jede im streitgegenständlichen Zeitraum durchgeführte Operation im Einzelnen zu begründen, warum diese und nicht die Bypassoperation des Patienten durchgeführt worden sei. Die Nachteile, die sich aus dieser verspäteten Rüge ergäben, habe nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht die Klägerin zu tragen. Nach Ablauf von mehr als sechs Jahren lasse sich nicht mehr für jede einzelne Operation darlegen, warum genau diese Operation durchgeführt worden sei und nicht der Eingriff beim Versicherten. Rechtlich gehe dies jedoch nicht zu Lasten der Klägerin, da die Beklagte das im Vertrag zur Überprüfung der Notwendigkeit und Dauer der Krankenhausbehandlung (KÜV) gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 2 SGB V geregelte Überprüfungsverfahren nicht zeitnah durch¬geführt habe, so dass nach der Rechtsprechung des BSG ein eventueller Beweisverlust zu Lasten der Krankenkasse gehe.
Die Argumentation der Beklagten führe im Ergebnis dazu, dass die Klägerin noch umfangreichere Vorkehrungen treffen, d.h. noch mehr Zusatzkapazitäten für diese Notfälle vorhalten müsse, was im Ergebnis zu einer Erhöhung der Tagessätze und damit zu einer deutlich höheren wirtschaftlichen Belastung auch der Beklagten führe. Eine Zuordnung dieser Kosten zu Notfallbehandlungen sei nach dem Vergütungssystem nicht möglich. Auch bei einem Privatpatienten, der die Rechnung hätte selbst bezahlen müssen, wären die zusätzlichen Verweiltage als medizinisch notwendig betrachtet und ihm in Rechnung gestellt worden. Infolge der vorzunehmenden ex-ante-Betrachtung sei jeder Tag des streitigen Zeitraums als der für die Durchführung der Bypass-OP unstreitig erforderliche präoperative Behandlungstag einzustufen.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte, die beigezogene Verwaltungsakte und die beim DHZB geführte Patientenakte des Versicherten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlungen waren, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig und begründet. Das Urteil des Sozialgerichts ist aufzuheben, da der Klägerin gegenüber der Beklagten kein Vergütungsanspruch für die Behandlung des Versicherten in der Zeit vom 13. bis zum 17. Dezember 2000 zusteht.
1) Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs der Klägerin ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i.V.m. dem Vertrag über Allgemeine Bedingungen der Krankenhausbehandlung vom 01. No¬vember 1994 in der Fassung der Ergänzungsvereinbarung vom 22. Dezember 1997 für das Land Berlin (ABK-Vertrag).
a) Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und i.S. von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich ist. Der Behandlungspflicht zugelassener Krankenhäuser i.S. des § 109 Abs. 4 Satz 2 SGB V steht ein Vergütungsanspruch gegenüber, dessen Höhe auf der Grundlage der gesetzlichen Ermächtigung in §§ 16, 17 Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) nach Maßgabe der Bundespflegesatzverordnung, jeweils in der im Jahre 2000 geltenden Fassung, in der Pflegesatzvereinbarung zwischen Krankenkasse und Krankenhausträger festgelegt wird (BSG, Urteile vom 16. Dezember 2008, Az.: B 1 KN 1/07 KR R und B 1 KN 3/08 KR R, veröffentlicht in Juris). Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht insoweit unabhängig von einer schriftlichen Kostenzusage, die nur als deklaratorisches Schuldanerkenntnis anzusehen ist (BSGE 86, 166), unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten, wenn die Versorgung in einem – wie hier – zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und i.S.v. § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich ist. Zu Recht hat sich die Klägerin daher nicht auf die i.ü. auch nur bis zum 14. Dezember 2000 befristete Kostenübernahmeerklärung der Beklagten vom 30. November 2000 berufen.
b) Der Zahlungsanspruch des Krankenhauses korrespondiert in aller Regel mit dem Anspruch des Versicherten auf Krankenhausbehandlung. Demgemäß müssen beim Versicherten bei der Aufnahme in das Krankenhaus grundsätzlich alle allgemeinen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Leistungen der GKV sowie speziell von Krankenhausbehandlung, insbesondere deren Erforderlichkeit, vorliegen. Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die zur Krankenbehandlung gehörende Krankenhausbehandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V) wird gemäß § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB V vollstationär, teilstationär, vor- und nachstationär sowie ambulant erbracht. Der Anspruch ist gerichtet auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus (§ 108 SGB V), wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nach-stationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann (§ 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Bei der Krankenbehandlung ist den besonderen Bedürfnissen psychisch Kranker Rechnung zu tragen (§ 27 Abs. 1 Satz 3 SGB V). Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V; vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008, a.a.O.).
c) Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit ist ein Krankheitszustand, dessen Behandlung den Einsatz der besonderen Mittel eines Krankenhauses erforderlich macht. Maßnahmen dürfen daher z.B. nicht lediglich dem Zweck dienen, einem Zustand der Hilflosigkeit zu begegnen; ebenso unterfallen rein pflegerische Maßnahmen nicht der Leistungspflicht der Krankenkassen, vielmehr müssen diese als Teil einer ärztlichen Behandlung dieser Behandlung untergeordnet sein (BSG a.a.O.).
Als besondere Mittel des Krankenhauses hat die Rechtsprechung des BSG eine apparative Mindestausstattung, geschultes Pflegepersonal und einen jederzeit präsenten oder rufbereiten Arzt herausgestellt (BSG a.a.O.). Dabei fordert sie für die Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung weder den Einsatz aller dieser Mittel noch sieht sie ihn stets als ausreichend an. Es ist vielmehr eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, bei der den mit Aussicht auf Erfolg angestrebten Behandlungszielen und den vorhandenen Möglichkeiten einer vorrangigen ambulanten Behandlung entscheidende Bedeutung zukommen. Bei einer psychiatrischen Erkrankung kann der Einsatz von krankenhausspezifischen Geräten in den Hintergrund treten und allein der notwendige Einsatz von Ärzten, therapeutischen Hilfskräften und Pflegepersonal sowie die Art der Medikation die Notwendigkeit einer stationären Behandlung begründen (BSG a.a.O.).
d) Ob einem Versicherten vollstationäre Krankenhausbehandlung zu gewähren ist, richtet sich allein nach den medizinischen Erfordernissen im Einzelfall. Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit haben hierbei im Streitfall uneingeschränkt zu überprüfen, ob eine stationäre Krankenhausbehandlung aus medizinischen Gründen notwendig ist. Dabei haben sie zwar von dem im Behandlungszeitpunkt verfügbaren Wissens- und Kenntnisstand des verantwortlichen Krankenhausarztes auszugehen, wenn die Krankenkasse im Nachhinein beanstandet, die stationäre Behandlung des Patienten sei nicht gerechtfertigt gewesen. Für eine Einschränkung der Kontrollbefugnisse der Krankenkasse und des Gerichts in der Weise, dass von der Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung auszugehen ist, wenn der Krankenhausarzt sie bejaht und seine Einschätzung fachlich vertretbar ist, bietet das Gesetz jedoch keine Grundlage. Auch Vereinbarungen in den Normsetzungsverträgen auf Landesebene können daher nicht bewirken, dass die Entscheidung über die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung entgegen dem Gesetz nicht nach objektiven Maßstäben getroffen wird, sondern im Ergebnis der subjektiven Einschätzung des Krankenhausarztes überlassen bleibt (BSG a.a.O.).
Der Grundsatz, dass die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung im Prozess vom Gericht vollständig zu überprüfen ist, gilt auch dann, wenn die Krankenkasse ihre Leistungspflicht nachträglich für einen zurückliegenden Zeitraum bestreitet. Auch in dieser Konstellation ist eine Zurücknahme der gerichtlichen Kontroll- und Entscheidungsbefugnisse unter Berufung auf einen vermeintlichen Einschätzungsvorrang des verantwortlichen Krankenhausarztes weder vom Gesetz vorgesehen noch von der Sache her erforderlich und deshalb mit dem rechts-staatlichen Gebot effektiven Rechtsschutzes nicht vereinbar. Eine Besonderheit besteht – wie schon ausgeführt – lediglich darin, dass die Berechtigung der Krankenhausbehandlung nicht rückschauend aus der späteren Sicht des Gutachters zu beurteilen ist, sondern zu fragen ist, ob sich die stationäre Aufnahme oder Weiterbehandlung bei Zugrundelegung der für den Krankenhausarzt nach den Regeln der ärztlichen Kunst im Behandlungszeitpunkt verfügbaren Kenntnisse und Informationen zu Recht als medizinisch notwendig dargestellt hat (BSG a.a.O.).
2) Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe hat die Beklagte zu Recht die Vergütung des stationären Aufenthalts des Versicherten im DHZB in der Zeit vom 13. Dezember bis 17. De¬zem¬ber 2008 abgelehnt. Denn hierfür fehlte ein medizinisches Erfordernis.
a) Medizinische Erfordernisse im Sinne der o.g. Rechtsprechung können nur Umstände sein, die in der Person des zu behandelnden Versicherten liegen. Hieran fehlt es im vorliegenden Fall. Dass die Bypass-OP des Versicherten mehrmals verschoben werden musste, lag nicht an seinem Gesundheitszustand, sondern an außerhalb seiner Person liegenden Umständen, die ihre Ursache in der besonderen Aufgabenstellung des DZHB – Gewährleistung der Notfallversorgung bei Organentnahmen in den Ländern Berlin und Brandenburg – haben.
b) Die Gründe, die aus Sicht der Klägerin eine frühere Durchführung der Bypass-OP bei dem Versicherten verhinderten, sind im Streitfall durch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit nicht zu überprüfen. Ungeachtet möglicher datenschutzrechtlicher Bedenken an der Übermittlung der hierfür erforderlichen Daten obliegt es nicht den Gerichten, eine Reihenfolge festzulegen, nach der die Patienten des DHZB zu operieren sind. Dies ist eine rein medizinische Entscheidung, die von den hierfür verantwortlichen Ärzten des DHZB zu treffen ist.
c) Demgegenüber kann sich die Klägerin nicht darauf berufen, die Beklagte habe ein Beschleunigungsverbot verletzt, indem sie ein vertraglich vereinbartes Überprüfungsverfahren nicht rechtzeitig eingeleitet habe. Soweit sich die Klägerin auf frühere Rechtsprechung des 3. Senats des BSG beruft, ist diese insoweit durch den Beschluss des Großen Senats des BSG vom 25. September 2007 (Az.: GS 1/06, veröffentlicht in Juris) überholt. Der 3. Senat des BSG hat zwar vor diesem Beschluss des Großen Senats die Zahlungspflicht einer Krankenkasse für eine in Rechnung gestellte stationäre Krankenhausbehandlung nur verneint, wenn schon nach dem Vorbringen des Krankenhaus von fehlender notwendiger stationärer Behandlung auszugehen ist (BSG SozR 4-2500 § 109 Nr. 1 Rd. 12) oder wenn die Krankenkasse „substantiierte“ Einwendungen gegen die Krankenhausabrechnung innerhalb der vereinbarten Zahlungsfrist erhoben hat (BSG SozR 4-2500 § 112 Nr. 3 Rd. 6). Auf diese Rechtsprechung kann sich die Klägerin nach dem o.g. Beschluss des Großen Senats des BSG indes aus Rechtsgründen nicht mehr stützen. Denn – wie dargestellt – obliegt danach die Entscheidung über den Anspruch des Versicherten auf vollstationäre Krankenhausbehandlung allein der Krankenkasse und im Streitfall dem Gericht, ohne dass diese an die Einschätzung des Krankenhaus oder seiner Ärzte gebunden sind. Die Krankenkasse darf sich dementsprechend unproblematisch von Rechts wegen darauf berufen, die Voraussetzungen des Vergütungsanspruchs seien nicht erfüllt. Zudem darf sie Einwendungen gegen die Abrechnung erheben, welche in Einklang mit dem Gesetz, insbesondere den gesetzlichen Regelungen zur Überprüfung der Notwendigkeit einer Krankenhausbehandlung stehen. Das Gericht muss im Streitfall solchen Einwendungen ebenso wie Zweifeln an der Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nachgehen und mit den ihm zu Gebote stehenden Mitteln im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht den Sachverhalt aufklären. Abgesehen von hier nicht eingreifenden gesetzlich geregelten Ausnahmen und atypischen Missbrauchskonstellationen dürfen solche nachträglichen Einwendungen und Überprüfungsbefugnisse der Krankenkasse wie des Gerichts weder faktisch noch rechtlich ausgeschlossen noch über die gesetzlichen Wertungen hinaus erschwert werden (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008, a.a.O).
Nur im Rahmen von Treu und Glauben sind Krankenhaus und Krankenkassen angesichts sich ständig verschlechternder Beweisverhältnisse und ihrer dauernden Rechtsbeziehung gehalten, so zügig zu kooperieren, dass es nicht zu treuwidrigen Verzögerungen kommt. Hiervon kann bei der Beklagten indes keine Rede sein. Sie hat bereits mit Schreiben vom 5. März 2001 unter Berufung auf eine Stellungnahme des MDK vom gleichen Tag die Problematik der Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit aufgeworfen, indem sie nur den aus ihrer Sicht gerechtfertigten Betrag zahlte. Ein Verstoß der Beklagten gegen das Beschleunigungsgebot kann daraus ersichtlich nicht hergeleitet werden. Diesen Vorwurf muss sich allenfalls die Klägerin entgegenhalten lassen, da sie auf das o.g. Schreiben der Beklagten nach deren unwidersprochener Darstellung erst im August 2002 reagierte und nunmehr die streitige Restforderung geltend machte.
d) Das hier gefundene Ergebnis ist auch sachgerecht. Kern des Rechtsstreits ist – worauf die Beklagte zutreffend hinweist – die Frage, wer das finanzielle Risiko für Abweichungen von der geplanten Krankenhausbehandlung trägt. Bereits die Überlegung, wer von den Beteiligten den größeren Einfluss auf die organisatorischen Auswirkungen hat, die aus den regelmäßig kurzfristig erfolgenden Organangeboten resultieren, spricht dafür, dieses Risiko allein der Klägerin zuzuweisen. Außerdem erscheint es unbefriedigend, dieses Risiko gerade derjenigen Krankenkasse und damit auch ihren Mitgliedern aufzuerlegen, deren Versicherter zufällig von einer – im vorliegenden Fall mehrfachen – Verschiebung betroffen ist. Wird das Risiko hingegen der Klägerin zugewiesen, wirkt es sich letzten Endes zu Lasten der gesamten Versichertengemeinschaft aus. Denn in diesem Falle müsste sie ihre höheren Vorhaltungskosten im Rahmen der Vergütungsverhandlungen mit den Krankenkassen geltend machen, so dass diese besondere finanzielle Belastung, die die Klägerin ausschließlich wegen ihres bereits genannten herausgehobenen Gewährleistungsauftrags im Interesse der Allgemeinheit trifft, auch von allen, zu deren Schutz dieser Auftrag besteht, getragen wird.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197 a Abs. 1 Satz 1, 2. Hs. SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreites.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.