Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 16 KR 592/18

Kernpunkte

  • Ein Abfall des Kreatininwertes reicht nicht aus, um eine akute Niereninsuffizienz kodieren zu dürfen. Laut ICD ist ein Anstieg zwingend gefordert.
  • Ein Anstieg von einem angenommenen Ausgangswert in Höhe des letztlich nach Abfall erreichten Kreatininwertes oder in Höhe des Referenzwertes ist nachzuweisen.
  • Um die Argumentation mit einem angenommenen Ausgangswert führen zu können, muss die ICD entsprechend geändert werden.

 

18.08.2020

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen

Im Namen des Volkes

Urteil

 

L 16 KR 592/18

S 67 KR 1114/16 Sozialgericht Hannover

 

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 16. November 2018 wird zurückgewiesen.

  • Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
  • Der Streitwert im Berufungsverfahren wird auf 975,- Euro festgesetzt.
  • Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

Tatbestand

 

Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung, insbesondere über die Kodierung der Nebendiagnose N 17.9 (akutes Nierenversagen, nicht näher bezeichnet).

Die Klägerin ist Trägerin eines nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhauses. In ihrer Fachabteilung für Gastroenterologie wurde die 1938 geborene Versicherte der Beklagten ### in der Zeit vom 29. Juni bis 3. Juli 2015 vollstationär behandelt. Die Versicherte wurde wegen einer seit drei Wochen bestehenden Diarrhö mit Übelkeit bei Verdacht auf antibiotikaassoziierte Colitis stationär aufgenommen. Ausweislich des Zentrallaborbefundes lag der Kreatininwert am Aufnahmetag bei 2,57 mg/dl, am 30. Juni bei 1,66 mg/dl und am 2. Juli 2015 bei 1,64 mg/dl bei Normwerten des Kliniklabors von 0,6 bis 1,0 mg/dl. Mit Schlussrechnung vom 8. Juli 2015 rechnete die Klägerin für die stationäre Behandlung unter der Fallpauschale G67A (Ösophagitis, Gastroenteritis, gastrointestinale Blutung, Ulkuserkrankung) einen Gesamtbetrag von 2.501,42 Euro ab. Dazu kodierte sie als Hauptdiagnose A090 (sonstige und nicht näher bezeichnete Gastroenteritis und Kolitis infektiösen Ursprungs) und als Nebendiagnosen unter anderem N17.91 (akutes Nierenversagen, nicht näher bezeichnet: Stadium 1).

Die Beklagte beglich die Vergütung zunächst in vollem Umfang, beauftragte dann jedoch den MDK mit einer qualifizierten Rechnungsprüfung, insbesondere im Hinblick auf die kodierte Nebendiagnose N17.91. Der MDK kam in seinem Gutachten vom 27. Oktober 2015 zu dem Ergebnis, dass als Nebendiagnose nicht N17.91 (akutes Nierenversagen, nicht näher bezeichnet: Stadium 1) zu kodieren sei, sondern stattdessen N19 (nicht näher bezeichnete Niereninsuffizienz). Eine Chronizität sei nicht belegt und für das akute Nierenversagen lägen keine Vorwerte vor. Die Änderung der zu kodierenden Nebendiagnose führte nach Grouping zur DRG G67C statt der abgerechneten G67A. Mit dem sich daraus ergebenden Differenzbetrag iHv 974,75 Euro rechnete die Beklagte unter dem 16. Februar 2016 gegen einen unstreitigen Vergütungsanspruch der Klägerin auf.

Die Klägerin hat am 30. Mai 2016 Klage beim Sozialgericht (SG) Hannover erhoben, gerichtet auf Zahlung der Vergütungsdifferenz iHv 974,75 Euro. Zur Kodierung eines akuten Nierenversagens, welches schon bei Aufnahme vorhanden sei, müssten nicht zwingend Vorwerte vorliegen. Hier gelte als Referenzwert entweder der vom Labor angegebene Normalwert für den Patienten oder bei Vorliegen einer chronischen Niereninsuffizienz ein angenommener Ausgangswert. Im vorliegenden Behandlungsfall sei die Aufnahme bei einem Kreatininwert von 2,57 mg/dl erfolgt, der sich unter lnfusionstherapie und Pausierung der Medikation mit Aldactone verbessert und sich auf einen Wert von 1,64 mg/dl reguliert habe. Lege man diesen Wert als angenommenen Ausgangswert zugrunde, handele es sich um ein akutes Nierenversagen im Stadium 1.

Die Beklagte hat das Gutachten des MDK vom 9. August 2017 vorgelegt, wonach bekannt sei, dass bei chronischer Nierenkrankheit Kreatinin-Schwankungen bei einer Vielzahl von Ursachen auftreten könnten, ohne dass dies eine Nierenfunktionsveränderung bedeute. Diese Schwankungen seien aufgrund der Hyperbelfunktion zwischen Kreatininwert und glomerulärer Filtrationsrate in dem Moment, wo das Kreatinin aus dem Normbereich heraustrete, numerisch hoch, ohne dass damit eine merkbare glomeruläre Filtrationseinschränkung einhergehe.

Das SG hat das nephrologische Gutachten von Dr. l vom 21. Dezember 2017 eingeholt, der eine akute Nierenschädigung im Stadium 1 bejaht und den Behandlungsfall der DRG G67A zugeordnet hat.

Mit Urteil vom 16. November 2018 hat das SG die Klage abgewiesen. Die begehrte Vergütungsdifferenz sei durch Aufrechnung erloschen. Die Klägerin habe keinen weitergehenden Vergütungsanspruch. Im vorliegenden Behandlungsfall sei nicht die abgerechnete DRG G67A, sondern die DRG G67C zu kodieren. Die Nebendiagnose N17.91 hätte nicht verschlüsselt werden dürfen, weil bei der Versicherten ein akutes Nierenversagen im Stadium 1 nicht habe nachgewiesen werden können. Den am 29. Juni, 30. Juni und 2. Juli 2015 gemessenen Kreatininwerten lasse sich weder ein Anstieg um mindestens 50 vH gegenüber dem Ausgangswert innerhalb von sieben Tagen noch von absolut 0,3 mg/dl innerhalb von 48 Stunden entnehmen. Es fehlten Werte vor Beginn des Krankenhausaufenthaltes. Soweit der Sachverständige feststelle, ein Anstieg des Kreatinin-Serum-Werts von 0,3 mg/dl habe vorgelegen, so sei das schlicht falsch. Es treffe nicht zu, dass die Kriterien im Umkehrschluss auch bei einer erheblichen Reduzierung der Werte aufgrund von ärztlichen Therapiemaßnahmen gelten würden. Denn die Vergütungsregeln seien nach höchstrichterlicher Rechtsprechung streng nach ihrem Wortlaut auszulegen. Diese sprächen eindeutig von „Anstieg” und nicht von Abfall. Andernfalls könne auch nicht differenziert werden zwischen einer Niereninsuffizienz und einem akuten Nierenversagen, also einer plötzlichen Verschlechterung der Nierenfunktion. Die aus den fehlenden Vorwerten resultierenden Beweisschwierigkeiten gingen zu Lasten der Klägerin. Die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens sei nicht erforderlich gewesen, da die Definition des akuten Nierenversagens eine reine Rechtsfrage sei.

Gegen das ihr am 30. November 2018 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 28. Dezember 2018 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen eingelegt. Entgegen der Auffassung des MDK bedürfe es bei der Kodierung des sonstigen akuten Nierenversagens keiner Stadieneinteilung. Der ICD-Code Nr 17.X sowie der ICD-Code N19 verlange keinerlei Stadieneinteilung. In der Vergangenheit sei sowohl von der Fachgesellschaft als auch vom MDK beim DIMDI ein Änderungsvorschlag dahingehend unterbreitet worden, die Schlüsselnummern N17.x mit einer 5-Stelle zu differenzieren, um die jeweiligen Stadien konkret abbilden zu können. Die Änderungsvorschläge hätten jedoch keine Berücksichtigung gefunden, so dass unter den Code N 17.x alle Stadien zu subsumieren seien. Selbstverständlich gelten diese Kriterien im Umkehrschluss auch dann, wenn ein Versicherter mit einem erhöhten Kreatininwert stationär aufgenommen werde und sich dieser Wert sodann im Rahmen der stationären Behandlung aufgrund der Therapiemaßnahmen der behandelnden Ärzte in dem Umfang reduziere, der den Kriterien des akuten Nierenversagens gemäß der Definition der deutschen Gesellschaft für Nephrologie vom 26. Februar 2010 entspreche.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 16. November 2018 aufzuheben und

die Beklagte zu verurteilen, an sie 974,75 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17. Februar 2016 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält daran fest, dass sich die maßgeblichen Kriterien bei der Versicherten nicht feststellen ließen. Es fehlten Werte vor Beginn des Krankenhausaufenthaltes, um den Anstieg zu messen. Nach Rechtsprechung des BSG seien die Vergütungsregeln streng nach ihrem Wortlaut auszulegen und der Wortlaut spreche von „Anstieg”.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung mit Schriftsätzen vom 30. Juli und 4. August 2020 erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, den beigezogenen Verwaltungsvorgang und die Patientenakte der Versicherten verwiesen.

 

 

Entscheidungsgründe

 

Der Senat konnte über den Rechtstreit ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§124 Abs 2 SGG), weil sich die Beteiligten mit dieser Verfahrensweise schriftsätzlich einverstanden erklärt haben.

Die gemäߧ§ 143 ff SSG form- und fristgerecht erhobene Berufung der Klägerin ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg. Das Urteil des SG hält einer Überprüfung durch den Senat in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht stand.

Die Klage ist gemäß § 54 Abs 5 SGG als echte Leistungsklage im zwischen den Beteiligten bestehenden Gleichordnungsverhältnis zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin hat keinen weitergehenden Vergütungsanspruch.

  1. Die begehrte Vergütungsdifferenz iHv 974,75 Euro ist durch die von der beklagten Krankenkasse erklärte Aufrechnung mit einer unstreitigen Forderung untergegangen.

Rechtsgrundlage für die von einer Krankenkasse erklärte Aufrechnung mit einem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch zur Erfüllung von Vergütungsansprüchen der Krankenhäuser ist § 69 Abs 1 S 3 SGB V iVm §§ 387 ff Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Voraussetzung ist, dass sich zum Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung gegenseitige, gleichartige und fällige Forderungen gegenüberstehen, wobei die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung uneingeschränkt und fällig sein muss, die Hauptforderung dagegen lediglich erfüllbar zu sein braucht. Die Beklagte konnte hier in Höhe des streitigen Betrages von 974,75 Euro mit einer Gegenforderung aus öffentlichem Erstattungsanspruch gegen die Hauptforderung aufrechnen. Ein Erstattungsanspruch der Beklagten hat bestanden, weil die Klägerin für die stationäre Behandlung die DRG G67A statt der zu kodierenden G67C abgerechnet hat.

  1. Anspruchsgrundlage für die Vergütung ist § 109 Abs 4 Satz 3 SGB V in Verbindung mit § 7 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) und § 9 Abs 1 Satz 1 Nr 1 KHEntgG sowie § 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) und der vorliegend für den Behandlungs- und Abrechnungsfall im Jahr 2015 maßgeblichen Vereinbarung zum Fallpauschalensystem für Krankenhäuser für das Jahr 2015 (Fallpauschalenvereinbarung 2015 – FPV- 2013) sowie der am 01. November 1992 in Kraft getretene Vertrag zu den Bereichen des § 112 Abs. 2 Nr. 1, 2, 4 und 5 SGB V zwischen der Niedersächsischen Krankenhausgesellschaft und den Landesverbänden der Krankenkassen (Niedersächsischer Sicherstellungsvertrag). Seite 5/11Die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse entsteht – unabhängig von einer Kostenzusage – unmittelbar mit Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und iS von § 39 Abs 1 Satz 2 SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist (stRspr, vgl zß BSGE 102, 172 =SozR 4-2500 § 109 Nr 13, RdNr 11; BSGE 104, 15 =SozR 4-2500 § 109 Nr 17, RdNr 15; BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr 2, RdNr 13; alle mwN).

Für die Zuordnung eines bestimmten Behandlungsfalles zu einer DRG wird in einem ersten Schritt die durchgeführte Behandlung nach ihrem Gegenstand und ihren prägenden Merkmalen mit einem Kode gemäß dem vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit herausgegebenen “Operationen- und Prozedurenschlüssel nach § 301 SGB V” (OPS-301) verschlüsselt (§ 301 Abs. 2 S 2 SGB V). Zur sachgerechten Durchführung der Verschlüsselung (“Kodierung”) haben die Vertragspartner auf Bundesebene “Kodierrichtlinien” beschlossen. In einem zweiten Schritt wird der in den Computer eingegebene Kode einer bestimmten DRG zugeordnet, anhand der dann nach Maßgabe des Fallpauschalenkatalogs und der Pflegesatzvereinbarung die von der Krankenkasse zu zahlende Vergütung errechnet wird.

Das den Algorithmus enthaltene und ausführende Programm greift dabei auch auf Dateien zurück, die entweder als intergrale Bestandteile des Programms mit vereinbart sind oder die an anderer Stelle vereinbarte Regelungen wiedergeben. Zu letzten gehören die Fallpauschalen selbst, aber auch die Internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD-10) in der jeweiligen vom Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit herausgegebenen deutschen Fassung.

Die Anwendung der deutschen Kodierrichtlinien und der FPV-Abrechnungsbestimmungen einschließlich des ICD-10-GM und des OPS ist nicht automatisiert und unterliegt der Mitsteuerung der prozesshaften Tatbestandsbildung im Zusammenspiel mit den Vorgaben zertifizierter Grouper ihrerseits grundsätzlich den allgemeinen Auslegungsmethoden der Rechtswissenschaft. Die Abrechnungsbestimmungen sind gleichwohl wegen ihrer Funktion im Gefüge der Ermittlung des Vergütungstatbestandes innerhalb eines vorgegebenen Vergütungssystems eng am Wortlaut orientiert und unterstützt durch systematische Erwägungen auszulegen. Eine Vergütungsregelung, die für die routinemäßige Abwicklung von zahlreichen Behandlungsfällen vorgesehen ist, kann ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie allgemein streng nach ihrem Wortlaut sowie den dazu vereinbarten Anwendungsregeln gehandhabt wird und keinen Spielraum für weitere Bewertungen sowie Abwägungen belässt. Demgemäß sind Vergütungsregelungen stets eng an ihrem Wortlaut und allenfalls ergänzend nach ihrem systematischen Zusammenhang auszulegen; Bewertungen und Bewertungsrelationen bleiben außer Betracht. Da das DRG-basierte Seite 6/11Vergütungssystem vom Gesetzgeber als jährlich weiterzuentwickelndes und damit „lernendes” System angelegt ist, sind bei zutage tretenden Unrichtigkeiten oder Fehlsteuerungen in erster Linie die Vertragsparteien berufen, diese mit Wirkung für die Zukunft zu beseitigen (BSG Urteil vom 14. Oktober 2014, B 1 KR 26113 R mwN, juris Rn 12ff).

  1. b) Ausgehend von diesen Grundsätzen durfte die Klägerin im vorliegenden Behandlungsfall die DRG G67A nicht abrechnen, weil die Nebendiagnose N17.9 (akutes Nierenversagen, nicht näher bezeichnet) nicht verschlüsselt werden durfte.

Zur Klärung der Kodierfähigkeit eines akuten Nierenversagens als Nebendiagnose N17.9 bei der Versicherten bedurfte es nach den vorstehenden Ausführungen auch keines medizinischen Sachverständigen, da es sich um eine reine Rechtfrage handelt, die vom Gericht zu beurteilen ist. infolgedessen konnte das SG auch vorn erstinstanzlich eingeholten Sachverständigengutachten abweichen, ohne ein weiteres medizinisches (Gegen-)Gutachten einholen zu müssen, da der medizinische Sachverhalt keiner weiteren Aufklärung bedurfte. Für die Kodierfähigkeit steht vorliegend nämlich nicht in Frage, ob die behandlungsbedürftige Nierenschädigung der Versicherten das Patientenmanagement in der Weise beeinflusst hat, dass (zusätzliche) therapeutische Maßnahmen, diagnostische Maßnahmen, oder ein erhöhter Betreuungs-, Pflege und/oder Überwachungsaufwand erforderlich wurden, der zu einem zusätzlichen Ressourcenverbrauch geführt hat. Vorliegend steht allein zur Überprüfung, ob die Leistungslegende von N17.9 erfüllt ist.

Nach den KDIGO-Leitlinien (kidney Disease: lrnproving Global Outcomes, abgedruckt in Kidney International Supplements (2012 2, 8-12) liegt akutes Nierenversagen vor, wenn mindestens eines der folgenden Kriterien erfüllt ist:

  • Anstieg des Serumkreatinins über einen gemessenen Ausgangswert um mindestens 0,3 mg/dl innerhalb von 48 Stunden
  • Anstieg des Serumkreatinins von einem gemessenen Ausgangswert oder anzunehmenden Grundwert des Patienten um mindestens 50 % innerhalb der vorangehenden 7 Tage
  • Abfall der Urinausscheidung auf weniger als 0,5 ml/kg/h über mindestens 6 Stunden

Keines dieser Kriterien ist erfüllt, da es vorliegend an einem gemessenen Ausgangswert fehlt, der als Rechengröße in die Berechnung der Serumerhöhung einzustellen ist. Ausweislich der beigezogene Patientenakte und zwischen den Beteiligten unstreitig wurde nach dem Befund des Zentrallabors der höchste Kreatininwert am Aufnahmetag (29. Juni 2015) mit 2,57 mg/dl bestimmt. Dies stellt im Übrigen auch der Sachverständige o1 1in seinem nephrologischen Gutachten fest und führt die Serum-Entgleisung ursächlich auf ein prärenales Nierenversagen als Folge eines schwerwiegenden Volumenmangels zurück, die zu einer Minderperfusion der Niere geführt hat. Im weiteren Verlauf fällt der Kreatininwert infolge der lnfusionstherapie und Aussetzung einer Medikation am Folgetag auf 1,66 mg/dl und am 2. Juli auf 1,64 mg/dl. Dementsprechend hat das SG zutreffend herausgearbeitet, dass vorliegend ausschließlich ein Absinken des Kreatininwertes in der Patientenakte dokumentiert ist. Ein Kreatininwert vor stationärer Aufnahme ist nicht dokumentiert, sodass der für die Verschlüsselung eines akuten Nierenversagens vorausgesetzte Anstieg des Serum-Kreatinin um 0,3 mg/dl innerhalb von 48 Stunden oder ein Anstieg des Serum-Kreatinins auf mehr als das 1,5 fache eines bekannten/angenommen Ausgangswertes nicht nachgewiesen ist. Da die Ausgangswerte der Versicherten nicht bekannt sind und im Entlassungsbericht unter Nebendiagnosen eine Niereninsuffizienz aufgeführt wird, kann auch nicht der vom Zentrallabor ausgewiesene übliche Referenzwert bei Gesunden als Ausgangswert für eine Berechnung des Kreatininanstiegs unterstellt werden.

Wegen der engen Bindung des Gerichts an den Wortlaut bei der Auslegung, ist es dem Senat auch verwehrt, die Leistungslegende unter Zugrundelegung des von der Klägerin angeführten Umkehrschluss als erfüllt zu beurteilen. Der Wortlaut spricht von einem „Anstieg”, also einer Erhöhung. Wie oben bereits ausgeführt, lässt der Zweck der Vergütungsregelung, der in einer routinemäßigen Abwicklung in einer Vielzahl von Behandlungsfällen liegt, keinen Spielraum für weitere Bewertungen oder Abwägungen. Auch Bewertungen und Bewertungsrelationen müssen außer Betracht bleiben.

Dabei schließt der Senat nicht grundsätzlich aus, dass unter nephrologischer Betrachtung ein Umkehrschluss aus dem dokumentierten Abfallen des Kreatinin-Serums einen Rückschluss auf ein akutes Nierenversagen erlauben könnte. Allerdings bedürfte eine solche Annahme, um kodierfähig zu werden, einer korrigierenden Nachsteuerung durch die Vertragsparteien für die Zukunft.

Die Kostenentscheidung beruht auf§ 197a SGG iVm § 154 Abs 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Streitwertfestsetzung basiert auf§ 197a SGG iVm §§ 63 Abs 2, 52 Abs 1 Gerichtskostengesetz (GKG).

Die Revision war nicht zuzulassen (§ 160 Abs 2 SGG), da die Entscheidung nicht von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht.