Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 16/1 KR 351/14

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

L 16/1 KR 351/14

S 13 KR 1907/13 Sozialgericht Osnabrück

In dem Rechtsstreit

Paracelsus-Kliniken Deutschland GmbH & Co. KGaA, vertreten durch die Geschäftsführung

der Paracelsus-Kliniken-Deutschland Verwaltungs GmbH,

A.

– Klägerin und Berufungsbeklagte –

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte B.

gegen

Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See, vertreten durch die Geschäftsführung,

Wasserstraße 215,44799 Bochum

– Beklagte und Berufungsklägerin –

hat der 16. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen

ohne mündliche Verhandlung

am 20. Dezember 2016 in Celle

durch die Vorsitzende Richterin am Landessozialgericht Böhmer-Behr, die Richterin am

Landessozialgericht Ludewigs und den Richter am Landessozialgericht Kreschel sowie die

ehrenamtlichen Richter C. und D. für Recht erkannt:

Das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 17. Juli 2014 wird aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits

Der Streitwert wird auf 922,51 € festgesetzt.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

TATBESTAND

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Zahlung weiterer Krankenhausbehandlungskosten in Höhe von 922,51 € nebst Zinsen.

Die Klägerin ist Trägerin der Paracelsus-Klinik E.. Diese behandelte in der Zeit vom 10. September bis 13. September 2009 die bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte F. G., geboren 3. Februar 1930 (Versicherte).

Bei dieser wurde am 10. September 2009 ein Monitoring von Atmung, Herz und Kreislauf ohne Messung des pulmonalarteriellen Drucks und des zentralen Venendrucks (OPS 8930) und am 11. September 2009 u.a. eine transarterielle Links-Herz-Katheteruntersuchung (OPS 12752, 3608) durchgeführt. Die Diagnosen lauteten: Sonstige Form der Angina pectoris (I CD I20.8), Hypertensive Herzerkrankung ohne (kongestive) Herzinsuffizienz: ohne Angaben einer hypertensiven Krise (I11.90).

Die Klägerin stellte der Beklagten am 15. September 2009 unter Zugrundelegung der DRG F49E (lnvasive kardiologische Diagnostik außer bei akutem Myokardinfarkt, mehr als 2 Belegungstage, ohne äußerst schwere CC, Alter> 14 Jahre, ohne kardiales Mapping, ohne komplexen Eingriff) in Höhe von insgesamt 2.049,93 € in Rechnung. Die Beklagte beglich die Rechnung ohne Einschaltung ihres Sozialmedizinischen Dienstes vollständig.

Mit Schreiben vom 14. Oktober 2013 forderte die Beklagte unter Hinweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 21. März 2013 – B 3 KR 28/12 R – die Übersendung des Grundes der Aufnahme für den stationären Aufenthalt an. Unter dem 13. Dezember 2013 verrechnete die Beklagte mit anderen Forderungen der Klägerin im Rahmen einer Sammelrechnung den Betrag in Höhe von 922,51 €. Sie vertrat die Auffassung, dass bei regelhaft ambulant durchgeführten Behandlungen bzw. Eingriffen (z. B. die ambulanten Operationen nach § 115b Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – SGB V -) die stationäre Durchführung vom Krankenhaus unaufgefordert zu begründen sei. Diese Begründung sei Teil der Daten, die das Krankenhaus nach § 301 SGB V an die Krankenkasse zu übermitteln habe. Fehle es an einem Teil dieser Daten, sei die Rechnung nicht fällig. Die Krankenkasse könne innerhalb der Verjährungsfrist eine ergänzende Stellungnahme des Krankenhauses zu einzelnen Behandlungsfällen verlangen, ohne dass dieses sich auf Verwirkung berufen könne. Sie könne daher innerhalb der Verjährung fordern, dass das Krankenhaus die Datennach § 301 SGB V vervollständige.

Dieser Auffassung widersprach die Klägerin in verschiedenen Schreiben. Sie vertrat die Ansicht, dass das BSG allenfalls die erforderlichen Angaben zum Grund der Aufnahme gefordert habe. Die Beklagte habe in den bereits abgeschlossenen Fällen jeweils die Möglichkeit gehabt, sowohl den Kurzbericht auf Basis des Landesvertrages nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V anzufordern als auch eine Prüfung durch den Sozialmedizinischen Dienst einzuleiten. Eine nachträgliche Berufung auf das BSG-Urteil sei in bereits abgeschlossenen Abrechnungsfällen nach dem Grundsatz von Treu und Glauben zurückzuweisen.

Am 20. Dezember 2013 hat die Klägerin Klage auf Zahlung von 922,51 € nebst Zinsen erhoben. Die Klage sei zulässig, die Notwendigkeit eines vor Klageerhebung durchzuführenden Schlichtungsverfahrens nach § 17c Abs. 4b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) bestehe nicht. Der Klägerin stehe der Vergütungsanspruch nach § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V i. V. m. § 7 Satz 1 Nr. 1 Krankenhausentgeltgesetz und der maßgeblichen Pflegesatzvereinbarung zu. Das BSG habe in seinem Urteil § 301 Abs. 1 SGB V als auch die Datenübermittlungsvereinbarung unzulässig erweitert. Nach der Rechtsprechung des BSG sei in derartigen Fällen über die Angabe der Erkrankung hinaus auch eine Mitteilung erforderlich, warum die Behandlung ausnahmsweise stationär durchgeführt werden müsse. Nach Maßgabe des § 301 Abs. 1 Satz 1 Nr.3 SGB V müssten Informationen zum Grund der Aufnahme übermittelt werden. Der vorliegende Behandlungsfall datiere jedoch aus September 2009, mithin 3 Jahre vor der ersten, mehr als 3,5 Jahre vor der zweiten Entscheidung des BSG. Die von der Beklagten durchgeführte Verrechnung verstoße gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Eine Rückwirkung der Rechtsprechung des BSG zur Übersendung eines Grundes der Aufnahme greife nicht. Weder eine gesetzliche noch eine landesvertragliche Norm sehe die Übersendung des Grundes der Aufnahme in AOP-Fällen ausdrücklich vor. Die ausgeurteilte Rechtslage entspringe ausschließlich einer richterlichen Rechtsfortbildung, die bis zur Verkündung der Urteile durch das BSG weder vorhersehbar noch Gegenstand der juristischen Diskussion gewesen sei. Diese Rechtsprechung könne keine Wirkung für die Vergangenheit entfalten. Die Krankenkassen seien vor Veröffentlichung der BSG-Urteile keinesfalls davon ausgegangen, dass im Rahmen des gemäß § 301 SGB V zu übermittelnden Aufnahmedatensatzes nähere Ausführungen zum Grund der Aufnahme erforderlich gewesen wären. Anderenfalls hätten sie bereits zu einem früheren Zeitpunkt die Übersendung eines Grundes der Aufnahme abgefordert und angemahnt. Die Beklagte dürfe sich nicht auf die fehlende Fälligkeit der Rechnung berufen. Selbst wenn davon auszugehen wäre, dass in bereits abgeschlossenen Fällen eine gesonderte Begründung für die stationäre Aufnahme erforderlich gewesen wäre und es der Krankenkasse auch nicht verwehrt werden sollte, sich darauf zu berufen, könne die Krankenkasse sich nicht darauf berufen, dass sie auf eine zum Zeitpunkt der Zahlung noch nicht fällige Forderung geleistet habe. Die Zahlungspflicht der Beklagten sei mit der Inanspruchnahme der stationären Behandlung durch den Versicherten tatsächlich entstanden. Dies ergebe sich aus § 271 Abs. 1 und 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Nach § 813 Abs. 2 BGB könnten Leistungen auf eine bestehende, aber noch nicht fällige Forderung im Rahmen der ungerechtfertigten Bereicherung nicht kondiziert werden. Dieser Rechtsgedanke sei auf den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch zu übertragen. Zudem unterlägen öffentlich-rechtliche Erstattungsansprüche zeitlichen Grenzen. Die Beklagte habe im Jahr 2013 den angeblichen Erstattungsanspruch aus dem Jahre 2009 geltend gemacht. Dies sei mit dem Urteil des BSG vom 18. Juli 2013 – B 3 KR 22/12 R – nicht vereinbar, wonach es Krankenhäusern wegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz von Treu und Glauben grundsätzlich verwehrt sei, außerhalb des vollständigen Geschäftsjahres Abrechnungskorrekturen vorzunehmen. Zudem sei der Erstattungsanspruch verwirkt.

Das Sozialgericht Osnabrück (SG) hat mit Urteil vom 17. Juli 2014 die Beklagte verurteilt, der Klägerin 922,51 € nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 13. Dezember 2013 zu zahlen. Es hat zur Begründung ausgeführt, die Klage sei zulässig. Ein Schlichtungsverfahren nach § 17c Abs. 4b Satz 3 des KHG in der ab 1. August 2013 geltenden Fassung sei nicht durchzuführen. Eine Abrechnungsprüfung nach § 275 Abs. 1 c SGB V habe hier nicht stattgefunden. Es sei unerheblich, dass die Paracelsus-Klinik E. der Beklagten auf die Aufforderung vom 13. Oktober 2013 keinen Grund für die Durchführung der stationären Behandlung mitgeteilt und keine Behandlungsunterlagen zur Verfügung gestellt habe, da die Weigerungshaltung ausschließlich darauf zurückzuführen sei, dass die Beklagte das Prüfverfahren ohne einen konkreten auf den Behandlungsfall bezogenen nachvollziehbaren Grund über vier Jahre nach Rechnungserhalt eingeleitet habe, was einen berechtigten Grund darstelle, der Beklagten keine weiteren Daten über den Behandlungsfall mitzuteilen.

Der Anspruch der Klägerin in Höhe von 922,51 € aus einer unstreitigen Forderung sei nicht durch die Aufrechnung der Beklagten gemäß § 69 Abs. 4 SGB V i. V. m. § 389 BGB erloschen. Die Aufrechnung sei nicht wirksam, weil der der’ Beklagten möglicherweise zustehende Rückforderungsanspruch auf Grund einer Verwirkung nicht mehr durchsetzbar gewesen sei. Die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs stehe unter dem Vorbehalt von Treu und Glauben nach § 242 BGB, da § 69 SGB V auch für die Rechtsbeziehungen der Beteiligten gelte. Es sei ein längerer Zeitraum verstrichen. Die Beklagte hätte bereits nach der Rechnungsstellung im September 2009 die Abrechnung der Paracelsus-Klinik E. überprüfen können. Auf Grund der Pflicht zur Beschleunigung des Abrechnungsverfahrens sei ein Abwarten von über vier Jahren zu lang. Das Umstandsmoment setze voraus, dass der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen dürfe, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde und der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut habe, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde und sich infolge dessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet habe (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde. Die Beklagte habe den Tatbestand des Verwirkungsverhaltens nicht durch ein aktives Tun erfüllt, was grundsätzlich erforderlich sei. Im vorliegenden Fall sei das über vierjährige Unterlassen der Rechnungsprüfung auf Grund des Beschleunigungsgebotes bei der Überprüfung von Krankenhausrechnungen durch Krankenkassen ausnahmsweise ausreichend. Die Klägerin habe darauf vertrauen dürfen, dass die Beklagte einen möglicherweise bestehenden Rückforderungsanspruch nicht mehr geltend machen werde. Maßgeblich hierfür sei, dass die Beklagte keine Auffälligkeiten benennen könne, die sie zur Einleitung des Prüfverfahrens veranlasst hätten. Die Beklagte stütze sich ausschließlich auf die Rechtsprechung des BSG und mache geltend, dass die Forderung nicht fällig gewesen sei, weil die Klägerin keinen Grund für die stationäre Behandlung genannt habe. Leiste die Krankenkasse auf eine nicht fällige Forderung, begründe dies für sich genommen keinen Rückforderungsanspruch, da die Fälligkeit die Durchsetzung der Forderung betrifft, nicht aber deren Entstehung. Die Klägerin habe sich infolge dessen in ihren Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet, dass ihr durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde. Es sei nicht davon auszugehen, dass die Klägerin bis zum Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist Rücklagen für einen Rückforderungsanspruch gebildet habe. Zudem wären mit der Geltendmachung und Durchsetzung einer Vielzahl von Rückforderungsansprüchen kurz vor Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist untragbare Auswirkungen auf die Grundlage der jahresbezogenen Budgetverhandlungen verbunden.

Gegen das am 30. Juli 2014 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 19. August 2014 Berufung vor dem Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen erhoben. Der Erstattungsanspruch sei weder verjährt noch verwirkt. Sie trägt vor, dass das Rechtsinstitut der Verwirkung als ergänzende Regelung innerhalb der kurzen vierjährigen Verjährungsfrist grundsätzlich nicht passe. Es finde nur in besonderen, engen Ausnahmekonstellationen Anwendung. Das SG habe die Verwirkung auslösende Umstände zu Unrecht angenommen, es sei rechtswidrig davon ausgegangen, dass die Klägerin auf Grund der vier Jahre lang unterlassenen Rechnungsprüfung hätte darauf vertrauen dürfen, dass die Beklagte einen möglicherweise bestehenden Rückforderungsanspruch nicht mehr geltend machen werde. Grund für die Einleitung des Prüfverfahrens sei die Tatsache gewesen, dass die Klägerin einen Eingriff, der im Katalog für ambulantes Operieren im Krankenhaus gelistet sei, unter vollstationären Bedingungen durchgeführt habe. Hier liege eine Auffälligkeit vor, welche eine Krankenkasse dazu berechtige, ohne weiteres ein Prüfverfahren einzuleiten. Der bloße Zeitablauf könne für sich keine Verwirkung begründen. Der Umstand, dass eine Krankenkasse bis kurz vor Ablauf der Verjährungsfrist mit der Geltendmachung der Forderung warte, genüge allein nicht. Mangelnde Mitwirkung des Krankenhauses, z. B. die Weigerung entsprechende medizinische Unterlagen vorzulegen, könne dazu führen, dass der Vergütungsanspruch ohne weitere Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen als nicht erwiesen anzusehen sei. Der Rechtsgedanke des § 813 Abs. 2 BGB stehe der geltend gemachten Rückforderung nicht entgegen. Soweit die Beklagte vortrage, dass die vol/stationäre Behandlungsbedürftigkeit sich bereits aus den nach § 301 SGB V übersandten Daten ergebe, trage sie nichts Konkretes vor.

Die Beklagte beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen,

das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 17. Juli 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Es liege ein doppelter Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben vor. Die Rechtsprechung des BSG zu § 301 SGB V könnte keine Rückwirkung entfalten. Sie stelle sich als richterliche Rechtsfortbildung dar, die weder ein rechtskundiger Verfahrensbevollmächtigter noch eine juristisch ungebildet Naturalperson hätte erahnen können. Auch die Beklagte sei davon überrascht worden. Nicht anders sei es zu erklären, dass diese erst erheblich nach der Rechtsprechung des BSG vom 16. Mai 2012 – B 3 KR 14/11 R – im Oktober 2013 damit begonnen habe, nachträglich die Gründe der Aufnahme rückwirkend für den gesamten Verjährungszeitraum zu verlangen. Zum Zeitpunkt der Rechnungsstellung sei kein “Grund der Aufnahme” an den Kostenträger zu übersenden gewesen. Der Erstattungsanspruch könne nicht außerhalb des vollständigen Geschäftsjahres geltend gemacht werden. Dies ergebe sich aus dem Urteil des BSG vom 18. Juli 2013 – B 3 KR 22/12 R -, das deutlicher, konsequenter und überzeugender sei als das Urteil des 1. Senats vom 1. Juli 2014 – B 1 KR 2/13 R -. Diese Rechtsprechung sei nach dem Prinzip der “Waffengleichheit” selbstverständlich auch auf das Erstattungsverlangen der Krankenkassen zu übertragen. Zudem greife das Rechtsinstitut der Verwirkung hier ein. Es liege ein eng umgrenzter Ausnahmefall vor. Überdies sei § 813 Abs. 2 BGB heranzuziehen. Das von der Beklagten zitierte Urteil des BSG vom 1. Juli 2014 – B 1 KR 2/13 R – betreffe § 814 BGB. Schließlich sei der “Grund der Aufnahme” bereits aus den übersandten Daten nach § 301 SGB V ersichtlich. Die Beklagte hätte die notwendigen Angaben schon zweifelsfrei dem vom Krankenhaus übermittelten Datensatz entnehmen können. Aus den Nebendiagnosen gehe bereits hervor, dass eine vol/stationäre Behandlungsbedürftigkeit notwendig gewesen sei. Es habe eine notfallmäßige Einweisung vorgelegen. Hätte die Beklagte Zweifel daran gehabt, hätte sie den Sozialmedizinischen Dienst einschalten müssen.

Die Klägerin bezieht sich auf verschiedene erstinstanzliche Urteile sowie die Rechtsprechung des 4. Senats des LSG Niedersachsen-Bremen (Urteil vom 4. Juli 2016, Aktenzeichen L 4 KR 349/14).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die die Patientin F. G. betreffende Krankenakte der Klägerin und die Gerichtsakte Bezug genommen. Diese haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung geworden.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

Der Senat konnte über den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden, da sich die Beteiligten schriftsätzlich mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben.

Die gemäß §§ 143 f SGG form- und fristgerecht erhobene Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Das Urteil des SG Osnabrück vom 17. Juli 2014 war aufzuheben. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung der streitigen Vergütung in Höhe von 922,51 € nebst Zinsen gegen die Beklagte. Die von der Beklagten erklärte Aufrechnung ist nicht rechtswidrig. Sie verstößt nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben.

Die von der Klägerin erhobene (echte) Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 8GG) ist im hier bestehenden Gleichordnungsverhältnis zulässig, aber nicht begründet.

1. Das GG hat zu Recht ausgeführt, dass die Klage nicht mangels eines vorausgegangenen Schlichtungsverfahrens (§ 17 c KHG) unzulässig ist. Das Zulässigkeitserfordernis eines vorangegangenen fehlgeschlagenen Schlichtungsversuchs greift hier nicht. Danach ist bei Klagen, mit denen nach Durchführung einer Abrechnungsprüfung nach § 275 Abs. 1c SGB V eine streitig gebliebene Vergütung gefordert wird, vor Klageerhebung ein Schlichtungsverfahren durchzuführen, wenn der Wert der Forderung 2000 € nicht übersteigt. Vorliegend fehlt es an einer Abrechnungsprüfung durch MDK bzw SMD. Dies schließt das Eingreifen der Zulässigkeitsvoraussetzungen des erfolglosen Schlichtungsversuchs aus (vgl. BSG, Urteil vom 23. Juni 2015 – B 1 KR 26/14 R). Auf die Ausführungen in dem Urteil des SG wird insoweit Bezug genommen.

2. Der Anspruch der Klägerin in Höhe von 922,51 € ist durch die Aufrechnung der Beklagten gemäß § 69 Satz 4 SGB V i. V. m. § 389 BGB erloschen. Die Beklagte hatte die (Teil-)Vergütungsforderung der Klägerin für die Behandlung der Versicherten G. in der Zeit vom 10. September bis 13. September 2009 ohne Rechtsgrund erfüllt.

Der anderweitige Vergütungsanspruch für Krankenhausbehandlung erlosch dadurch, dass die Beklagte wirksam mit ihrem öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch wegen Überzahlung der Vergütung für die Krankenhausbehandlung der Versicherten analog § 387 BGB die Aufrechnung erklärte. Der Vergütungsanspruch der Klägerin und der von der Beklagten abgerechnete öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch waren gegenseitig und gleichartig (vgl. BSG SozR 4-2500 § 264 Nr. 3 Rdnr. 16). Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch war fällig und der Vergütungsanspruch der Klägerin erfüllbar. Der Anspruch setzt u. a. voraus, dass der Berechtigte im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnisses Leistungen ohne rechtlichen Grund erbracht hat (BSG SozR 4-2500 § 164 Nr. 3 Rdnr. 15; BSG, Urteil vom 19. Apri/2016 – B 1 KR 21/15 R Rdnr. 10).

a. Die Beklagte zahlte der Klägerin 922,51 € ohne Rechtsgrund. Die Klägerin hatte (jedenfalls in der hier noch streitigen Höhe) keinen Vergütungsanspruch für die Behandlung der Versicherten vom 10. September 2009 bis 13. September 2009.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG entsteht der Vergütungsanspruch für die Krankenhausbehandlung und damit korrespondierend die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten kraft Gesetzes, wenn die Versorgung in einem Krankenhaus erfolgt und im Sinne von § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist (BSGE 102, 172 = SozR 4-2500 § 109 Nr. 13; BSGE 102, 181 = SozR 4-2500 § 109 Nr. 15; BSGE 109, 236 = SozR 4-5560 § 17b Nr.2; BSG, Urteil vom 23. Juni 2015 – B 1 KR ·20/14 R – Rdnr. 9). Der Vergütungsanspruch umfasst Leistungen, zu denen das erbringende Krankenhaus zugelassen ist, die es sachlich-rechnerisch richtig abgerechnet sowie wirtschaftlich und qualitätsgerecht erbracht hat (BSG, Urteil vom 31. Mai 2016 – B 1 KR 39/15 R Rdnr 9).

Das Krankenhaus der Versicherten hat in der Zeit vom 10. September 2009 bis 13. September 2009 die bei der Beklagten versicherte F. G. vollstationär behandelt und die DRG F49E (Invasive kardiologische Diagnostik außer bei akutem Myokardinfarkt, mehr als 2 Belegungstage, ohne äußerst schwere CC, Alter> 14 Jahre, ohne kardiales Mapping, ohne komplexen Eingriff) abgerechnet.

Es ergibt sich aus den vorliegenden Unterlagen jedoch nicht, dass die vol/stationäre Krankenhausbehandlung der Versicherten erforderlich war. Dies richtet sich nach den medizinischen Erfordernissen. Ermöglicht es der Gesundheitszustand des Patienten, das Behandlungsziel durch andere Maßnahmen, insbesondere durch ambulante Behandlung zu erreichen, besteht kein Anspruch auf stationäre Behandlung und damit auch kein Vergütungsanspruch des Krankenhauses (BSG, Urteil vom 23. Juni 2015 B 1 KR 26/14 Rdnr 35 mwN). Das Krankenhaus muss in Fällen, in denen ambulante Behandlung ausreicht, Angaben zu Begleiterkrankungen oder zu sonstigen Gründen der Aufnahme machen, die Anlass für die stationäre Versorgung der Versicherten gaben. Ohne solche Angaben darüber, warum eine stationäre Behandlung erforderlich ist, fehlen Informationen über den “Grund der Aufnahme” und damit eine der zentralen Angaben, die das Krankenhaus für die ordnungsgemäße Abrechnungsprüfung braucht (BSG, aaO, Rdnr 36).

Bei der Versicherten wurde eine transarterielle Links-Herzkatheteruntersuchung durchgeführt (OPS 301 Version 2009 1-275.2). Abschnitt 2 des AOP-Vertrags 2009 Ambulant durchführbare Operationen und sonstige stationsersetzende Eingriffe gemäß § 115 b außerhalb Anhang 2 zu Kapitel 31 des EBM stuft die durchgeführte Prozedur in die Kategorie 2 ein. Diese umfasst Leistungen, die ambulant oder stationär erbracht werden können. § 115 b SGB V ermöglicht es, zugelassenen Krankenhäusern zusätzlich in einem Bereich ambulant tätig zu werden, in dem auch vertragsärztliche Leistungen erbracht werden. Die Krankenhäuser stehen insoweit vertragsärztlichen Leistungserbringern gleich. Der vertragliche Leistungskatalog (§ 115 b SGB V) umfasst ambulant durchführbare Operationen und stationsersetzenden Eingriffe (Anlage 1 zum AOP-Vertrag). Er sieht einheitliche Vergütungen für Krankenhäuser und Vertragsärzte vor. Die Mittel sind aus der Gesamtvergütung und den Budgets der Seite 10/20 zum ambulanten Operieren zugelassenen Krankenhäuser aufzubringen (BSG, Urteil vom 1. Juli 2014 – B 1 KR 1/13 R Rdnr 9 ff). Lassen weder die übermittelten Hauptdiagnosen noch die OPS-Nummern den Schluss zu, dass die Behandlung stationär erfolgen musste, hat das Krankenhaus von sich aus auch zur Begründung der Fälligkeit der Forderung gegenüber der Krankenkasse die erforderlichen ergänzenden Angaben zu machen (BSG, Urteil vom 23. Juni 2015 – B 1 KR 26/14 R Rdnr 38). Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um Leistungen nach der Kategorie 1 oder 2 handelt. Werden diese Leistungen nicht ambulant erbracht, besteht Anlass für das Krankenhaus, den Grund der stationären Aufnahme näher darzulegen (ausdrücklich BSG, Urteil vom 21. März 2013 – B 3 KR 28/12 R Rdnr 21, 22 zur Herzkatheteruntersuchung).

Die Klägerin hat weder in der Abrechnung noch auf ausdrückliche Nachfrage dargelegt, dass ein Grund bestand, die Versicherte stationär zu behandeln. Insoweit war die Klägerin gehalten, der Beklagten jedenfalls auf die Anforderung im Jahre 2013 einen die stationäre Behandlung rechtfertigenden “Grund der Aufnahme” mitzuteilen. Daran fehlt es hier.

Grundvoraussetzung der Fälligkeit eines entstandenen Anspruchs auf Vergütung von Krankenhausbehandlung eines Versicherten ist eine formal ordnungsgemäße Abrechnung (BSG, Urteil vom 21. April 2015 – B 1 KR 10/15 R – Rdnr. 10). Nach § 13 Abs. 6 des Niedersächsischen Landesvertrages hat die Krankenkasse die Rechnung unverzüglich, spätestens innerhalb von 14 Tagen nach Rechnungsdatum zu zahlen. Eine formal ordnungsgemäße Abrechnung setzt eine ordnungsgemäße Information der Krankenkasse über die vom Krankenhaus abgerechnete Versorgung nach Maßgabe der Informationsobliegenheiten und gegebenenfalls -pflichten voraus (BSG, Urteil vom 21. März 2015 – B 1 KR 10/15 R – Rdnr. 10). Die Fälligkeit des Vergütungsanspruchs tritt nach der Rechtsprechung des BSG dann nicht ein, wenn schon die Rechnung nicht den Anforderungen des § 301 SGB V genügt und deshalb keine formal ordnungsgemäße Abrechnung des Krankenhauses vorliegt (BSGE 90, 1, 3 = SozR 3-2500 § 112 Nr. 3 Seite 22; BSG SozR 4-2500 § 109 Nr. 1 Rdnr. 12; BSG, Urteile vom 13. November 2012 – B 1 KR 14/12 R -, 21. März 2013 – B 3 KR 28/12 R – Rdnrn. 13, 14 und 27. November 2014 – B 3 KR 7/13 R –).

In § 301 SGB V sowie gegebenenfalls ergänzenden landesvertraglichen Bestimmungen ist abschließend aufgezählt, welche Angaben die Krankenhäuser den Krankenkassen bei einer Krankenhausbehandlung ihrer Versicherten unmittelbar zu übermitteln haben. Damit sind die Mindestangaben bezeichnet, die die Krankenkasse insbesondere zur ordnungsgemäßen Abrechnung, der Prüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung, zur Überprüfung der Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung, der Verweildauer sowie für die Wirtschaftlichkeitsprüfung der Krankenhäuser benötigt (BSG, Urteile vom 21. März 2013 – B 3 KR 28/12 R – Rdnr. 13, 10. März 2015 – B 1 KR 4/15 R – Rdnrn. 16, 18). Die formal ordnungsgemäßen Angaben nach § 301 SGB V, die Voraussetzung für die Fälligkeit sind, sollen mithin die Prüfung durch die Krankenkasse oder den MDK ermöglichen. Die Informationen nach § 301 Abs. 1 Nr. 3 SGB V dienen als Grundlage der Abrechnungsprüfung.

Das BSG hat mit Urteilen vom 16. Mai 201.2 – B 3 KR 14/11 R -, 21. März 2013 – B 3 KR 28/12 R – Rdnr. 17, 21. April 2013 – B 1 KR 10/15 R – entschieden, dass in den Fällen, in denen ambulante Behandlung ausreichend ist, nicht nur eine Aufnahmediagnose, sondern auch die Angaben zu Begleiterkrankungen oder sonstige Gründe, die Anlass für eine stationäre Versorgung der Versicherten hätten geben können, anzugeben sind. Ohne solche Angaben darüber, warum ausnahmsweise eine stationäre Behandlung erforderlich ist, fehlen Informationen über den “Grund der Aufnahme” und damit eine der zentralen Angaben, die eine Krankenkasse für die ordnungsgemäße Abrechnung benötigt. Nach dem vom BSG entwickelten dreistufigen Prüfungsschema zu den wechselseitigen Auskunfts-, Prüf- und Mitwirkungspflichten zwischen Krankenhäusern, Krankenkassen und MDK sind zwingend auf der ersten Stufe der Sachverhaltsermittlung Angaben nach § 301 Abs. 1 SGB V zu machen. Nach dieser Vorschrift ist das Krankenhaus verpflichtet, der Krankenkasse wesentliche Aufnahme- und Behandlungsdaten zu übermitteln, die aus datenschutzrechtlichen Gründen abschließend und enumerativ aufgelistet sind. Auf der zweiten Stufe hat die Krankenkasse beim MDK eine gutachtliche Stellungnahme einzuholen, die auf der Grundlage der der Krankenkasse zur Verfügung stehenden Unterlagen, also insbesondere der Angaben nach § 301 SGB V zu erstellen ist. Auf der dritten Stufe der Sachverhaltserhebung, dem förmlichen Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. 1 c SGB V hat das Krankenhaus alle weiteren Angaben zu erteilen und gegebenenfalls weitere Unterlagen vorzulegen, das Krankenhaus ist zu deren Vorlage verpflichtet, weil in einem solchen Fall allein durch die Angaben gemäß § 301 SGB V eine zuverlässige Beurteilung der Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit oder anderer Fragen der Abrechnung nicht möglich ist (BSG, Urteil vom 27. November 2014 – B 3 KR 7/13 R – Rdnr. 18; Urteil  vom 21. März 2013 – B 3 KR 28/12 R -). Die Angaben dienen auch dazu, die Anspruchsvoraussetzung der “Erforderlichkeit” der Krankenhausbehandlung zu belegen.

Verweigert das Krankenhaus diese Angaben trotz eines Hinweises auf ihre Erforderlichkeit, darf das Gericht davon ausgehen, dass die Anspruchsvoraussetzungen nicht erfüllt sind (BSG, Urteil vom 23. Juli 2015 – B 1 KR 26/14 R – Rdnr. 36). Versäumen es Beteiligte, insbesondere tatsächliche Umstände aus ihrer eigenen Sphäre anzugeben, kann für das Gericht der Anlass entfallen, diesen Fragen weiter nachzugehen, weil sich die Notwendigkeit weiterer Ermittlungen dann nicht aufdrängt (BSG, aaO, Rdnr.37).

Dass die Rechtsprechung des BSG, wonach über § 301 Abs. 1 SGB V auch weitere Daten zu übermitteln sind, die die Krankenkasse benötigt, um die Rechnung auf ihre Plausibilität hin zu prüfen, aus den Jahren 2012 und 2013 datiert, während die Behandlung der Versicherten im Jahre 2009 lag, steht dem nicht entgegen. Dem Krankenhaus obliegt es unbefristet, die tatsächlichen Voraussetzungen der Vergütung darzutun (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2014 – B 1 KR 29/13 R). Ein Vertrauenstatbestand liegt nicht vor. Auch den Entscheidungen des BSG vom 16. Mai 2012 – B 3 KR 14/11 R, 21. März 2013 – B 3 KR 28/12 Rund 21. Apri/2015 – B 1 KR 10/15 R sowie der Entscheidung des BSG vom 26. Juni 2015 – B 1 KR 26/14 R lagen weit zurückliegende Sachverhalte zu Grunde.

b. Der Anspruch der Beklagten war weder verjährt noch verwirkt.

Grundsätzlich unterliegt der Vergütungsanspruch der Krankenhäuser für die Behandlung Versicherter der vierjährigen sozialrechtlichen Verjährung (BSG, Urteil vom 21. April 2015 – B 1 KR 11/15 R). Der Anspruch der Krankenkasse gegen den Krankenhausträger auf Erstattung der zu Unrecht gezahlten Vergütung unterliegt ebenfalls einer vierjährigen Verjährung (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 21. April 2015 – B 1 KR 11/15 R Rdnr. 20 mwN). Krankenkassen sind jederzeit berechtigt, die sachlich-rechnerische Richtigkeit einer Abrechnung von Krankenhausvergütungen mit Blick auf nicht verjährte Erstattungsforderungen zu überprüfen (BSG, Urteil vom 1. Juli 2014 B 1 KR 29/13 R Rdnr 17).

Die Verjährung der streitigen Erstattungsforderung begann nach Ablauf des Jahres 2009. Der öffentlich-rechtliche Erstattungsanspruch im gleichgeordneten Leistungserbringungsverhältnis entsteht bereits im Augenblick der Überzahlung, hier also mit der vollständigen Begleichung der Rechnung im Jahre 2009 (vgl. BSG, Urteil vom 23. Juni 2015 – B 1 KR 26/14 R Rdnr. 44). Das Wirtschaftlichkeitsverbot verbietet Überprüfungsmöglichkeiten der Krankenkassen gegenüber Vergütungsansprüchen der Krankenhäuser über die allgemeinen gesetzlichen Rahmenvorgagen hinaus zeitlich einzuschränken (BSG, Urteil vom 21. April 2015 – B 1 KR 11/15 R –).

Das Rechtsinstitut der Verwirkung passt als ergänzende Regelung innerhalb der kurzen vierjährigen Verjährungsfrist grundsätzlich nicht. Es findet nur in besonderen, engen Ausnahmekonstellationen Anwendung (BSG SozR 4-2500 § 264 Nr. 4 Rdnr. 15; BSGE 112, 141 = SozR 4-2500 § 275 Nr.8 Rdnr.37; BSG, Urteile vom 23. Juni 2015 – B 1 KR 26/14 R – Rdnr. 45 ff; 19. Apri/2016 – B 1 KR 33/15 R; 5. Juli 2016 – B 1 KR 40/15 R; vgl. Urteil des erkennenden Senates vom 20. Dezember 2016 – L 1/16 KR 21/15 – Verwirkung der Nachforderung des Krankenhauses nach Ablauf eines Rechnungsjahres nach Erteilung der vorbehaltlosen Schlussrechnung). Die Verwirkung als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ist grundsätzlich auch für das Sozialversicherungsrecht, insbesondere für Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung anerkannt. Sie setzt als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung voraus, dass der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraums unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalles und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltend machen des Rechts dem Verpflichteten gegenüber nach Treu und Glauben als illoyal erscheinen lassen. Solche, die Verwirkung auslösenden “besonderen Umstände” liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage) und der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolge dessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (BSG, Urteil vom 23. Juni 2015 – B 1 KR 26/14 R Rdnr. 46). Der bloße Zeitablauf stellt kein die Verwirkung begründendes Verhalten dar. Der Umstand, dass die Beklagte bis kurz vor Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist mit der Geltendmachung der Forderung gewartet hat, genügt somit allein als Vertrauenstatbestand nicht. Nichtstun als Unterlassen, kann ein schutzwürdiges Vertrauen in Ausnahmefällen allenfalls dann begründen und zur Verwirkung des Rechts führen, wenn der Schuldner dieses als bewusst und planmäßig erachten darf (BSG, aaO, Rdnr.48).

Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG durfte die Beklagte innerhalb der vierjährigen Verjährungsfrist eine Prüfung durchführen. Sie hat die Klägerin mit Schreiben vom 14. Oktober 2013 .,.und damit innerhalb der vierjährigen Verjährungsfristaufgefordert, eine Begründung zu übersenden, weshalb hier eine vollstationäre Behandlungsbedürftigkeit der Versicherten bestand, was die Klägerin unter Hinweis auf Treu und Glauben abgelehnt hat. Die Klägerin ist dabei davon ausgegangen, dass aufgrund der Tatsache, dass keine Prüfung durch den SMD eingeleitet worden sei, die Notwendigkeit der stationären Behandlung von der Beklagten uneingeschränkt bejaht worden sei. Eine nachträgliche Berufung auf das BSG-Urteil und die angebliche Verpflichtung, auch bei bereits abgeschlossenen Abrechnungsfällen Angaben zum Grund der Aufnahme nachzureichen, sei nach dem Grundsatz von Treu und Glauben zurückzuweisen. Diese Auffassung trägt unter Berücksichtigung der Entscheidung des BSG vom 23. Juni 2015 – B 1 KR 26/14 R – nicht. Danach kann die Krankenkasse also hier die Beklagte – auch innerhalb der Verjährung fordern, dass das Krankenhaus die Daten nach § 301 SGB V vervollständigt. Es besteht dabei keine Obliegenheit oder Verpflichtung der Krankenkassen, Zweifel an der Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen durch substantiierten Vortrag zu untermauern (BSG, Urteil vom 1. Juli 2014 – B 1 KR 29/13 R Rdnr 17mwN). Die Klägerin hat auf Anforderung der Beklagten keine weiteren Angaben geliefert, sondern erst im Berufungsverfahren darauf verwiesen, dass angesichts der Nebendiagnosen eine vollstationäre Behandlung plausibel gewesen sei. Dieses Vorbringen ist in Hinblick auf die Ausführungen des BSG in der Entscheidung vom 23. Juli 2015 – B 1 KR 26/14 R Rdnr 36 verspätet.

c. Darüber hinaus ergibt sich die medizinische Notwendigkeit der vollstationären Behandlung der Versicherten nicht aus den Nebendiagnosen Hypertensive Herzkrankheit ohne Herzinsuffizienz, ohne Angaben einer hypertensiven Krise. Die stationäre Aufnahme erfolgte am 10. September 2009 um 12. 00 Uhr, für diesen Tag ist ein Monitoring von Atmung, Herz und Kreislauf ohne Messung des Pulmonalarteriendruckes (- und des zentralen Venendruckes aufgeführt. Eine hypertensive Krise lag gerade nicht vor. Der Eingriff (Linksherzkatheteruntersuchung) wurde erst am 11. September 2009 durchgeführt. Als Abteilungstyp wurde Belegabteilung gemeldet. Aus diesen Angaben ist eine stationäre Behandlungsbedürftigkeit nicht erkennbar. Tatbestände, die eine stationäre Operation erforderlich gemacht hätten, sind von der Klägerin gerade nicht vorgebracht worden. Die Klägerin hat es versäumt, die tatsächlichen Umstände, die ihrer Auffassung nach eine stationäre Behandlungsbedürftigkeit begründeten, auf Anfrage der Beklagten darzulegen (vgl. BSG Urteile vom 23. Juli 2015 – B 1 KR 26/14 R Rdnr. 37; 1. Juli 2014 – B1 KR 29/13 R Rdnr 14; 21. März 2013 – B 3 KR 28/12 R Rdnr. 22).

Dass ein Notfall vorgelegen hat (vgl. Schriftsatz der Klägerin vom 2. Juni 2016), ergibt sich aus den medizinischen Unterlagen nicht, zumal eine Notfallbehandlung nicht zwingend regelmäßig eine vollstationäre Behandlung nach sich zieht. Ein Notfall liegt nur vor, wenn eine Behandlung aus medizinischen Gründen so dringlich ist, dass es bereits an der Zeit für die Auswahl eines zugelassenen Therapeuten oder dessen Behandlung fehlt (BSG, Urteil vom 23. Juni 2015 – B 1 KR 20/14 R Rdnr 13 mwN; BSG Beschluss vom 17. Juli 2014 – B 1 KR 31/13 B Rdnr 6 mwN). Da die Versicherte am 10. September 2009 aufgenommen wurde, der Eingriff jedoch erst am 11. September erfolgte, kann hier nicht von einem Notfall ausgegangen werden.

d. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Erstattung ohne Rechtsgrund gezahlter Krankenhausvergütung auch nicht in entsprechender Anwendung des § 814 BGB ausgeschlossen. Danach kann das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete unter anderem nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war. Zahlt eine Krankenkasse vorbehaltlos auf eine Krankenhausrechnung, kann sie deshalb mit der Rückforderung und damit auch mit dem späteren Bestreiten ihrer Zahlungspflicht ganz ausgeschlossen sein, wenn sie positiv gewusst hat, dass sie zur Leistung nicht verpflichtet war (vgl. dazu BSG, Urteile vom 23. Juni 2015 – B 1 KR 13/14 R Rdnr 22; B 1 KR 26/14 R Rdnr. 41). Anhaltspunkte dafür sind jedoch nicht erkennbar. Es lag nichts dafür vor, dass die Beklagte die hier streitige Krankenhausvergütung in positiver Rechtskenntnis ihrer Nichtschuld zahlte.

e. Die Klägerin kann sich auch nicht auf den Rechtsgedanken des § 813 Abs. 2 BGB berufen. Nach § 813 BGB kann das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete auch dann zurückgefordert werden, wenn dem Anspruch eine Einrede entgegenstand, durch welche die Geltendmachung des Anspruchs dauernd ausgeschlossen wurde. Nach der Rechtsprechung des BSG greift der Rechtsgedanke des § 813 Abs. 2 BGB schon deshalb nicht, weil diese Regelung nämlich bloß bei Bezahlung einer bereits bestehenden, aber noch nicht fälligen Schuld ein sinnloses Hin- und Herbewegen der an sich geschuldeten Leistung vermeiden solle. Demgegenüber verbleibt einem Schuldner, der trotz fehlender Fälligkeit bereits geleistet hat, unverändert ein Bereicherungsanspruch, wenn die vermeintlich erfüllte Verbindlichkeit unabhängig von ihrer mangelnden Fälligkeit materiell-rechtlich nicht bestand (BSG, Urteil vom 23. Juni 2015 – B 1 KR 26/14 R – Rdnr. 43).

f. Entgegen der Auffassung der Klägerin kann diese aus dem Urteil des 4. Senates de LSG Niedersachsen-Bremen vom 4. Juli 2016 – L 4 KR 349/15 – keinen Ausnahmetatbestand herleiten. Das LSG hat in dieser Entscheidung ausgeführt, dass die dortige beklagte Krankenkasse ihre Pflicht zur Plausibilitäts- und ggf. weiteren Prüfung objektiv und subjektiv verletzt hat, weil sie nach ihrem eigenen Vortrag im gesamten erst- und zweitinstanzlichen Verfahren bereits auf Grund der 301er-Meldung in ihrer ursprünglichen Fassung, also ohne die von der Krankenkasse nachgeforderte, vom BSG verlangte zusätzliche Begründung, davon ausgegangen ist, dass keine stationäre, sondern allein eine ambulante Behandlungsbedürftigkeit vorliegt und gleichwohl keine Prüfung durchgeführt und die Rechnung vorbehaltlos beglichen hat.

Ein solcher Fall, in dem die Beklagte bereits von vornherein behauptet hat, die vorliegende Behandlung des Versicherten hätte ambulant durchgeführt werden können und nicht stationär durchgeführt werden müssen, liegt hier jedoch nicht vor. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte nicht von Anfang an behauptet, die Klägerin hätte nur ambulant leisten können und gleichzeitig weder eine sachlich-rechnerische noch eine Auffälligkeitsprüfung durch den Sozialmedizinischen Dienst veranlasst. Der 4. Senat ist in seinem Urteil davon ausgegangen, dass die dortige Beklagte bereits im Jahre 2009 subjektiv rechtswidrig gehandelt habe und deshalb auf Zahlung in Anspruch genommen werden dürfe. Es sei im Rahmen der dauerhaften Abrechnungsbeziehungen zwischen Krankenhaus und Krankenkasse treuwidrig, wenn die Beklagte eigene frühere Prüfpflichtverletzungen vergütungsmäßig heilen wolle und dabei eine formale Anforderung benenne, an ihrer eigenen Prüfpflichtverletzung aber nichts ändere. Der 4. Senat hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der von ihm entschiedene Fall anders zu beurteilen wäre, wenn die Beklagte vorgetragen hätte, ohne die weitergehende Begründung nicht in der Lage zu sein, die Berechtigung der stationären Behandlung prüfen zu können. Dies habe sie jedoch gerade nicht getan.

Auch die übrigen von der Klägerin vorgelegten Entscheidungen führen zu keiner anderen Beurteilung. Das Urteil des SG Stuttgart (Az.: S 10 KR 3046/09) datiert vom 27. September 2012 und ist daher vor den Entscheidungen des BSG zu § 301 SGB V ergangen. Das SG Mainz geht – anders als das BSG und im Anschluss daran auch der erkennende Senat – in den von der Klägerin zitierten Urteilen (z.B. Az.: S 3 KR 645/13) davon aus, dass eine vierjährige Verjährungsfrist nicht gilt. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 52 Abs. 1 und 3, 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, 63 Gerichtskostengesetz (GKG). Es hat insbesondere in Hinblick auf das Urteil des BSG vom 23. Juni 2015 – B 1 KR 26/14 R kein gesetzlicher Grund vorgelegen, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 S GG).