Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 4 KR 118/99
Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urteil vom 12.06.2002 (nicht rechtskräftig)
- Sozialgericht Lüneburg S 9 KR 67/98
- Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 4 KR 118/99
Das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 25. Mai 1999 wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten im Berufungsverfahren noch darum, ob die beklagte Krankenkasse auch die Kosten für den Krankenhausaufenthalt des Klägers in der Zeit vom 12. März 1997 bis 1. Juli 1998 zu tragen hat.
Der 1965 geborene Kläger leidet an einer paranoid-halluzinatorischen Psycho-se aus dem schizophrenen Formenkreis mit ausgeprägter Residualsymptoma-tik und wiederkehrenden eigen- und fremdgefährdenden Impulsdurchbrüchen und spielsüchtigem Verhalten. Er befand sich seit 1988 fast durchgängig im Landeskrankenhaus. Es wurden immer wieder Fixierungen erforderlich. Der Kläger wurde mehrmals kurzfristig in die Obdachlosigkeit und in nicht geeignete Einrichtungen entlassen. Wiederholt ergingen Unterbringungsbeschlüsse.
Seit 1995 trug die Beklagte die Kosten des Krankenhausaufenthaltes. Nach-dem die Beklagte zahlreiche Gutachten des Medizinischen Dienstes der Kran-kenversicherung Niedersachsen (MDKN) eingeholt hatte, führte der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. D. vom MDKN in seinem Gutachten vom 3. Februar 1997 aus, dass nunmehr ein stabil-instabiler Zustand erreicht sei. Die Mittel des Krankenhauses seien nicht weiter geeignet, den Zustand des Klägers längerfristig zu bessern. Er könne sich in einem geschlossenen Heim mit kon-sequenter psychagogischer Führung und engmaschiger psychiatrischer Betreuung längerfristig genauso gut stabilisieren, wie das jetzt im stationären Rahmen geschehe.
Mit Schreiben vom 11. Februar 1997 teilte die Beklagte dem Niedersächsi-schen Landeskrankenhaus E. (LKH) mit, dass über den 23. Januar 1997 hin-aus keine Kosten übernommen würden. Hiergegen legte die Betreuerin des Klägers Widerspruch ein. Mit Bescheid gegenüber der Betreuerin des Klägers vom 6. März 1997 übernahm die Beklagte die Kosten bis einschließlich 11. März 1997. Auf den hiergegen erhobenen Widerspruch holte die Beklagte ein weiteres Gutachten nach Aktenlage von dem Arzt für Neurologie und Psychiat-rie Dr. D. vom MDKN ein, der die Durchführung einer Zweitbegutachtung empfahl. Am 22. September 1997 wurde die Begutachtung nach Krankenhaus-begehung durch Dr. D. durchgeführt. Mit Widerspruchsbescheid vom 17. April 1998 wies die Beklagte den Widerspruch sodann zurück.
Der Kläger hat am 4. Mai 1998 Klage vor dem Sozialgericht Lüneburg (SG) er-hoben. Mit Urteil vom 25. Mai 1999 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 11. Februar 1997 in der Fassung des Bescheides vom 6. März 1997 ge-ändert und den Widerspruchsbescheid vom 17. April 1998 aufgehoben. Es hat die Beklagte verurteilt, die Krankenhausbehandlungskosten des Klägers bis zum 1. Juli 1998 zu übernehmen. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung ist im wesentlichen ausgeführt: Aus dem Gutachten von Dr. D. sei zu entnehmen, dass ab Januar 1997 eine Medikamentenumstellung stattge-funden habe, die ärztliche Behandlung und Beobachtung erforderlich gemacht habe. Anfang 1997 habe der Kläger außerdem wiederholt Suicidversuche un-ternommen. Es hätten Fixierungen und Intensivüberwachungen stattgefunden. Entlassungsversuche seien gescheitert. Im Frühjahr 1998 sei der Kläger völlig verwahrlost. Therapeutische Planungen seien nicht möglich gewesen. Er habe sich erneut schwer verletzt. Das therapeutische Vorgehen sei daraufhin geän-dert worden. Eine entscheidende Wende habe sich im Verlaufsbericht vom 3. Juli 1998 abgezeichnet. Deshalb sei das Gericht zum Ergebnis gelangt, dass nun das Stadium erreicht gewesen sei, in dem Krankenhausbehandlungsbe-dürftigkeit nicht mehr vorgelegen habe. Nunmehr habe die Suche nach einer geschlossenen Einrichtung im Vordergrund gestanden, weil eine deutliche Bes-serung in einer offenen Übergangseinrichtung oder beim Alleinleben des Klä-gers nicht mehr zu erwarten gewesen sei.
Gegen das ihr am 17. Juni 1999 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 14. Juli 1999 Berufung eingelegt. Sie ist der Ansicht, dass der Kläger nicht berechtigt sei, die beanspruchten Rechte im eigenen Namen geltend zu machen. Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 9. Oktober 2001 – B 1 KR 6/01 R – seien gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen einem Versicher-ten und seiner Krankenkasse über Krankenhausbehandlung nur in zwei Kons-tellationen denkbar. Entweder klage der Versicherte auf Gewährung einer noch ausstehenden Behandlung als Sachleistung oder er habe sich die Leistung zu-nächst privat auf eigene Kosten beschafft und verlange nun Kostenerstattung. Beide Fälle lägen hier jedoch nicht vor.
In der Sache meint die Beklagte, bereits ab 12. März 1997 habe keine Kran-kenhausbehandlungsbedürftigkeit mehr bestanden. Das werde insbesondere durch das Gutachten des MDKN, Facharzt für Psychiatrie und Psychothera-pie/Sozialmedizin Dr. F., vom 11. Dezember 2001 belegt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 25. Mai 1999 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise, ein Sachverständigengutachten eines klinischen Facharztes einzuholen über die Frage der Kranken-hausbehandlungsbedürftigkeit des Klägers,
weiterhin hilfsweise, die Ärzte Dr. G. und H. als Zeugen zu hören zu der Frage der Behandlung des Klägers im streitigen Zeit-raum.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und meint ergänzend, den Gut-achten des MDKN könne keine Beweiskraft zukommen. Der MDKN gehöre von der Konzeption her zur Beklagten, so dass seine Gutachten nicht objektiv sei-en. Daher müsse von Amts wegen noch ein Gutachten eines unparteiischen ärztlichen Sachverständigen eingeholt werden. Zur Klärung der Frage, ob in der streitigen Zeit ein jederzeit rufbereiter Arzt erforderlich gewesen sei, müssten außerdem die behandelnden Ärzte vernommen werden.
Am 18. April 2001 hat ein Erörterungstermin vor der Vorsitzenden stattgefun-den. Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 12. Juni 2002 den Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie/Sozialmedizin Dr. F. zur Erläute-rung seines Gutachtens vom 11. Dezember 2001 als Sachverständigen gehört.
Die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Krankenakten des LKH haben vorgelegen und sind mit den Prozessakten der ersten und zweiten Instanz Ge-genstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes, des Ergebnisses der Beweisaufnahme und des Vortrages der Beteiligten wird hierauf verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig. Sie ist auch begründet.
Entgegen der Ansicht der Beklagten scheitert der Erfolg der Klage jedoch nicht schon an der Klagebefugnis des Klägers, d.h. an der Zulässigkeit der Klage. Der Kläger ist berechtigt, gegen die Beklagte auf Übernahme der entstandenen Krankenhauskosten bzw. auf Freistellung von einer entsprechenden Verbind-lichkeit zu klagen.
Die Beklagte stützt sich auf das Urteil des BSG vom 9. Oktober 2001 – B 1 KR 6/01 R – (in ZfS 2002, 21 f). Dort hat das BSG entschieden, dass der Versi-cherte nicht berechtigt ist, die Feststellung der Leistungspflicht der Kranken-kasse gegenüber dem Leistungserbringer zu betreiben. Insoweit hat das BSG seine gegenteilige Auffassung im Urteil vom 9. Juni 1998 – B 1 KR 21/99 R – (in BSGE 86, 66) aufgegeben.
Die Entscheidung des BSG vom 9. Oktober 2001 ist hier jedoch nicht einschlä-gig. Denn sie betrifft einen Fall, in dem dem Krankenhaus unter keinem rechtli-chen Gesichtspunkt ein Anspruch gegen den klagenden Versicherten auf Be-zahlung der Krankenhausbehandlung zustehen konnte. Grund hierfür war der Umstand, dass alle Beteiligten davon ausgingen, bei der Behandlung des Ver-sicherten handele es sich um eine Notfallversorgung. Die stationäre Notfallver-sorgung wird jedoch grundsätzlich als Sachleistung erbracht. Daher konnte ein Vergütungsanspruch des behandelnden Krankenhauses gegen den Versi-cherten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt entstehen. Das gilt für den vor-liegenden Fall nicht.
Zum einen ist der Kläger schon als Adressat der belastenden Bescheide vom 11. Februar 1997 und 6. März 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbeschei-des vom 17. April 1998 klagebefugt. Zum anderen hat der Kläger die Leistun-gen des LKH ab 12. März 1997 nicht mehr als Sachleistung entgegen genom-men. Seiner Betreuerin ist mit Bescheid vom 6. März 1997 mitgeteilt worden, dass ab 12. März 1997 eine Kostenübernahme und damit eine Gewährung von Krankenhausbehandlung durch die Beklagte nicht mehr erfolgt. Mit dem 11. März 1997 endete somit die Gewährung der Krankenhausbehandlung als Sachleistung. Der Kläger hielt sich damit ab dem 12. März 1997 auf eigene Rechnung im LKH auf. Da ihm die Kenntnis seiner Betreuerin zuzurechnen ist, wusste er ab diesem Zeitpunkt, dass er sich bei weiterem Aufenthalt im LKH einem möglichen Zahlungsanspruch des LKH aussetzen würde. Im Unterschied zu dem vom BSG am 9. Oktober 2001 entschiedenen Verfahren geht es im vorliegenden Fall daher nicht um die Feststellung der Leistungspflicht der Kran-kenkasse gegenüber dem Krankenhaus, sondern um die Leistungspflicht der Krankenkasse gegenüber dem Versicherten. Hätte der Kläger über den 12. März 1997 hinaus einen Anspruch auf Krankenhausbehandlung gegen die Be-klagte, so müsste sie ihn von einer Zahlungspflicht gegenüber dem LKH frei-stellen. Diese rechtliche Konsequenz begründet die Klagebefugnis des Klägers.
Die zulässige Klage ist jedoch – soweit über sie im Berufungsverfahren zu ent-scheiden ist – unbegründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Übernahme der Kos-ten seines stationären Aufenthaltes im LKH in der Zeit vom 12. März 1997 bis 1. Juli 1998.
Gemäß § 27 Abs 1 Satz 1 iVm Satz 2 Nr 5 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Krankenhausbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Nach § 39 Abs 1 SGB V wird die Krankenhausbehandlung vollstationär, teilstationär, vor- und nachstati-onär oder ambulant erbracht (Satz 1). Versicherte haben Anspruch auf vollsta-tionäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Krankenpflege erreicht werden kann.
Die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung richtet sich allein nach medizi-nischen Erfordernissen. Es kommt entscheidend darauf an, ob die für den Ver-sicherten erforderliche Behandlung ausschließlich mit den Mitteln des Kranken-hauses durchgeführt werden kann. Dazu gehören insbesondere das jederzeit rufbereite ärztliche Personal, die Art und Intensität der ärztlichen Behandlung, die technisch-apparative Ausstattung und die qualifizierte pflegerische Tätigkeit, soweit sie der ärztlichen Behandlung untergeordnet ist. Die Rechtsprechung fordert für den Anspruch auf Krankenhausbehandlung allerdings nicht den ku-mulativen Einsatz aller dieser Mittel. Es ist vielmehr eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, bei der den angestrebten Behandlungszielen und der Möglich-keit der stets vorrangigen ambulanten Behandlung entscheidende Bedeutung zukommt. So genügt es nicht, wenn nur in gelegentlichen Ausnahmesituatio-nen, zB beim Auftreten von Krisen psychisch Kranker, die sofortige Hinzuzie-hung eines Arztes notwendig ist; zur Bewältigung derartiger Krisen kann gege-benenfalls auf ambulante Möglichkeiten einschließlich des ambulanten Not-arztdienstes verwiesen werden (vgl. BSG, SozR 2200 § 184 Nr. 28).
Der Anspruch auf Krankenhausbehandlung wird nur durch medizinische Ursa-chen begründet. Ist eine stationäre Unterbringung lediglich zur Pflege, aus so-zialen Gründen oder wegen des Fehlens geeigneter psychiatrischer Einrichtung erforderlich, entsteht kein Anspruch auf Krankenhausbehandlung. Dasselbe gilt für Maßnahmen, die eine selbständige Lebensführung ermöglichen oder eine Verwahrlosung verhindern sollen. Erfolgt eine Unterbringung in einer geschlos-senen Anstalt lediglich zur Verwahrung, weil der Versicherte sich selbst oder andere gefährdet, sind die gesetzlichen Krankenkassen ebenfalls nicht leis-tungspflichtig.
Eine Notwendigkeit der Krankenhauspflege mit den besonderen Mitteln des Krankenhauses vermag der Senat für die Zeit vom 12. März 1997 bis 1. Juli 1998 nicht zu erkennen. Der Senat hat aufgrund der medizinischen Unterlagen, insbesondere der ärztlichen Gutachten und der Krankenhausakten, vielmehr die Überzeugung gewonnen, dass eine Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit des Klägers in dieser Zeit nicht mehr vorlag.
Soweit der Kläger meint, die Gutachten des MDKN dürften im Gerichtsverfah-ren mangels Unparteilichkeit nicht verwertet werden, vermag ihm der Senat nicht zuzustimmen. Entgegen der Ansicht des Klägers besteht im sozialgericht-lichen Verfahren kein Verbot, die von den Beteiligten eingeholten Gutachten als Entscheidungsgrundlage heranzuziehen. Das gilt nicht nur für die von der Klä-gerseite veranlassten Gutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG), son-dern auch für die von einer Krankenkasse vorgelegten Gutachten des MDKN (so für die Pflegeversicherung: BSG, Urteil vom 14. Dezember 2000 – B 3 P 5/00 R – in SozR 3-3300 § 15 Nr. 11 = NJW 2001, 3431 mwN). Die Zweifel des Klägers an der generellen Verwertbarkeit der Gutachten des MDKN im gericht-lichen Verfahren sind daher nicht berechtigt.
Konkrete Angaben, warum die Gutachten des MDKN im vorliegenden Fall un-parteiisch oder unschlüssig sein könnten, hat der Kläger nicht dargetan. Er stützt seine Auffassung allein auf allgemeine Erwägungen. Da aus der Sicht des Senats keine Anhaltspunkte für die Nichtverwertbarkeit der Gutachten des MDKN im vorliegenden Fall gegeben sind, hat sich der Senat bei seiner Ent-scheidung auch auf diese Gutachten gestützt. Der Senat hält die vorliegenden Gutachten für schlüssig und überzeugend. Er hat daher keinen Anlass gese-hen, entsprechend dem Antrag des Klägers ein weiteres medizinisches Gut-achten von Amts wegen einzuholen.
Aufgrund der medizinischen Unterlagen steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger an einer paranoid-halluzinatorischen Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis mit ausgeprägter Residualsymptomatik und wie-derkehrenden eigen- und fremdgefährdenden Impulsdurchbrüchen und spiel-süchtigem Verhalten leidet. Er hat sich wegen dieser schweren Gesundheits-störungen seit Jahren in stationärer Behandlung befunden. Wie der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie/Sozialmedizin Dr. F. in seinem Gutachten vom 11. Dezember 2001 und in der mündlichen Verhandlung vom 12. Juni 2002 ausgeführt hat, stand spätestens ab 1995 fest, dass der Kläger an einem chronischen Krankheitsgeschehen litt, das mit den Mitteln des Krankenhauses nicht mehr beeinflusst werden konnte. Dr. F. hat schlüssig und überzeugend dargelegt, dass für den Kläger ab diesem Zeitpunkt eine langfristige und inten-sive Betreuung in einer geeigneten Pflegeeinrichtung mit fakultativer geschlos-sener Versorgung ausreichend, aber auch erforderlich gewesen ist.
Das wird durch die Krankenakten bestätigt. Sie berichten im streitigen Zeitraum insbesondere von der akuten Eigen- und Fremdgefährdung des Klägers. Aus ihnen lässt sich aber nicht entnehmen, dass deshalb für die gesamte streitige Zeit ein jederzeit rufbereiter Arzt erforderlich gewesen ist. Zwar ist der jeweils diensthabende Arzt von den suicidalen Krisen des Klägers benachrichtigt wor-den. Akute psychiatrische Interventionen, wie z.B. ein ärztlich geführtes Kri-seninterventionsgespräch oder eine akute Klärung und Verordnung einer psy-chopharmakologischen Behandlung, sind aber nicht erfolgt. Die Selbstverlet-zungen des Klägers sind wiederholt notfallmäßig behandelt worden. Die Not-fallbehandlung erfolgte regelmäßig ambulant. Auch die Zuführung zu der Not-fallbehandlung geschah regelmäßig durch nichtärztliches Personal.
Weder die Pflege- und ärztlichen Verlaufsberichte lassen erkennen, dass ge-zielte psychotherapeutische Maßnahmen durchgeführt wurden noch erforderte die Medikation die Mittel des Krankenhauses. Anfang 1995 wurde die Medika-tion entscheidend geändert. Im Folgenden zeigt die Behandlungskurve eine kontinuierliche und langfristige psychopharmakologische Basismedikation. Für den Kläger war damit eine hinreichende Medikation gefunden worden. Die da-nach erfolgten Dosierungsanpassungen und Umstellungen hätten nach der überzeugenden Bekundung von Dr. F. auch im Rahmen einer ambulanten Be-handlung innerhalb einer geeigneten Einrichtung erfolgen können. Das gilt nach seiner schlüssigen Begründung auch für die Anfang 1997 eingeführte antide-pressive Medikation zunächst mit Aponal und später mit Zoloft.
Die Dokumentation der Krankenakten belegt daher nicht, dass in der Zeit von März 1997 bis Juli 1998 tatsächlich die Mittel des Krankenhauses zur Behand-lung des Klägers eingesetzt worden sind oder erforderlich waren. Dem Antrag des Klägers, die ihn damals behandelnden Ärzte Dr. G. und H. als Zeugen zu vernehmen, hat der Senat nicht entsprochen. Der Vortrag des Klägers enthält keine Anhaltspunkte dafür, in welcher Beziehung die Dokumentation der Be-handlungsmaßnahmen in den Krankenakten falsch oder unvollständig wäre und inwieweit die behandelnden Ärzte ihre Dokumentationspflicht verletzt ha-ben könnten. Da sich derartige Anhaltspunkte auch aus den Akten nicht erge-ben, hat sich der Senat nicht gedrängt gefühlt, dem Antrag stattzugeben.
Nach den überzeugenden Ausführungen von Dr. F. kann allerdings nicht aus-geschlossen werden, dass angesichts der typischen Schwankungen im chroni-schen Krankheitsverlauf des Klägers in der Zeit von März 1997 bis Juli 1998 Situationen hätten eintreten können, die eine kurzzeitige Behandlung mit den Mitteln des Krankenhauses begründet hätten. Eine solche Schlussfolgerung erscheint insbesondere deshalb plausibel, weil auch nach der Entlassung des Klägers aus dem LKH wiederholt kurzzeitige Krankenhausbehandlungen statt-gefunden haben. Diese Vermutung begründet jedoch keinen – auch keinen teilweisen – Anspruch des Klägers gegen die Beklagte. Denn es steht weder fest, dass tatsächlich stationäre Behandlungen eingetreten wären, noch steht deren Dauer fest oder der Zeitraum, in dem sie erforderlich gewesen wären. Da sich diese Fragen nicht aufklären lassen, gilt der Grundsatz der objektiven Be-weislast. Danach geht die Nichterweislichkeit von Tatsachen zu Lasten desjeni-gen, der aus ihnen Vorteile zieht. Das ist hier der Kläger.
Der Berufung ist daher in vollem Umfange stattzugeben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Zur Zulassung der Revision besteht kein gesetzlicher Grund (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).