Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 4 KR 16/00

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen

Urteil vom 12.06.2002 (nicht rechtskräftig)

  • Sozialgericht Braunschweig S 6 KR 69/97
  • Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 4 KR 16/00

 

Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Kostenerstattung für einen Kranken-hausaufenthalt in Ägypten.

Der 1942 geborene Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Er befand sich während einer Urlaubsreise vom 5. Januar bis 4. Februar 1997 im Krankenhaus D … Hierfür sind ihm 2.750.00 US-Dollar an Behandlungskosten ent-standen. Der Kläger ließ die Krankenhausrechnung in arabischer Schrift in die deutsche Sprache übersetzen und sandte das übersetzte Exemplar zusammen mit dem Original sowie dem Entlassungsbericht der Beklagten zu, wo die Unter-lagen am 18. Februar 1997 eingingen. Mit Bescheiden vom 19. Februar, 24. März und 22. April 1997 lehnte die Beklagte die Kostenübernahme ab. Diese sei nicht möglich, unabhängig davon, ob derartige Kosten auch im Inland angefallen wä-ren. Zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Ägypten gebe es kein Sozi-alversicherungsabkommen. Gemäß § 18 Abs 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) könnten insbesondere deshalb keine Kosten übernommen werden, weil sich der Kläger für diesen Zeitraum privat hätte versichern müssen. Wenn dies nicht möglich gewesen wäre, so hätte der Kläger diesen Umstand vor Beginn des Auslandsaufenthaltes der AOK mitteilen und diese eine entsprechende Feststel-lung treffen müssen. Einen derartigen Nachweis habe der Kläger nicht geführt.

Den Widerspruch des Klägers wies die Widerspruchsstelle der Beklagten mit Wi-derspruchsbescheid vom 11. Juni 1997 zurück. Es fehle eindeutig an dem Sach-verhalt der vorherigen Feststellung, dass eine private Krankenversicherung für den fraglichen Zeitraum des Aufenthaltes in Ägypten nicht möglich gewesen wäre und die Krankenkasse dies vor Beginn des Auslandsaufenthaltes ausdrücklich festgestellt habe.

Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben, die am 20. Juni 1997 beim Sozialgericht (SG) Braunschweig eingegangen ist. Mit Urteil vom 14. Dezember 1999 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Beklagte zu Recht den Anspruch abgelehnt habe, weil die erforderlichen Voraussetzungen des § 18 Abs 3 Satz 1 SGB V, wie von der Beklagten ausgeführt, nicht vorgele-gen hätten.

Gegen das dem Kläger am 3. Januar 2000 zugestellte Urteil hat dieser Berufung eingelegt, die am 5. Januar 2000 beim SG Braunschweig eingegangen ist.

Der Kläger ist der Ansicht, er habe bereits in der Vergangenheit so ua 1975, 1979 bzw 1980 in Ägypten Ärzte in Anspruch genommen. Aus diesen Anlässen sei er durch die zuständige Geschäftsstelle der AOK in Braunschweig belehrt worden, dass er sich bei einer unvorhersehbaren Erkrankung im Ausland bzw in Ägypten eine ordnungsgemäße Arztrechnung beschaffen und deren deutsche Überset-zung bei der Geschäftsstelle der AOK in Braunschweig vorlegen müsse, damit diese erstattet werden könne. Die Beklagte habe es versäumt, darauf hinzuwei-sen, dass er vor einem geplanten Urlaubsantritt in sein Heimatland Ägypten not-wendige Vorsorgemaßnahmen für einen Krankenversicherungsschutz habe tref-fen müssen. Darüber hinaus habe er vor Antritt des hier maßgeblichen Urlaubes im Jahre 1997 bei der Beklagten vorgesprochen, um einen Auslandskranken-schein zu erhalten. Daraufhin sei ihm mitgeteilt worden, dass es nur für tunesi-sche Staatsangehörige einen Auslandskrankenschein gäbe, für ägyptische je-doch nicht. Es fehle an einem staatlichen Abkommen. Auf die Möglichkeit der Privatversicherung sei er nie hingewiesen worden.

Der Kläger beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,

1. das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 14. Dezember 1999 sowie die Bescheide der Beklagten vom 19. Februar, 24. März und 22. April 1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juni 1997 aufzuheben und 2. die Beklagte zu verurteilen, ihm 4.537,50 DM zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Rechtsstreits wird auf die Gerichts- sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Der angefochtene Be-scheid der Beklagten ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstat-tung der Kosten für den stationären Krankenhausaufenthalt vom 5. Januar bis 4. Februar 1997 in Ägypten. Die Voraussetzungen des § 18 Abs 3 Satz 1 SGB V liegen nicht vor.

Gemäß § 18 Abs 1 SGB V kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung ganz oder teilweise übernehmen, wenn eine dem allgemein aner-kannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Erkrankung nur im Ausland möglich ist. Ist während eines vorübergehenden Auslandsaufenthaltes eine Behandlung unverzüglich erforderlich, die auch im In-land möglich wäre, hat die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behand-lung insoweit zu übernehmen, als Versicherte sich hierfür wegen einer Vorerkran-kung oder ihres Lebensalters nachweislich nicht versichern können und die Kran-kenkasse dies vor Beginn des Auslandsaufenthaltes festgestellt hat (§ 18 Abs 3 Satz 1 SGB V).

Ein Anspruch aus § 18 Abs 1 SGB V kommt von vornherein nicht in Betracht. Aber auch die Voraussetzungen des § 18 Abs 3 SGB V liegen nicht vor. Denn der Kläger hat es unterlassen, bevor er 1997 nach Ägypten gefahren ist, sich um eine private Versicherung zu bemühen und dies der Beklagten vor Beginn des Aus-landsaufenthaltes mitzuteilen. Eine dementsprechende Feststellung der Beklag-ten fehlt.

Voraussetzung für den Leistungsanspruch nach § 18 Abs 3 Satz 1 SGB V ist, dass sich die Versicherten für die Kosten von Behandlungen im Ausland wegen einer Vorerkrankung oder ihres Lebensalters nicht versichern konnten. Der Ge-setzgeber hat nach dem Gesamtzusammenhang damit eine private Krankenver-sicherung (PKV) gemeint (vgl Noftz in: Hauck/Haines, Kommentar zu § 18 SGB V, Stand: Mai 2002, Rdnr 35). Die Unmöglichkeit einer PKV muss nachge-wiesen sein. Darüber hinaus muss diese Voraussetzung vor Beginn des Aus-landsaufenthaltes der Krankenkasse mitgeteilt und von dieser festgestellt worden sein. Eine nachträgliche Feststellung kommt nach allgemeiner Auffassung nicht in Betracht (Noftz, aaO, Rdnr 36 f; Wagner in Krauskopf, Soziale Krankenversiche-rung/Pflegeversicherung, Stand August 2001, § 18 SGB V Rdnr 12).

Die Ansicht des Klägers, er sei von der Beklagten in der Vergangenheit und auch unmittelbar vor dem Auslandsaufenthalt im Jahre 1997 falsch beraten worden, kann gleichfalls nicht zur Kostenerstattung führen.

Gemäß § 14 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) hat jeder Anspruch auf Be-ratung über seine Rechte und Pflichten nach diesem Gesetzbuch. Zuständig für die Beratung sind die Leistungsträger, demgegenüber die Rechte geltend zu ma-chen oder die Pflichten zu erfüllen sind. Eine unterlassene, unzureichende oder unrichtige Beratung kann den sogenannten sozialrechtlichen Herstellungsan-spruch zur Folge haben. Der von der Rechtsprechung entwickelte sozialrechtliche Herstellungsanspruch setzt eine Pflichtverletzung voraus; dh der Leistungsträger oder eine andere zuständige Behörde muss eine bestehende Pflicht zur Auskunft, Beratung und verständnisvollen Förderung des Berechtigten verletzt, also trotz bestehendem konkreten Anlass nicht oder nur unzureichend erfüllt haben (vgl BSGE 60, 79, 85). Pflichtwidriges Verhalten genügt; der Anspruch ist seinem Wesen nach nicht Sanktion für ein subjektiv vorwerfbares Verhalten der Verwal-tung und setzt daher kein Verschulden der verpflichteten Behörde voraus (vgl BSGE 49, 76 mwN).

Es ist für den Senat nicht ersichtlich, dass der Kläger unzureichend oder unrichtig beraten bzw eine Beratung unterlassen wurde. Der Kläger trägt vor, er sei im An-schluss an Behandlungen im Jahre 1975 und 1979 bzw 1980 von der Beklagten darüber belehrt worden, dass er sich bei einer unvorhergesehenen Erkrankung in Ägypten eine ordnungsgemäße Arztrechnung beschaffen müsse, die in deutscher Übersetzung vorzulegen sei. Der Kläger meint, durch diese offensichtlich unrichti-ge Belehrung sei ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden, auf dessen Fort-wirken er auch im Jahre 1997 noch habe vertrauen dürfen. Dieser Auffassung vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Denn der Kläger hat zugleich vorge-tragen, dass er sich für den Urlaub in Ägypten Anfang 1997 einen Auslandskran-kenschein (internationalen Krankenschein) von der Beklagten besorgen wollte. Er hat also selbst gewusst, dass er sich auf die damalige Belehrung nicht hat verlas-sen können und allein die Vorlage einer übersetzten Auslandsrechnung für eine Kostenerstattung nicht ausreicht. Wenn der Kläger in der Vergangenheit in den Genuss der Kostenerstattung für Arztrechnungen aus Ägypten gekommen ist, so mag er hierdurch unter Umständen einen Vorteil erlangt haben, der ihm jedoch nicht zustand. Dies hat hingegen keine Folgen für spätere, gleichgelagerte Fälle. Es gibt keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht (vgl Beschluss des Bundessozialgerichts – BSG – vom 9. Dezember 1999 Az: B 9 V 61/99 B in Sozi-ale Sicherheit 2001, S 179 bis 180).

Die Behauptung des Klägers, er sei unmittelbar vor Reiseantritt bei der Beklagten vorstellig geworden und habe nach einem internationalen Krankenschein gefragt, kann gleichfalls nicht zur Kostenerstattung führen. Dieser Sachverhalt ist nicht geeignet einen sogenannten Herstellungsanspruch zu begründen. Die Beklagte hat den Kläger zu Recht darauf aufmerksam gemacht, dass auf Grund der Tatsa-che, dass mit Ägypten kein Sozialversicherungsabkommen besteht, ein soge-nannter internationaler Krankenschein nicht ausgestellt werden kann. Der vom Kläger mit der Frage über den Auslandskrankenschein befasste Sachbearbeiter der Beklagten war nicht verpflichtet, den Kläger darüber zu beraten, dass auf Grund einer bestimmten – ihm unbekannten – Krankheitssituation ggf. eine pri-vate Krankenversicherung angemessen gewesen wäre. Hierzu hätte es einer konkreten Anfrage des Klägers bedurft. Auf Grund der Aussage, dass ein Aus-landskrankenschein nicht erteilt werden könne, hätte dem Kläger bereits klar sein müssen, dass kein Anspruch auf Krankenbehandlung in Ägypten zu Lasten der Beklagten besteht. Die im vorliegenden Fall falsche Disposition des Klägers, eine private Krankenversicherung nicht abzuschließen, kann deshalb nicht zu Lasten der Beklagten gehen.

Soweit der Kläger mit Schriftsatz vom 27. März 2000 noch die Bescheidung des Gesuches auf Krankengeld durch die Beklagte anregt, war dieser Antrag nicht Gegenstand des Rechtsstreits.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Ein gesetzlicher Grund, die Revision zuzulassen, liegt nicht vor (§ 160 Abs 2 SGG).