Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 4 KR 224/98

Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen

Urteil vom 16.05.2001 (nicht rechtskräftig)

  • Sozialgericht Hannover S 2 KR 155/96
  • Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 4 KR 224/98

 

Die Berufung wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Übernahme der Kosten ihres stationären Aufenthaltes im Zentralkrankenhaus D. (im weiteren Beigeladene zu 1) für die Zeit vom 2. Juni bis 25. August 1996 durch die Beklagte.

Die 1933 geborene Klägerin leidet unter einer degenerati-ven Motoneuronerkrankung vom Typ einer amyotrophischen Lateralsklerose mit Tetraplegie und respiratorischer Insuffizienz. Infolge der Insuffizienz erfolgte eine Tracheotomie zur ständigen Respirator-Beatmung. Bevor die Klägerin am 31. Januar 1996 in die Einrichtung der Beigeladenen zu 1 verlegt wurde, hielt sie sich in einer speziellen Abteilung für Beatmungsmedizin im Evangelischen Krankenhaus Göttingen–E. auf. Im Anschreiben an die Einrichtung der Beigela-denen zu 1 zur Weiterbehandlung heißt es wie folgt: „Die Patientin kann z. Zt. eine ¾ Stunde spontan atmen. Limitierend ist dabei nicht eine Verschlechterung ihrer Blutgaswerte, sondern Kopfschmerzen, Dyspnoe und ein ausgeprägtes Angstgefühl. Auch nach einer längeren Spontanatemphase liegen die Blutgas-werte bei einem pCO2 unter 30mmHg und normalem pO2. Eine Spontanat-mung ohne kompetenten Beistand ist aufgrund dieser gravierenden Angst nicht möglich. Inwieweit sie nach Überwindung dieser Angst in der Lage sein wird, längere Zeit spontan zu atmen, ist nicht vorhersagbar. Günstig wäre ein tägli-ches Spontanatemtraining unter Aufsicht, auch wenn es nur einige Minuten dauert. Die Angehörigen haben mit einem Pflegeheim zur weiteren Betreuung bereits Kontakt aufgenommen.“

Die ursprüngliche Krankenkasse der Klägerin, die BKK der Firma F. AG, er-klärte sich zur Kostenübernahme bis zum 1. Juni 1996 bereit. Seit dem 7. März 1996 ist die Klägerin auf Grund des Rentenbezuges Mitglied der Beklagten. Die Klägerin befand sich bis zum 25. August 1996 in der Einrichtung der Beigelade-nen zu 1.

Mit Schreiben vom 4. April 1996 wandte sich die Beigeladene zu 1 wegen der Kostenübernahme an die Beklagte. In dem Schreiben stellte das Krankenhaus u.a. die Anamnese dar. Darin heißt es zuletzt, „die Patientin wurde über-brückend zu uns verlegt, bis ein geeignetes Pflegeheim zur Dauerbetreuung gefunden werden konnte.“ Unter der Rubrik Therapie und Verlauf heißt es: „Un-sere Bemühungen richteten sich im Wesentlichen auf die weitere Langzeitver-sorgung der Patientin. Eine Besserung des Krankheitsbildes ist nicht zu erwar-ten, in den neun Wochen des Aufenthaltes bei uns ist jedoch eine weitere klini-sche Verschlechterung nicht eingetreten“.

Die Beklagte holte die Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenver-sicherung in Niedersachsen (MDKN) vom 13. März 1996 und 25. April 1996, erstattet von G. nach Aktenlage ein und lehnte mit Bescheid vom 30. April 1996 den Antrag der Klägerin ab. Auf den Widerspruch holte die Beklagte das Gut-achten des MDKN nach Aktenlage vom 25. Juni 1996 erstattet von H. ein. Die Grundlage für dieses Gutachten war das Pflegegutachten vom 25. Juni 1996 mit Untersuchung am 24. Juni 1996 durch H … Danach habe keine Kranken-hausbehandlungsbedürftigkeit seit Verlegung der Klägerin in die Einrichtung der Beigeladenen zu 1 bestanden. Die Behandlungsmöglichkeiten der Krankheit seien äußerst eingeschränkt, entscheidende Besserungen seien nicht zu er-warten. Diejenigen Behandlungen, die etwa zur Vermeidung von Kontrakturen ausführbar seien, könnten ebenso gut in der Pflegeeinrichtung oder zu Hause geleistet werden. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Wider-spruch daraufhin mit Widerspruchsbescheid vom 19. August 1996 zurück.

Hiergegen hat die Klägerin mit Schreiben vom 20. September 1996, eingegan-gen beim Sozialgericht (SG) Hannover am selben Tage, Klage erhoben. In der Klagebegründung hat sie ausgeführt, dass die Kosten für die Behandlung in der Einrichtung der Beigeladenen zu 1 für die Zeit vom 2. Juni bis 25. August 1996 119.615,68 DM betragen würden. Diese Kosten seien vom örtlichen Sozialhil-feträger (Beigeladener zu 2) übernommen worden. In dem Schreiben des Bei-geladenen zu 2 an den Bevollmächtigten der Klägerin vom 30. September 1996 heißt es ua, dass die Gewährung der Sozialhilfe darlehensweise erfolge und davon abhängig gemacht würde, dass der Anspruch auf Rückzahlung durch Hypothekeneintragung im Grundbuch abgesichert werde.

Zur Begründung ihrer Klage hat die Klägerin vorgetragen, dass die Notwendig-keit einer Krankenhausbehandlung im streitigen Zeitraum vorgelegen hätte. Dies ergebe sich bereits auf Grund der Einweisung als Notfall auf die Intensiv-station. Darüber hinaus habe die ReWe Betriebskrankenkasse eine verbindliche Kostenzusage abgegeben, die nicht anfechtbar sei.

Das SG hat von der Beigeladenen zu 1 eine ärztliche Stellungnahme zur Not-wendigkeit der stationären Krankenhausbehandlung sowie die Behandlungsdo-kumentation angefordert. Mit Schreiben vom 14. Oktober 1997 bzw 8. Januar 1998 haben I. sowie J., Ltd. Oberarzt der Medizinischen Intensivstation der Bei-geladenen zu 1 mitgeteilt, dass aus ärztlicher Sicht mindestens seit dem 1. Juni 1996 keine objektivierbaren Gründe, wie erforderliche operative Eingriffe oder anderweitige medizinisch zu behandelnde Komplikationen bestanden hätten, die einen stationären Krankenhausaufenthalt gerechtfertigt hätten. Schon nach wenigen Tagen der stationären Betreuung der Klägerin sei klar geworden, dass sie auf Grund der Motoneuronerkrankung voraussichtlich nicht in der Lage sein würde, dauerhaft spontan zu atmen. Da die Suche nach einer geeigneten Pfle-geeinrichtung für Patienten, die respiratorpflichtig sind, erfahrungsgemäß schwierig sei, sei der Sozialdienst bereits Anfang Februar 1996 bemüht, einen geeigneten Pflegeplatz zu finden.

Die Beklagte überreichte weiterhin die Stellungnahme des MDKN vom 30. Dezember 1997 zu den Akten. Danach seien die seit der letzten Begutach-tung vom 24. Juni 1996 vorgelegten ärztlichen Berichte ausgewertet worden. Es habe kein stationärer Kranenhausbehandlungsbedarf seit der Rückverlegung in die Einrichtung der Beigeladenen zu 1 bestanden.

Im Termin vom 25. August 1998 hat das SG den Sachverständigen K. Arzt für Innere Medizin, Teilgebiet Rheumatologie, gehört. Nach den Behandlungsbe-richten und insbesondere der Schilderung nötiger Behandlungspflege von Mai 1996 hätten die rein pflegerischen Maßnahmen neben der Beatmung und ne-ben schonenden passiven Übungen im Vordergrund der Therapie gestanden. Da das Grundleiden nicht heilbar, sondern unbeeinflussbar sei, sei das Ziel der Behandlung weder Heilung noch Besserung oder Linderung bzw Verhütung einer Verschlimmerung gewesen. Es könne allenfalls von lebenserhaltender oder –verlängernder Wirkung gesprochen werden. Dies gelte nach Auffassung der verantwortlich behandelnden Ärzte sogar schon für die Zeit vor dem 7. März 1996. Die Behandlung habe ärztliche Anordnungen und Überwachung erfordert. Sie wäre aber im strittigen Zeitraum bereits in einer geeigneten, personell und technisch entsprechend ausgestatteten Pflegeeinrichtung möglich gewesen.

Mit Urteil vom 25. August 1998 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begrün-dung hat es ausgeführt, dass die Klägerin gemäß § 13 Abs 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) keinen Anspruch auf Kostenerstattung habe. Hiernach hätten Versicherte einen Anspruch auf Kostenerstattung, wenn die Kosten da-durch entstanden seien, dass eine Krankenkasse eine Leistung zu Unrecht ab-gelehnt habe. Die Beklagte habe die beantragte Sachleistung nicht zu Unrecht abgelehnt. Die Voraussetzungen der Krankenhauspflegebedürftigkeit gemäß § 39 SGB V hätten im streitbefangenen Zeitraum nicht vorgelegen. Danach hätten Versicherte Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelas-senen Krankenhaus, wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus erforderlich sei, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre und ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Kranken-pflege erreicht werden könne. Diese Voraussetzungen seien bei der Klägerin im streitbefangenen Zeitraum nicht gegeben gewesen. Die Kammer sei den schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des Terminsachverständigen Dr. Gundel gefolgt. Dieser habe auf Grund der Behandlungsberichte ausge-führt, dass die Behandlungspflege neben der Beatmung und neben schonend passiven Übungen im Vordergrund der Therapie gestanden hätte. Es läge auch kein Systemversagen vor. Die Frage der Kostenübernahme durch die nunmehr zuständige gesetzliche Krankenkasse sei erneut zu überprüfen. Die Beklagte habe die beantragte Kostenübernahme durch die Beigeladene zu 1 rechtzeitig durch Ablehnung der Gewährung von Krankenhauspflege beschieden.

Gegen das der Klägerin am 22. September 1998 zugestellte Urteil hat diese Berufung eingelegt, die am 21. Oktober 1998 beim Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen eingegangen ist.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Notwendigkeit der ständigen ärztlichen Überwachung der Unterbringung in einer Pflegeeinrichtung widerspreche. In einer Einrichtung der stationären Pflege sei eine ständige ärztliche Überwa-chung beatmungspflichtiger Bewohner üblicherweise nicht sichergestellt. Auf Grund dieser notwendigen ständigen ärztlichen Überwachung sei es dem Sohn zunächst nicht gelungen, eine stationäre Pflegeeinrichtung zu finden, die bereit gewesen wäre, sie – die Klägerin – aufzunehmen. Auf Grund der Notwendigkeit der ständigen ärztlichen Überwachung sei es erforderlich gewesen, die vollsta-tionäre Krankenhausbehandlung bis zu dem Zeitpunkt fortzusetzen, zu dem ein entsprechender Platz in einer stationären Pflegeeinrichtung zur Verfügung ge-standen habe. Darüber hinaus verfüge der vom SG gehörte Terminsachver-ständige als Internist mit der Teilgebietsbezeichnung Rheumatologie nicht über die ausreichende Sachkunde zur Beurteilung ihres neurologisch geprägten Krankheitsbildes. So habe der behandelnde Arzt der Beigeladenen zu 1 noch mit Antrag vom 23. April 1996 die Verlängerung der Kostenzusage für die voll-stationäre Krankenhausbehandlung beantragt. Auch in dem Gutachten des MDKN vom 13. März 1996 sei empfohlen worden, die Klägerin in einem Kran-kenhaus der Grundversorgung unterzubringen. Der Zeitpunkt, an dem das Er-fordernis einer vollstationären Krankenhausbehandlung entfallen sein solle, sei nach alledem nicht festzustellen.

Der Beigeladene zu 2 ist der Ansicht, dass die Beklagte die Kosten für die Be-handlung der Klägerin in der Einrichtung der Beigeladenen zu 1 so lange zu tragen habe, bis ein geeigneter Pflegeplatz gefunden sei.

Die Klägerin und der Beigeladene zu 2 beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 25. August 1998 und den Bescheid der Beklagten vom 30. April 1996 in der Fassung des Wider-spruchsbescheides vom 19. August 1996 aufzuheben und

die Beklagte zu verurteilen, die Kosten der Krankenhauspflege der Klä-gerin für den Zeitraum vom 2. Juni bis 25. August 1996 zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beigeladene zu 1 hat keinen Antrag gestellt. Sie ist der Auffassung, dass ab März 1996 im Falle der Klägerin ein Pflegefall vorgelegen habe.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zugestimmt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Rechtsstreits wird auf die Gerichts- sowie die Verwaltungsakten der Beklagten und die Behandlungsdokumentationen der Beigeladenen zu 1 verwiesen, die Gegenstand der Beratung und Entschei-dungsfindung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das Urteil des SG Hannover vom 25. August 1998 sowie der angefochtene Bescheid der Beklag-ten vom 30. April 1996 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. August 1996 sind zutreffend und nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat keinen An-spruch auf Übernahme der Kosten für den Aufenthalt in der Einrichtung der Beigeladenen zu 1 in der Zeit vom 2. Juni bis 25. August 1996. In dem streiti-gen Zeitraum war keine stationäre Krankenhausbehandlung mit den besonde-ren Mitteln eines Krankenhauses notwendig iSv § 39 Abs 1 SGB V.

Grundlage für den Anspruch der Klägerin ist § 13 Abs 3 SGB V. Danach hat die Krankenkasse Kosten in der entstandenen Höhe zu erstatten, wenn sie eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbracht oder sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch dem Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind. Die Voraussetzungen des § 13 Abs 3 SGB V liegen nicht vor. Die Beklagte hat insbesondere eine Leistung nicht zu Unrecht abgelehnt, denn die Voraussetzungen des § 39 Abs 1 SGB V liegen nicht vor.

Nach § 39 Abs 1 Satz 1 SGB V idF des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21. Dezember 1992 (BGBl I 2266) wird die Krankenhausbehandlung vollstatio-när, teilstationär, vor- und nachstationär (§ 115a SGB V) sowie ambulant (§ 115b SGB V) erbracht. Versicherte haben gemäß § 39 Abs 1 Satz 2 SGB V Anspruch auf vollstationäre Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus (§ 108 SGB V), wenn die Aufnahme nach Prüfung durch das Krankenhaus er-forderlich ist, weil das Behandlungsziel nicht durch teilstationäre, vor- und nachstationäre oder ambulante Behandlung einschließlich häuslicher Kranken-pflege erreicht werden kann. Krankenhausbehandlung umfasst im Rahmen des Versorgungsauftrages des Krankenhauses gemäß § 39 Abs 1 Satz 3 SGB V alle Leistungen, die im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinische Versorgung der Versicherten im Krankenhaus notwendig sind, insbesondere ärztliche Behandlung (§ 28 Abs 1 SGB V), Krankenpflege, Ver-sorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, Unterkunft und Verpflegung. Die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung richtet sich allein nach medizini-schen Erfordernissen. Der Anspruch des Versicherten auf Krankenhausbe-handlung setzt voraus, dass die besonderen Mittel des Krankenhauses benötigt werden, um die Krankheit zu heilen oder zu bessern, eine Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Nur wenn diese Behand-lungsziele den Aufenthalt im Krankenhaus erforderlich machen, ist die Kran-kenkasse zur Krankenhausbehandlung verpflichtet. Lässt sich insbesondere eine eventuell erforderliche Behandlung ambulant durchführen, besteht kein Anspruch auf Krankenhausbehandlung. Wenn die Rechtsprechung als beson-dere Mittel des Krankenhauses eine apparative Mindestausstattung, ein ge-schultes Pflegepersonal und einen jederzeit rufbereiten Arzt herausstellt, so wird damit für den Anspruch auf Krankenhauspflege weder der notwendige Ein-satz aller dieser Mittel gefordert, noch der Einsatz dieser Mittel stets als ausrei-chend angesehen. Es ist vielmehr eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen, bei der dem mit Aussicht auf Erfolg angestrebten Behandlungsziel und den Mög-lichkeiten einer vorrangigen ambulanten Behandlung entscheidende Bedeutung zukommt. Allerdings genügt es nicht, dass die sofortige Hinzuziehung eines Arztes nur in wenigen Ausnahmesituationen erforderlich ist. In solchen Fällen reicht meistens der ambulante Notfalldienst aus (vgl BSG in SozR 2200 § 184 RVO Nr 28, S 43 f). Soweit die Rechtsprechung auf die ärztliche Präsenz ab-stellt, ist damit gemeint, dass der jederzeit rufbereite Arzt im Rahmen der lau-fenden Behandlung benötigt wird. Von einer Krankenhausbehandlung kann da-gegen nicht mehr gesprochen werden, wenn die ärztliche Behandlung nur einen die pflegerischen Maßnahmen begleitenden Charakter hat (vgl BSG, aaO; LSG Nds, Urteil vom 25. Juni 1997 – L 4 Kr 67/96 – mwN und zuletzt Urteil vom 21. Juni 2000 – Az.: L 4 Kr 83/98 -). Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit ist danach solange gegeben, wie eine ambulante Behandlung auch in einer An-stalt, einem Pflegeheim usw zur Erreichung des Behandlungszieles nicht aus-reicht. Dabei kommt es entgegen der Auffassung des Beigeladenen zu 2 nicht darauf an, ob geeignete Pflegeeinrichtungen zur Verfügung stehen. Die Unter-bringung und Versorgung eines Kranken in einer stationären Einrichtung aus Verwahrgründen begründen keinen Anspruch auf Krankenhausbehandlung, wenn nicht die – begleitende – medizinische Behandlung der besonderen Mittel eines Krankenhauses bedarf (vgl Urteil des LSG Nds vom 22. Januar 1997 – L 4 Kr 174/95 – mwN).

Eine stationäre Krankenhauspflege mit den besonderen Mitteln eines Kranken-hauses ist zur Überzeugung des Senats bei der Klägerin in dem hier streitigen Zeitraum vom 2. Juni bis 25. August 1996 nicht notwendig gewesen. Diese Feststellung ergibt sich insbesondere aus der Behandlungsdokumentation der Beigeladenen zu 1 nebst ärztlicher Stellungnahmen L … Bestätigt wird diese Ein-schätzung durch die Gutachten des MDKN sowie durch das vom SG eingeholte schlüssige und überzeugende Gutachten des Terminsachverständigen M … Entgegen der Auffassung der Klägerin wäre eine Behandlung z.B. in einem ge-eigneten Pflegeheim in diesem Zeitraum ausreichend gewesen.

Die Klägerin leidet an einer progredienten degenerativen Motoneuronerkran-kung vom Typ einer amyotrophischen Lateralsklerose mit Tetraplegie und respi-ratorischer Insuffizienz. Für die ständige Respirator-Beatmung war eine Tra-cheotomie notwendig. Nach dem Aufenthalt in der speziellen Abteilung für Be-atmungsmedizin im Evangelischen Krankenhaus N., bei dem eine maximale Eigenatmung von ca 45 Minuten erreicht werden konnte, stand die Haupter-krankung der Klägerin seit Verlegung in die Einrichtung der Beigeladenen zu 1 nicht mehr im Vordergrund der Krankenhausbehandlung. Aus der Dokumentati-on der Beigeladenen zu 1 ergibt sich in der Folgezeit noch die Behandlung ei-ner Hyperthyreose, von Harnwegsinfekten, einer Tracheostoma-Revision im April 1996 und das Legen eines neuen Katheters am 23. August 1996. Es sind im streitigen Zeitraum keine ernsten Komplikationen dokumentiert.

Infolge der Haupterkrankung ist keine Eigenbewegung der Klägerin möglich. Es besteht auch keine Kopfkontrolle. Die mögliche Flüstersprache der Klägerin ist schwer zu verstehen. Sie kann sich jedoch durch Zungenschnalzen bemerkbar machen. Aus dem Antrag auf häusliche Krankenpflege anstelle weiterer Kran-kenhausbehandlung für die Klägerin von Mai 1996 ergibt sich, dass die rein pflegerischen Maßnahmen neben der Beatmung und neben schonenden passi-ven Übungen im Vordergrund der Therapie standen.

Entgegen der Auffassung der Klägerin war spätestens ab 2. Juni 1996 keine stationäre Krankenhausbehandlung mit den besonderen Mitteln eines Kranken-hauses mehr notwendig. Aus den ärztlichen Stellungnahmen des L. vom 14. Oktober 1997 bzw 8. Januar 1998 in Verbindung mit der Krankenhausdo-kumentation wird deutlich, dass die Klägerin Ende Januar 1996 nicht als Notfall auf der medizinischen Intensivstation aufgenommen wurde. Vielmehr wurde sie vom Evangelischen Krankenhaus Göttingen – Weende – geplant verlegt. Be-reits nach wenigen Tagen der stationären Betreuung in der Einrichtung der Bei-geladenen zu 1 wurde klar, dass die Klägerin auf Grund ihrer Erkrankung vor-aussichtlich nicht in der Lage sein würde, dauerhaft spontan zu atmen. Es wur-de weiter ausgeführt, dass aus ärztlicher Sicht spätestens seit dem 1. Juni 1996 keine objektivierbaren Gründe, wie erforderliche operative Eingriffe oder ander-weitige medizinisch zu behandelnde Komplikationen bestanden, die einen stati-onären Krankenhausaufenthalt gerechtfertigt hätten. Aus diesem Grund waren die Angehörigen der Klägerin bereits im Januar/Februar 1996 bemüht, einen geeigneten Pflegeplatz zu finden, was sich jedoch als schwierig herausstellte.

Die Ansicht des L. wird bestätigt durch die Ausführungen in den Gutachten des MDKN. Bereits im März und April 1996 wies G. vom MDKN in seinen Gutachten darauf hin, dass grundsätzlich eine Respiratorbehandlung in einem Pflegeheim erfolgen könne. Wenngleich G. im März 1996 noch der Ansicht war, dass die Versorgung von beatmungspflichtigen Patienten seines Wissens 1995 von der Heimaufsicht für das in Betracht kommende Pflegeheim O. abgelehnt worden sei, so ergänzt G. im April 1996, dass eine stationäre Pflege notwendig sei. Die Empfehlung des G. im Gutachten vom 13. März 1996, dass ein Krankenhaus der Grundversorgung zu finden sei, das diese Leistung (gemeint ist wohl die Versorgung von beatmungspflichtigen Patienten) sicherstellen kann, basiert auf seiner (nicht zutreffenden) Rechtsauffassung, dass eine Beatmung im Pflege-heim nicht zulässig und nicht möglich sei.

In dem Gutachten des MDKN vom 25. Juni 1996 bestätigt H. erneut die Ansicht der behandelnden Ärzte der Beigeladenen zu 1, wonach keine Krankenhaus-behandlungsbedürftigkeit mehr bestand zum Zeitpunkt der Rückverlegung in die Einrichtung der Beigeladenen zu 1 am 31. Januar 1996. Die Verlegung er-folgte vielmehr überbrückend, bis ein geeignetes Pflegeheim oder auch der ge-eignete Heimplatz zur Dauerbetreuung gefunden wurde. Zu jenem Zeitpunkt führte H. bereits aus, dass entscheidend für die Sicherung der Pflege die stän-dige Präsenz einer pflegenden Bezugsperson bzw von Personen war. Wenn die Hilfsmittelvoraussetzungen gesichert waren, konnte nach Ansicht des H. die Pflege sowohl in geeigneter häuslicher Umgebung, als auch vollstationär in ei-nem Pflegeheim erfolgen. Bereits zu jenem Zeitpunkt wurden drei Pflegeein-richtungen vorgeschlagen, nämlich das P …

Die zuvor getroffenen Einschätzungen des L. bzw des MDKN durch Q. werden wiederum bestätigt durch das vom SG eingeholte Sachverständigengutachten des M … M. führt darin aus, dass die rein pflegerischen Maßnahmen neben der Beatmung und neben schonenden passiven Übungen im Vordergrund standen. Die Klägerin erhielt Carbimazol wegen der Schilddrüsenüberfunktion und Frag-min-Subkutaninjektionen zur Thromboembolie-Prophylaxe. Da das Grundleiden nicht heilbar, sondern unbeeinflussbar ist, war das Ziel der Behandlung weder Heilung noch Besserung oder Linderung bzw Verhütung einer Verschlimme-rung. Es konnte allenfalls von lebenserhaltender oder –verlängernder Wirkung gesprochen werden. Die Behandlung erfordert und erforderte die ärztliche An-ordnung und Überwachung. Sie war nach den Ausführungen des Sachverstän-digen im streitigen Zeitraum bereits in einer geeigneten, personell und tech-nisch entsprechend ausgestatteten Pflegeeinrichtung möglich und nicht not-wendig mit den Mitteln des Krankenhauses! M. hielt eine teilstationäre oder sogar ambulante Unterbringung weder für ausreichend noch möglich im fragli-chen Zeitraum.

Damit liegen die Voraussetzungen des § 39 Abs 1 SGB V nicht vor. Die Auf-nahme in das Krankenhaus ist nach Prüfung durch das Krankenhaus nicht er-forderlich gewesen, weil das Behandlungsziel zumindest in einem geeigneten Pflegeheim, wenn nicht auch durch häusliche Krankenpflege erreicht werden konnte.

Wenn die Klägerin nun vorträgt, dass eine häusliche Krankenpflege bzw die Behandlung in einer Pflegeeinrichtung bereits deshalb nicht in Betracht kam, weil eine permanente ärztliche Überwachung notwendig gewesen sei, so stimmt der Senat dieser Ansicht nicht zu. Nach den Ergebnissen der Beweis-aufnahme war in dem hier streitigen Zeitraum ein jederzeit anwesender Arzt im Rahmen der laufenden Behandlung gerade nicht erforderlich. In der Zeit ab 2. Juni 1996 bis zur Entlassung gab es keine wesentliche Verbesserung oder Verschlechterung des Krankheitsbildes. Ärztliche Maßnahmen haben bei der Betreuung der Klägerin eindeutig nicht im Vordergrund gestanden. Die von M. angesprochene Notwendigkeit der Behandlung in Form der ärztlichen Anord-nung und Überwachung erforderte keine dauernde Anwesenheit eines Arztes. M. hat selbst ausgeführt, dass eine den Notwendigkeiten der Erkrankung der Klägerin angepasste ärztliche Betreuung in einer geeigneten, personell und technisch entsprechend ausgestatteten Pflegeeinrichtung möglich gewesen wäre.

Die Kritik der Klägerin an der Qualifikation des M. ist unbegründet. Seine Ein-schätzung wird von den anderen Ärzten, insbesondere den behandelnden Ärz-ten der Einrichtung der Beigeladenen zu 1 geteilt. Damit liegt eine für den Senat hinreichend fundierte ärztliche Einschätzung zur fehlenden Erforderlichkeit der Krankenhausbehandlung gemäß § 39 SGB V im streitigen Zeitraum vor.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Ein gesetzlicher Grund, die Revision zuzulassen, liegt nicht vor (§ 160 Abs 2 SGG).