Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 16 KR 192/00

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen

Urteil vom 07.03.2002 (rechtskräftig)

  • Sozialgericht Dortmund S 8 KR 161/00
  • Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 16 KR 192/00
  • Bundessozialgericht B 3 KR 12/02 R

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 07. November 2000 geändert. Die Klage wird abgewiesen. Die Beklagte trägt 2/3 der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Höhe der Vergütung einer Krankenhausbehandlung, die davon ab hängt, ob der Tag der Wundheilung durch die Fallpauschale 17.021 abgedeckt ist.

Im St. J …-Hospital B …, dessen Träger die Klägerin ist, wurde in der Zeit vom 14.01. bis 28.01.1999 das Mitglied der Beklagten, E … F …, behandelt. Grund der Behandlung war eine Schenkelhalsfraktur. Die Versicherte wurde mit einer Hüftkopf-/Schaftprothese versorgt. Die Klägerin stellte der Beklagten für die Behandlung der Versicherten mit Schreiben vom 05.02.1999 einen Betrag von insgesamt DM 11.493,85 in Rechnung. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus der Fallpauschale 17.021 (A-Pauschale) sowie tagesgleichen Pflegesätzen für die Zeit vom 25. bis 28.01.1999 (drei Tage). Die Beklagte lehnte die Zahlung der tagesgleichen Pflegesätze neben der A-Fallpauschale ab. Sie vertrat die Auffassung, die Klägerin dürfe neben der A-Pauschale tagesgleiche Pflegesätze nicht berechnen, wenn ein Krankenhauspatient nach dem Einsatz einer Hüftkopf-/Schaftprothese über den Zeitpunkt der Wundheilung hinaus weiter behandelt werde, ohne dass die Mindestbehandlungszeit der B-Pauschale erreicht wird.

Hiergegen hat die Klägerin am 08.06.1999 Klage erhoben.

Mit Urteil vom 07.11.2000, auf das Bezug genommen wird, hat das Sozialgericht die Beklagte verurteilt, der Klägerin DM 1.753,02 (das entspricht den in Rechnung gestellten drei tagesgleichen Pflegesätzen) nebst Zinsen seit dem 19.06.1999 zu zahlen.

Gegen dieses ihr am 07.12.2000 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 19.12.2000 Berufung eingelegt. Sie hat zunächst an ihrer bislang vertretenen Auffassung festgehalten. Nach Auswertung des Urteil des Bundessozialgerichts vom 26.04.2001 – B 3 KR 16/00 R – hat die Beklagte mitgeteilt, sie sei bereit, für die streitigen Behandlungstage mit Ausnahme des Wundheilungstages tagesgleiche Pflegesätze zu zahlen. Denn dieser seit mit der gezahlten Fallpauschale 17.021 (A-Pauschale) abgegolten. Die anderslautende Entscheidung des Bundessozialgerichts in dem vorgenannten Urteil könne nicht nachvollzogen werden. Das Sozialgericht habe nicht berücksichtigt, dass in der ursprünglichen Fassung des Entgeltkatalogs die sog. B-Fallpauschalen für die Weiterbehandlung (speziell hier 17.022) nicht existierten. Die mit Verordnung vom 26.09.1994 (BGBl. I, S. 2750) festgesetzte Regelung habe als einheitliche Fallpauschale 17.02 den Einbau einer Hüftkopf-/Schaftprothese vorgesehen. Die Unterscheidung zwischen operativer Behandlung (A-Fallpauschale) und Weiterbehandlung (B-Fallpauschale) habe es nicht gegeben. Sie sei erst durch eine spätere Fassung der Entgeltkataloge eingeführt worden. Die Fallpauschale 17.021 enthalte Elemente der Versorgung im Anschluss an die Operation. Nach dem Wortlaut der Fallpauschale 17.021 werde diese gezahlt für den Einbau einer Hüft-/Schaftprothese bei geschlossener Schenkelfraktur, Versorgung “bis Abschluss Wundheilung”. Nach dem ausdrücklichen Wortlaut könne es keinem Zweifel unterliegen, dass der Zeitraum bis zum Abschluss der Wundheilung mit dieser Fallpauschale abgegolten sei. Eine Abtrennung des Zeitpunktes der Wundheilung von dem für die Operation zu zahlenden Entgelt wäre willkürlich und sachfremd.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 07.11.2000 abzuändern und die Klage auf Krankenhausvergütung für den 25.01.1999 abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 07.03.2001 hat die Klägerin die Krankenakte der Versicherten E … F … vorgelegt. Nach Durchsicht dieser Akte haben die Beteiligten übereinstimmend erklärt, sie gingen davon aus, die Wundheilung sei vorliegend am 25.01.1999 eingetreten. Des weiteren haben die Beteiligten übereinstimmend den Rechtsstreit hinsichtlich der Behandlungstage vom 26. bis 27. Januar 1999 für erledigt erklärt.

Die Verwaltungsakte der Beklagten und die Krankengeschichte der Versicherten haben neben der Prozessakte vorgelegen. Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Akten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Vergütung eines tagesgleichen Pflegesatzes für den Tag der Wundheilung am 25.01.1999.

Aufgrund der Eintragungen in die Krankenakte “Wunde reizlos, Verband ab” am 25.01.1999 gelangt der Senat – in Übereinstimmung mit den Beteiligten – zu der Auffassung, dass an diesem Tage die Wundheilung abgeschlossen war.

Nach Auffassung des Senats wird der Tag der Wundheilung durch die A-Fallpauschale 17.021 abgedeckt (anderer Auffassung BSG, Urteil vom 26.04.2001 – B 3 KR 16/00 R – SozR 3-5565 § 14 Nr. 1).

Der hier einschlägige bundesweite Fallpauschalen-Katalog für Krankenhäuser (nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 14 Abs. 4 der Bundespflegesatz-Verordnung (BPflV) in der ab 01.01.1999 gültigen Fassung hat die Qualität einer vertraglichen Vereinbarung. Die bundesweit gültigen Entgeltkataloge waren bisher in Anlagen 1 und 2 zur BPflV 1995 enthalten und hatten bis 31.12.1997 den Charakter einer Rechtsnorm. Sie gelten nach § 17 Abs. 2 a des Krankenhausfinanzierungsgesetzes ab dem 01.01.1998 als vertraglich vereinbart. Die zuvor in Abs. 4 Satz 2 BPflV enthaltenen Abrechnungsregeln sind in die Abrechnungsbestimmungen der Anlage 1 verlagert worden und teilen damit die Rechtsqualität der Entgelt-Kataloge als vertragliche Vereinbarung (Dietz/Bofinger, Krankenhausfinanzierungsgesetz, Bundespflegesatzverordnung und Folgerecht, Kommentar, Stand Dezember 2001, § 14 BPflV IV 1. und § 15 BPflV 2.1).

Als vertragliche Regelung ist die Definition der Fallpauschale 17.021 einer erweiternden Auslegung nicht zugänglich. Nach dem Wortlaut umfaßt sie den Einbau einer Hüftkopf-/Schaftprothese bei geschlossener Schenkelhalsfraktur, Versorgung “bis Abschluss Wundheilung” (z.B. Entfernen von Fäden/Klammer), mindestens jedoch bis Abschluss der Behandlung indikationsspezifischer Komplikationen; die Grenzverweildauer beträgt 20 Tage. Die B-Fallpauschale 17.022 umfaßt die Weiterbehandlung bis zum Erreichen der Rehabilitationsfähigkeit bei einem Mindestaufenthalt von 5 Belegungstagen. Die Grenzverweildauer beträgt 16 Tage.

Zwar ist die Formulierung “bis zum Zeitpunkt X” nicht ganz eindeutig, weswegen häufig zur Klarstellung “einschließlich” eingefügt wird (bis “einschließlich” Zeitpunkt X). In diesem Zusammenhang kann jedoch nicht unbeachtet bleiben, dass vorliegend die Definition sich nicht auf den Zeitpunkt bis zur Wundheilung erstreckt, vielmehr ist formuliert bis “Abschluss” Wundheilung. Diese Formulierung legt bereits nach dem Wortlaut nahe, dass die Wundheilung abgeschlossen sein muss, was auch das in Klammern angeführte Beispiel des Entfernens von Fäden/Klammern belegt.

Auch unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Regelung einer A-Fallpauschale umfaßt diese den Abschluss der Wundheilung. Es gibt keinen vernünftigen Anhalt dafür, dass die Vertragsparteien für den Fall, dass die Mindestbehandlungszeit der B-Pauschale nicht erreicht wird, den einheitlichen Vorgang von Operation bis Abschluss der Wundheilung hätten aufspalten wollen. Sie hätten dann nämlich in Kauf genommen, dass, außer im Falle einer Identität von Wundheilungs- und Entlassungstag (der Entlassungstag ist stets auszuklammern), neben der Fallpauschale regelmässig ein tagesgleicher Pflegesatz anfällt. Eine derartige Gestaltung würde dem Ziel, Behandlungsfälle möglichst über Fallpauschalen abzugelten, zuwiderlaufen.

Etwas Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus den hier einschlägigen Abrechnungs-Bestimmungen. Ziffer 7 der hier einschlägigen Abrechnungsbestimmungen lautet: “Erbringt ein Krankenhaus die Leistung einer Fallpauschale zur Weiterbehandlung (B-Pauschale) in den Gruppen 9 und 17 zusätzlich zu der Operationsleistung (A-Pauschale) beginnt die B-Pauschale am Tag der Wundheilung …”. Die darin erfolgte Festlegung, dass die B-Pauschale am Tag der Wundheilung beginnt, erfolgt jedoch nur für den Fall, dass das Krankenhaus die Leistung einer Fallpauschale zur Weiterbehandlung (B-Pauschale) in der hier einschlägigen Gruppe 17 zusätzlich zu der Operationsleistung (A-Pauschale) erbringt. Die Vertragsparteien haben hiermit lediglich eine Festlegung für die Zugehörigkeit der Wundheilung zur B-Pauschale für den Fall getroffen, dass die B-Pauschale zusätzlich zur A-Pauschale anfällt. Hieraus läßt sich aber nicht schliessen, dass die A-Pauschale, wenn sie alleine anfällt, die Wundheilung nicht abdeckt. Denn denkbar ist auch, dass es der Festlegung in Ziffer 7 gerade deshalb bedurfte, weil, wenn die B-Pauschale nicht anfällt, die A-Pauschale die Wundheilung umfaßt. Insofern stellt die vorgenannte Abrechnungsbestimmung keine Klarstellung dar, sondern wäre als eine notwendige Ausnahmeregelung im Falle des Zusammentreffens von A- und B-Pauschale zu verstehen. Fällt eine Weiterbehandlung im Sinne der B-Pauschale nicht an, sieht der Senat keine Veranlassung, den einheitlichen Vorgang einer Operationsleistung bis zur Wundheilung in eine A-Pauschale und einen einzigen, isolierten Tag der Wundheilung aufzuspalten.

Das erstinstanzliche Urteil, das der Klägerin DM 1753,02 (3 Tage à DM 453,96 + DM 130,38) zugesprochen hat, war demzufolge – soweit noch streitbefangen – zu ändern und die auf die Vergütung des Wundheilungstages vom 25.01.1999 gerichtete Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen, weil der Senat der hier zugrundeliegenden Rechtsfrage, ob der Tag der Wundheilung von der A-Fallpauschale 17.021 abgedeckt ist, grundsätzliche Bedeutung beimißt, § 160 Abs. 2 Ziff. 1 SGG, und bei seiner Entscheidung von dem zitierten Urteil des 3. Senats des Bundessozialgerichts abweicht, § 160 Abs. 2 Ziff. 2 SGG.