Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 2 KN 154/07 KR
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil vom 30.04.2009 (nicht rechtskräftig)
- Sozialgericht Dortmund S 8 (31,24) KN 158/04 KR
- Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 2 KN 154/07 KR
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 26.02.2007 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Durchführung der Familienversicherung nach § 10 Abs. 2 Nr. 4 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V).
Der am 00.00.1968 geborene Kläger ist tunesischer Staatsangehöriger. Er lebt in Tunesien. Sein am 00.00.1932 geborener Vater ist bei der Beklagten gegen Krankheit versichert. Er lebt in Deutschland.
Der Kläger wird seit 1988 wegen eines fortschreitenden chronischen entzündlichen Rheumas behandelt. Für ihn wurde am 19.10.1988 in U durch das Ministerium für Soziale Angelegenheiten der Republik Tunesien eine Behindertenkarte ausgestellt. Diese Karte berechtigte den Kläger, Begünstigungen im Bereich der Arbeit, der Erziehung, der ärztlichen Versorgung und des Sozialschutzes in Tunesien in Anspruch zu nehmen. Der Kläger war über seinen Vater in der gesetzlichen Krankenversicherung familienversichert vom 01.02.1987 bis 24.04.1992 in Tunesien, vom 25.04.1992 bis 23.04.1993 in Deutschland und vom 24.04.1993 bis 29.04.1993 erneut in Tuniesien. Nach dem 29.04.1993 bestand nach Angaben des Klägers kein Versicherungsschutz mehr.
Im Juli 1992 erfolgte eine stationäre Krankenbehandlung des Klägers in der Neurochirurgischen Abteilung des Knappschaftskrankenhauses Bergmannsheil in H wegen ankylosierender Coxarthrose unklarer Ursache sowie rechtsseitigen Lumboischialgien ohne Hinweis auf intraspinale Raumforderungen. Vom 09.09. bis 07.10.1992 sowie vom 19.11.1992 bis zum 13.01.1993 erfolgten stationäre Behandlungen in der Orthopädischen Abteilung des St.-Elisabeth-Hospitals in I wegen Hüftverschleißleiden bzw. Einsteifung der Hüftgelenke mit entsprechenden arthritischen Veränderungen bei Morbus Bechterew. Es wurden beidseits Hüftgelenkstotalendoprothesen implantiert. Nach den Operationen kam es zur Verbesserung der Hüftgelenksbeweglichkeit.
Mit Schreiben vom 16.05.2003 beantragte der Kläger die erneute Durchführung der Familienversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung seines Vaters. Er könne aufgrund seiner Erkrankung nicht alleine seinen Lebensunterhalt sichern. Dr. L aus U in Tunesien erstattete am 03.11.2003 einen medizinischen Sachverständigenbericht aufgrund ambulanter Untersuchung des Klägers. Der Sozialmedizinische Dienst in E nahm am 27.11.2003 Stellung. Es liege keine körperliche, geistige oder seelische Behinderung vor, infolge derer der Kläger außerstande sei, sich selbst zu unterhalten. Mit Bescheid vom 02.12.2003 lehnte die Beklagte die Durchführung der Familienversicherung ab. Der Kläger könne sich selbst unterhalten. Der dagegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 16.06.2004 zurückgewiesen.
Zur Begründung der dagegen zum Sozialgericht Dortmund (SG) erhobenen Klage hat der Kläger sein Vorbringen wiederholt.
Die Beklagte hat die angefochtenen Entscheidungen verteidigt.
Das SG hat einen Behandlungsbericht des St.-Elisabeth-Hospitals I eingeholt. Es hat Beweis erhoben durch Sachverständigengutachten der Frau Dr. H1 aus E1 nach Aktenlage vom 24.02.2006. Zwar bedinge der Zustand nach endoprothetischer Versorgung beider Hüftgelenke erfahrungsgemäß eine Minderung der körperlichen Belastbarkeit. Jedoch seien nach Anpassung und Gewöhnung bei regelrechter Funktion leichte bis mittelschwere Tätigkeiten im Sitzen oder in wechselnder Körperhaltung ohne schweres Heben und Tragen oder häufiges Bücken zumutbar. Hinweise darauf, dass bei dem Kläger keine regelrechte Funktion der eingebrachten Hüftkunstgelenke vorliege, fänden sich nicht. Es sei insgesamt gesehen davon auszugehen, dass der Kläger zumindest noch zu körperlich leichten Tätigkeiten in der Lage sei und somit nicht außerstande wäre, seinen Lebensunterhalt selbst zu erzielen.
Mit Urteil vom 26.02.2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Familienversicherung nach § 10 Abs. 2 Nr. 4 SGB V sei nicht durchzuführen. Der Kläger sei trotz erheblicher Behinderungen in der Lage, sich selbst zu unterhalten. Er sei noch fähig, leichte körperliche Arbeiten auf dem deutschen Arbeitsmarkt zu verrichten.
Zur Begründung der dagegen eingelegten Berufung wiederholt der Kläger sein Vorbringen.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 30.04.2009 ist für den Kläger niemand erschienen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.
Für die Einzelheiten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann entscheiden, obwohl für den Kläger zum Termin niemand erschienen ist. Der Kläger ist mit ordnungsgemäß erfolgter Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden.
Nach dem Vorbringen des Klägers ist davon auszugehen, dass er geltend macht, Anspruch auf die Durchführung der Familienversicherung nach § 10 Abs. 2 Nr. 4 SGB V zu haben.
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Durchführung der Familienversicherung nach § 10 Abs. 2 Nr. 4 SGB V. Nach § 10 Abs. 2 Nr. 4 SGB V sind Kinder von Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung ohne Altersgrenze familienversichert, wenn sie als behinderte Menschen außerstande sind, sich selbst zu unterhalten. Voraussetzung ist, dass die Behinderung zu einem Zeitpunkt vorlag, in denen das Kind versichert war, weil es das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, oder das 23. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte und nicht erwerbstätig gewesen ist, oder das 25. Lebensjahr nicht vollendet hatte und sich in Schul- oder Berufsausbildung befunden oder ein freiwilliges soziales Jahr oder ein freiwilliges ökologisches Jahr im Sinne des Jugendfreiwilligendienstgesetzes geleistet hat (§ 10 Abs. 2 Nr. 4 S. 2 Halbsatz in Verbindung mit § 10 Abs. 2 Nrn. 1, 2 und 3 SGB V). Diese Voraussetzungen liegen bei dem Kläger nicht vor. Er ist nicht außerstande, sich selbst zu unterhalten. Zwar hatte er infolge der im Jahre 1992 erfolgten beidseitigen Versorgung mit Totalendoprothesen der Hüftgelenke Zeiten der Arbeitsunfähigkeit hinzunehmen, jedoch war er ab April 1993 wieder in der Lage, leichte bis mittelschwere Arbeiten zur Sicherung seines Lebensunterhaltes zu verrichten. Der Senat stützt sich insoweit auf die inhhaltlich ergiebigen, widerspruchsfreien und nachvollziehbaren Ausführungen der Sachverständigen Dr. H1 aus E1 vom 24.02.2006 und nimmt im Übrigen auf die Entscheidungsgründe des Urteils vom 26.02.2007 Bezug, denen er sich anschließt (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -). Abgesehen davon, dass darüber hinaus die Voraussetzungen des § 10 Abs. 2 Nr. 4, 2. Halbsatz SGB V in der Person des Klägers nicht nachgewiesen sind, ergeben sich aus den zur Begründung der Berufung vorgetragenen medizinischen Tatsachen keine Hinweise darauf, dass das Sozialgericht von sich als unzutreffend erweisenden medizinischen Tatsachen ausgegangen ist. Der Vortrag des Klägers im Berufungsverfahren enthält keine Hinweise, die ein Abweichen von den Ausführungen der Sachverständigen Dr. H1 rechtfertigen und drängen den Senat nicht zur weiteren medizinischen Sachaufklärung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht (§ 160 Abs. 2 SGG). Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Maßgeblich für die Entscheidung sind die tatsächlichen Umstände des Einzelfalls.