Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 5 KR 118/95

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen

Urteil vom 19.03.1996 (rechtskräftig)

  • Sozialgericht Düsseldorf S 34 Kr 72/94
  • Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 5 Kr 118/95

 

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 12.10.1995 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin streitet um Kostenerstattung für eine stationäre Kurmaßnahme (§§ 104 SGB X; 23 Abs. 4 SGB V).

Die am 23.10.1979 geborene R … M … (Versicherte) war bei der Beklagten und ihrer Rechtsvorgängerin (IKK) familienversichert (§ 10 SGB V). Sie beantragte erfolgreich im Januar 1992 bei der Klägerin eine stationäre Kur als Hilfe nach §§ 36, 37 BSHG. Den Antrag der Klägerin für die Versicherte auf Gewährung einer stationären Vorsorgekur wegen Karies, Bronchitiden, Erkältungskrankheiten und LWS-Skoliose lehnte die Beklagte, gestützt auf eine Stellungnahme des MDK (Dr. H …) ab, bewilligte aber eine ambulante Vorsorgekur mit einem satzungsgemäßen kalendertäglichen Zuschuß von 15,– DM (insgesamt DM 630,–; Bescheid vom 14.02.1992). Auf der Grundlage einer Stellungnahme von Dr. H … legte die Klägerin keinen Widerspruch ein. Für die Kinderkur im Heim der Stadt Wuppertal auf N … vom 14.04. bis 28.05.1992, mit welchem ein Versorgungsvertrag nach § 111 SGB V besteht, zahlte die Klägerin zusätzlich zum Zuschuß der Beklagten DM 3.645,22 (Tagespflegesatz DM 54,50; Fahrtkosten DM 112,22). Diesen Betrag machte sie gegenüber der Beklagten im April 1993 geltend und trug vor, da es sich bei der Versicherten um ein Kind handele, sei eine ambulante Maßnahme nicht möglich gewesen, zusätzlich sei pflegerische und pädagogische Betreuung zwingend notwendig gewesen, so daß eine Vorsorge nur stationär habe durchgeführt werden können. Damit sei eine ambulante Vorsorgekur nicht ausreichend gewesen. Kinder müßten sich nicht darauf verweisen lassen, bei ambulanten Vorsorgekuren von ihren Eltern oder anderen Pflegepersonen begleitet zu werden. Es könnten familiäre und finanzielle Schwierigkeiten entgegenstehen. Eine stationäre Kur wirke sich auch sozial und pädagogisch günstig aus. Dies sei vom Medizinischen nicht zu trennen. Dem schloß sich die Beklagte nicht an, da ambulante Vorsorge auch bei einem Kind möglich sei.

Deshalb hat die Klägerin Klage zum SG Düsseldorf erhoben und beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, 3.645,22 DM zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Gericht hat einen Bericht von Dr. J … beigezogen, die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen (Urteil vom 12.10.1995).

Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Klägerin vor, bei Kindern komme nur eine stationäre Vorsorge nach § 23 Abs. 4 SGB V in Betracht. Da Fahrtkosten allein nach § 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V geltend gemacht würden, werde die Klageforderung um 40,– DM reduziert.

Die Vertreterin der Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 12.10.1995 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, 3.605,22 DM an sie zu zahlen.

Der Vertreter der Beklagten beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Für die Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Zutreffend ist das SG davon ausgegangen, daß es für einen Erstattungsanspruch nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X an einem vorrangigen Anspruch der Versicherten gegen die Beklagte fehlt. Die Versicherte hat keinen Anspruch auf eine stationäre Vorsorgemaßnahme im Sinne von § 23 Abs. 4 SGB V gehabt. Die Beklagte hat den Anspruch der Versicherten aus § 23 SGB V durch Gewährung der satzungsgemäßen Leistung bei einer ambulanten Kur erfüllt. Nach § 23 Abs. 4 SGB V kann die Krankenkasse Behandlung mit Unterkunft und Verpflegung in einer Vorsorgeeinrichtung erbringen, mit der ein Vertrag nach § 111 SGB V besteht, wenn bei Versicherten die Leistungen nach § 25 Abs. 1 und 2 nicht ausreichen. Ob eine Leistung nach Abs. 1 und 2 im Sinne dieser Norm ausreicht, bestimmt sich nach medizinischen Gründen (§ 23 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Entscheidend ist insoweit der Zweck der Maßnahme, eine Schwächung der Gesundheit, die in absehbarer Zeit voraussichtlich zu einer Krankheit führen würde, zu beseitigen, einer Gefährdung der gesundheitlichen Entwicklung eines Kindes entgegenzuwirken oder Pflegebedürftigkeit zu vermeiden (§ 23 Abs. 1 SGB V). Nach dem Beweisergebnis steht fest, daß – wenn überhaupt – eine ambulante Vorsorgekur jedenfalls ausreichend gewesen wäre, um eine Schwächung der Gesundheit zu beseitigen und eine Gefährdung der gesundheitlichen Entwicklung der Versicherten entgegenzuwirken. Das folgt aus den urkundsbeweislich verwertbaren Beurteilungen des Amtsarztes Dr. H … im Anschluß an die ablehnende Entscheidung der Beklagten (6 VA: kleinere Befunde), der Einschätzung des MDK (Dr. H …) und der Hausärztin der Versicherten (keine Kur indiziert).

Entgegen der Ansicht der Klägerin schließt das SGB V nicht aus, auch Kindern ambulante Vorsorgekuren zu gewähren. Steht dieser Form der Leistung eine schulische Problematik (Unterrichtsbefreiung/Ersetzung des Unterrichts am Kurort) oder z.B. finanzielle Problematik (Finanzierung der übrigen Kurbegleitkosten) entgegen, bedeutet dies nicht, daß die Krankenkasse auch insoweit verantwortlich ist. Vielmehr sind die Hemmnisse in den spezifischen Bereichen zu beseitigen, in denen sie auftauchen (z.B. Schulrecht; ggf. Sozialhilfe). Die Voraussetzungen des § 23 Abs. 4 SGB V, die den Weg zu einer Ermessensentscheidung eröffnen, sind nach alledem nicht erfüllt. Infolgedessen kommt auch ein Anspruch auf Erstattung der Fahrtkosten (§ 60 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V) in Höhe des 20,– DM je Fahrt übersteigenden Betrags (DM 77,22) nicht in Betracht. Einen Antrag auf “vollständige Befreiung” (§ 61 Abs. 1 Nr. 3 SGB V) hat die Versicherte unstreitig nicht gestellt.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.