Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 5 KR 6/00

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen

Urteil vom 08.08.2000 (rechtskräftig)

  • Sozialgericht Dortmund S 41 KR 60/94
  • Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 5 KR 6/00

 

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 22.11.1999 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Erstattung der ihm entstandenen Kosten für die Behandlung eines Prostataadenoms mittels einer Lasertherapie.

Der im Jahre 1938 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte Kläger beantragte am 14.01.1999, ihm die Behandlung eines Prostataadenoms unter Anwendung der interstitiellen Lasertherapie durch die Urologen Dres. J … und G … zu gewähren.

Die Beklagte holte eine Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 01.02.1999 ein, der feststellte, dass ausreichende vertragsärztliche Therapiemöglichkeiten zur Verfügung stehen würden, die ohne Nachteil für den K1äger durchgeführt werden könnten; eine Kostenübernahme könne daher nicht befürwortet werden.

Daraufhin lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 04.02.1999 ab. Zur Begründung verwies sie auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, nach der neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung nur erbracht werden dürften, wenn der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in den von ihm erlassenen Richtlinien den diagnostischen und therapeutischen Nutzen der betreffenden Methode anerkannt habe. Da es sich bei der vom Kläger beantragten Therapie um eine vom Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen bisher nicht anerkannte Behandlungsmethode handele, könne diese dem Kläger zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung nicht gewährt werden.

Dagegen legte der Kläger am 01.03.1999 Widerspruch ein, mit dem er darauf hinwies, daß die Behandlung des Prostataadenoms mit tels der ambulant durchzuführenden Lasertherapie mit einem finanziellen Aufwand von ca. 2.500,00 DM sehr kostengünstig sei. Ferner sei sie für ihn weniger belastend als eine herkömmliche Operation.

Die Beklagte holte Auskünfte von den Dres. J … und G …sowie dem Arzt für Allgemeinmedizin Dr. R … ein und legte diese dem MDK, Dr. R …, zur Stellungnahme vor. Dieser gelangte zu dem Ergebnis, dass die Behandlung auch durch vertragsärztliche Methoden (Operation) erfolgen könne und daher die Gewährung der Lasertherapie nicht empfohlen werden könne.

Die Beklagte wies dementsprechend den Widerspruch des Klägers durch den Widerspruchsbescheid vom 04.05.1999 zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 28.05.1999 Klage erhoben.

Zur Begründung hat er vorgetragen: Er habe die Behandlung mittels der Lasertherapie am 02.03.1999 durch Dr. J … auf eigene Kosten vornehmen lassen; er habe dafür 2.500,00 DM zahlen müssen. Bei einer stationären Operation im Krankenhaus wären demgegenüber weitaus höhere Kosten angefallen. Die ambulante durchgeführte Laserbehandlung habe den weiteren Vorteil gehabt, daß er sich ohne Unterbrechung um seine Schwester habe kümmern können, die er seit Jahren pflege. Vor diesem Hintergrund sei es ihm unerklärlich, dass die Beklagte die verhältnismäßig geringen Kosten für die Lasertherapie nicht übernehmen wolle.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 04.02.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 04.05.1999 zu verurteilen, ihm die Kosten für die durchgeführte in terstitielle Lasertherapie zu erstatten.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat die Beklagte zunächst auf den Inhalt der an gefochtenen Bescheide sowie darauf verwiesen, dass der Vortrag des K1ägers hinsichtlich der Kostenersparnis für eine nicht beanspruchte Verhinderungspflege bei Ausfall der Pflegeperson für die Entscheidung im vorliegenden Rechtsstreit nicht relevant sei, da die Gewährung dieser Leistung in den Zuständigkeitsbereich eines anderen Sozialleistungsträgers falle.

Das Sozialgericht hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes eine Stellungnahme des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenassen, des Arbeitsausschusses “Ärztliche Behandlung”, eingeholt. Dieser hat unter dem 24.08.1999 mitgeteilt: Der zuständige Arbeitsausschuss habe Ende 1993 u.a. zu den transurethralen Laseranwendungen zur Behandlung der Prostata beraten. Nach eingehender Diskussion der schriftlichen und mündlichen Sachverständigenstellungnahmen seien u.a. die o.g. Laseranwendungen zur Behandlung der Prostata den in der vertragsärztlichen Versorgung nicht anerkannten Untersuchungs- und Behandlungsmetho den zugeordnet worden. Der Bundesausschuss habe sich diesem Votum angeschlossen. Ein rechtswirksamer Antrag, die Frage der Anwendung von Laserbehandlungen der Prostata erneut zu beraten, liege bisher nicht vor.

Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 22.11.1999 ab gewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Kostenerstattung hinsichtlich seiner Aufwendungen für die selbstbeschaffte Laserbehandlung der Prostata gemäß § 13 SGB V, weil die Beklagte nicht verpflichtet gewesen sei, die Laserbehandlung als Sachleistung zur Verfügung zu stellen. Die Lasertherapie der Prostata gehöre nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung. Das ergebe sich aus § 135 SGB V in Verbindung mit den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen, die dieses Therapien von der vertragsärztlichen Versorgung ausschlössen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.

Gegen das ihm am 28.12.1999 zugestellte Urteil hat der Kläger am 19.01.2000 Berufung eingelegt.

Zur Begründung wiederholt er sein erstinstanzliches Vorbringen und weist ergänzend darauf hin, daß die Behandlung seines Leidens mittels der Lasertherapie guten Erfolg gehabt habe.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 08.08.2000 ist der Kläger nicht erschienen; er hat mitgeteilt, dass er an dem Termin nicht teilnehmen könne, weil er seine pflegebedürftige Schwester nicht allein lassen könne. Mit einer Entscheidung des Rechtsstreits in seiner Abwesenheit sei er einverstanden.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 22.11.1999 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 04.02.1999 und des Widerspruchsbescheides vom 04.05.1999 zu verurteilen, ihm 2.500,00 DM zu erstatten.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.

Der Senat hat eine weitere Auskunft des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen, Arbeitsausschuss “Ärztliche Behandung” vom 05.04.2000 eingeholt: Die Deutsche Gesellschaft für Urologie e.V. habe mit Schreiben vom 04.11.1997 eine erneute Überprüfung der verschiedenen Methoden zur Laserbehandlung der Prostata angeregt; die Geschäftsführung des Arbeitsauschusses “Ärztliche Behandlung” habe darauf mit Schreiben vom 16.12.1997 auf die Notwendigkeit der Antragsstellung durch eine der nach § 135 SGB V berechtigten Parteien sowie der Notwendigkeit einer ausführlichen Begründung hinsichtlich des Nutzens, der medizinischen Notwendigkeit und der Wirtschaftlichkeit der betreffen den Behandlungsmethode hingewiesen; mit weiterem Schreiben vom 15.12.1998 habe der Arbeitsausschuss dieses Aufforderung wiederholt, ohne daß bislang eine Reaktion erfolgt sei.

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat mit Schreiben vom 16.03.2000 mitgeteilt, dass mit der Deutschen Gesellschaft für Urologie e.V. ein Schriftwechsel sowie Besprechungen zur Vorbereitung eines Antrags an den Bundesausschuss stattgefunden habe, was jedoch zu keinen konkreten Ergebnissen geführt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird verwiesen auf den übrigen Inhalt der Streitakten sowie der Verwaltungsakten der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte die Streitsache auch in Abwesenheit des Klägers verhandeln und entscheiden, weil der – ausweislich der Postzustellungsurkunde am 29.06.2000 – ordnungsgemäß von dem Termin zur mündlichen Verhandlung am 08.08.2000 benachrichtigte Kläger in der Terminsmitteilung ausdrücklich auf diese Möglichkeit hingewiesen worden war; außerdem hat er sich mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt.

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.

Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 04.02.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 04.05.1999, mit dem es die Beklagte abgelehnt hat, dem Kläger die Behandlung des Prostataadenoms mittels der interstitiellen Lasertherapie zu gewähren, ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Kostenerstattung gemäß § 13 Absatz 3 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V). Nach dieser Vorschrift sind von der Krankenkasse Kosten zu erstatten, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder wenn sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dem Versicherten dadurch für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind, soweit die Leistung notwendig war.

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Dass es sich im Falle der hier zu beurteilenden Behandlung des Prostataadenoms mit tels der Lasertherapie nicht um eine unaufschiebbare Leistung gehandelt hat, ergibt sich schon daraus, dass der Kläger zuächst im Januar 1999 beantragt hat, bevor er die Behandlung dann am 02.03.1999 auf eigene Kosten durchführen ließ.

Die Beklagte hat die Gewährung der Lasertherapie auch nicht zu Unrecht abgelehnt; weil der Kläger keinen Anspruch auf diese Leistung nach den §§ 11 Absatz 1 Satz 1 Nr. 4, 27 Absatz 1 Satz 1, 12 Absatz 1 Satz 2 SGB V in Form der Sach- bzw. Dienstleistung hatte, steht ihm auch die jetzt begehrte Kostenerstattung nicht zu.

Die Behandlung eines Prostataadenoms mittels der Lasertherapie ist, wie das Sozialgericht zutreffend entschieden hat, von der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossen. Der Einsatz der Lasertherapie zählt vielmehr zu den Behandlungsmethoden, die für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein an erkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse (§§ 2 Absatz 1, 12 Absatz 1, 28 Absatz 1, 70 Absatz 1 und 72 Absatz 2 SGB V) nicht erforderlich ist. Das ergibt sich aus § 135 SGB V in Verbindung mit den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die Bewertung ärztlicher Behandlungs- und Untersuchungsmethoden (BUB-Richtlinien) in der Fassung vom 10.12.1999, veröffentlicht im Bundesanzeiger Nr. 56 21.03.2000, in Kraft getreten am 22.03.2000, Anlage B (“nicht anerkannt”) Nr. 15. Bei den BUB-Richtlinien handelt es sich um untergesetzliche Rechtsnormen, die in Verbindung mit § 135 Abs. 1 SGB V verbindlich festlegen, welche neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden Gegenstand der Leistungspflicht der Krankenkassen sind. Die BUB-Richtlinien sind nicht nur von den Vertragsärzten zu beachten, sie legen vielmehr auch zwischen Versicherten und Krankenkassen verbindlich fest, was zum Leistungsumfang gehört (BSG, Urteil vom 16.09.1997, 1 RK 32/95, SozR 3-2500 § 135 SGB V Nr. 5). In der Anlage B, die die Behandlungsmethoden auflistet, die nicht als vertragsärztliche Leistungen zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen erbracht werden dürfen, ist unter Nr.15 ausdrücklich “transurethrale Laseranwendung zur Behandlung der Prostata” aufgeführt, die die im Falle des Klägers angewandte interstitielle Lasertherapie mit umfasst.

Ein Anspruch auf Behandlung mittels der Lasertherapie ist hier auch nicht etwa deshalb gegeben, weil die fehlende Anerkennung dieser Behandlungsmethode auf einem Mangel des gesetzlichen Leistungssystems beruht. Zwar hat das Bundessozialgericht entschieden, dass ein Anspruch auf eine bisher nicht vom Bundesausschuss anerkannte Behandlungsmethode ausnahmsweise dann bestehen könne, wenn das Anerkennungsverfahren trotz Erfüllung der für eine Überprüfung erforderlichen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht zeitgerecht durchgeführt oder sonst durch sachfremde Erwägungen geprägt wird (vergl. BSG SozR 3-2500 § 135 SGB V Nr.4). Hierfür fehlt jeglicher Anhaltspunkt. Die vom Senat bzw. dem Sozialgericht eingeholten Auskünfte des Bundesausschusses lassen vielmehr erkennen, dass der Bundesausschuss sich nach seiner negativen Entscheidung in Bezug auf die Wirksamkeit der verschiedenen Lasertherapien bemüht hat, neue Erkenntnisse für eine etwaige zukünftige, neue Entscheidung zu erhalten.

Der Kläger kann hier auch nicht erfolgreich geltend machen, es sei von der Wirksamkeit der Lasertherapie aufgrund der von ihm offenbar gemachten persönlichen Erfahrung auszugehen; die – notwendig subjektive – Erfahrung eines Versicherten in Bezug auf die Wirksamkeit einer bestimmten Behandlungsmethode ist im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung kein hinreichendes Kriterium für die Leistungspflicht der Krankenkasse. Ebensowenig kann der Kläger die Leistung bzw. die Kostenerstattung des halb verlangen, weil durch die ambulante Behandlung mittels der Lasertherapie die Pflege seiner Schwester gewährleistet war.

Dies auch bereits deshalb nicht, weil die Möglichkeit der Inanspruchnahme entsprechender Leistungen der Pflegeversicherung gegebenenfalls in Betracht gekommen wäre (vergl. §§ 42, 39 Elftes Buch Sozialgesetzbuch, SGB XI).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht erfüllt sind.