Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 5 KR 87/99
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen
Urteil vom 20.03.2001 (rechtskräftig)
Sozialgericht Münster S 3 KR 15/97
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 5 KR 87/99
Bundessozialgericht B 3 KR 24/01 R
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 01.09.1999 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig sind die Kosten der stationären Behandlung des Beigeladenen in der Westfälischen Klinik für Psychiatrie M … vom 01.06.1994 bis 09.07.1995 in Höhe von 124.491,90 DM.
Der 1962 geborene Beigeladene ist bei der Beklagten familienversichert. Er leidet an einer schweren Verlaufsform einer schizophrenen Psychose, zum Teil mit hebephrenen Zügen, größtenteils mit paranoid-halluzinatorischer Symptomatik. Seit dem Herbst 1978 befindet er sich mit Unterbrechungen in stationärer bzw. teilstationärer Behandlung. Seit dem 21.09.1988 wird er in der Westfälischen Klinik für Psychiatrie M … behandelt.
Die Beklagte erteilte gegenüber der Klinik zunächst Zusagen, die Kosten des stationären Aufenthalts des Beigeladenen zu übernehmen, da in den Stellungnahmen des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vor allem wegen der hohen Dosierungen der verabreichten Medikamente (Neuroleptika und Benzodiazepine) eine ambulante Behandlung nicht für möglich gehalten wurde. Erstmals führte Dr. P … vom MDK bei der Beurteilung des Verlängerungszeitraums bis 31.05.1994 aus, nach den Unterlagen erhalte der Beigeladene seit 1990 die Medikamente in Höchstdosierung. Somit handele es sich um eine Basismedikation, die auch ambulant erfolgen könne. Tagesstrukturierende und pflegerische Maßnahmen bedingten keine stationäre Behandlungsnotwendigkeit. Nur wegen der geschilderten häufigen Unruhe- und Angstzustände, die täglich bzw. mehrmals täglich ärztliche Interventionen erforderlich machten, sei Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit zu bejahen. Insoweit seien bei einem weiteren Verlängerungsantrag weitergehende Informationen zu Frequenz und Intensität der Unruhezustände erforderlich. Die Beklagte erteilte daraufhin eine weitere Kostenzusage bis 31.05.1994.
Ihren Verlängerungsantrag vom 26.05.1994 begründete die Westfälische Klinik wiederum mit – nicht näher konkretisierten – Unruhe zuständen und gab in einem Bericht vom 16.06.1994 an, bei stärkeren Unruhezuständen müssten ggf. zusätzliche Benzodiazepine als Bedarfsmedikation verabreicht werden, wenn ärztliche Zuwendung und ein beruhigendes Gespräch keinen Erfolg brächten. Diese Gabe eines Benzodiazepins dürfe nur auf ärztliche Anordnung erfolgen. Ferner wurden die therapeutischen Maßnahmen geschildert und ausgeführt, die Durchführung dieser Maßnahmen bedürfe bei so schwerkranken Patienten wie dem Beigeladenen des Einsatzes besonders geschulten Fachpersonals. Die ärztliche Visite müsse täglich, je nach Schwere des Krankheitsbildes mehrfach durchgeführt werden. Nachdem Dr. M … vom MDK in einer Stellungnahme vom 24.06.1994 darauf hingewiesen hatte, dass die Schwere des Krankheitsbildes kein ausreichendes Kriterium für die Bejahung einer Krankenhausbehandlung sei und möglicherweise ein nicht besserungsfähiges Dauer leiden vorliege, schilderte die Klinik in einem weiteren Bericht vom 07.07.1994 das Konzept der Station, auf der sich der Beigeladene befand. Insoweit führte sie aus, ein Teil der Station sei auf eine kleine therapeutische Einheit ausgerichtet. Man wolle dort die „gesunden Anteile“ des Beigeladenen weiterhin intensiv pflegen und fördern und strebe im Rahmen des Behandlungskonzeptes an, ihn in den offenen Teil der Station zu verlegen und nach entsprechen der Vorbereitung auf eine andere Station mit Rehabilitationscharakter zu verlegen. Dr. M … kam in seiner Stellungnahme vom 22.07.1994 zu dem Ergebnis, der Beigeladene erhalte bereits seit mehreren Jahren Hoch- bis Höchstdosen an Neuroleptika sowie Benzodiazepin. Seine Symptomatik habe hierdurch nicht beeinflusst werden können, höchstwahrscheinlich werde dies auch in Zukunft nicht möglich sein. Auch die übrigen Maßnahmen des sogenannten Behandlungsplanes schienen ihm nicht geeignet zu sein, den Zustand wesentlich zu beeinflussen. Abgesehen davon seien zur Durchführung der geschilderten Maßnahmen die spezifischen Mittel eines Krankenhauses nicht erforderlich. Dem widersprach die Klinik in einer weiteren Stellungnahme vom 02.08.1994 und führte aus, die Behandlung sei weniger auf eine Besserung als eine Verhinderung von Verschlimmerungen ausgerichtet. Im Rahmen der weiteren Behandlung sei geplant, eine medikamentöse Umstellung vorzunehmen. Eine solche Umstellung erfordere intensive Überwachung und die Möglichkeit zum sofortigen Eingreifen durch entsprechendes, hauptsächlich ärztliches Fachpersonal. Dr. P … vom MDK blieb in ihrer Stellungnahme vom 09.08.1994 bei der Auffassung, eine Krankenhausbehandlung sei auch unter Berücksichtigung dieser Ausführungen seit dem 01.06.1994 nicht mehr erforderlich.
Mit Bescheid vom 11.08.1994 und Widerspruchsbescheid vom 10.03.1995 lehnte die Beklagte gegenüber dem Beigeladenen die weitere Gewährung von Krankenhausbehandlung ab dem 01.06.1994 ab. Dieser Bescheid ist bestandskräftig geworden.
Mit Bescheid vom 07.04.1995 bewilligte der Kläger als überörtlicher Träger der Sozialhilfe in Kenntnis des Widerspruchsbescheides ab 01.06.1994 Eingliederungshilfe nach § 40 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) unter Übernahme der Kosten der stationären Behandlung. Mit Schreiben vom gleichen Tag meldete er bei der Beklagten einen Erstattungsanspruch an. Von Seiten der Klinik wurde ab dem 10.07.1995 eine weitere stationäre Krankenhausbehandlung nicht mehr für erforderlich gehalten.
Zur Begründung seiner am 03.03.1997 erhobenen Klage hat der Kläger unter Hinweis auf die Berichte der Westfälischen Klinik geltend gemacht, der Beigeladene habe im fraglichen Zeitraum der stationären Krankenhausbehandlung bedurft.
Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens von dem Oberarzt Dr. B … (Knappschafts-Krankenhaus …). Dieser gelangte in seinem Gutachten vom 14.01.1998 zu dem Ergebnis, das Behandlungsziel und der Erfolg der Behandlung seien nur mit den besonderen Mitteln eines Krankenhauses erreichbar gewesen. Zwar sei einzuräumen, dass der Behandlungserfolg „mäßig“ gewesen sei, auch sei die Wahrscheinlichkeit gering gewesen, dass es trotz des dauerhaften ungünstigen Verlaufes ab Beginn des streitigen Zeitraumes noch zu einer Besserung habe kommen können. Allerdings sei nie auszuschließen, dass auch nach zwei Jahr zehnten Krankheit eine Besserung eintrete. An dieser Beurteilung hielt der Sachverständige in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 24.06.1999 fest, nachdem die Beklagte eine Stellungnahme des MDK (Ärztin B …) vom 21.10.1998 vorgelegt hatte, in der die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung mit der Begründung bezweifelt wurde, eine wesentliche Besserung im psychischen Befinden des Beigeladenen habe nicht erreicht werden können. Wegen der Einzelheiten wird auf das Gutachten sowie die Stellungnahmen verwiesen.
Mit Urteil vom 01.09.1999 hat das Sozialgericht gestützt auf das Gutachten von Dr. B … die Beklagte antragsgemäß zur Erstattung der Behandlungskosten und Verzinsung des Erstattungsanspruchs ab 01.08.1996 verurteilt.
Die Beklagte bestreitet im Berufungsverfahren weiterhin die Notwendigkeit von Krankenhausbehandlung. Sie bezieht sich insoweit auf eine weitere Stellungnahme des MDK (Ärztin K …) vom 07.03.2000. In der Stellungnahme wird ausgeführt, dass zwar das gesamte therapeutische Personal zusammengearbeitet hätte, jedoch nicht zwingend eine ärztliche Weisung und Kontrolle notwendig gewesen sei. Ein jederzeit rufbereiter Arzt sei nicht erforderlich gewesen, ärztliche Betreuung im Rahmen einer ambulanten Behandlung hätte ausgereicht. Das gelte auch für die angegebenen Medikationsänderungen, die im Rahmen einer Heimbetreuung hätten erfolgen können. Ebenso hätten in einem Heim die formulierten Behandlungsziele erreicht werden können. Man habe im Rahmen der jahrelangen Betreuung auf eine Stabilisierung des Zustandes hoffen dürfen. Diese Stabilisierung hätte aber im Rahmen einer Heimunterbringung geleistet werden müssen, sie sei nicht Aufgabe eines Akutkrankenhauses.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Münster vom 01.09.1999 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und sieht sich durch das eingeholte Gutachten in seiner Auffassung bestätigt.
Der Beigeladene hat sich im Verfahren nicht geäußert.
Der Senat hat zu der Stellungnahme des MDK eine weitere ergänzende Stellungnahme von Dr. B … eingeholt. Dieser führte unter dem 06.11.2000 aus, bei dem Beigeladenen habe ein dramatisches Krankheitsbild vorgelegen, das bei den formulierten Therapiezielen grundsätzlich die Rufbereitschaft eines Arztes vorausgesetzt habe. Selbst der geringe Erfolg der Behandlung sei nur durch die intensive Zusammenarbeit aller in der Psychiatrie tätigen Berufsgruppen zu erreichen gewesen. Im Rahmen einer Heimbetreuung sei eine solch hohe Intensität der Behandlung, die bei einer derart chronifizierten Erkrankung möglicherweise noch die einzige Chance sei, das Krankheitsbild etwas zu verbessern, nicht möglich gewesen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Stellungnahme Bezug genommen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der Verwaltungsakte der Beklagten und der den Beigeladenen betreffenden Krankenakte der Westfälischen Klinik für Psychiatrie M … verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Beklagte zu Recht zur Erstattung der Behandlungskosten für die Zeit vom 01.06.1994 bis 09.07.1995 verurteilt.
Der geltend gemachte Anspruch ergibt sich aus § 104 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Nach dieser Vorschrift ist, wenn ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs. 1 SGB X vorliegen, der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Nachrangig verpflichtet ist ein Leistungsträger, soweit er bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre (§ 104 Abs. 1 S. 2 SGB X).
Diese gesetzlichen Voraussetzungen sind erfüllt. Der Kläger hat als überörtlicher Träger der Sozialhilfe Eingliederungshilfe u.a. in Form stationärer Behandlung (§ 40 Abs. 1 Nr. 1 BSHG) erbracht. Diese Leistung ist gegenüber der von der Beklagten geschuldeten Krankenbehandlung (§ 27 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V)), die nach Satz 2 Nr. 5 a.a.O. auch die Krankenhausbehandlung (§ 39 Abs. 1 SGB V) einschließt, nachrangig (§ 2 Abs. 2 BSHG). Ein Anspruch aus § 103 Abs. 2 SGB X kommt nicht in Betracht, denn die Leistungspflicht des Klägers ist nicht nachträglich entfallen (vgl. dazu BSGE 81, 30, 33). Ebenso wenig greift § 104 Abs. 1 Satz 3 SGB X ein, denn der Kläger hätte bei Übernahme der Behandlungskosten durch die Beklagte nicht selbst leisten müssen. Die Beklagte war auch im fraglichen Zeitraum vorrangig zur Leistung verpflichtet.
Ein Erstattungsanspruch des Klägers ist nicht etwa schon deshalb zu verneinen, weil die Beklagte mit Bescheid vom 11.08.1994 und Widerspruchsbescheid vom 10.03.1995 bestandskräftig gegenüber dem Beigeladenen die weitere Gewährung von Krankenhausbehandlung ab dem 01.06.1994 abgelehnt hat. Der Umstand, dass nach allgemeiner Meinung die in §§ 102 ff. SGB X geregelten Erstattungsansprüche unabhängig und eigenständig neben dem Leistungsanspruch des Berechtigten stehen und ein eigenständiges Rechtsverhältnis zwischen den Sozialleistungsträgern begründen (vgl. statt aller Schroeder- Printzen in: Schroeder-Printzen/Engelmann/Schmalz/Wiesner/von Wulffen, SGB X, 3. Aufl., Vor § 102 Rdnr. 4) spricht dagegen, dass eine – dem materiellen Recht nicht entsprechende – bindende Ablehnung des Leistungsanspruchs des Berechtigten einem späteren Erstattungsbegehren des erstattungsberechtigten Trägers entgegensteht (so BSG SozR 1300 § 104 Nr. 6; SozR 2200 § 562 Nr. 7 S. 10; BVerwGE 89, 39, 45 f; ebenso Pappai, BG 1983, 712, 714; Schellhorn in: GK-SGB X, Vor §§ 102 bis 114, Rdnr. 35). Vielmehr ist entscheidend, ob der Leistungsberechtigte materiell-rechtlich einen Leistungsanspruch gegen den auf Erstattung in Anspruch genommenen Träger hatte. Das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) führt zutreffend aus, dass angesichts der Regelung in § 44 SGB X die Bestandskraft eines Bescheids im Sozialrecht ohnehin nur schwach ausgebildet sei. Wenn schon im Verhältnis zwischen Leistungsberechtigtem und Sozialleistungsträger dem Interesse an einer gesetzmäßigen Leistung der Vorrang gegenüber der Bestandskraft von Bescheiden eingeräumt werde, könne erst recht im Verhältnis zwischen dem Erstattungsberechtigten und dem zur Erstattung verpflichteten Träger die Bestandskraft keinen Einwand gegen einen gesetzmäßigen Kassenausgleich darstellen.
Demgegenüber wird allerdings in neueren Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG) angenommen, dass in Folge der inhaltlichen Verknüpfung von Leistungs- und Erstattungsanspruch die bindende Versagung der Sozialleistung auch gegen den Erstattungsanspruch eingewendet werden kann und nicht die materiell-rechtliche Rechtslage, sondern die durch die Entscheidung des zur Erstattung verpflichteten Trägers getroffene Regelung für den Erstattungsanspruch maßgeblich ist (BSGE 57, 146, 149; 58, 119, 126; 76, 218, 220; 82, 226, 228; SozR 4100 § 105 b Nr. 6 S. 28; SozR 3-1300 § 104 Nr. 8 S. 23, Nr. 15 S. 57; SozR 3-1300 § 112 Nr. 2 S. 5). Die dogmatische Grundlage dieser Auffassung ist unklar. Während einmal eine über die Bestandskraft innerhalb der Beteiligten des Verwaltungsverfahrens hinausgehende Bindungswirkung des Bescheides im Sinne einer Tatbestandswirkung angenommen wird (so der 9. Senat des BSG im Urteil vom 23.06.1993, SozR 3-1300 § 112 Nr. 2 S. 5; wohl auch der 13. Senat in den Urteilen vom 9.8.1995 (BSGE 76, 218, 220) und 8.7.1998 (BSGE 82, 226, 228)), wird eine Tatbestandwirkung in anderen Entscheidungen bezweifelt (7. Senat des BSG, Urteil vom 12.05.1999, SozR 3-1300 § 104 Nr. 15 S. 57; offen gelassen vom 1. Senat im Urteil vom 1.4.1993 (BSGE 72, 163, 166); ablehnend Bundesverwaltungsgericht, a.a.O.). Soweit insbesondere der 7. Senat des BSG (a.a.O.) den Rechtsgrund für das Akzeptieren müssen eines ablehnenden Leistungsbescheides in dem gegliederten und auf Aufgabenverteilung beruhenden Sozialleistungssystem sieht, erscheint diese Begründung vor dem Hintergrund der oben genannten gesetzlichen Konzeption der Erstattungsansprüche kaum tragfähig, weil den Trägern von der Rechtsposition des Berechtigten unabhängige Ansprüche eingeräumt worden sind. Folgerichtig kann für den Erstattungsanspruch nur die materiell-rechtliche Rechtslage entscheidend sein (so im Ansatz auch der 1. Senat des BSG, a.a.O.).
Allerdings kann aufgrund der gesetzlichen Regelung der Zuständigkeitsabgrenzung zwischen den Sozialleistungsträgern die Verwaltungsentscheidung des zur Erstattung verpflichteten Trägers Bedeutung auch für den Erstattungsanspruch erlangen. Dies ist vor allem im Verhältnis zwischen Rentenversicherungsträgern und Krankenkassen hinsichtlich der Frage der Fall, wann das Krankengeld infolge der Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung, Erwerbsunfähigkeit und Alters entfällt. § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB V macht das Ende des Krankengeldanspruchs vom „Bezug“ der Rente abhängig, was der früheren Regelung in der Vorgängervorschrift des § 183 Abs. 3 Reichsversicherungsordnung entspricht, wo auf die „Zubilligung“ der Rente abgestellt wurde. Da sowohl der „Bezug“ als auch die „Zubilligung“ der Rente eine Entscheidung des Rentenversicherungsträgers über das Bestehen und den Beginn eines Rentenanspruchs voraussetzen ist es folgerichtig, in diesem Zusammenhang für die Entscheidung über den Umfang des Erstattungsanspruchs allein auf den Inhalt des Rentenbescheides abzustellen und einen Erstattungsanspruch der Krankenkasse nur nach Maßgabe dieses Bescheides zu bejahen (nur aus diesem Grund hat der 1. Senat des BSG, a.a.O. nicht die materiell-rechtliche Rechtslage für entscheidend gehalten; soweit der 13. Senat – a.a.O. – in Fortführung dieser Rechtsprechung ausführt, der zur Erstattung verpflichtete Träger dürfe sich gegenüber dem Erstattungsanspruch auf bindende Entscheidungen einschließlich der Tatbestandwirkung berufen, ist dies eine für das Ergebnis seiner Entscheidungen letztlich überflüssige Aussage). Eine vergleichbare gesetzliche Regelung, die die Zuständigkeit zwischen den Trägern von der Verwaltungsentscheidung eines der Träger abhängig macht, gibt es im vorliegenden Fall aber nicht.
Selbst wenn man grundsätzlich der neueren Rechtsprechung des BSG folgt, kann in Fällen der vorliegenden Art ein Bescheid der Krankenkasse jedenfalls deshalb nicht für den Erstattungsanspruch des Sozialhilfeträgers maßgeblich sein, weil dieser nach § 91 a BSHG zur Anfechtung von Leistungsbescheiden berechtigt ist. Der Sozialhilfeträger ist also gerade nicht an die im Verhältnis zum Leistungsberechtigten getroffenen Entscheidungen gebunden, ihm ist die Möglichkeit eingeräumt worden, unabhängig vom Leistungsberechtigten die Feststellung dessen Leistungsanspruchs zu betreiben. Dabei hat der Sozialhilfeträger ein Wahlrecht zwischen dem Vorgehen nach § 91 a BSHG und der Geltendmachung eines Erstattungsanspruchs (BSG SozR 3-2500 § 58 Nr. 4 S. 14; BSGE 82, 112, 114 in Fortführung der Rechtsprechung zum früheren Recht, vgl. BSGE 16, 44, 46; s. auch Schellhorn/Jirasek/ Seipp, BSHG, 15. Auflage, § 91 a Nr. 7; Schmitt/Hillermeier, BSHG § 91 a Rdnr. 5 a.E.). Da der Sozialhilfeträger sogar beide Wege nebeneinander beschreiten kann (so ausdrücklich BSGE 82, 112, 114) war der Kläger auch nicht verpflichtet, nach Erhalt des Widerspruchsbescheides Klage zur Verfolgung des Leistungsanspruchs des Beigeladenen zu erheben. Vielmehr stand es ihm frei, auf den Widerspruchsbescheid Klage zu erheben oder den Erstattungsanspruch anzumelden. Dabei erscheint die Klage mit dem Ziel der Erstattung gegenüber dem Weg der Feststellung der Leistung nach § 91 a BSHG die prozessual sinnvollere Lösung. Bei einer Klage nach § 91 a BSHG wird nämlich nur die Leistungsberechtigung des Beigeladenen überprüft, nicht zu entscheiden ist jedoch über die sonstigen Voraussetzungen eines Erstattungsanspruchs. Nur die auf Erstattung gerichtete Leistungsklage, bei der ohnehin der Leistungsanspruch zu prüfen ist, ermöglicht also die abschließende Entscheidung über das Erstattungsverhältnis. Ob der Sozialhilfeträger einen den Leistungsanspruch verneinenden Bescheid des zur Erstattung verpflichteten Trägers auch hinsichtlich seines Erstattungsanspruchs gegen sich gelten lassen muss, wenn er nach § 91 a BSHG als gesetzlicher Prozessstandschafter für den Leistungsberechtigten das Verwaltungsverfahren durchgeführt hat (so BSG SozR 3-1300 § 104 Nr. 15 S. 57 f), kann dahinstehen, da ein solcher Fall nicht vorliegt.
Der Beigeladene hatte im streitigen Zeitraum Anspruch nach § 39 Abs. 1 SGB V auf vollstationäre Krankenhausbehandlung gegen die Beklagte. Ein solcher Anspruch setzt voraus, dass eine Krankenbehandlung aus medizinischen Gründen mit den Mitteln eines Krankenhauses – geschultes Pflegepersonal, apparative Mindestausstattung, intensive Behandlung durch rufbereite Ärzte – durchgeführt werden muss (vgl. etwa BSG SozR 2200 § 184 Nrn. 11, 22, 28; USK 9471). Naturgemäß spielt bei einer psychiatrischen Behandlung die apparative Ausstattung eines Krankenhauses eine untergeordnete Rolle. Wenn auch die alleinige Notwendigkeit einer Betreuung des Kranken durch psychiatrisch geschultes Personal nicht ausreicht (BSG USK 80, 211; SozR 2200 § 184 Nr. 28), kann andererseits eine stationäre Behandlung erforderlich sein, wenn Umfang und Vielgestaltigkeit der Therapiemaßnahmen eine ambulante Behandlung nicht zulassen (vgl. Kass.Komm. – Höfler, § 39 SGB V Rdnr. 18).
Zur Überzeugung des Senats steht aufgrund des Gutachtens von Dr. B … fest, dass der Beigeladene im streitigen Zeitraum stationärer Behandlung bedurfte. Der Sachverständige ist unter Auswertung der Krankenakte des Beigeladenen zur Feststellung gelangt, gerade im streitigen Zeitraum seien Behandlungsansätze für den Beigeladenen ausgearbeitet worden, die sich insbesondere auf die individuelle Psychotherapie in einer Gruppe wie auch in Einzelgesprächen bezogen hätten. Gerade unter einer solchen veränderten Psychotherapie könne es durchaus zur Auslösung eines Wahns bzw. eines ganzen Wahnsystems kommen, so dass damit auch berechtigterweise die Hoffnung auf eine Besserung des ungünstigen Verlaufs gegeben gewesen sei. Den Krankenunterlagen sei auch zu entnehmen, dass Ärzte, nichtärztliche Therapeuten und Pflegepersonal unter ärztlicher Weisung und Kontrolle zusammengearbeitet hätten und ein ausreichender Informationsaustausch stattgefunden habe. Zu jeder Zeit sei ein Arzt in die laufende Behandlung eingebunden gewesen. Die vorliegenden Behandlungspläne Nr. 28 bis 36 dokumentierten ausreichend, dass die Ärzte jeweils konkrete Therapieziele entwickelt und diese durch die verschiedenen angegebenen Behandlungen anvisiert bzw. auch realisiert hätten. Aus den Behandlungsplänen gehe insbesondere hervor, dass während des fraglichen Zeitraums auch Medikationsänderungen erfolgt seien und dass die getroffenen Behandlungsmaßnahmen sich den formulierten Zielen eindeutig zuordnen ließen. In der ergänzenden Stellungnahme vom 06.11.2000 hat Dr. B … nochmals betont, nur durch die intensive Zusammenarbeit aller in der Psychiatrie tätigen Berufsgruppen sei der – wenn auch geringe – Erfolg der Behandlung zu erreichen gewesen. Vor allem was die psychologischen und ärztlichen Gespräche angehe, wäre im Rahmen einer Heimunterbringung die Behandlung bei weitem nicht so intensiv gewesen. Gerade die hohe Intensität der Behandlung sei aber bei einer derartig chronifizierten Erkrankung die einzige Chance gewesen, das Krankheitsbild etwas zu verbessern.
Der Senat hat keine Bedenken, der in sich schlüssigen und nachvollziehbaren Beurteilung des Sachverständigen zu folgen. Soweit Dr. M … in seiner Stellungnahme vom 22.07.1994 in Zweifel gezogen hatte, ob die Krankheit des Beigeladenen überhaupt Behandlungsmaßnahmen zugänglich sei, hat nicht nur Dr. B … einen geringfügigen Erfolg der Behandlung bejaht, sondern auch die Ärztin K … eine geringe Besserung konzediert. Die im Gerichtsverfahren von der Beklagten eingeholten Stellungnahmen des MDK sind widersprüchlich und können das Gutachten nicht in Frage stellen. Die Ärztin B … hat zwar die Notwendigkeit einer intensiven fachpflegerischen Betreuung und der Bereitschaft eines ständig rufbereiten Arztes eingeräumt, die Notwendigkeit von Krankenhausbehandlung aber wegen des geringen Erfolges verneint. Davon abgesehen, dass ihr die Krankenakte nicht vorlag und sie selbst einräumt, eine abschließende Beurteilung erst nach Vorlage eines Verlaufsberichts abgeben zu können, ist ihre Begründung für die Verneinung des Anspruchs fehlerhaft, denn es ist nicht statthaft, nur wegen eines (zu) geringen Behandlungserfolges die Notwendigkeit von Krankenhausbehandlung zu verneinen. Die Ärztin K … bestreitet demgegenüber, dass das therapeutische Geschehen der ständigen Kontrolle und Weisung eines Arztes bedurft hätte und dass wegen des Krankheitsbildes ein ständig rufbereiter Arzt habe zur Verfügung stehen müssen. Das leuchtet angesichts der in der Krankenakte dokumentierten Auffälligkeiten des Beigeladenen und der ständigen Kontakte von Ärzten und psychologischen Therapeuten mit dem Beigeladenen nicht ein. Wenn auch grundsätzlich der Hinweis der Beklagten zutrifft, dass allein die Schwere einer Krankheit nichts darüber aussagt, ob eine Behandlung unter stationären Bedingungen erforderlich ist, hält der Senat die auf das ärztliche Erfahrungswissen des Sachverständigen gestützte Beurteilung, dass bei den formulierten Behandlungszielen angesichts des schweren Krankheitsbildes grundsätzlich die Rufbereitschaft eines ständig erreichbaren Arztes erforderlich war, für überzeugend. Insoweit ist auch weniger entscheidend, ob und wie oft der Arzt tatsächlich hinzugezogen werden musste als vielmehr der Umstand, ob nach dem Krankheitsbild die Behandlung ständige ärztliche Präsenz voraussetzte. Ebenso ist überzeugend und nachvollziehbar, wenn Dr. B … ausführt, nur durch das intensive Zusammenwirken aller an der Therapie Beteiligten unter ärztlicher Anleitung habe der – wenn auch geringe – Erfolg erzielt werden können. Es leuchtet ein, dass im Rahmen einer Heimunterbringung eine Behandlung bei weitem nicht so intensiv hätte sein können, insbesondere was die psychologischen und ärztlichen Gruppengespräche anbelangt. Gleichzeitig bot nach der Beurteilung des Sachverständigen nur die hohe Intensität der Behandlung bei der chronifizierten Erkrankung eine Chance, das Krankheitsbild etwas zu verbessern.
Hinsichtlich der Höhe der Erstattungsforderung besteht zwischen den Parteien kein Streit. Der Kläger hat den Erstattungsanspruch auch rechtzeitig angemeldet (§ 111 Satz 1 SGB X).
Der Anspruch auf Verzinsung des Erstattungsanspruchs ergibt sich aus der am 01.08.1996 in Kraft getretenen Vorschrift des § 108 Abs. 2 Satz 1 SGB X.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Der Senat hat dem Rechtsstreit im Hinblick auf die Frage, ob dem Erstattungsanspruch ein bindend gewordener negativer Leistungsbescheid entgegensteht, grundsätzliche Bedeutung beigemessen und daher die Revision zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Insoweit ist die höchstrichterliche Rechtsprechung nicht eindeutig.